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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 20 A 01.40057
Rechtsgebiete: LuftVG


Vorschriften:

LuftVG § 6 Abs. 4
LuftVG § 8 Abs. 4
LuftVG § 29 b Abs. 1 Satz 2
1. Die Festlegung einer Grenze von 6 Lärmereignissen mit einem Außenpegel von 70 dB(A) in Verbindung mit einem Dauerschallpegel von höchsten 50 dB(A) als Zumutbarkeitsschwelle für nächtlichen Fluglärm ist nicht zu beanstanden.

2. Grundsätze der Raumordnung in Regionalplänen jedenfalls aus der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Raumordnungsgesetzes von 1997 entfalten keine Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

20 A 01.40019 20 A 01.40020 20 A 01.40021 20 A 01.40022 20 A 01.40023 20 A 01.40025 20 A 01.40026 20 A 01.40027 20 A 01.40030 20 A 01.40031 20 A 01.40032 20 A 01.40033 20 A 01.40034 20 A 01.40035 20 A 01.40036 20 A 01.40037 20 A 01.40038 20 A 01.40039 20 A 01.40040 20 A 01.40041 20 A 01.40042 20 A 01.40043 20 A 01.40044 20 A 01.40045 20 A 01.40046 20 A 01.40047 20 A 01.40048 20 A 01.40049 20 A 01.40050 20 A 01.40051 20 A 01.40052 20 A 01.40053 20 A 01.40054 20 A 01.40055 20 A 01.40056 20 A 01.40057 20 AS 01.40067

Verkündet am 3. Dezember 2002

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen Änderungsgenehmigung vom 23.3.2001 (Nachtflugregelung Flughafen München);

hier: Klagen aller Kläger und Anträge der Kläger zu 36 und 37 nach § 80 Abs. 5 VwGO.

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Reiland, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Guttenberger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11., 12 und 13. November 2002 am 3. Dezember 2002

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Klagen werden abgewiesen.

III. Die Kläger tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst und die übrigen Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach dem Verhältnis der festgesetzten Streitwerte. Die Kläger zu 11, 14, 17, 19, 20, 25, 30, 34 und 35 haften für ihren Kostenanteil jeweils als Gesamtschuldner.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Und folgenden Beschluss:

Der Streitwert wird auf 690.000 Euro festgesetzt. Davon entfallen auf den Kläger zu 1 10.000 Euro, die Klägerin zu 2 50.000 Euro, die Klägerin zu 3 80.000 Euro, die Klägerin zu 4 50.000 Euro, die Klägerin zu 5 100.000 Euro, die Klägerin zu 6 90.000 Euro, die Klägerinnen zu 7 und 8 jeweils 10.000 Euro und die Kläger zu 9 bis 37 jeweils 10.000 Euro.

Und im Verfahren 20 AS 01.40067 folgenden

Beschluss:

I. Die Anträge der Kläger auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen werden abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.

III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die von der Regierung von Oberbayern für den Flughafen München mit Änderungsgenehmigung vom 23. März 2001 erlassene Nachtflugregelung. Damit wurde die luftrechtliche Genehmigung vom 9. Mai 1974 ergänzt und insoweit der Planfeststellungsbeschluss vom 8. Juli 1979 in der Fassung des 31. Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 7. August 1991 abgeändert und die zuletzt gültige Nachtflugregelung, die unter anderem das zulässige Flugbewegungsaufkommen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr auf insgesamt 38 Flugbewegungen begrenzt hatte, durch folgende Regelung ersetzt:

"I. Regelung für den Nachtflugverkehr

In der Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr Ortszeit (Nachtzeit) unterliegt der Flugbetrieb aus Lärmschutzgründen folgenden Beschränkungen:

1. Betriebszeitenbeschränkungen

Nachtflüge sind nur nach folgenden Maßgaben zulässig:

Mit Luftfahrzeugen, die die Lärmgrenzwerte des Anhangs 16 Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen nicht überschreiten

1.1 im gewerblichen Linien- und Bedarfsluftverkehr

5.1.1 bis zu 28 planmäßige Flugbewegungen in der Zeit

- von 22.00 Uhr bis 23.30 Uhr (bis Beginn Sommerflugplan 2002 bis 24.00 Uhr) für Starts und Landungen,

- von 05.00 bis 06.00 Uhr nur für Landungen;

Interkontinentalflüge haben Vorrang, in Ausnahmefällen und bei Vorliegen eines besonderen Verkehrsinteresses dürfen derartige Flüge bis 24.00 Uhr geplant werden;

5.1.2 verspätete Landungen und Starts in der Zeit

- von 22.00 bis 24.00 Uhr,

sofern die planmäßige Ankunfts- oder Abflugzeit am oder vom Flughafen München vor 22.00 Uhr liegt bzw. bei Flugbewegungen nach den Nrn. 1.1.1, 1.1.3 und 1.2 vor 23.30 Uhr und die Ankunft oder der Abflug vor 24.00 Uhr erfolgt

verfrühte Landungen in der Zeit

- von 05.00 bis 06.00 Uhr,

sofern die planmäßige Ankunftszeit nach 06.00 Uhr liegt;

5.1.3 Flüge von Luftfahrtunternehmen, die einen Wartungsschwerpunkt ihrer Luftfahrzeuge auf dem Flughafen München haben, in der Zeit

- von 22.00 bis 23.30 Uhr (bis Beginn Sommerflugplan 2002 bis 24.00 Uhr) für alle Landungen sowie für planmäßige Starts von Flügen im Interkontinentalverkehr;

- von 05.00 bis 06.00 Uhr für Starts zu Überführungsflügen (Leerflügen) und für Landungen im Interkontinentalverkehr;

in Ausnahmefällen und bei Vorliegen eines besonderen Verkehrsinteresses dürfen Flüge im Interkontinentalverkehr bis 24.00 Uhr geplant werden;

5.2 planmäßige Starts oder Landungen von Flugzeugen, die an jeder einzelnen Lärmmessstelle in der Umgebung des Flughafens München im Mittel keinen höheren Einzelschallpegel als 75 dB(A) erzeugen, in der Zeit

- von 22.00 bis 23.30 Uhr,

- von 05.00 bis 06.00 Uhr;

diese Regelung gilt nachrangig auch für Passagierflüge von Luftfahrtunternehmen mit Flugzeugen mit einer zulässigen Gesamtabflugmasse von mehr als 12 Tonnen, sofern derartige Flüge regelmäßig durchgeführt und am Vortag beim Flugplankoordinator angemeldet werden;

5.3 Flüge, die für Dienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 1 a PostG vom 22. Dezember 1997 (BGBl I S. 3294) erbracht oder als Vermessungsflüge durchgeführt werden, in der Zeit

- von 22.00 bis 06.00 Uhr;

1.4 Ausbildungs- und Übungsflüge, die nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften für den Erwerb, die Verlängerung oder die Erneuerung einer Erlaubnis oder Berechtigung als Luftfahrer zur Nachtzeit erforderlich sind und in diesem Rahmen vor 22.00 Uhr nicht beendet werden können, in der Zeit

- von 22.00 bis 23.00 Uhr.

2. Ausnahmen

Die Beschränkungen in A.I.1 finden keine Anwendung auf:

5.1 Flüge zur Hilfeleistung in Not- und Katastrophenfällen sowie zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben,

5.2 Landungen aus meteorologischen, technischen und sonstigen Flugsicherheitsgründen,

5.3 Flüge, die das Bayer. Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie oder nach dessen näherer Bestimmung die Luftaufsichtsstelle am Flughafen München in begründeten Ausnahmefällen zugelassen hat, weil sie zur Vermeidung erheblicher Störungen im Luftverkehr oder aus sonstigen Gründen besonderen öffentlichen Interesses erforderlich sind.

3. Lärmbegrenzende Betriebsbeschränkungen

3.1 Begrenzung der Nachtflüge durch Lärmkontingent

Die Nachtflugbewegungen in ihrer Gesamtheit unterliegen einem Lärmkontingent. Für die Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres wird das maximale Lärmvolumen für alle Starts und Landungen auf Neq = 105 festgesetzt. Dieser Grenzwert darf nicht überschritten werden. Der Anhang 1 mit der Berechnungsmethode des Lärmkontingents ist Bestandteil dieses Bescheids.

3.2 Begrenzung nächtlichen Fluglärms an den Schutzgebietsgrenzen

An den Schnittpunkten der Flugkorridore mit der jeweils äußeren Grenzlinie des ausgewiesenen kombinierten Tag-/Nachtschutzgebietes (umhüllende Linie) darf der Nachtflugverkehr den energieäquivalenten Dauerschallpegel von Leq = 50 dB(A) für die Durchschnittsnacht eines Kalenderjahres nicht überschreiten, es sei denn, die Pegelüberschreitung trifft auf kein Gebiet mit einer bestehenden Wohnsiedlung oder einer hinreichend bestimmten Bauleitplanung, die Wohnbauflächen ausweist. Ansprüche auf passiven Lärmschutz bleiben hiervon unberührt.

Der Anhang 2 mit der Berechnungsmethode des energieäquivalenten Dauerschallpegels an den Schnittpunkten ist Bestandteil dieses Bescheids.

3.3 Lärmminimierende Bahnverteilung

Die Nachtflugbewegungen sind unter Berücksichtigung der Siedlungsstruktur, soweit flugsicherheitlich vertretbar, so auf die Start- und Landebahnen zu verteilen, dass sich daraus insgesamt eine geringstmögliche Belastung der Bevölkerung ergibt.

3.4 Vorrang bei der Flugplanung

Bei gleicher Verkehrsfunktion genießen im Rahmen der Flugplanung leisere Flugzeugmuster Vorrang vor lauterem Gerät.

4. Modifizierte Bonusliste

Ab Sommerflugplan 2002 dürfen in der Zeit zwischen 22.00 und 06.00 Uhr nur mehr Flugzeuge starten und landen, die in der jeweils aktuellen Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geführt werden (Anhang 4). Diese Liste wird von der Regierung erweitert um die Flugzeugmuster B 737-600/700/800. Ausgenommen von dieser Regelung sind Flugbewegungen gemäß den Nrn. A.I.1.1.2 und A.I.2 dieses Bescheids.

Die Genehmigungsbehörde behält sich das Recht vor, die abgewandelte Bonusliste ab dem Jahr 2004 weiter zu modifizieren.

II. Auflagen, Maßgaben und Hinweise zur Änderungsgenehmigung

5 Auflage zur Begrenzung der Nachtflüge durch Lärmkontingent (Kontrollverfahren)

1.1 Die Einhaltung des maximalen äquivalenten Lärmvolumens (A.I.3.1) ist durch eine jährlich nach Anhang 1 zu erstellende Vergleichsrechnung auf der Basis der Betriebsdaten des abgelaufenen Kalenderjahres zu überwachen. Die Vergleichsrechnung mit Erläuterung ist den zuständigen Luftfahrtbehörden und der Fluglärmkommission vorzulegen sowie den Luftverkehrsgesellschaften zugänglich zu machen. Das wesentliche Ergebnis der Vergleichsberechnung ist in den Immissionsbericht der FMG aufzunehmen.

5.1 Nach Erreichen von 80% des maximalen Lärmvolumens ist den zuständigen Luftfahrtbehörden vor jeder Ermittlung der Flughafenkapazität zur Festlegung des Koordinationseckwertes gemäß § 27 a Abs. 2 LuftVG eine lärmphysikalische Prognose entsprechend Anhang 1 zum geplanten Bewegungsaufkommen zu übermitteln.

6 Auflage zur Begrenzung nächtlichen Fluglärms an den Schutzgebietsgrenzen (Kontrollverfahren)

2.1 Die Einhaltung des Leq = 50 dB(A) an den Schnittpunkten (A.I.3.2) ist durch eine jährliche nach Anhang 2 zu erstellende Kontrollrechnung auf der Basis der Betriebsdaten des abgelaufenen Kalenderjahres zu überwachen. Die Kontrollrechnung ist für alle Schnittpunkte der An- und Abflugkorridore mit der jeweils äußeren Grenzlinie des kombinierten Tag-/Nachtschutzgebietes zu erstellen.

6.1 Die Kontrollrechnung mit Erläuterung ist den zuständigen Luftfahrtbehörden und der Fluglärmkommission vorzulegen sowie den Luftverkehrsgesellschaften zugänglich zu machen. Das wesentliche Ergebnis der Kontrollrechnung ist in den Immissionsbericht der FMG aufzunehmen.

3. Passiver Lärmschutz

5.1 Das kombinierte Tag-/Nachtschutzgebiet (umhüllende Linie) in der Fassung des mit Planfeststellungsbeschluss vom 08.07.1979 festgesetzten Nachtschutzgebietes (Auflage IV.1.3.2) und in der Fassung des mit 47. Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 28.02.1995 festgesetzten erweiterten Tagschutzgebietes (Auflage IV.1.1.2) wird um folgende Wohnlagen erweitert:

- Ortsteil Reichenkirchen (Gemeinde Fraunberg) insgesamt

- Ortsteil Hatting (Gemeinde Fraunberg) insgesamt

- Ortsteil Singlding (Gemeinde Fraunberg) insgesamt

- Ortsteil Angelsbruck (Gemeinde Fraunberg) insgesamt

- Ortsteil Riding (Gemeinde Fraunberg) insgesamt

- Ortsteil Sickenhausen (Gemeinde Kranzberg) insgesamt

- Ortsteil Viehhausen (Gemeinde Kranzberg) insgesamt

- Ortsteil Giggenhausen (Gemeinde Neufahrn) insgesamt

- Ortsteil Schaidenhausen (Gemeinde Neufahrn) insgesamt

- Ortsteil Weg (Markt Wartenberg) insgesamt

- Ortsteil Maurer (Markt Wartenberg) insgesamt

Hinweis: Für das Tagschutzgebiet wurde bereits mit Erlass des 35. Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 28.01.1992 die Gewährung von baulichem Schallschutz einschließlich Belüftungsanlagen auch für die Schlafräume verfügt.

5.2 Die im Planfeststellungsbeschluss vom 08.07.1979 verfügte Auflage IV.1.3.1 zum Anspruch auf Schallschutzvorrichtungen in der geänderten Fassung des 35. Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 28.01.1992 und die Auflagen IV.1.6.1 bis 1.6.5 gelten mit Ausnahme von 1.6.3 entsprechend.

5.3 Der Anspruch auf Einbau von Schallschutzvorrichtungen in Schlafräumen einschließlich Belüftungsanlagen kann bis zum 31.12.2006 geltend gemacht werden.

5.4 Die Plankarte mit der erweiterten Grenzlinie einer sechsmaligen Überschreitung des Maximalpegels von 70 dB(A) außen nachts (Anhang 3) ist Bestandteil dieses Bescheids.

5 Abgrenzung des Interkontinental-/Kontinentalverkehrs

Kein Interkontinentalverkehr im Sinne dieses Bescheides sind Destinationen auf den Kanarischen Inseln sowie in den Mittelmeeranrainerstaaten

6 Definition Wartungsschwerpunkt

Ein Wartungsschwerpunkt am Flughafen München im Sinne von A.I.1.1.3 ist gegeben, wenn ein Luftfahrtunternehmen

5.1 eine Genehmigung als Instandhaltungsbetrieb gemäß § 13 LuftGerPV i.V.m. JAR 145 besitzt, genehmigte Wartungsarbeiten vom sog. A-Check aufwärts tatsächlich durchgeführt und hierfür die erforderliche Technik sowie das entsprechend qualifizierte und lizenzierte Personal vorhält oder

5.2 durch ein anderes Luftfahrtunternehmen, das dem selben Konzern angehört und das die Voraussetzungen der Nr. 5.1 erfüllt, Wartungsarbeiten im entsprechenden Umfang durchführen lässt

6. Kontrolle der Nutzergruppen

Die Flughafenunternehmerin ist verpflichtet, DV-technisch sicherzustellen, dass eine luftfahrtbehördliche Kontrolle der durchgeführten Flugbewegungen hinsichtlich ihrer Einordnung innerhalb der hier getroffenen Regelung möglich ist.

7. Auflagenvorbehalt

Die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm bleibt vorbehalten."

Nachdem die Beigeladene mit Schreiben vom 28. September 1999 bei der Regierung von Oberbayern gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 und § 6 Abs. 4 Satz 2 Luftverkehrsgesetz (LVG) die Änderung der bisherigen Nachtflugregelung beantragt hatte, legte diese in zahlreichen Gemeinden des Flughafenumlandes, im Verwaltungsgebäude der Beigeladenen am Flughafen und im eigenen Verwaltungsgebäude in der Prinzregentenstraße vom 2. November bis 8. Dezember 1999 die Antragsunterlagen zur Einsichtnahme aus. Zeit und Ort der Auslegung sowie die Äußerungsfrist (bis 31.12.1999) wurden durch Veröffentlichungen in den Amtsblättern oder auf andere Weise ortsüblich bekannt gemacht. Gegen die geplante Änderung der Nachtflugregelung wurden von zahlreichen Gebietskörperschaften und seitens einer Vielzahl von Privatbetroffenen Einwendungen erhoben.

Die Änderungsgenehmigung wurde von der Regierung von Oberbayern am 6. April 2001 im Oberbayerischen Amtsblatt und am 7. April 2001 in mehreren örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekannt gemacht. Die Bekanntmachung enthielt neben der wörtlichen Wiedergabe des verfügenden Teils der Änderungsgenehmigung eine Rechtsmittelbelehrung sowie den Hinweis, dass eine Ausfertigung des Bescheides von Dienstag, den 17. April 2001 bis einschließlich Freitag, den 4. Mai 2001 während der Dienststunden in den im Einzelnen aufgeführten Gemeinden zur Einsicht aufliegt.

Mit Ausnahme der Klägerinnen zu 2 und 4, die sich ausschließlich auf die Verletzung ihrer gemeindlichen Planungshoheit berufen, sind alle Kläger Eigentümer von einem oder mehreren zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken, die zum überwiegenden Teil (Kläger zu 1, 3, 5, 7, 8 und 10, zu 12 bis 15, zu 18, zu 21 bis 23, zu 25 und 27, zu 29 bis 30 und zu 32 bis 37) innerhalb des (erweiterten) Tag-/Nachtschutzgebiets liegen. Außerhalb desselben liegen die Grundstücke der Kläger zu 6, 9, 11, 16, 17, 19, 20, 24, 26, 28 und 31.

Mit ihren zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhobenen Klagen beantragen alle Kläger, den Änderungsbescheid vom 23. März 2001 aufzuheben.

Mit Ausnahme der Kläger zu 2 und 4 und zu 34 bis 37 stellen sie zusätzlich folgende Hilfsanträge:

1. Der Beklagte wird verpflichtet, die Änderungsgenehmigung vom 23.3.2001 um Auflagen für einen zusätzlichen aktiven, hilfsweise passiven Lärmschutz zu ergänzen, die sicherstellen, dass auf die Innen- und Außenwohnbereiche der Anwesen der Kläger keine vom Verkehrsflughafen München, insbesondere von Flugbewegungen herrührenden, in einem Wohngebiet unzumutbaren Lärmbelastungen einwirken;

2. die Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über weitergehende Vorkehrungen zum Schutz der klägerischen Wohnanwesen nebst Grundstücken vor Fluglärm, hilfsweise über eine angemessene Entschädigung wegen fluglärmbedingter Wertminderung ihrer Wohnanwesen nebst Grundstücken neu zu entscheiden.

Die Kläger zu 36 und 37 beantragen ferner, die aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen wiederherzustellen.

Zur Begründung tragen die Kläger im wesentlichen vor:

Die angefochtene Nachtflugregelung hätte nicht durch einfache Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG, sondern nur nach Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens einschließlich förmlicher Umweltverträglichkeitsprüfung erlassen werden dürfen, denn sie enthalte jedenfalls zum Teil auch Regelungen, die wegen ihrer schwerwiegenden Auswirkungen auf das Umland des Flughafens nicht mehr als einfache betriebliche Regelungen im Sinne von § 8 Abs. 4 LuftVG qualifiziert werden könnten.

In materiell-rechtlicher Hinsicht verletze die Änderungsgenehmigung die verfassungsrechtlich verbürgten Rechte der Kläger auf körperliche Unversehrtheit, auf Schutz ihres Eigentums sowie auf Beachtung der gemeindlichen Planungshoheit der am Verfahren beteiligten Gebietskörperschaften. Die neue Nachtflugregelung beruhe auf einer fehlerhaften Abwägung der betroffenen Belange.

Nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes wäre die Genehmigungsbehörde unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung an ihre bisherige Nachtflugregelung, die den Schutz der Anwohner vor nächtlichem Fluglärm angemessen berücksichtigt habe, gebunden gewesen. Nach den Äußerungen der Genehmigungsbehörde in der luftrechtlichen Genehmigung und dem 35. Änderungsplanfeststellungsbeschluss zum Lärmschutz hätten die Kläger nicht damit rechnen müssen, dass die ursprüngliche Beschränkung auf maximal 38 Flugbewegungen je Nacht - einschließlich der Verspätungsflüge, aber ohne Sonderflüge - sowie das Verbot, niedrigere Bewegungszahlen einer Nacht durch höhere in einer anderen Nacht auszugleichen, aufgegeben werde.

Die Abwägung beruhe auf einer fehlerhaften Ermittlung der abwägungserheblichen Belange, da die beigezogenen Gutachten in mehrfacher Hinsicht mangelhaft seien:

Die lärmphysikalischen Gutachten des Ingenieurbüros Obermeyer und des Sachverständigen Meyer beruhten auf unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen. Im Gegensatz zum Gutachten Obermeyer, das bei seinen Berechnungen den aktuellen Entwurf der AzB (Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm) 1998 berücksichtigte habe, habe der Sachverständige Meyer die veraltete AzB 1984 angewandt, weshalb das Lärmkontingent zu hoch festgesetzt worden sei. Außerdem seien die Berechnungen im Sachverständigengutachten Meyer zur Ermittlung des Lärmvolumens nicht nachvollziehbar. Weder entsprächen die im Gutachten angenommenen Steigprofile der AzB noch hielten die zu Grunde gelegten Flugrouten einer flugtechnischen Überprüfung stand. Nachdem damit der Basiswert Lax zu niedrig angenommen worden sei, habe dies zur Folge, dass alle Pegel zur Berechnung des 6 x 70 dB (A) (Außen-) Kriteriums ebenfalls zu niedrig seien. Des weiteren beruhe die Berechnung des Lärmkontingents Leq auf Daten, die nach unten manipuliert seien, um zu "schöneren" Werten zu gelangen.

Das lärmmedizinische Gutachten von Jansen und Scheuch entspreche nicht neuesten Erkenntnissen der Lärm(wirkungs)forschung, weshalb sie zur Ermittlung der gesundheitlichen Belastungen von Flughafenanwohnern durch Lärm nicht geeignet seien. Die von diesen Sachverständigen für die Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen angenommenen Grenzwerte bezögen sich ausschließlich auf die Aufweckreaktion, berücksichtigten aber nicht darunterliegende Belastungen, die zu einer Übersteuerung der vegetativen Funktionen führten. Insbesondere seien die von anderen Wissenschaftlern (Maschke und Spreng) in Laborversuchen unter Lärmeinfluss gefundenen Veränderungen der Katecholamine und des Cortisols bei der Beurteilung der Gesundheitsgefährdung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch werde die Kausalität zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Hypertonie und Ischämische Herzkrankheit, und langfristigen Lärmeinwirkungen zu Unrecht als nach derzeitigem Wissensstand als nicht gesichert verneint. Ungeachtet dessen liege die Grenze lärmbedingten Erwachens nicht, wie von Jansen und Scheuch angenommen, bei Maximalpegeln von 60 dB(A), sondern nach Untersuchungen von Maschke/Hecht und Wolf schon bei Maximalpegeln von 48 dB(A). Da aber für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze nicht lediglich die Aufweckreaktion, sondern ebenso Störungen der Schlafstadien und Veränderungen der vegetativen Reaktionen zu berücksichtigen seien, sei die rechtliche Zumutbarkeitsschwelle in Bezug auf den Nachtschlaf bei sechs Fluglärmereignissen über 48 dB(A) im Rauminneren festzusetzen.

Eine weitere Fehlerquelle für die von den Sachverständigen festgelegte Schwelle der rechtlichen Zumutbarkeit folge daraus, dass sich alle ihre Annahmen und Aussagen auf einen Betriebs- und Beurteilungszeitraum von 16 Stunden tagsüber und 8 Stunden nachts bezögen, weshalb die Schwelle der rechtlichen Zumutbarkeit unter Berücksichtigung des von der Nachtflugregelung erfassten Betriebszeitraumes von drei Stunden anteilig bei 1,9 Fluglärmereignissen über 50 dB(A) im Rauminnern und entsprechend bei 1,9 Fluglärmereignissen über 65 dB(A) außen liege.

Bei der Bestimmung des für die Nacht zumutbaren Beurteilungspegels sei nach der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (16. BImSchG), die auch auf die Bewertung von Fluglärm Anwendung finde, je nach der im Einzelfall maßgeblichen Gebietskategorie zusätzlich ein Fluglärm-Malus von 10 dB(A) zu berücksichtigen. Danach ergäbe sich beispielsweise für allgemeine Wohngebiete ein äquivalenter Dauerschallpegel von 30 dB(A) innen und von 39 dB(A) außen als Immissionsgrenzwert.

Der im lärmmedizinischen Gutachten angenommene Schwellenwert für unzumutbare Lärmauswirkungen sei im Übrigen auch deshalb fehlerhaft, weil das Schutzbedürfnis von besonders gefährdeten Personengruppen, wie Kinder, alte und kranke Menschen, vernachlässigt worden sei.

Die Annahme des lärmmedizinischen Gutachtens, dass die Schalldifferenz zwischen innen und außen bei gekippten Fenstern statisch stets 15 dB(A) betrage, stehe im Widerspruch zu einer Vielzahl anderer Sachverständiger.

Auch das von der Genehmigungsbehörde eingeholte lärmpsychologische berücksichtige wie das lärmmedizinische Gutachten ausschließlich die Aufwachreaktion und vernachlässige Störungen der Schlafstadien unterhalb des Erwachens völlig.

Da hinsichtlich der Frage, ab welchem Schallpegel gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wissenschaftlicher Streit bestehe, seien nach dem Vorsorgeprinzip Regelungen zu Lasten der Flughafenanwohner so lange zu unterlassen, bis die Genehmigungsbehörde bzw. die Flughafenbetreiberin unter Umkehrung der Beweislast den Nachweis fehlender Gesundheitsgefährdung erbracht habe.

Als Folge fehlerhafter Ermittlung der abwägungserheblichen Belange seien diese auch unzutreffend gewichtet worden. Entgegen der Auffassung der Genehmigungsbehörde, wonach nächtliche Flugbewegungen generell zugelassen seien und Nachtflugbeschränkungen die Ausnahme darstellten, sei nach obergerichtlicher Rechtsprechung und der "Leitlinie zur Beurteilung von Fluglärm durch die Immissionsschutzbehörden" (LAI) vom 14. Mai 1997 Verkehrslärm in der Nacht grundsätzlich zu vermeiden und könne nur ausnahmsweise aus besonderen Gründen gerechtfertigt werden. Die von der Genehmigungsbehörde zur Begründung ihrer Änderungsgenehmigung angeführten Rechtfertigungsgründe - das Problem der Verspätungsflüge zu lösen, die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens München zu erhalten und die wirtschaftliche Entwicklung Münchens zu fördern - seien nicht tragfähig und nicht geeignet, den Vorrang des aktiven vor dem passiven Lärmschutz zu überwinden.

Die aus Lärmschutzgründen den Flugbetrieb beschränkenden Regelungen seien auch nicht geeignet, die Flughafenanwohner vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen zu schützen. Die Regelung, dass in der Nachtzeit nur planmäßige Starts und Landungen von Flugzeugen zulässig seien, die an jeder einzelnen Lärmmessstelle in der Umgebung des Flughafens München im Mittel keinen höheren Einzelschallpegel als 75 dB(A) erzeugten, bedeute, dass die Einzelschallpegel beliebige Größen annehmen könnten, wenn sie nur durch entsprechende Unterschreitungen kompensiert würden, so dass auch die Zumutbarkeitsschwelle von sechs Fluglärmereignissen ohne weiteres überschritten werden könne. Daraus folge auch, dass im Zeitraum von 22.00 bis 23.30 Uhr sowie von 5.00 bis 6.00 Uhr Starts und Landungen ohne zahlenmäßige Beschränkung möglich seien. Dies gelte für Post- und Vermessungsflüge sogar für die gesamte Nachtzeit von 22.00 bis 6.00 Uhr. Auch unter der berechtigten Annahme eines weiteren Fortschritts in der Geräuschminderung von Luftfahrzeugen bedeute das auf der Grundlage von 89 Nachtflügen verfügte Lärmkontingent keine Einschränkung der Maximalkapazität für den Flughafen München. Folglich könnten sich trotz des festgelegten Lärmkontingents im Umfeld des Flughafens nahezu beliebige über der rechtlichen Zumutbarkeitsschwelle liegende lokale Geräuschbelästigungen einstellen. Auch die Begrenzung des nächtlichen Fluglärms an Schutzgebietsgrenzen durch die Festlegung eines zulässigen äquivalenten Dauerschallpegels von 50 dB(A) an der äußeren Grenze des kombinierten Tag-/Nachtschutzgebietes könne ein Überschreiten der rechtlichen Zumutbarkeitsschwelle nicht verhindern, denn trotz Einhaltung des zulässigen Mittelungspegels seien in bestimmten Bereichen deutlich mehr als sechs Überschreitungen von 70 dB(A) zu erwarten.

Die neue Nachtflugregelung verstoße auch gegen die Ziele der Raumordnung und der Landesplanung. Danach solle die Lärmbelästigung generell und insbesondere bei Nacht durch Betriebsbeschränkungen vermindert werden. Die Ziele der Landesplanung und Raumordnung seien für die Genehmigungsbehörde verbindlich und könnten nicht im Wege der Abwägung überwunden werden.

Die Änderungsgenehmigung sei auch mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig. Durch die schwer nachvollziehbare Regelung sei insbesondere eine ausreichende und durchsetzungsfähige Überwachung der Schutzanforderungen nicht gewährleistet. Die Einhaltung der Schutzziele könne nicht mehr nachvollziehbar überprüft werden. Dadurch sei auch eine zeitnahe Abwehr von Verstößen gegen die Genehmigung durch die Betroffenen im Umfeld des Flughafens München im Wege der Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtsschutz tatsächlich und rechtlich so gut wie unmöglich. Nicht hinreichend bestimmt sei insbesondere auch die Regelung unter A.I.1.1.3 des verfügenden Teils der Änderungsgenehmigung, wonach in Ausnahmefällen und bei Vorliegen eines besonderen Verkehrsinteresses Flüge im Interkontinentalverkehr bis 24.00 Uhr geplant werden dürften. Der Begriff des "besonderen Verkehrsinteresses" sei im Bescheid nicht näher erläutert. Hinzu komme, dass neben den nach der Änderungsgenehmigung schon unbeschränkt zulässigen Postflügen nun auch verspätete Interkontinentalflüge, die regelmäßig von besonders lauten Flugzeugtypen bedient würden, nach 24.00 Uhr ohne zahlenmäßige Beschränkung zulässig seien.

Der Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen, und führt zur Begründung folgendes aus:

Alle Klagen auf Aufhebung der Änderungsgenehmigung seien wegen fehlender Rechtsverletzung und Rechtmäßigkeit der Änderungsgenehmigung unbegründet. Die Kläger würden durch diese nicht in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Für alle Kläger mit bebauten oder bebaubaren Wohngrundstücken zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsgenehmigung gelte, dass in den Schlafräumen - entweder innerhalb der Nachtschutzzone bei geschlossenen Fenstern mit automatischen Belüftern oder außerhalb der Nachtschutzzone bei gekippten Fenstern - eine von Nachtfluglärm ungestörte und frischluftgesicherten Nachtruhe gewährleistet werde. Die vorhandenen Fenster verfügten im geschlossenen Zustand über eine ausreichende Schalldämmung, die unzumutbaren Nachtfluglärm bzw. ein Überschreiten des Immissionsgrenzwertes "bis 6 x über 55 dB(A)" ausschließe. Die darüber hinaus geltend gemachten Nachteile, wie Schlafen bei geschlossenem Fenster und automatischer Belüftung, Wohnraumnutzung nach 22.00 Uhr bei geschlossenem Fenster und eingeschränkte Nutzung des Außenwohnbereichs nach 22.00 Uhr, seien als unvermeidbare Belästigungen zu beurteilen, die aber aufgrund der vorgenommenen fehlerfreien Abwägung letztlich hinzunehmen seien.

Die Änderungsgenehmigung verletze die klagenden Gebietskörperschaften nicht in ihrer Planungshoheit. Schon mit Erteilung der luftrechtlichen Genehmigung vom 9. Mai 1974 und der Ausweisung der 62-dB(A)-Lärmgrenzlinie, spätestens aber seit Erlass des luftrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses vom 8. Juli 1979 und der Ausweisung von Schutzgebieten sei für alle benachbarten Flughafengemeinden nicht nur die Rechtsverbindlichkeit des Verkehrsflughafens mit künftigen Lärmauswirkungen, sondern auch die konkret zu erwartende Lärmbelastung auf die Umgebung verbindlich festgestellt worden. Damit habe der Gebietscharakter der angrenzenden Flughafengemeinden eine flughafen- bzw. lärmbezogene Prägung erhalten, die als plangegebene Vorbelastung die Nutzbarkeit und den Wert der Grundstücke beeinflusse. Diese voraussehbaren Nachteile müssten die Flughafengemeinden in der Bauleitplanung als plangegeben hinnehmen. Die Änderungsgenehmigung verletze die klagenden Gebietskörperschaften auch nicht in ihrem fiskalischen bzw. privat genutzten Eigentum an Wohngrundstücken, da in den Schlafräumen ungestörter Nachtschlaf gewährleistet sei, und die sonstigen zumutbaren Nachteile im Innen- und Außenwohnbereich während der Nachtzeit nach dem Ergebnis einer fehlerfreien Abwägung hinzunehmen seien.

Der Abwägungsvorgang sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Rechte und berührten Belange der Kläger sowie die öffentlichen Belange seien in die Abwägung eingestellt, objektiv gewichtet und nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insbesondere durch Anordnung aktiven Lärmschutzes durch Betriebsbeschränkungen, durch Begrenzung der Nachtflüge durch Lärmkontingent, durch Begrenzung nächtlichen Fluglärms durch Langzeitmittelungspegel von 50 dB(A) an den Schutzgebietsgrenzen, durch modifizierte Bonusliste sowie durch passiven Lärmschutz durch bauliche Schallschutzvorkehrungen zum Ausgleich gebracht worden.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen, und begründet diesen Antrag wie folgt:

Einklagbare Rechte der Kläger gegen die Änderungsgenehmigung könnten sich nur insoweit ergeben, als nachteilige und rechtlich erhebliche Fluglärmeinwirkungen den Festsetzungen der Änderungsgenehmigung zuzuordnen seien. Im Übrigen hätten sie tatsächliche Lärmeinwirkungen, die infolge der ihnen gegenüber bestandskräftigen Planfeststellung entstünden, hinzunehmen. Die der Änderungsgenehmigung zuzuordnenden Fluglärmeinwirkungen würden allerdings die Grenze des Zumutbaren nicht übersteigen. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Eigentumsgrundrecht seien nicht verletzt, da der Nachweis einer Gesundheitsschädigung bzw. eines schweren Eigentumseingriffs nicht erbracht sei. Dass die Kläger nicht unzumutbaren Lärmeinwirkungen ausgesetzt würden, sei infolge geeigneter Auflagen ausgeschlossen. Die Kläger könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Fluglärmbelastung einen Risikofaktor darstelle, der nach dem Vorsorgeprinzip Schutzpflichten des Staates im von den Klägern gewünschten Umfange begründe, zumal dem Gesetzgeber bei der Erfüllung der Schutzpflicht ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. So lasse sich insbesondere der zur Begründung des Vorrangs betrieblicher Regelungen vor Schallschutzmaßnahmen geltend gemachte Anspruch auf Schlafen bei geöffneten Fenstern nicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG begründen. Auch sei die Frage der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen von Flughafenanliegern nicht bei jeder planfeststellungsbedürftigen Änderung erneut aufzuwerfen, insbesondere dann nicht, wenn es sich um Beeinträchtigungen handle, die von einer bestandskräftigen luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung gedeckt seien. Ebenso wenig wie die gesteigerte Ausnutzung einer solchen Gestattung ihrerseits zulassungsbedürftig sei, bedürfe es einer Einbeziehung der von der Genehmigung (Planfeststellung) unverändert gedeckten Beeinträchtigungen in das spätere Zulassungsverfahren. Insoweit könnten schutzwürdige Belange nicht berührt sein. Die mit den Regelungen der Genehmigungsänderung einhergehende und die tatsächliche und plangegebene Vorbelastung übersteigende Bewegungs- und Lärmmehrung habe die Genehmigungsbehörde frei von Abwägungsfehlern bewältigt. Die Änderungsgenehmigung sei sowohl Unternehmergenehmigung als zugleich Planungsentscheidung mit der Folge, dass der Genehmigungsbehörde ein gerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum zustehe. Erhebliche Mängel der Abwägung, die offensichtlich kausal für das Abwägungsergebnis gewesen seien, und die nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden könnten, hätten die Kläger nicht vorgetragen. Von den Klägern würde auch nicht bestritten, dass alle abwägungserheblichen Belange abgewogen worden seien; letztlich wendeten sie sich nur dagegen, dass die vom Beklagten beigezogenen Gutachten und Maßstäbe ihre Betroffenheit nicht vollständig erfassten und demzufolge falsch gewichtet worden seien. Die Angriffe beträfen allerdings Bereiche, für die dem Beklagten eine von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt nachprüfbare planerische Gestaltungsfreiheit zustehe. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null seien dem klägerischen Vortrag ohnehin nicht zu entnehmen. Auch unterliege die Zulassung von Flugbetrieb zur Nachtzeit nicht besonders engen planungsrechtlichen Bindungen, auch wenn die Luftfahrtbehörden gehalten seien, auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken und auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Dies sei mit den den Flugbetrieb beschränkenden Regelungen der Änderungsgenehmigung und den verfügten Schallschutzauflagen zu Gunsten der Flughafenumgebung geschehen. Die Kläger könnten ihren Aufhebungsanspruch auch nicht mit dem Vorrang von aktivem vor passivem Lärmschutz begründen. Insbesondere sei die Regelung in § 41 BImSchG, die dieses Verhältnis für Straßen- und Schienenwege im Besonderen regele, nicht anwendbar; auch könnten daraus keine Rückschlüsse auf die Bewältigung der Fluglärmprobleme gezogen werden. Die Kläger könnten den von ihnen geltend gemachten Vorrang von aktivem vor passivem Schallschutz auch nicht damit begründen, dass ihnen nicht zuzumuten sei, bei geschlossenen Fenstern mit geeigneten Lüftungseinrichtungen zu schlafen.

Die Änderungsgenehmigung sei auch objektiv rechtmäßig. Sie entspreche den Erfordernissen der Raumordnung, der Schutz vor Fluglärm sei angemessen berücksichtigt. Ein Verstoß gegen das luftverkehrsrechtliche Abwägungsgebot sei nicht gegeben. Der Anspruch der Kläger auf gerechte Abwägung sei nicht verletzt. Die Ziele des Landesentwicklungsprogramms stünden der Zulassung weiteren Flugbetriebs auf dem Verkehrsflughafen München nicht entgegen, zumal neben dem Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Einwirkungen durch Lärm als weiteres Ziel bestimmt sei, dass der Verkehrsflughafen München die interkontinentale Luftverkehrsanbindung ganz Bayerns und die nationale und kontinentale Luftverkehrsanbindung Südbayerns langfristig sicherstellen solle. Die Festsetzung im Regionalplan München, dass auf eine nachhaltige Verringerung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb hingewirkt werden solle, beschränkte die Verkehrsfunktion des Verkehrsflughafens München nicht, denn nach wie vor werde eine nahezu bewegungsfreie Kernzeit zwischen 24.00 bis 5.00 Uhr eingehalten, auch seien zuzügliche Maßnahmen passiven Schallschutzes verfügt und im Übrigen dem Schutz der Flughafenanwohner durch ein Lärmkontingent Rechnung getragen worden. Die gegen die Berechnungen im lärmphysikalischen Gutachten erhobenen Einwendungen seien ebenso wenig begründet wie die an die lärmmedizinischen Gutachter gerichteten Vorwürfe, ihre Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle sowie des Schutzziels seien unter Berücksichtigung anderer wissenschaftlicher Erkenntnisse fehlerhaft. Die in der Änderungsgenehmigung enthaltene "Lockerung" der bisherigen Nachtflugregelung sei auch, gemessen an den Zielen des Luftverkehrsgesetzes, gerechtfertigt. Sie ergebe sich schon aus der planerisch bestimmten Verkehrsfunktion des Verkehrsflughafens München und der Verkehrsentwicklung. Das steigende Verkehrsaufkommen auf dem Flughafen München und seine Entwicklung zu einem nationalen und internationalen Luftverkehrsknoten von erheblicher Bedeutung begründeten die Notwendigkeit, auch in der Zeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr planmäßige Flugbewegungen abzuwickeln. Dem Schutzbedürfnis der Flughafenumgebung und dem Schutz der Nachtruhe sei im Wege der Abwägung vom Beklagten durch die Limitierung derartiger planmäßiger Flugbewegungen, die Einhaltung einer nahezu bewegungsfreien Kernzeit zwischen 24.00 bis 5.00 Uhr, der Festlegung eines Lärmkontingents sowie der Anordnung zusätzlicher passiver Lärmschutzmaßnahmen hinreichend Rechnung getragen worden.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Hauptsacheverfahren

Die auf Aufhebung der Änderungsgenehmigung, weiterreichenden aktiven wie passiven Lärmschutz und Entschädigung gerichteten Klagen sind nicht begründet, denn die Genehmigung ist rechtmäßig; jedenfalls könnte eine etwaige Rechtswidrigkeit (s.u. 4.) von den Klägern allgemein nicht geltend gemacht werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In welcher besonderen Weise die einzelnen Kläger von der Genehmigung betroffen sind, kann deshalb offen bleiben.

1. Verfahren und rechtliche Vorgaben

1.1 Rechtsgrundlage für die angefochtene Regelung ist § 8 Abs. 4 Satz 2 und § 6 Abs. 4 Satz 2 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999 (BGBl I S. 550). Danach ist für die Änderung einer betrieblichen Regelung, die - wie hier - Gegenstand einer Planfeststellung war, kein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen, sondern eine Genehmigung entsprechend § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ausreichend; dies gilt, wie sich aus der Gesetzesformulierung ergibt, auch und gerade für wesentliche Änderungen. Die Genehmigungsbehörde ist dabei, sowohl in verfahrensrechtlicher wie auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ähnlichen Bedingungen unterworfen wie in einem Planfeststellungsverfahren (BVerwGE 82, 246/250).

Da § 6 LuftVG hinsichtlich der verfahrensmäßigen Beteiligung (Anhörung) betroffener Dritter keine ausdrückliche, insbesondere nicht die für die luftrechtliche Planfeststellung in § 10 LuftVG getroffene Regelung enthält, ergibt sich deren Beteiligungsrecht aus Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) (BVerwG a.a.O. S. 256). Dem entsprechend hat die Regierung von Oberbayern als Genehmigungsbehörde ein Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt und den Klägern Gelegenheit gegeben, sich daran zu beteiligen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) war nicht veranlasst, denn eine solche ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UVPG i.V.m. Anlage 1 Nr. 13 zu § 3 UVPG nur bei Anlage und Änderung eines Flugplatzes, die der Planfeststellung nach § 8 LuftVG bedürfen, vorgeschrieben (vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, RdNr. 96 zu § 6 LuftVG).

1.2 Die Festlegung von Betriebsregelungen zum Schutz vor nächtlichen Lärmeinwirkungen ist Gegenstand der planerischen Gestaltungsfreiheit der Genehmigungsbehörde (BVerwGE 87, 331/366). Diese ist allerdings verschiedenen rechtlichen Bindungen unterworfen, die sich vorliegend insbesondere aus den Anforderungen des sich auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis erstreckenden Abwägungsgebots ergeben (BVerwGE 56, 110/122; 87, 331/341; 107, 313/322). Dieses verlangt, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwGE 56, 110/122). Die Genehmigungsbehörde entscheidet hierbei im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit nach pflichtgemäßem Ermessen, auf welche Weise sie den Belangen des Lärmschutzes Rechnung tragen will.

Dabei ist im Einzelnen zu unterscheiden zwischen Beeinträchtigungen, die zwar mehr als geringfügig, aber noch zumutbar sind, und unzumutbaren Beeinträchtigungen. Im ersten Fall haben Betroffene zwar keinen Rechtsanspruch auf eine Verpflichtung des Vorhabensträgers zur Vornahme von Schutzmaßnahmen, wohl aber das allen von einer Planung Betroffenen zustehende subjektiv-öffentliche Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen Belange (BVerwGE 87, 332/341; hierzu unten 3). Dagegen setzt § 9 Abs. 2 LuftVG - in entsprechender Anwendung im Genehmigungsverfahren - für Beeinträchtigungen jenseits der Zumutbarkeitsschwelle der Genehmigungsbehörde eine äußerste, mit einer "gerechten" Abwägung nicht mehr überwindbare Grenze und verleiht den Betroffenen einen Anspruch auf Schutzmaßnahmen (BVerwG a.a.O.; hierzu unten 2.) Die Zumutbarkeitsschwelle, die im Luftverkehrsrecht nicht durch Rechtsnormen oder allgemein anerkannte Richtlinien festgelegt ist, ist von der Behörde mit Rücksicht auf die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall wertend zu bestimmen; die Bestimmung unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung, wobei die Gerichte sich erforderlichenfalls der Hilfe von Sachverständigen bedienen (BVerwGE 69, 256/276; 84, 31/40; 87, 332/361 f.)

Da der Verwaltungsrechtsschutz auch bei Umweltgefahren auf die Sicherung subjektiver Rechte beschränkt ist, kann es bei der Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle nicht um Vorsorge gegenüber Umweltschädigungen allgemein gehen, sondern nur um den Schutz der Betroffenen vor konkreten Gefahren, insbesondere für ihre Gesundheit. Im Falle wissenschaftlicher Erkenntnisdefizite kann dabei aber auch ein gewissermaßen vorsorglicher Schutz notwendig werden. Denn es "gebietet die grundrechtliche Schutzpflicht dem Staat, sich durch geeignete Maßnahmen schützend vor den Einzelnen zu stellen, wenn für diesen die Gefahr einer Schädigung der körperlichen Unversehrtheit besteht. Diese Verpflichtung trifft ihn erst recht, wenn der Eingriff auf seinem eigenen Verhalten beruht. Dabei kann sich der Staat nicht ohne weiteres mit vorhandenen Erkenntnisdefiziten "entschuldigen". Dies ist bereits dann nicht zulässig, wenn die Risiken einer Gesundheitsbeeinträchtigung bereits als solche bekannt sind. Die Gesundheitsschädlichkeit muss nicht erst bewiesen werden, um eine Regelungspflicht des Staates auszulösen. Auch Gesundheitsgefährdungen - werden sie erkannt oder als im Risikobereich liegend für hinreichend wahrscheinlich angesehen - verpflichten zum Handeln. Auch hier mögen vielfache Erkenntnisdefizite bestehen. Der Staat muss ihnen - etwa bei der Festsetzung von Grenzwerten - durch Sicherheitsmargen zu begegnen suchen" (BVerwGE 101, 1/10; ähnlich EuGH vom 5.5.1998 EuGHE I 98, 2211 und EuGHE I 98, 2265). Damit ist allerdings zugleich auch gesagt, dass Sicherheitszuschläge nicht schon wegen nur ganz allgemein geahnter und noch nicht als hinreichend wahrscheinlich erkannter Risiken gefordert werden können (siehe hierzu näher unten 2.2.2.). Mit dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist auch die von zahlreichen Klägern aufgeworfene Frage einer "Beweislastumkehr zu Gunsten der Betroffenen" beantwortet.

1.3 Bei der somit gebotenen Abgrenzung zwischen unzumutbaren und zwar mehr als geringfügigen, aber noch zumutbaren Beeinträchtigungen, also bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle, ist das gesetzliche Gebot in § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG zu beachten, beim Lärmschutz auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Aus diesem Gebot lässt sich zwar kein absolutes Nachtflugverbot für einen internationalen Großflughafen ableiten, es schränkt jedoch die planerische Gestaltungsfreiheit der Behörde ein und steht der Zulassung eines allein am Verkehrsbedarf orientierten, schrankenlosen nächtlichen Flugbetriebs entgegen (BVerwGE 87, 332/334). Dabei ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts freilich zu berücksichtigen, dass die Widmung eines Flughafens für den öffentlichen Luftverkehr sich auch auf die Nacht erstreckt und dass deshalb die einzelnen Nachtflüge nicht einer besonderen Prüfung auf ihre Rechtfertigung unterzogen werden dürfen (BVerwGE 114, 364).

Erhöhter Nachtschutz bedeutet unstreitig ein erhöhtes Schutzniveau, d.h. eine niedrigere Zumutbarkeitsschwelle, bei passiven Schallschutzmaßnahmen. Da diese Maßnahmen aber mit Nachteilen verbunden sind, stellt sich für das vorliegende Verfahren zentral die Frage, ob und inwieweit im Sinne eines verstärkten Nachtschutzes auch aktive Schutzmaßnahmen, also Betriebsbeschränkungen gefordert werden können. Denn passive Schutzmaßnahmen, also Schallschutzfenster mit Belüftung, helfen nur, wenn sich der Betroffene hinter dem geschlossenen Fenster aufhält. Den Zwang, seine Verhaltensfreiheit in dieser Weise einzuschränken oder sich ungeschützt dem Lärm auszusetzen, halten die Kläger zu Recht für eine Beeinträchtigung (sie sprechen von "akustischer Käfighaltung") und sehen sich damit im Einklang mit dem lärmpsychologischen Sachverständigen, der gerade in warmen Sommermonaten entsprechende Belästigungsreaktionen festgestellt hat (Kastka, Verhandlungsniederschrift S. 5). Damit ist weiter der durch passiven Schallschutz ebenfalls nicht abgedeckte Belang berührt, sich an warmen Abenden im Freien aufhalten und von einem fluglärmbelasteten Tag erholen zu können. Zu diesem Gesichtspunkt hat der Senat in seiner Entscheidung zu der Vorgängerregelung ausgeführt (BayVGH vom 27.7.1989, 20 B 81 D I, S. 113), die Menschen erwarteten die Nacht als eine Zeit der Stille, in der das natürliche und soziale Umfeld zur Ruhe komme. Diese alte und in den Menschen tief verwurzelte Erwartung verdiene Respekt und dürfe nicht durch Erwägungen verdrängt werden, die sich auf "Schlaftechnik" beschränkten.

Der Senat kann allerdings nicht daran vorbeigehen, dass derartige tendenziell auf einen Vorrang aktiven Nachtschutzes gegenüber dem passiven Schutz hinauslaufende Überlegungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung so nicht aufgenommen worden sind. Das Bundesverwaltungsgericht würde es zwar, insbesondere mit dem Blick auf den Außenwohnbereich, missbilligen, wenn eine Behörde sich von vorneherein nur auf passive Schallschutzmaßnahmen beschränken würde; im Übrigen lehnt es aber ab, im Zusammenhang mit der Zumutbarkeitsschwelle einen Vorrang aktiver vor passiven Schallschutzmaßnahmen - etwa entsprechend § 41 BImSchG - anzunehmen und überlässt diese Frage dem behördlichen Gestaltungsspielraum (BVerwGE 332/346 ff.; BVerwG vom 20.2.1998 NVwZ 1998, 850). Speziell zu Schallschutzfenstern hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt: "Etwas Unzumutbares wird den Anwohnern damit in der Regel nicht angesonnen, weil es Stand der Technik ist, Schallschutzfenster bei Bedarf mit geeigneten Lüftungseinrichtungen zu versehen" (BVerwGE 101, 73/86). Dementsprechend erörtert die Rechtsprechung - anders als der angefochtene Bescheid (S. 149 f.) - keine spezielle Zumutbarkeitsschwelle für den nächtlichen Außenwohnbereich, sondern begnügt sich insoweit mit der Einhaltung der Tages- und Nachtgrenzwerte im Übrigen (BVerwGE 110, 370/385 f.; ebenso BayVGH vom 15.1.2001, 20 A 99.40024 u.a. S. 39). Bei den nun folgenden Erörterungen sind die angedeuteten Beeinträchtigungen daher nicht der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle (unten 2.), sondern der Abwägung im Übrigen (unten 3.) zuzuordnen.

Der angefochtene Bescheid entspricht den beschriebenen rechtlichen Vorgaben.

2. Schutz vor unzumutbarem Fluglärm

2.1 Das Kriteriensystem

Die vom Luftamt nunmehr festgesetzten Schutzkriterien sind vor einer Bewertung zunächst im Überblick darzustellen, und zwar in Abgrenzung von der bisherigen Regelung.

Bei den Betriebsbeschränkungen für den Nachtflugbetrieb entfällt das bisherige Bewegungskontingent (28 bzw. 38 Bewegungen). Die beibehaltene Beschränkung auf 28 planmäßige Nachtflugbewegungen (Verfügender Teil I 1.1) stellt wegen der in den folgenden Abschnitten anschließenden unbeschränkten Zulassungen von Nachtflügen kein echtes Kontingent mehr dar. Außerdem betreffen die neuen Regelungen weitgehend nicht mehr die Einzelnacht, sondern nur mehr die Durchschnittsnacht. Wie hoch die durch den Bescheid bewirkte Erhöhung der zulässigen Nachtflugbewegungen ausfällt, lässt sich deswegen nur in unvollkommener Weise durch einen Vergleich des bisherigen Kontingents für die "Spitzennacht" mit der derzeitigen Prognose für die "seltene Nacht" (mit einer Überschreitung in 5 % der Nächte) darstellen, was für die "Spitzennacht" eine Erhöhung um etwa das Vierfache bedeutet (von bisher 38 Bewegungen für die "Spitzennacht" auf 140 für die "seltene Nacht").

Als Regelung für die einzelne Nacht und als wesentliches Schutzelement beibehalten wurde die wie bisher von einigen Ausnahmen durchbrochene Freihaltung der Kernzeit der Nacht (von 23.30 Uhr bzw. 24 Uhr bis 5 Uhr; siehe hierzu im Einzelnen Verfügender Teil I 1, 2).

Im Übrigen, vor allem in den verbleibenden Stunden der Nacht werden die Flughafenanwohner durch ein System dreier Kriterien geschützt:

- Die an ein Lärmvolumen von 105 geknüpfte Lärmkontingentierung (Verfügender Teil I 3.1; im folgenden: Lärmvolumen);

- Die Begrenzung des Dauerschallpegels von 50 dB(A) an den jeweiligen Schnittpunkten der Flugkorridore mit den Grenzen des Nachtschutzgebietes (Verfügender Teil I 3.2; im folgenden: Dauerschallkriterium);

- Die Gewährung von passivem Lärmschutz innerhalb des Nachtschutzgebietes, das auf Grund des Kriteriums einer sechsmaligen Überschreitung des Maximalpegels von 70 dB(A) außen geringfügig ausgeweitet wurde (Verfügender Teil I 3; im folgenden: Pegelhäufigkeitskriterium); Schutzziel ist dabei weiterhin die Verhinderung von höheren Einzelpegeln als 55 dB(A) im Rauminneren.

Nur das dritte der drei Kriterien findet - mit einem um 5 dB(A) höheren Wert - eine Entsprechung in der bisherigen Nachtflugregelung.

Insgesamt stellt sich somit die Neuregelung zugleich als eine Erweiterung und eine Einschränkung des Nachtschutzes dar, je nachdem, ob man den Vergleich auf die der bisherigen Genehmigungslage zugrunde liegenden Kriterien und Prognosen oder auf die bisherige tatsächliche Belastung bezieht. Während an der Schutzgebietsgrenze und außerhalb das (rechtliche) Schutzniveau durch Absenkung der Zumutbarkeitsschwelle ansteigt, ist überall, vor allem aber innerhalb des Schutzgebiets mit einer teilweise erheblichen Steigerung des tatsächlichen nächtlichen Fluglärms zu rechnen (wie im Gutachten Obermeyer 1999 im Einzelnen dargestellt und keiner weiteren Beweiserhebung bedürftig; siehe hierzu Antrag der Rechtsanwälte D****** und Kollegen, Schreiben vom 23.9.2002, S. 35 Nr. 5 i.V.m. Verhandlungsniederschrift S. 22).

Die neue Regelung unterscheidet sich von der bisherigen auch durch eine deutlich größere Differenziertheit und Kompliziertheit. Dies hat bei den Klägern zu Kritik und Missverständnissen geführt. Die Kompliziertheit mindert bedauerlicherweise die Verständlichkeit des Bescheides für ein breites Publikum, was an den in den Verfügenden Teil integrierten Anhängen 1 und 2 beispielhaft deutlich wird. Allerdings sind diese Verhältnisse nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick erscheint; man bedenke etwa die Kompliziertheit mancher Pläne, die Bestandteil des verfügenden Teils von Planfeststellungsbeschlüssen sind und auch nicht von jedermann ohne weiteres verstanden werden können. Außerdem und vor allem ist die Kompliziertheit Folge des - wie auszuführen - sinnvoll aufgebauten Schutzsystems, das nicht ohne solche Präzisierungen festgelegt werden kann, ohne auf den Vorwurf der Unbestimmtheit zu treffen.

Die Missverständnisse der Kläger betreffen vor allem das Verhältnis der Kriterien zueinander und in diesem Zusammenhang in besonderem Maße das erste Kriterium (Lärmvolumen). Hierzu ist klarzustellen, dass alle drei Kriterien selbstständig und unabhängig voneinander zu beachten sind. In diesem Sinne ist auch das Pegelhäufigkeitskriterium zu verstehen: Nach ausdrücklichem (und im Übrigen bisher bereits praktiziertem) Rechtsverständnis von Beklagtem und Beigeladener enthält dieses eine Schutzzusage für den Fall seiner Überschreitung, und zwar ggf. auch außerhalb der Grenze des Schutzgebiets; die Schutzgebietsgrenze erspart in diesem Zusammenhang für die innerhalb gelegenen Orte lediglich die Nachprüfung im Einzelfall. Diese Unabhängigkeit der einzelnen Kriterien wird missverstanden, wenn - wie seitens der Kläger mehrfach - gefragt wird, ob die Einhaltung des einen Kriteriums auch die eines anderen "gewährleistet": Der streitige Bescheid wird schon dann verletzt, wenn auch nur gegen eines der drei Kriterien verstoßen wird (nach Aussage des Sachverständigen Meyer - Verhandlungsniederschrift Seite 16 - wird voraussichtlich das Dauerschallkriterium am einschneidendsten wirken).

Gegenüber weiteren Missverständnissen ist ferner der innere Zusammenhang der Kriterien zu klären. Das Lärmvolumen und das Dauerschallkriterium bewirken, weil betriebsbeschränkend, aktiven Schutz, das Pegelhäufigkeitskriterium bewirkt passiven Schutz. Dabei steht wiederum das Dauerschallkriterium dem passiven Schutz nahe, weil es ortsbezogen, nämlich für alle Orte außerhalb des Schutzgebiets, die Überschreitung eines Dauerschallpegels von 50 dB(A) verhindert. Dagegen ist das Lärmvolumen, was im Klagevortrag immer wieder übersehen wurde, in keiner Weise ortsbezogen, sondern gilt generell für den Flughafen und alle auf ihm verkehrenden Flugzeuge und berücksichtigt beispielsweise auch nicht die Flugrouten. Der Einwand, dieses Kriterium schütze nicht einzelne Ortslagen, geht darum ins Leere, weil dieser Schutz von vorneherein den anderen Kriterien überlassen ist.

Zunächst aus diesem Grunde sieht der Senat als Ansatzpunkt für die Frage, ob den Klägern ausreichender Schutz gewährt wird, unmittelbar nur das Dauerschall- und das Pegelhäufigkeitskriterium, dies aber noch aus einem weiteren Grund: Das Lärmvolumen ist nach seiner inneren Begründung gar nicht unmittelbar auf den Schutz der Betroffenen ausgerichtet. Wenn das Luftamt die Festlegung des Lärmvolumens auf den Wert von 105 diskutiert und dabei die erwogene Zahl 110 verwirft (S. 187 des Bescheides), nimmt es nur auf die voraussichtlichen Verkehrsbedürfnisse Bezug und sieht für einen höheren Wert keine "gegenwärtig nachweisbare Notwendigkeit". Eine nur an den Verkehrsbedarf und nicht an Schutzbedürfnisse der Anwohner angelehnte Betriebsbeschränkung ist für den Nachbarschutz ohne unmittelbaren Wert, weil bei erhöhtem Verkehrsbedarf jederzeit mit einer Anhebung zu rechnen ist. Über dieser Feststellung darf jedoch nicht übersehen werden, dass dem Lärmvolumen in zweifacher Hinsicht mittelbar eine wesentliche Bedeutung im Gesamtsystem des Nachbarschutzes zukommt: Es stellt, wie sich aus den Anhängen 1 und 2 des Bescheides ergibt und noch auszuführen ist, die lärmphysikalische Basis für die Prüfung des Dauerschallkriteriums dar, und es bildet außerdem einen zentralen Ansatzpunkt für die Kontrolle der Einhaltung des Bescheides überhaupt (siehe Verfügender Teil II 1).

Der an vielen Stellen des Klägervorbringens aufscheinende Hauptvorwurf gegen das Kriteriensystem geht dahin, dass es kein Bewegungskontingent mehr enthält. Dieser Vorwurf trifft nur in seiner tatsächlichen Annahme, nicht aber rechtlich zu. Zunächst sind Betriebsbeschränkungen kein Selbstzweck, sondern müssen vom Schutz der Betroffenen erfordert werden. Überlegungen und Berechnungen der Kläger, mit besonders leisen Flugzeugen könne möglicherweise in unbeschränkter Zahl bis an die Kapazitätsgrenze geflogen werden, beinhalten deshalb so lange keinen tauglichen Einwand, als nicht die Unzumutbarkeit der sich ergebenden Lärmbelastung für die Kläger dargetan ist. Außerdem erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung, wie ausgeführt, im Luftrecht keinen zwingenden Vorrang des aktiven vor dem passiven Lärmschutz an. Nächtliche Bewegungskontingente sind daher mit Blick auf § 29 b LuftVG als zulässig anzusehen; mit Blick auf die Funktion des Flughafens als öffentliche Verkehrsanlage sind sie aber nicht zwingend, wenn der Schutz der Betroffenen auf andere Weise, insbesondere auch durch ein Lärmkontingent, sichergestellt wird.

2.2 Medizinische und psychologische Anforderungen

2.2.1 Mangels normativer Festlegungen sind die Zumutbarkeitsgrenzen anhand von Erkenntnissen der Wissenschaft, näherhin der Medizin und der Psychologie, zu bestimmen. Davon geht auch der angefochtene Bescheid aus (zusammengefasst auf S. 141 bis 144). Bei der medizinischen Beurteilung stützt sich das Luftamt auf das "Medizinische Gutachten" vom 28. September 1999 der Gutachter der Beigeladenen Scheuch und Jansen (zit. Scheuch/Jansen 1999); bei der psychologischen Beurteilung auf das von ihm eingeholte Gutachten Kastka vom März 2001 (Untersuchung der Fluglärmbelastungs- und Belästigungssituation im Nachtzeitraum in der Umgebung des Verkehrsflughafens München, zit. Kastka 2001).

Die Wirkungen nächtlichen Fluglärms werden mit psychologischen und medizinischen Methoden auf je unterschiedliche Weise erfasst. Die Psychologie knüpft vornehmlich an die Belästigungsreaktion an. Diese beruht auf einer subjektiven Bewertung, in der die verschiedensten Fluglärmwirkungen - Aufwachen, verzögertes Einschlafen, Störung des Wohlbefindens u.ä. - verarbeitet werden, vorausgesetzt, sie werden bewusst wahrgenommen. Die von den Klägern teilweise beanstandete Beschränkung auf bewusste Vorgänge liegt in der Natur der Sache und begründet daher keinen Einwand gegen psychologische Bewertungen, sondern verweist vielmehr auf eine Ergänzungsbedürftigkeit durch medizinische Untersuchungen. Rechtlich ist bei der Bewertung ermittelter Belästigungsreaktionen allerdings insofern Vorsicht geboten, als diese sich auf Fluglärmwirkungen sowohl oberhalb als auch unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle beziehen, wie diese von der Rechtsprechung gesehen wird. In letzterer Hinsicht sind vor allem die "Käfigwirkung" von Schallschutzfenstern und Störungen im Außenwohnbereich, soweit noch zumutbar, zu erwähnen, und unter anderem aus diesem Grund taugen empirisch ermittelte Belästigungsreaktionen nicht zur unmittelbaren Übernahme in Grenzwerte.

Medizinische Bewertungen knüpfen an Weckreaktionen einerseits und vegetative bzw. hormonelle Reaktionen andererseits an. Unter Weckreaktionen ist sowohl vollständiges Aufwachen als auch unvollständiges (Schlafstadienwechsel) zu verstehen. Vegetative Reaktionen betreffen eine Aktivierung des vegetativen Systems, also eine Verschiebung vom Parasympathikus zum Sympathikus hin, während hormonelle Reaktionen vor allem in der Ausschüttung von Stresshormonen (Kortisol und Katecholamine) bestehen. Die Grenzwertfindung anhand medizinischer Erkenntnisse stößt auf verschiedene Schwierigkeiten, die teilweise auch die psychologischen Forschungen kennzeichnen: Zunächst sind keine eindeutigen, sondern streuende Ergebnisse zu erwarten, die sich in Diagrammen in einer "Punktewolke" ausdrücken. Dies kann auf unterschiedlicher Methode beruhen, vor allem aber auf unterschiedlicher Lärmempfindlichkeit der getesteten Personen. Gruppenspezifische Abweichungen sind dabei zu berücksichtigen; so ist die überdurchschnittliche Lärmempfindlichkeit älterer Personen unstreitig. Weiterhin ist der Unterschied zwischen Feld- und Laboruntersuchungen zu bedenken. Letztere sind leichter durchzuführen, geben aber das eigentlich maßgebliche Bild - Verhalten der Bevölkerung im "Feld" - nicht ohne weiteres wieder, zumal schon wegen der entsprechenden Erwartungshaltung die Reaktionsschwelle im Allgemeinen niedriger liegt. Ferner und vor allem bereitet der Gesundheitsbegriff Probleme. Einerseits können nicht nur solche Beeinträchtigungen für relevant gehalten werden, die schlechthin krank machen, andererseits kann nicht jede körperliche Reaktion, vor allem im Bereich der Schlafstadienwechsel und der vegetativen und hormonellen Auswirkungen, bereits als pathologisch angesehen werden; denn ständige Reaktionen dieser Art mit anschließender Rückkehr zum Gleichgewichtszustand kennzeichnen das Leben des Organismus überhaupt und sind nicht von vorneherein schädlich. Reaktionsschwellen kommen deshalb nicht ohne weiteres als Grenzwerte in Betracht.

Die wissenschaftliche Situation ist nicht nur durch eine Vielzahl von Grenzwertempfehlungen von wissenschaftlicher und auch politischer Seite geprägt (siehe die Zusammenstellung einiger dieser Vorschläge auf S. 134 des angefochtenen Bescheides), sondern auch dadurch, dass sich bei der Lärmmedizin geradezu zwei Lager gegenüberstehen. Stellvertretend für die eine Seite lassen sich die beiden Gutachter der Beigeladenen zitieren, stellvertretend für die andere Maschke und verschiedene Mitautoren (im Einzelnen: Maschke, Ising, Arndt, Bundesgesundheitsblatt 1995, 130 zit. Maschke 1995; Maschke, Ising, Hecht, Bundesgesundheitsblatt 1997, 86, zit. Maschke 1997; Maschke, Hecht, Niemann et al. vom 9.6.2000 zum Flughafen Berlin-Schönefeld, zit. Maschke 2000; Maschke, Hecht, Wolf, Ausdruck Bundesgesundheitsblatt vom 14.6.2001, zit. Maschke 2001). In dem Streit greifen die Opponenten vor allem die grundlegenden Annahmen von Jansen und Scheuch an, die Beurteilung der Zumutbarkeit habe sich an den (vollständigen) Weckreaktionen und nur an ihnen auszurichten und es gebe einen Pegel als Untergrenze dieser Weckreaktionen. Die Gutachter der Beigeladenen haben in einer Veröffentlichung nach Erlass des angefochtenen Bescheides erneut Position bezogen zusammen mit den Autoren Griefahn und Spreng (Fluglärmkriterien für ein Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von Flughäfen/Flugplätzen, Zeitschrift für Lärmbekämpfung 2002, 171, zit. Fluglärmkriterien). Zu erwähnen ist weiterhin eine groß angelegte Laboruntersuchung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), die bisher allerdings lediglich bis zu einem Zwischenbericht gediehen ist (Dezember 2001, zit. DLR).

Der erwähnte Streit betrifft die in die Kriterien einzusetzenden Werte, unstreitig ist dagegen die Struktur der Kriterien (siehe hierzu z.B. Scheuch/Jansen 1999 S. 95; Maschke 2000 S. 64; ebenso neuerdings DLR S. 196): Maßgeblich für den Schutz der Betroffenen sind die drei Komponenten Maximalpegel, Zahl dieser Pegel pro Nacht und Dauerschallpegel. Dabei stehen die ersten beiden, deren Zuordnung zueinander im folgenden noch zu erörtern ist, vor allem entsprechend ihrer Bedeutung für die Weckreaktionen im Vordergrund. Der Dauerschallpegel hat demgegenüber eine Hilfsfunktion, indem er dem allzu häufigen Auftreten von Einzelpegeln unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze entgegenwirkt. Das streitige Kriteriensystem entspricht dieser wissenschaftlich zu fordernden Struktur.

Es entspricht auch einer weiteren strukturellen Forderung, die der erkennende Senat bereits für die Vorgängerregelung aufgestellt hat (BayVGH vom 27.7.1989, 20 B 81 D I, S. 127 f), nämlich dass beim passiven Lärmschutz das für die Abgrenzung des Schutzgebiets maßgebende Kriterium dem Schutzziel entsprechen muss. Dieser Forderung ist nunmehr genügt, da das von der Vorgängerregelung übernommene Schutzziel (Vermeidung von fluglärmbedingten Einzelpegeln von mehr als 55 dB(A) im Rauminneren) auf das für die Schutzgebietsabgrenzung maßgebliche Kriterium (Einzelpegel über 70 dB(A)) abgestimmt ist, legt man 15 dB(A) als Differenz zwischen Innen- und Außenpegeln zu Grunde; auf diese auch sonst für den Lärmschutz maßgebliche Differenz wird im folgenden (2.2.5) gesondert eingegangen werden.

Die Kriterien sind, wie nunmehr auszuführen ist, auch im Einzelnen nicht zu beanstanden.

2.2.2 Dies gilt zunächst für das im Zentrum der Beurteilung stehende Pegelhäufigkeitskriterium. Es beruht wie in der Vorgängerregelung auf einem Maximalpegel mit einer sechs Mal pro Nacht zugelassenen Überschreitung (sog. Jansen-Kriterium), allerdings mit einem um 5 dB(A) gesenkten Wert (nunmehr 70 dB(A) außen entsprechend 55 dB(A) innen). Die Begründung des Kriteriums haben die Gutachter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift S. 6 f.) nochmals zusammengefasst. Sie stützen sich letztlich nicht mehr auf die in früheren Veröffentlichungen (auch noch im Gutachten 1999) angesprochene sog. "vegetative Übersteuerung" und auch sonst nicht auf vegetative und hormonelle Reaktionen; bei diesen Reaktionen seien Gewöhnungseffekte zu beobachten, es lägen keine genügenden Daten über langfristige gesundheitlich bedenkliche Veränderungen vor und außerdem würden diese Reaktionen durch eine Berücksichtigung der Weckreaktionen abgedeckt. Das Gleiche gelte für unvollständige Weckreaktionen. Im Übrigen sei insoweit das Dauerschallkriterium einschlägig. Was die (vollständigen) Weckreaktionen angehe, sei weiterhin an eine Literaturstudie anzuknüpfen, in der Griefahn 1985 aus zehn Veröffentlichungen eine Regressionslinie abgeleitet habe, die im Bereich von 65 bis etwa 85 dB(A) linear verlaufe und, nach unten fortgeführt, bei 60 dB(A) - als Nullwert des Aufwachens - die x-Achse schneide.

Die Vorstellung einer unteren Aufwachgrenze - "unterhalb von 60 dB(A) wacht man nicht auf" (siehe hierzu das Zitat von Jansen bei Maschke 2000 S. 51) - ist vielfach auf Kritik gestoßen. Auch der erkennende Senat, der in seiner Entscheidung vom 27. Juli 1989 (a.a.O.; hierzu BVerwGE 87, 332/372 ff.) die Vorgängerregelung mit prognostischen und lärmphysikalischen Hilfsüberlegungen nur im Ergebnis, nicht aber im Ansatz bestätigt hat, hat hiergegen ebenso Bedenken erhoben wie gegen den damaligen, zu weit im gesundheitsgefährdenden Bereich liegenden Innenpegel von 60 dB(A). Der Senat hat sich stattdessen auf die fortentwickelten Überlegungen von Frau Griefahn gestützt, die auf einen flexiblen, in einer Kurve ausgedrückten Zusammenhang zwischen Pegel und Ereigniszahl hinauslaufen. Diese später veröffentlichte "Griefahn-Kurve" (abgedruckt wiederum bei Maschke 2000 S. 51) sieht übrigens bei einer Kombination des Pegels 55 dB(A) mit sechs Ereignissen ebenfalls die Grenze einer Weckreaktion erreicht. Gegen die ursprüngliche Regressionsgerade von Griefahn und ihre Deutung haben Maschke und andere (etwa in Maschke 2001) vorgebracht, die Literaturanalyse schließe zu Unrecht eine wichtige Veröffentlichung aus und ordne den übrigen Ergebnissen eine falsche Gerade zu. Auf keinen Fall lasse sich aus den vorliegenden Untersuchungen auf eine Untergrenze der Weckreaktionen schließen. In diesem Zusammenhang spricht sich auch der DLR-Zwischenbericht (S. 58 ff.) gegen das Jansen-Kriterium und für eine asymptotische Annäherung der Aufwachkurve an die x-Achse aus.

In ihrem Gutachten für die Beigeladene und in ihren Ausführungen während der mündlichen Verhandlung (Niederschrift a.a.O.) tragen die Gutachter Scheuch und Jansen diesen Bedenken nunmehr dadurch Rechnung, dass das "starre" Jansen-Kriterium durch die Hinzunahme des Dauerschallpegels aufgelockert wird, vor allem aber dadurch, dass der Aufwachgrenze 60 dB(A) ein Streubereich von +/- 7 dB(A) beigegeben wird, in dessen unterer Hälfte nunmehr der Pegel von 55 dB(A) als "Präventionswert" vorgeschlagen wird; hierauf stützt sich der Grenzwert des Luftamts. Die Definition des "seltenen Ereignisses" bei sechs Überflügen kann sich, mit einem Sicherheitszuschlag, laut Scheuch/Jansen (Gutachten 1999 S. 61 f.) auf Untersuchungen aus dem Jahre 1975 stützen, bei denen erst ab acht Schallreizen - bei höheren Pegeln - ein Aufwachen erzielt wurde.

Vor allem mit Blick auf die zusätzliche Absicherung durch den Dauerschallpegel kann gegen das Jansen-Kriterium in dieser Form strukturell nichts eingewendet werden. Ein umfassenderer Zusammenhang zwischen Pegel und Ereigniszahlen, wie er sich etwa in der Griefahn-Kurve ausdrückt, wäre zwar mathematisch und inhaltlich befriedigender, doch wäre gegen einen so umfassenden Zusammenhang die Frage zu erheben, ob er von der diffusen Datenbasis her gerechtfertigt werden kann und sich nicht eher als Kunstprodukt darstellt.

Vor einer abschließenden Bewertung ist auch die psychologische Begründung des Pegelhäufigkeitskriteriums zu würdigen. Der Sachverständige Kastka hat sich in seinem Gutachten und in seinen mündlichen Ausführungen insoweit auf eine vorgeschlagene Zumutbarkeitsgrenze von "8 NAT70", d.h. von acht Bewegungen mit einem Außenpegel von mindestens 70 dB(A), festgelegt. Mit einer Differenz von zwei Bewegungen, die das Luftamt gemäß Begründung des Bescheides als Sicherheitsabschlag vorgesehen hat, entspricht dies dem verfügten Pegelhäufigkeitskriterium. Bei 8 NAT70 fühlen sich nach dem Sachverständigen (Kastka 2001 S. 10, 17) etwa 33 % der Bevölkerung erheblich belästigt. Dies entspricht bei den schließlich verfügten 6 NAT70 einem Wert von ca. 25 %, der als Basis für Grenzwertüberlegungen hingenommen werden kann, wenn man berücksichtigt, dass 10 % der Bevölkerung sich pegelunabhängig immer als erheblich belästigt bezeichnen (Kastka 2001 S. 6).

Die erwähnten Werte stammen aus Untersuchungen über das Umland der Flughäfen Düsseldorf und Frankfurt a. Main, wobei wegen ähnlicher Betriebsverhältnisse der letztere Flughafen für einen Vergleich mit dem Flughafen München besonders aussagekräftig ist (Kastka, Verhandlungsniederschrift S. 6). Für den Flughafen Frankfurt zeigt Abbildung 35 des Gutachtens beim Wert von 8 NAT70 und noch ausgeprägter bei etwa 6 NAT70 einen deutlichen "Knick" in der Kurve der zunehmenden Belästigungsreaktionen. Für den Flughafen München, der allerdings wegen bisher selteneren Auftretens solcher nächtlichen Belastungen eine schmalere Datenbasis liefert, zeigt Abbildung 36 des Gutachtens, dass sich die mittlere Linie spontanen (also nicht fluglärmbedingten) Aufwachens etwa beim Wert 8 NAT70 mit der Linie des fluglärmbedingten Aufwachens in flughafenferneren Bereichen kreuzt, wobei - auch für flughafennahe Bereiche und unter Betrachtung der ermittelten "Punktewolken" - die Aufwachrate jeweils unter 1 liegt. Das Pegelhäufigkeitskriterium kann mit diesen Belegen auch als lärmpsychologisch abgesichert gelten.

Bei einer Gesamtbewertung kann dem festgesetzten Pegelhäufigkeitskriterium insgesamt zugestimmt werden. Der maßgebliche Ausgangspunkt des Jansen-Kriteriums bei den Weckreaktionen lässt sich nach heutigem Stand nicht infrage stellen. Über die anderen Reaktionen liegen, vor allem hinsichtlich ihrer pathologischen Bedeutung, zu wenig präzise Erkenntnisse vor. Die Zurückhaltung der Gutachter Scheuch und Jansen gegenüber der Berücksichtigung vegetativer und hormoneller Reaktionen wurde durch den Zwischenbericht der DLR (S. 124) neuerdings sogar bestätigt, da keine auf Fluglärm zurückgehende signifikante Veränderung bei Ausschüttung der Stresshormone festgestellt wurde.

Da wissenschaftliche Ergebnisse immer streuen werden, kann sich eine Grenzwertfindung niemals auf eine eindeutige Ableitung stützen, sondern wird im Wertebereich unter dem Gebot der praktischen Vernunft den zu findenden Wert "greifen" müssen; auch der von Scheuch/Jansen vorgeschlagene Wert von 55 dB(A) ist offensichtlich aus dem angenommenen Streubereich von 53 bis 60 dB(A) "gegriffen". Den Maßstab kann hierbei nicht die Schwelle von Reaktionen ohne erkennbaren Schädlichkeitswert bilden, auch sind (siehe oben 1.2) keine Sicherheitsabschläge vorzusehen, die ohne konkreten Anlass lediglich allgemein auf die Unsicherheit wissenschaftlicher Erkenntnisse Bezug nehmen. Wenn unter dieser Rücksicht, wie notwendig, das wissenschaftliche Meinungsspektrum durchmustert wird, müssen deshalb Außenseitermeinungen außer Betracht bleiben, die offenkundig den soeben abgelehnten Betrachtungsweisen verpflichtet sind (so etwa Ortscheid und Wende, Berlin, 2000, zit. nach dem Klägerbeistand Steger vom 8.8.2001 S. 11 f., mit einem vorgeschlagenen maximalen Innenwert von 45 dB(A); diese Autoren siehe unter Nr. 593 im Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drs. 14/8792; zur Abgrenzung von diesen Autoren siehe Jansen und Scheuch, Verhandlungsniederschrift S. 6). Die übrigen, zum Teil auch in der Zusammenfassung des Luftamts (Bescheid S. 134) erfassten Meinungen liegen in der hier streitigen Größenordnung. Teilweise wird der identische Innenpegel 55 dB(A) empfohlen (Bundesministerium für Gesundheit; Eckpunktepapier Novelle Fluglärmgesetz). Teilweise finden sich auch Abweichungen von 2 bis 3 dB(A) nach unten (Mediationsgruppe Flughafen Frankfurt; Maschke 2000 S. 63). Allerdings zielt Maschke dabei wieder auf den erwähnten Sicherheitsabschlag; er selbst hält nämlich im Übrigen, und zwar ausdrücklich zwecks Schonung älterer Personen, erst 16 Lärmereignisse mit einem Pegel von 55 dB(A) für kritisch (Maschke 1995 S. 137; Maschke 1997 S. 94; auf diese Anforderungen stützt sich BVerwGE 107, 313/330). Es kommt hinzu, dass Maschke dabei vor allem die besonders störanfällige zweite Nachthälfte im Auge hat, in der seiner Meinung nach der Innenpegel deutlich unter 55 dB(A) liegen soll (Maschke 1997 a.a.O.). Noch deutlicher zielen inzwischen die "Fluglärmkriterien" auf eine Zweiteilung der Nacht, indem sie zwischen 23.00 Uhr und 1.00 Uhr acht Ereignisse mit einem Pegel von 56 dB(A) tolerieren würden und nur hilfsweise für die gesamte Nacht einen präventiven Richtwert von 13 Ereignissen mit einem Pegel von 53 dB(A) vorschlagen (dieser Vorschlag ist laut Scheuch/Jansen mit dem festgesetzten Pegelhäufigkeitskriterium kompatibel, siehe Verhandlungsniederschrift S. 6). Diesem gedanklichen Ansatz trägt der angefochtene Bescheid weitgehend - jedenfalls bis 5.00 Uhr - schon dadurch Rechnung, dass die Kernzeit der Nacht großenteils flugfrei bleibt. Auch mit der Griefahn-Kurve ist das Pegelhäufigkeitskriterium, wie ausgeführt, vereinbar. Was die Überschreitungshäufigkeiten angeht, liegt es im sicheren Bereich, wenn man die diskutierten, bei den einzelnen Störwirkungen z.T. deutlich höheren Häufigkeiten betrachtet (Überblick bei Maschke 2000 S. 59).

Das Kriterium ist ferner, wie ebenfalls bereits erörtert, mit den lärmpsychologischen Anforderungen zu vereinbaren, bei denen gegenüber dem Gutachten des Sachverständigen ein Sicherheitsabschlag vorgesehen wurde (wie dies im Übrigen auch im medizinischen Bereich der Fall ist, vergleicht man das Kriterium mit der Empfehlung von Maschke "16 mal 55 dB(A)" speziell für ältere Leute). Der für das Schutzziel und die Abgrenzung des Schutzgebiets in gleicher Weise maßgebliche Innenpegel von 55 dB(A) wird in seiner Berechtigung schließlich durch die Erfahrungen bestätigt, die mit dem im Münchner Flughafenumland verbauten und schon bisher auf dieses Schutzziel ausgerichteten Schallschutz gemacht wurden. Nach den Ermittlungen des lärmpsychologischen Sachverständigen (Kastka 2001, S. 19) sind diese Erfahrungen nämlich günstig und erklären unter anderem, warum im Münchner Flughafenumland deutlich geringere Belästigungswerte zu finden sind als um die Flughäfen in Frankfurt a. Main und Düsseldorf. Auch dies belegt die Berechtigung des Schutzziels und des mit diesem verknüpften Pegelhäufigkeitskriteriums.

Der Senat kann allerdings, ebenso wie in seiner Entscheidung vom 27. Juli 1989 (a.a.O.) zu der Vorgängerregelung, diese Ausführungen nicht als auf Dauer abschließend betrachten. Die Wissenschaft ist zwar, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, inzwischen über die damaligen Feststellungen nicht wesentlich hinausgelangt. Eine weitere Klärung, vor allem im Bereich der anderen als der Weckreaktionen, erscheint aber durchaus möglich, sie ist im Übrigen wünschenswert; es kann sein, dass der Abschluss der bisher noch nicht auf Grenzwerte eingehenden DLR-Studie insoweit wichtige neue Erkenntnisse bringt. Für die derzeitige Situation jedenfalls gilt weiterhin, was das Revisionsgericht seinerzeit zu einschlägigen Betrachtungen des erkennenden Senats bemerkt hat (BVerwGE 87, 332/375): "Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus unter Hinweis auf "präventivmedizinische" Angaben der Sachverständigen neue "bedenkliche" Erkenntnisse nicht ausgeschlossen hat, hat es damit nicht auf heute bereits wissenschaftlich als gesichert anzusehende Risiken von Schlafstadienwechseln in Bezug auf die Gesundheit abgehoben, sondern vielmehr die bei jeder wissenschaftlichen Erkenntnis generell gegebene Möglichkeit ihrer Fortentwicklung bzw. Änderung angesprochen. Solche auf rein theoretischer Basis angestellten Erwägungen erfordern jedoch nicht, im Rahmen der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze etwa einen allgemeinen Risikozuschlag zu Gunsten der Lärmbetroffenen für den nie völlig auszuschließenden Fall neuerer Erkenntnisse vorzusehen. Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn schon heute wissenschaftlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der derzeitigen Erkenntnislage beständen."

2.2.3 Das Dauerschallkriterium ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Wie bereits angedeutet, kommt ihm gegenüber dem Pegelhäufigkeitskriterium, das wegen der in erster Linie zu vermeidenden Weckreaktionen im Vordergrund steht, eine absichernde Funktion zu. Es soll verhindern, dass die auftretenden Pegel zwar unter die durch das Pegelhäufigkeitskriterium vorgegebene Zumutbarkeitsgrenze absinken, wegen ihrer zu großen Zahl aber bedenklich werden (Scheuch/Jansen 1999, S. 95; Maschke 2000, S. 64). Das Dauerschallkriterium ist demnach auch eng mit dem Anlass der streitigen Neuregelung verknüpft, nimmt diese doch die inzwischen unerwartet stark gesunkenen Lärmpegel der Flugzeuge zum Anlass, die Flugbewegungszahlen deutlich zu erhöhen. Die Frage, ob eine solche Kompensation "Pegelminderung gegen Zahlerhöhung" dem Belästigungsempfinden der Betroffenen entspricht und ob dieses Empfinden durch den Dauerschallpegel angemessen ausgedrückt wird, hat der lärmpsychologische Sachverständige bejaht (Kastka, Verhandlungsniederschrift S. 4). Die absichernde Funktion des Dauerschallkriteriums gegenüber dem Pegelhäufigkeitskriterium wird noch dadurch verstärkt, dass es nicht wie jenes prognostisch angelegt ist, sondern betriebsbeschränkend wirkt und daher seine eigene Einhaltung, wirksame Kontrolle im Sinne des Bescheides vorausgesetzt, garantiert.

Die Höhe des festgesetzten Dauerschallpegels (50 dB(A) außen) entspricht zunächst verschiedenen anderweitigen Vorschlägen (so die Präventionsempfehlung des Bundesministeriums für Gesundheit und das Eckpunktepapier Novelle Fluglärmgesetz, siehe angefochtener Bescheid S. 134). Der Wert ordnet sich auch größenordnungsmäßig ein in einen Vergleich der Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung für den Straßen- und Eisenbahnverkehr, jeweils für Wohngebiete; er liegt um 1 dB(A) über dem Wert des Straßenverkehrs und um 4 dB(A) unter dem des Eisenbahnverkehrs. Über einen solchen größenordnungsmäßigen Vergleich hinaus misst der Senat jedoch entgegen manchen Klägerüberlegungen solchen Vergleichen keine entscheidungstragende Bedeutung zu, weil die Lärmwirkungen der verschiedenen Verkehrsarten zu unterschiedlich sind; dies gilt vor allem für den Vergleich des intermittierenden Fluglärms mit dem eher kontinuierlichen Straßenverkehrslärm (siehe hierzu auch BVerwGE 87, 332/334).

Die entscheidende Bewertung des Kriteriums ergibt sich demgegenüber aus der bereits mehrfach erwähnten Absicherungsfunktion in Bezug auf das Pegelhäufigkeitskriterium. Nimmt man diese Funktion ernst, dann darf das erste Kriterium im Ergebnis jedenfalls nicht wesentlich schwächer wirken als das zweite. Nach der Aussage des lärmphysikalischen Sachverständigen (Verhandlungsniederschrift S. 16) sind die beiden Kriterien in diesem Sinne kompatibel; ein Auseinanderklaffen kann sich allenfalls bei einer Verlegung von Flugrouten ergeben, die als Möglichkeit aber, wie noch auszuführen ist, im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid keinen Prüfungsgegenstand bildet.

Für den in das Dauerschallkriterium einzusetzenden Wert ist ferner die Aussage des lärmpsychologischen Sachverständigen von maßgeblicher Bedeutung, dass ein Empfindlichkeitsunterschied von 10 dB(A) zwischen Nacht und Tag bei Fluglärm wissenschaftlich gut abgesichert ist (Kastka 2001, S. 6; Verhandlungsniederschrift S. 4). Es liegt deshalb nahe, den Bezug zu Zumutbarkeitsgrenzwerten für Fluglärm am Tage herzustellen, die freilich ebenfalls nicht normativ festgelegt sind. Unter Berücksichtigung von Literatur, Sachverständigenäußerungen und insbesondere der einschlägigen Rechtsprechung wurden diese Grenzwerte bisher deutlich oberhalb von 60 dB(A) gesehen. Dies gilt insbesondere für den passiven Lärmschutz am Tage, wie er für den streitgegenständlichen Flughafen rechtskräftig (BVerwGE 87, 332 ff.) festgesetzt ist. Noch mit einer Entscheidung vom 4. November 1997 (20 A 92.40134 u.a.; bestätigt durch BVerwG vom 29.12.1998, 11 B 21.98) hat der erkennende Senat für die vergleichbare Frage nach einer Schutzwürdigkeit der Außenwohnbereiche am Tage in Auseinandersetzung mit Literatur, Rechtsprechung und vergleichbaren Regelungen einen Grenzwert von 64 dB(A) für richtig gehalten. Es ist freilich nicht zu übersehen, dass inzwischen auch die Fluglärmbelastung am Tage kritischer gesehen wird, etwa in dem Entwurf zu einem neuen Fluglärmgesetz, und dass sich folglich die Grenzwerte tendenziell nach unten bewegen (siehe insbesondere Umweltgutachten 2002 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, BT-Drs. 14/8792 Nr. 597 bis 621, insbesondere Nr. 618). Die Grenze von 60 dB(A) für die Auslösung von Ansprüchen auf Lärmschutz wird dabei allerdings nicht unterschritten. Auch in diesem Zusammenhang kann deshalb das Dauerschallkriterium mit einem Wert von 50 dB(A) nicht beanstandet werden.

Den zum Dauerschallkriterium und auch Pegelhäufigkeitskriterium gestellten Beweisanträgen der Rechtsanwälte D****** und Kollegen (Schreiben vom 23.9.2002 S. 35 f., Nr. 10 bis 12, i.V.m. Verhandlungsniederschrift S. 22) ist nicht stattzugeben, weil zur Erfassung des derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes das in reichem Maße vorliegende Beweismaterial ausreicht und, wie vorstehend beschrieben, in den wichtigsten Auszügen verwertet wurde.

2.2.4 Bei der Festlegung von Zumutbarkeitskriterien ist in mehrfacher Hinsicht auch die Frage zu behandeln, welcher Bezugszeitraum zugrundezulegen ist.

Was die einzelne Nacht angeht, kann diese nicht ohne weiteres als 8-stündiger Zeitraum angesetzt werden, weil die Kernstunden weiterhin weitgehend verkehrsfrei bleiben und die zugelassenen Nachtflüge sich deshalb zwangsläufig am Anfang und am Ende der Nacht "zusammendrängen". Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme (siehe im Einzelnen Verhandlungsniederschrift Seite 7) bestehen hiergegen keine Bedenken. Zunächst werden in den ersten Stunden der Nacht viele Menschen im Schlaf nicht gestört werden, weil sie noch wach sind; schlafen sie aber bereits, so sind sie in diesen ersten Stunden am schwersten zu wecken. Dementsprechend beziehen sich nach Aussage des lärmpsychologischen Sachverständigen einschlägige Beschwerden auch meist auf die Sommermonate und auf den Aufenthalt im Freien und damit auf einen Gesichtspunkt, der, wie ausgeführt, in der Abwägung zwar zu berücksichtigen ist, ihr aber keine absolute Grenze setzt. Der Zwischenbericht der DLR-Studie nimmt den Gedanken einer Unterteilung der Nacht zwar auf, kommt aber für den ersten Teil der Nacht zu einem höheren Wert als dem hier nach dem Pegelhäufigkeitskriterium vorgesehenen und steht daher als gutachterliche Aussage der getroffenen Regelung nicht entgegen. Bei alledem darf nicht übersehen werden, dass die blockierte Gleichverteilung der Flüge über sämtliche Nachtstunden nicht so sehr eine Belastung der Betroffenen darstellt, sondern dass umgekehrt die weitgehende Freihaltung der Kernstunden der Nacht ein zentrales Element des Schutzes bildet.

Den zu diesem Thema gestellten Beweisanträgen der durch die Rechtsanwälte D****** und Kollegen vertretenen Kläger (Verhandlungsniederschrift S. 22 i.V.m. Schriftsatz vom 23.9.2002, S. 33 Nr. 1 a-c) war nicht stattzugeben, weil der Sachverhalt auf die erwähnte Weise und in dem erwähnten Sinne geklärt ist.

Ein weiteres Problem des Bezugszeitraums liegt darin, dass der angefochtene Bescheid weitgehend nicht die einzelne Nacht anspricht, sondern den Durchschnitt der Nächte, und zwar den Durchschnitt aller Nächte eines Kalenderjahres. Der Bescheid geht damit über den im Fluglärmschutz weitgehend üblichen (und auch im Fluglärmgesetz vorgesehen) Bezugszeitraum der sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres hinaus. Er berücksichtigt auch nicht die verschiedenen Betriebsrichtungen, d.h. den Umstand, dass entsprechend der vorherrschenden Windrichtung oft über einen längeren Zeitraum hinweg nur in eine Richtung (Ost oder West) gestartet und gelandet wird.

Dass überhaupt eine längerfristige Durchschnittsbildung vorgesehen ist und nicht weiterhin an die "Spitzennacht" angeknüpft wird, ist zunächst mit den Erfahrungen aus dem Vollzug der bisherigen Regelung zu rechtfertigen; denn da den Betroffenen mit einer nicht vollziehbaren Regelung wenig gedient ist, kommt dem Vollzugsgesichtspunkt bei derart komplexen Betriebsvorgängen wesentliche Bedeutung zu. Der Rechtsstreit um die Vollziehung der bisherigen Regelung hat gezeigt, dass gerade die nicht geplanten und nicht planbaren Verspätungsflüge keinen sinnvollen Kontingentierungsmaßnahmen in der Einzelnacht zugänglich sind (BayVGH v. 18.4.2000, 20 A 99.40019, bestätigt durch BVerwG v. 4.12.2000, 11 B 56.00). Schon dies spricht dafür, an die Durchschnittsnacht anzuknüpfen. Dass dabei, um die Berechnung zu erleichtern, die Beschränkung auf die sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres aufgegeben wird, fällt zu Ungunsten der Betroffenen nur geringfügig mit 0,4 dB(A) ins Gewicht (siehe Verhandlungsniederschrift Seite 8, 16) und kann noch hingenommen werden. Problematischer, im Ergebnis aber dennoch unbedenklich ist der Umstand, dass auch sonst in jeder Hinsicht unbeschränkt über ein ganzes Jahr gemittelt wird. Nach der Beweisaufnahme (Verhandlungsniederschrift Seite 8) kann von medizinischer Seite mangels entsprechender Untersuchungen zu diesem Thema derzeit nur der Vorschlag aus dem DLR-Zwischenbericht beigetragen werden, von einem Mittelwert auszugehen und die Streubreite in der ungünstigen Richtung als Sicherheitsmarge dazuzunehmen. Bei lärmpsychologischen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Betroffenen ihre Gesamtbewertung des Fluglärms nicht nach einem Mittelwert ausrichten, sondern nach der jeweils schlechteren Betriebsperiode; dies gilt insbesondere auch für unterschiedliche Betriebsrichtungen. Diese Bewertung wird auch rechtlich nachzuvollziehen sein. Denn es erscheint nicht gerechtfertigt, eine möglicherweise wochenlang anhaltende und für sich gesehen unzumutbare Belastung durch Verrechnung mit einer anschließenden weniger belasteten Periode "wegzumitteln" und die Betroffenen damit in diesem Zeitraum schutzlos zu lassen.

Solche Erörterungen sind hier aber nicht weiter zu vertiefen, weil sie sich uneingeschränkt nur auf die ersten beiden Kriterien beziehen können. Beim Pegelhäufigkeitskriterium hat der lärmphysikalische Sachverständige die beiden Betriebsrichtungen nämlich je gesondert angesetzt (Berechnung 100:100; siehe Verhandlungsniederschrift Seite 18) und insbesondere hat er hier als Bezugszeitraum nicht den Jahresdurchschnitt angesetzt, sondern sich an dem sog. "seltenen Ereignis" orientiert, nämlich an derjenigen Nacht, gegenüber der nur 5 % der Nächte durch eine noch höhere Belastung gekennzeichnet sind. Diese vom Luftamt mit Blick auf ähnliche Regelungen (TA Lärm und Sportanlagen-Lärmschutzverordnung; siehe Bescheid Seite 196) vorgegebene Orientierung hält einer Nachprüfung stand. Neben der genannten Analogie zu vergleichbaren Vorschriften sprechen für sie die lärmpsychologischen Erkenntnisse; zwar wirken, wie bemerkt, im Empfinden der Betroffenen längere Perioden höherer Belastung durchaus prägend, Ereignisse mit geringerer Häufigkeit als 5 % werden jedoch als Ausnahme empfunden (Kastka, Verhandlungsniederschrift Seite 8).

Dies bedeutet, dass hinsichtlich des Bezugszeitraums die Anwohner bei den ersten beiden Kriterien schwächer geschützt werden als beim dritten. Im Gesamtgefüge der Kriterien ist dies nicht zu beanstanden. Denn es ist nicht zu erwarten, dass sich an einem Einwirkungsort gleichsam am Pegelhäufigkeitskriterium vorbei, das gerade auf hohe Belastungen zielt, unzumutbare Belastungen entwickeln, die nach den beiden anderen Kriterien in der langfristigen Verrechnung weggemittelt werden; dem steht entgegen, dass unterschiedlich hohe Pegel in der Praxis nicht in beliebiger Streuung, sondern in einer gewissen Zuordnung zueinander auftreten (Pegelhäufigkeitsstatistiken) und dass folglich beim Ausschluss allzu häufiger Pegel über 70 dB(A) nahezu ebenso hohe Pegel in der Einzelnacht jedenfalls dann nicht in beliebiger Zahl auftauchen können, wenn dem langfristig durch das Dauerschallkriterium entgegengewirkt wird.

2.2.5 Für die Umsetzung lärmmedizinischer und lärmpsychologischer Erkenntnisse in Lärmschutzregelungen ist, wie sich bereits im Vorstehenden gezeigt hat, das Verhältnis von Innen- und Außenpegel bedeutsam. Denn Lärmmedizin und Lärmpsychologie haben die Betroffenheit des sich nachts im Hause aufhaltenden Menschen im Auge, während Lärmschutzregelungen nur den im Freien einwirkenden Lärm erfassen können. Entsprechend der Tatsache, dass auch die bescheidgemäß gewährten Schallschutzfenster für Schlafräume mit Belüftungseinrichtungen zu versehen sind, ist dabei von einem Schlafen hinter gekippten Fenstern auszugehen. Die Differenz Innen-/Außenpegel, um die es geht, wird im Sprachgebrauch manchmal vereinfachend, aber fehlerhaft - darin ist den Klägern ohne weiteres rechtzugeben - mit der Lärmminderung durch das gekippte Fenster gleichgesetzt. Tatsächlich tragen zu der Minderung nicht nur das Fenster, sondern auch die übrigen Teile des Hauses bei und ist die Minderung im Einzelnen auch von weiteren Gegebenheiten im Rauminneren abhängig mit der Folge, dass die fragliche Differenz von Fall zu Fall durchaus unterschiedlich sein kann. Da aber allgemeine Lärmschutzregelungen auf solche Unterschiede offenkundig nicht eingehen können, ist die Verwendung eines möglichst realitätsnahen Pauschalwertes unvermeidlich, wobei entgegen dem Klägervortrag nicht von vorneherein von "überdimensionierten Verglasungen" auszugehen ist, da diese bei Schlafräumen nicht die Regel bilden. Als eine solche Differenz setzt die streitige Nachtflugregelung ebenso wie die Vorgängerregelung 15 dB(A) an; dem ist zuzustimmen.

Den Klägern ist zuzugeben, dass in verschiedenen Veröffentlichungen niedrigere Differenzen vorgeschlagen werden (beispielsweise im Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom 5.12.1999 BT-Drs. 14/2300, S. 178: 10 dB(A)). In der gerichtsbekannten Praxis, nicht nur beim Flughafen München, wird jedoch ganz allgemein mit einer Differenz von 15 dB(A) gerechnet. Wohl nicht zufällig rechnet auch der lärmphysikalische Beistand der Kläger, obwohl er diesen Wert in Frage stellt, in seinen übrigen Ausführungen mit ihm (so etwa in Steger vom 8.8.2001, S. 13). Auch Richtlinien und amtliche Entwürfe sehen die Differenz bei diesem Wert (VDI 2719, August 1987, Nr. 10.2 - jedenfalls für einen hier vom Dauerschallpegelkriterium festgelegten Mittelungspegel außen von 50 dB(A) -; Anlage zu § 3 des Entwurfes eines neuen Fluglärmgesetzes). Maßgeblich für den Senat ist schließlich, dass der lärmpsychologische Sachverständige bei den Betroffenen im Münchner Flughafen-Umland, auf deren Reaktionen und Empfinden es letztlich ankommt, genau diese Differenz zwischen geschlossenem und gekipptem Fenster auch im Belästigungsempfinden festgestellt hat (Verhandlungsniederschrift S. 8 f.). Einer weiteren Beweiserhebung bedarf es daher nicht.

2.3 Lärmphysikalische Umsetzung

Die im wesentlichen auf den Erkenntnissen der Lärmmedizin und Lärmpsychologie beruhenden Vorgaben für den Schutz vor unzumutbarem nächtlichem Fluglärm bedürfen der lärmphysikalischen Umsetzung. Zu diesem Zweck hat die Beigeladene zunächst das Gutachten Obermeyer (1999) vorgelegt, das für die Darstellung der künftigen Lärmbelastung im Flughafenumland unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien weiterhin Bedeutung hat. Die Festlegung der drei zentralen Schutzkriterien durch das Luftamt stützt sich jedoch ausschließlich auf das Gutachten des lärmphysikalischen Sachverständigen Thomas J. Meyer (Lärmphysikalische Grundlagen für nächtlichen Flugverkehr am Flughafen München, 2001), das im Zusammenhang mit den mündlichen Aussagen des Sachverständigen den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt wird. Der Sachverständige Meyer begutachtet schon seit Jahrzehnten im Auftrag des Luftamtes bzw. des zuständigen Ministeriums die Lärmauswirkungen des Flughafens München. Seine zuverlässigen und nachvollziehbaren Aussagen zu dieser Thematik sind seit langem gerichtsbekannt. Der Senat sieht auch im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, an den Darstellungen des Sachverständigen zu zweifeln.

2.3.1 Das System der drei Schutzkriterien ist auch in lärmphysikalischer Hinsicht stimmig. Allerdings sind im folgenden zu dem angefochtenen Bescheid drei Klarstellungen nötig, von denen zwei vom Luftamt in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift erklärt wurden und eine dritte vom Senat in Auslegung des Bescheides für nötig gehalten wird. Angesichts der sowohl bedauerlichen wie unvermeidlichen Kompliziertheit der Kriterien, die bereits angesprochen wurde, hält der Senat das Verbleiben einzelner Unklarheiten in Randfragen für natürlich und das eingeschlagene Verfahren nachträglicher Klarstellungen für hinnehmbar.

Mit dem sog. Lärmvolumen wird ein von den einzelnen Einwirkungsorten unabhängiges Lärmkontingent für den Nachtflug am Flughafen verfügt. Das Lärmvolumen (siehe im Einzelnen Anhang 1 des Bescheides in Umsetzung des Sachverständigengutachtens) besteht aus der Summe der nach Lärmauswirkungen gewichteten Startzahlen und Landungszahlen, insgesamt also Bewegungszahlen in der Durchschnittsnacht. Die Gewichtung nach Lärmauswirkungen geschieht in der Weise, dass die Flugzeugtypen entsprechend ihrer Schallleistung in sechs Gruppen eingeteilt werden, wobei die Gruppe 3 die Standardgruppe (ohne besonderen Gewichtungsfaktor) darstellt, während sich die leiseren Flugzeuge in den Gruppen 1, 2 und 6, die lauteren in den Gruppen 4 und 5 finden. Die in dB ausgedrückten Abweichungen der einzelnen Gruppen bei Start und Landung von der Standardgruppe müssen, da es nicht um Pegel, sondern um Gewichtungsfaktoren für Bewegungszahlen geht, aus dem Logarithmus herausgenommen und in die Potenz gesetzt werden, wobei der bei den Pegeln bekanntlich verwendete Faktor 10 zu eliminieren ist. Für Langstreckenstarts, die den Flughafen mit einem niedrigeren Profil verlassen, wird zusätzlich ein Gewichtungsfaktor von 2,5 (1004 entsprechend einer Lärmerhöhung um 4 dB(A)) angesetzt. Hieraus ergeben sich die beiden Formeln für die Errechnung des Lärmvolumens in Anhang 1 des Bescheides.

In diesem Anhang ist zur Gruppenbildung, einen Vorschlag des Sachverständigen aufnehmend, weiter vermerkt: "Es können bei einer Vergleichsrechnung jederzeit weitere Flugzeuggruppen hinzugefügt werden, sofern durch mindestens 2.400 Messwerte an jeder der vorgenannten Messstellen nachgewiesen wird, dass sie durchschnittlich um mehr als ± 1 dB(A) von den Werten einer der oben in der Tabelle angegebenen Gruppen abweichen." Der Sachverständige hat hierzu erläutert (Verhandlungsniederschrift S. 14), dieser Fall könne insbesondere bei der Gruppe 4 und 5 auftreten, sollte sich herausstellen, dass vollgetankte Maschinen abweichende Routen fliegen; für diese Maschinen müsste dann eine zusätzliche Gruppe gebildet werden oder sie seien ggf. einer anderen Gruppe zuzuschlagen. Da die Gruppenbildung für die Gewichtung der Bewegungszahlen entscheidend ist (und sich insofern beim Dauerschallkriterium fortsetzt) und dadurch einer zutreffenden Lärmermittlung dient, muss sie im Interesse der Betroffenen so realitätsnah wie möglich gestaltet sein. Infolge dessen stellt der Senat in Auslegung der zitierten Passage des Bescheides klar, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen Neubildungen von Gruppen oder Umgruppierungen nicht nur möglich, sondern zwingend sind. Im Rahmen der Lärmschutzkontrolle (siehe unten) sind solche Prüfungen regelmäßig anzustellen.

Auf den ersten Blick berechtigt erscheint die Einwendung der Kläger, dass in den Formeln für die Start- und Landeanteile des Lärmvolumens die Starts und Landungen von Flugzeugen der Standardgruppe 3 jeweils mit dem Gewichtungsfaktor 1 eingehen und es deshalb für das Lärmvolumen in der Summe gleichgültig ist, ob ein Flugzeug dieser Gruppe startet oder landet, und dies trotz der bekanntermaßen höheren Lärmentwicklung beim Start. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es beim Lärmvolumen niemals um absolute Maße der Lärmentwicklung geht, sondern nur um Relationen. Da ein beliebiger Austausch zwischen Starts und Landungen der Gruppe 3 unrealistisch ist, das Start-Lande-Verhältnis ohnehin nur in einem gewissen Umfang streut (siehe hierzu Nr. 2.4.2 des Lärmgutachtens) und es hier allein um etwaige Streuung innerhalb einer Gruppe geht, kann die sich aus einer etwaigen derartigen Streuung ergebende Unschärfe als geringfügig vernachlässigt werden. Vor allem aber setzt sich die Unschärfe bei dem, wie ausgeführt, für den Schutz der Betroffenen unmittelbar entscheidenden Dauerschallkriterium nicht fort, weil dort - siehe Anhang 2 des Bescheides - die unterschiedlichen Start- und Landepegel ohnehin in die Rechnung eingehen.

Mit der oben erwähnten Klarstellung kann das Lärmvolumen seinen - wie erörtert - wesentlichen Zweck erfüllen, als lärmphysikalische Basis des Dauerschallkriteriums und als Mittel der langfristigen Kontrolle der Einhaltung der Nachtflugbeschränkungen zu dienen.

Das Dauerschallkriterium stellt sicher, dass an den Schnittpunkten der Flugkorridore mit den Grenzen des Nachtschutzgebiets ein Dauerschallpegel von 50 dB(A) in der Durchschnittsnacht nicht überschritten wird. Durch die Wahl dieser Bezugspunkte wird einerseits die lärmphysikalische Berechenbarkeit gewährleistet, die in präziser Form nur für die Korridormittellinien gegeben ist, und andererseits im Interesse der Betroffenen der jeweils am meisten belastete Punkt zu Grunde gelegt, so dass das Auftreten höherer Dauerschallpegel als 50 dB(A) außerhalb des Nachtschutzgebietes ausgeschlossen wird.

Mit Recht haben die Kläger darauf hingewiesen, dass diese Zielsetzung nicht vollständig erreicht wird, wenn sich an der Grenze des Nachtschutzgebiets der Fluglärm zweier benachbarter Korridore überlagert. Zu diesem Problem hat das Luftamt klarstellend und nach Auffassung des Senats verbindlich den Bescheid dahin ausgelegt (Verhandlungsniederschrift S. 16), dass die Lärmwerte benachbarter Korridore logarithmisch zu addieren sind und zusammen den Wert von 50 dB(A) nicht überschreiten dürfen.

Das Dauerschallkriterium knüpft an die bekannten Komponenten des Dauerschallpegels an: Durchschnittlicher Einzelereignispegel, logarithmierte Bewegungszahl und logarithmierte relative Einwirkungsdauer des Einzelereignisses (bezogen auf die Nachtzeit von 8 Stunden). Was die Einwirkungsdauer angeht, hat sich aus den Untersuchungen des Sachverständigen ergeben, dass es insoweit keiner Unterscheidung der Einwirkungsorte bedarf und es folglich genügt, die Orte über ihre jeweilige Entfernung vom Flugzeug zu unterscheiden (Verhandlungsniederschrift S. 14); die in der Berechnungsformel (Anhang 2 des Bescheides) vorkommenden Summanden "- 44,6" entsprechen daher - logarithmiert - der Einwirkungsdauer von (unterschiedslos) einer Sekunde, auf die der Pegel normiert ist. Für die Bewegungszahl geht das Lärmvolumen, wiederum getrennt nach Starts und Landungen, in logarithmierter Form in den Dauerschallpegel ein, so dass sich hieraus eine auch der praktischen Vereinfachung dienende Verknüpfung der ersten beiden Kriterien ergibt; allerdings muss dabei - wegen der Ortsabhängigkeit des Dauerschallkriteriums - das Lärmvolumen zunächst auf die einzelnen Flugrouten verteilt werden. Der durchschnittliche Einzelereignispegel ist entfernungsabhängig, wobei sich die Entfernung bei der Landung aus den Landegleitwinkeln und beim Start aus den Steigprofilen ergibt, die, gemäß den Angaben des Sachverständigen, im Anhang des Bescheides abgedruckt sind. Die Entfernungsabhängigkeit wiederum wird gemäß Anhang 2 des Bescheides durch je eine Formel dargestellt, die für die Landung vom Sachverständigen entwickelt und für den Start von anderer Seite veröffentlicht und vom Sachverständigen überprüft wurde (siehe Verhandlungsniederschrift S. 14). Die in der Berechnungsanleitung weiter vorgesehenen Abschläge für die verschiedenen Betriebsrichtungen rühren von dem bereits oben erörterten Umstand her, dass beim Dauerschallkriterium den Bezugszeitraum das gesamte Kalenderjahr ohne Rücksicht auf die Betriebsrichtungen bildet.

Diese im Überblick geschilderte Struktur des Kriteriums erscheint sachgerecht.

Die Einhaltung des Pegelhäufigkeitskriteriums wurde vom Sachverständigen an allen kritischen Punkten der Grenze des (aufgrund seines Gutachtens) geringfügig erweiterten Nachtschutzgebiets überprüft (siehe hierzu Verhandlungsniederschrift S. 17). Der Überprüfung liegt, wie ausgeführt, eine am "seltenen Ereignis" orientierte Prognose zu Grunde, die dementsprechend als "worst case" 140 Bewegungen pro Nacht annimmt. In die Prognose waren ferner einzustellen der Verlauf und die relative Belegung der Flugrouten sowie der Flugzeugmix. Dabei wurden die bestehenden Flugrouten, der bei der Prognose des zu erwartenden Lärmvolumens vom Sachverständigen zu Grunde gelegte Flugzeugmix und die Angaben der Beigeladenen über die Routenbelegung zu Grunde gelegt. Gegenüber einer Veränderung all dieser Eingabedaten ist die Prognose naturgemäß empfindlich, besonders gegenüber einer Verlegung von Flugrouten (siehe Verhandlungsniederschrift S. 16 f.). Bei einer Routenverlegung bedarf es ohnehin einer erneuten Überprüfung in Bezug auf das Pegelhäufigkeitskriterium, wie sich dies schon aus einem entsprechenden Auflagenvorbehalt der ursprünglichen Planfeststellung ergibt (Nr. IV 1.7 des Planfeststellungsbeschlusses vom 8.7.1979). Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang wiederum auf eine in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klarstellung durch das Luftamt hinzuweisen (Verhandlungsniederschrift S. 16): Im Falle einer Routenverlegung werden die konkreten Folgerungen aus dem Pegelhäufigkeitskriterium von Amts wegen geprüft werden. Im Übrigen sind nach Aussage des Sachverständigen (Verhandlungsniederschrift S. 17) beim Flugzeugmix und bei der absoluten Bewegungszahl in der derzeitigen Prognose Sicherheiten eingebaut.

Gegen die Prognose bestehen keine methodischen oder sonstigen Bedenken; insbesondere können solche Bedenken nicht durch Rechenbeispiele begründet werden, die auf einem nach heutigen Erfahrungen unrealistischen Flugzeugmix oder einer unrealistischen Routenbelegung beruhen (siehe wiederum Verhandlungsniederschrift S. 17). Unter diesen Umständen müssen verbleibende Ungewissheiten über den weiteren Verlauf wie bei jeder Planung als unvermeidliche Prognoseunsicherheiten hingenommen werden.

2.3.2 Die Kriterien und Berechnungen beruhen auf lärmphysikalischen Annahmen über die Schallleistungen der einzelnen Flugzeuggruppen, den Flugzeugmix, die Flugrouten und ihre Belegung und die Steigprofile samt Schubreduktion. Alle maßgeblichen Annahmen in diesem Bereich sind, soweit dies nicht bereits ausgeführt wurde, im folgenden zu bestätigen.

Was die Schallleistung der einzelnen Flugzeugtypen und die darauf aufbauende Gruppeneinteilung angeht, gehen die Überlegungen der Kläger, ob der Sachverständige die "Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm" (AzB) statt in der geltenden Fassung von 1984 nicht in der Entwurfsfassung von 1998 hätte verwenden sollen, am tatsächlichen Ermittlungsgang des Sachverständigen vorbei. Dieser verwendet einzelne Werte der AzB 1984 zwar als Bezugspunkte (Gutachten Teil I 2.1, 2.2), stützt seine maßgeblichen Annahmen aber auf eigene statistisch abgesicherte Messdaten, und zwar auf 70.000 Messdaten an 13 Messstellen unterschiedlicher Flughäfen (Verhandlungsniederschrift u.a. S. 14, Gutachten Teil I, 1; teilweise Veröffentlichung der Daten gemäß Literaturhinweis (3) des Gutachtens - Veröffentlichungsdatum zu berichtigen auf Hamburg 2002). Eine eigene Überprüfung dieser Daten, die die Beigeladene übrigens durch ihre Messungen für bestätigt hält (Verhandlungsniederschrift S. 15), ist dem Senat naturgemäß nicht möglich; er sieht jedoch keinen Anlass, an diesen Angaben des erfahrenen und anerkannten Sachverständigen zu zweifeln.

Ebenfalls keiner Erörterung bezüglich der verschiedenen Fassungen der AzB bedürfen die in den angefochtenen Bescheid übernommenen Annahmen des Sachverständigen über die Steigprofile einschließlich Schubreduktion, da diese Annahmen in gleicher Weise auf den erwähnten Messdaten beruhen und im Übrigen über Erkenntnisse der Flugsicherung abgesichert sind (Verhandlungsniederschrift S. 14 f.; dort auch zu den Erkenntnissen des Sachverständigen, in welcher Weise von den Piloten Schubreduktion angewendet wird). Außerdem ist auf die schon oben im Zusammenhang mit dem Lärmvolumen erörterte Profilkorrektur bei Langstreckenstarts zu verweisen. Der Senat sieht den Sachverhalt hierdurch als im Sinne des angefochtenen Bescheids geklärt an und hält eine weitere Beweiserhebung (wie beantragt, siehe Verhandlungsniederschrift S. 22 i.V.m. Klägerschriftsatz vom 23.9.02, S. 34 Nr. 6 a und b) nicht für veranlasst.

Die Annahmen bezüglich der Flugrouten (Flugkorridore) folgen den Festlegungen des dafür zuständigen Luftfahrtbundesamts. Was die Abweichungen von den Korridoren im tatsächlichen Flugbetrieb angeht, muss mit einer Streubreite um die Korridormittellinie ohnehin gerechnet werden. Darüber hinausgehende Abweichungen, also Verletzungen der Flugrouten, werden nach Aussage des Luftamts geahndet (Verhandlungsniederschrift S. 18) und können jedenfalls im Allgemeinen nicht schon von vorneherein der Prognose zu Grunde gelegt werden. Sollten insbesondere bei schweren Maschinen ständige Schwierigkeiten bei Einhaltung der Flugroute auftreten, müsste eine zusätzliche Flugroute mit den erwähnten rechtlichen Folgerungen angeboten werden, wie dies unlängst bereits geschehen ist (Verhandlungsniederschrift a.a.O.); auch käme für diesen Fall nach der Aussage des Sachverständigen, wie bereits angedeutet, die Bildung einer zusätzlichen Flugzeuggruppe - notwendig - in Betracht (Verhandlungsniederschrift S. 14). Insgesamt führt deshalb auch die Korridorproblematik nicht auf Bedenken gegen die angefochtene Regelung.

2.3.3 Die lärmphysikalischen Annahmen bilden auch die Grundlage für eine spätere Kontrolle der Einhaltung der neuen Nachtflugregelung. Diese Kontrolle ist für den Rechtsschutz der Kläger nicht minder bedeutsam wie die Regelung selbst, und ihr muss schon wegen der ungünstigen Erfahrungen mit der Kontrolle der bisherigen Regelung Beachtung geschenkt werden. In diesem Zusammenhang wurde bereits ausgeführt, dass sich eine wirksame Kontrolle in Bezug auf die Einzelnacht praktisch nicht durchführen lässt. Entsprechend dem Grundsatz, dass eine effektive Kontrolle besser ist als gar keine Kontrolle, muss die Kontrolle daher in den langfristigen Bereich verlagert werden, mit anderen Worten, sie kann nur bei dem ersten und zweiten Kriterium und auf der Seite des Flughafens bei der Gestaltung des Flugplans ansetzen; eine unmittelbare Kontrolle vor Ort, vor allem des Pegelhäufigkeitskriteriums, wird sich jedenfalls in größerem Maßstab kaum durchführen lassen (siehe Verhandlungsniederschrift S. 17). Die unter II 1 und 2 im Verfügenden Teil des angefochtenen Bescheides enthaltenen Kontrollregelungen verwirklichen diese Grundgedanken in sinnvoller Weise. Dass es sich dabei jeweils um eine jährliche Kontrolle der Einhaltung der Kriterien handelt, folgt aus deren Struktur, wird aber durch die "Vorwarn-Regelung" in II 1.2 des Verfügenden Teils abgemildert und kann den Klägern in diesem Zusammenhang zugemutet werden. Ergänzend ist auf die laufend veröffentlichten Immissionsberichte der Beigeladenen zu verweisen, die ebenfalls der Kontrolle der Kriterien dienen (Verhandlungsniederschrift S. 17).

Auch die Kontrollregelungen sind daher nicht zu beanstanden.

3. Abwägung

Die Entscheidung der Genehmigungsbehörde ist nach Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis nicht zu beanstanden; Fragen der Raumordnung und Landesplanung bleiben bei dieser Feststellung zunächst ausgeklammert (hierzu unten 4). Die Behörde hat die für eine Änderung der bisherigen Nachtflugregelung sprechenden Belange und die ihr entgegenstehenden Belange des Lärmschutzes ordnungsgemäß ermittelt und miteinander abgewogen.

3.1 In die Abwägung einzustellen waren vor allem solche Lärmbeeinträchtigungen, die auch bei Einhaltung der festgesetzten Zumutbarkeitsschwellen noch verbleiben (siehe oben 1.2). Dies gilt für noch zumutbare, aber mehr als geringfügige Lärmeinwirkungen, wie sie sich außerhalb des Nachschutzgebiets, also in Bereichen einstellen werden, für die kein passiver Schallschutz vorgesehen ist. Dies gilt ferner für den Umstand, dass innerhalb des Nachtschutzgebiets ausreichender Schutz nur hinter geschlossenen Schallschutzfenstern zu finden ist ("Käfig-Effekt") und für die Lärmbeeinträchtigungen im Außenwohnbereich (siehe hierzu oben 1.3). Schließlich und vor allem war zu bedenken, dass der nächtliche Fluglärm insgesamt eine teilweise erhebliche Steigerung erfährt. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass in den am stärksten betroffenen Ortslagen der vom Luftamt gebildeten Betroffenheits-Gruppen 1 und 2, in denen bisher trotz bereits vorhandenem passiven Schallschutz gesundes Schlafen auch bei gekippten Fenstern noch möglich war, in Zukunft mit Eintritt des der neuen Nachtflugregelung zugrunde liegenden Prognose-Szenarios gesundes Schlafen nur noch bei geschlossenen Fenstern möglich sein wird und zusätzlich in den Ortslagen Schwaig-Nord und Pulling-Süd die Nutzung des Außenwohnbereichs im Nachtzeitraum nicht mehr zumutbar sein wird (S. 170 f. des Bescheides).

Zusätzlich zu erwartenden Straßenverkehrslärm hat das Luftamt (S. 202 des Bescheides) dagegen zu Recht nicht in die Abwägung eingestellt. Eine solche Zunahme verteilt sich auf viele Straßen und ist dort als jeweils geringfügig anzusehen. Ein entsprechender Belang wäre auch nicht schutzwürdig, weil die Anwohner solcher Straßen mit einer gewissen Verkehrszunahme ohnehin immer rechnen müssten (BVerwGE 59, 87/102).

3.2 Zu Gunsten der getroffenen Regelung durfte das Luftamt davon ausgehen, dass das bisherige Bewegungskontingent von 38 zulässigen Nachtflügen angesichts der tatsächlichen Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens am Flughafen München seit seiner Inbetriebnahme im Jahre 1992 schon bisher nicht ausreichend war und in Anbetracht eines bis zum Jahre 2010 prognostizierten Wachstums von jährlich 5 % auch in Zukunft nicht ausreichend sein wird. Ein Vergleich der der bisherigen Nachtflugregelung zu Grunde liegenden Prognosen (in den Änderungsplanfeststellungsbeschlüssen vom 7.8.1991 und 7.6.1984) mit dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen zeigt, dass das für 2000 prognostizierte Aufkommen von 174.000 Flugbewegungen bereits 1992, dem Jahr der Eröffnung des Flughafens, mit 192.000 Flugbewegungen überschritten wurde. Im Jahre 2000 waren bereits 329.000 Flugbewegungen zu verzeichnen. Diese Entwicklung führte dazu, dass die bisherige Nachtflugregelung nur in den ersten Jahren nach Inbetriebnahme des Flughafens München eingehalten wurde. Die zunehmenden Überschreitungsfälle waren Gegenstand der bereits erwähnten gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem erkennenden Senat (BayVGH vom 18.4.2000, 20 A 99.40019 u.a.). Nach den Angaben der Beigeladenen in ihrem Genehmigungsantrag wurde schon 1998 in 40 % der Nächte das Kontingent von 38 Nachtflügen erreicht bzw. überschritten.

Allerdings sind die derzeitigen tatsächlichen Nachtflugbewegungen noch weit von der rechtlich möglichen Bewegungszahl entfernt (siehe unten 4). Dies scheint für die Abwägung zunächst kein Problem zu bedeuten, denn da hier nicht geplant oder gebaut, sondern nur eine bisher nicht bestehenden Bewegungsmöglichkeit eröffnet wird, werden die Flughafenanwohner insoweit nicht beeinträchtigt, als von dieser Möglichkeit tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird. Allerdings ist zu bedenken, dass eine möglicherweise noch nicht vorhandene Nachfrage durch das nunmehr eröffnete Angebot erst stimuliert wird, es sich also um eine Angebotsplanung handelt. Dies wird unter landesplanerischen Gesichtspunkten nochmals zu bedenken sein (unten 4); im allgemeinen Fachplanungsrecht ist gegen Angebotsplanungen jedoch grundsätzlich nichts einzuwenden, jedenfalls wenn für eine solche Planung besondere Gründe wie etwa die Strukturschwäche des Gebiets sprechen (BVerwGE 114, 364). Von Strukturschwäche kann hier zwar keine Rede sein, wohl aber können die noch zu erörternden landesplanerischen Ziele, u.a. die interkontinentale Luftverkehrsanbindung ganz Bayern langfristig sicherzustellen, eine Angebotsplanung auch im Tages-Rand-Bereich rechtfertigen. Der angefochtene Bescheid zielt in diesem Zusammenhang nicht einmal so sehr auf Expansion, als auf Vermeidung von Konkurrenznachteilen des Münchner Flughafens im Vergleich zu anderen Flughäfen (S. 178 f.). Dies mag auf sich beruhen. Jedenfalls kann dem Luftamt nicht vorgeworfen werden, die erweiterten Nachtflugmöglichkeiten gänzlich am Bedarf vorbei verfügt zu haben. Nach dem ARC Gutachten (vom 30.6.1999 "Strukturelle Anforderungen an einen HUB München während der Tagesrand- und der Nachtzeit") wird für Deutschland bis zum Jahr 2010 mit einer jährlichen Steigerung des Personenverkehrs von 3,7 % und bei den Flugbewegungen von 3,4 % gerechnet; für den Flughafen München ist die Wachstumsrate möglicherweise noch höher. Die Annahme der Genehmigungsbehörde, dass diese Steigerung auch zu zusätzlichem Nachtflugbedarf führen wird, ist nachvollziehbar.

3.3 Die Abwägung der entgegenstehenden Belange (zusammengefasst auf S. 171 bis 183 des Bescheides) begegnet keinen Bedenken.

Es ist freilich nicht zu verkennen, dass die mit dem wesentlich leiser gewordenen Fluggerät verbundenen Vorteile aufgrund des angefochtenen Bescheides kaum den Flughafenanwohnern und ganz überwiegend dem Flughafen zugute kommen, indem diesem weit höhere Bewegungszahlen gestattet werden. Es ist jedoch Wesen der mit der Planungshoheit verbundene Gestaltungsfreiheit, sich für die Bevorzugung des einen und für die Zurückdrängung eines anderen Belangs entscheiden zu können.

Die Behörde hat jedenfalls im Gesamtzusammenhang nicht den Schutz der Betroffenen vernachlässigt. Über die weiter geltende Freihaltung der Kernzeit der Nacht und die ausführlich erörterten Schutzkriterien hinaus hat sie flankierende Maßnahmen zu Gunsten des Lärmschutzes ergriffen. Zu erwähnen ist hierbei insbesondere die "modifizierte Bonusliste" (Verfügender Teil I 4 des Bescheides), die einige besonders laute Flugzeuge, obwohl sie nach Kapitel 3 der ICAO zertifiziert sind, vom Nachtflugverkehr ausschließt (siehe Verhandlungsniederschrift S. 11). Derartige Beschränkungen dienen im Übrigen dem Lärmschutz ganz allgemein, weil sie einen Anreiz zum Einsatz lärmarmen Geräts auch am Tage bieten.

Entgegen der Meinung der Kläger verletzt die getroffene Regelung nicht ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen oder - der Ausdruck ist ohnehin nicht voll einschlägig - eine "Selbstbindung" der Behörde. Es ist zwar richtig, dass das bisherige Kontingent von 38 Nachtflugbewegungen auf eine lange Tradition bis zur luftrechtlichen Genehmigung von 1974 zurückblicken konnte; damals ging man von einem 5 %-igen Nachtfluganteil bei einem maximalen Volumen von 750 Bewegungen am Tage aus. Eine Garantie für die künftige Nichtüberschreitung dieser Obergrenze wurde aber niemals gegeben. Sie wäre zumindest auch ungewöhnlich gewesen, da es im Wesen der meisten Regelungen liegt, nicht für alle Zukunft zu gelten, sondern bei Wahrung des Rechtsschutzes der Betroffenen auch geändert werden zu können. Für luftrechtliche Genehmigungen folgt die Änderungsmöglichkeit ausdrücklich aus § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG.

4. Raumordnung und Landesplanung

Der streitige Bescheid ist außer an den erwähnten Maßstäben auch an den Erfordernissen der Raumordnung zu messen, insbesondere an den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 LuftVG i.V.m. den Vorschriften des alten bzw. neuen Raumordnungsrechts: § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 3, 5, § 5 Abs. 4 des Raumordnungsgesetzes/ROG a.F. i.d.F. der Bekanntmachung vom 28.4.1993, BGBl 1993 S. 630 i.V.m. Art. 3 des Bayerischen Landesplanungsgesetzes; § 4 Abs. 1, 2 in Verbindung mit - mit Blick auf den Gesellschafterkreis der FMG - § 4 Abs. 3 Nr. 1 ROG n.F. vom 18.8.1997, BGBl I S. 2081).

Auch bei Berücksichtigung dieser Vorgaben haben die Klagen im Ergebnis keinen Erfolg.

4.1 Die Forderung des Bayerischen Landesentwicklungsprogramms, die Belastung der Bevölkerung durch zivilen und militärischen Fluglärm zu senken (BXIII3.2) wird konkretisiert durch die Forderung des Regionalplans für die Region 14 (BXII2.5.4, i.d.F. vom 15.2.1987): "Auf eine nachhaltige Verringerung der Lärmbelastung durch Flugbetrieb soll hingewirkt werden. Die Lärmbelastungen durch den neuen Verkehrsflughafen München sollen nachts so gering wie möglich gehalten werden". (Der Zusatz "neuen" wurde inzwischen gestrichen; siehe die Planfassung vom 1.8.2002 unter B II 6.5). Der Zusammenhang beider Sätze ist mit Blick auf den Wortlaut, den Sinn und auf § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG so zu verstehen, dass das Gebot, auf eine Verringerung der Fluglärmbelastung hinzuwirken, für den Nachtflug am Flughafen München auch und besonders gilt. Wenn auf eine Verringerung der Lärmbelastung hingewirkt werden soll, bedeutet dies auch und erst recht, dass eine Erhöhung der Lärmbelastung unterbleiben soll.

4.2 Den höchsten Grad der Verbindlichkeit eines Erfordernisses der Raumordnung, nämlich den eines "Zieles", erreicht diese Vorgabe nicht. Ziele sind verbindliche, abschließend abgewogene Festlegungen (§ 3 Nr. 2 ROG n.F.), die nach den eingangs genannten Rechtsvorschriften unmittelbar zu beachten, aber nicht wiederum abzuwägen sind. Nach ständiger Rechtsprechung (BVerwG vom 22.6.1993, 4 B 45/93, VkBl 1995, 210; vom 19.7.2001, DVBl 2001, 1855) können Ziele daher nur Vorgaben mit einer solchen inhaltlichen Eindeutigkeit sein, dass sie sich als Letztentscheidungsdirektive ohne weiteren Spielraum darstellen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Sie wären allerdings erfüllt, verstünde man die Forderung des Regionalplans in folgendem Sinne: Die Lockerung bestehender Nachtflugbeschränkungen darf in keinem Falle zu einer Erhöhung der Belastung durch nächtlichen Fluglärm im Vergleich zur Zeit vor der Lockerung führen. Eine solche Forderung wäre eindeutig, und sie wäre hier auch eindeutig verletzt, wie sich im Übrigen samt Zahlenangaben aus dem Vergleich ergibt, den das Lärmgutachten Obermeier zwischen der bisherigen Lage ("Referenzfall") und den prognostischen Auswirkungen der Neuregelung anstellt. Eine derart strenge Auslegung des Regionalplans - sie wurde bezeichnenderweise im Verfahren von keinem Kläger vertreten - ist aber nicht veranlasst.

Zunächst ist nämlich zu bedenken, dass "Lärmbelastung", auch wenn man Einzelheiten vernachlässigt, eine komplexe Größe darstellt, in die jedenfalls sowohl die Zahl der Lärmereignisse als auch ihre Lautheit eingehen. Gegenläufige Bewegungen der Komponenten, wie sie auch den Hintergrund des vorliegenden Rechtsstreits bilden - die Zahl der Ereignisse steigt, die Einzelpegel sinken -, sind daher von vorneherein einzukalkulieren. Dennoch könnte auch bei dieser Betrachtung gefordert werden, dass die Gesamtbelastung, ausgedrückt im Dauerschallpegel oder in einem vergleichbaren Maß, niemals durch behördliche Maßnahmen gesteigert werden darf. Wenn über längere Zeit hinweg die durchschnittlichen Pegel gesunken sind, wäre es danach nicht möglich, den Flughafenbetreiber auch nur teilweise an dem Erfolg dieser Lärmminderung teilhaben zu lassen, indem unter Inkaufnahme eines gewissen Wiederanstiegs der Gesamtbelastung eine gewisse Vermehrung der Bewegungen zugelassen wird; die Gesamtbelastung dürfte sich also immer nur einlinig nach unten entwickeln. In diesem Zusammenhang ist der mögliche Konflikt mit dem gegenläufigen Belang, die Verkehrsfunktion des Flughafens zu sichern, zu bedenken; auch dieser Belang ist landesplanerisch abgesichert (Landesentwicklungsprogramm BX5.1: "Der Verkehrsflughafen München - Franz-Josef-Strauß soll die interkontinentale Luftverkehrsanbindung ganz Bayerns und die nationale und kontinentale Luftverkehrsanbindung Südbayern langfristig sicherstellen"). Da letztere Vorgabe wegen mangelnder Eindeutigkeit sicher nur einen Grundsatz, kein Ziel der Raumordnung darstellt, würde bei einem Konflikt beider Vorgaben diejenige des Regionalplans, sähe man in ihr ein eindeutiges Ziel, vorgehen und den Konflikt in jedem Fall für sich entscheiden. Dies bedeutete eine schwerwiegende Einschränkung des Entscheidungsspielraums der Luftfahrtbehörden, die schon sprachlich in die eher zurückhaltende Formulierung der regionalplanerischen Vorgabe nicht hineingelesen werden kann.

Eine strikte, die Möglichkeit einer Abwägung ausschließende Auslegung der Vorgabe ist deshalb abzulehnen. Diese hat folglich nicht den Charakter eines Zieles, sondern eines Grundsatzes der Raumordnung (§ 2 Abs. 2 ROG a.F., § 3 Nr. 3 ROG n.F.).

Die Frage, ob sich für ein Ziel weitere Einschränkungen daraus ergeben könnten, dass das Luftverkehrsgesetz im Auftrag des Bundes durchgeführt wird (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 3 ROG n.F.; ähnlich das frühere Recht), kann daher auf sich beruhen.

4.3 Wenn die Vorgabe des Regionalplans (nur) als "Grundsatz" in die Abwägung einzustellen war, bedeutet dies nicht, dass sie, weil der Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm schon nach dem Luftverkehrsgesetz und insbesondere nach § 29 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG zu berücksichtigen ist, gleichsam rückstandsfrei in die fachplanungsrechtliche Abwägung hinein aufzulösen ist und deshalb im Ergebnis nicht über sie hinausführt. Dieser in der Verhandlung vor allem vom Beklagten und der Beigeladenen vertretenen Auffassung steht entgegen, dass dem Raumordnungs- und Landesplanungsrecht ein eigenständiges Gewicht zukommt, das nicht auf diese Weise "auf Null gebracht" werden darf. In zahlreichen Gesetzesbestimmungen wie hier in § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 LuftVG wird dieses eigenständige Gewicht ausdrücklich hervorgehoben. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Inhalt der in Rede stehenden Vorgabe, nämlich ein Lärmminderungsgebot oder zumindest ein Lärmerhöhungsverbot, so dem Fachplanungsrecht nicht bekannt ist und daher schon deshalb darüber hinausführt.

Der in der Vorgabe des Regionalplans enthaltene Grundsatz wurde, wenn man ihn vor einer Abwägung zunächst für sich betrachtet, durch die Entscheidung des Luftamts bei jeder denkbaren Auslegung verletzt. Durch die Neuregelung wird nicht nur, wie offensichtlich, ein Lärmvolumen (eine für derartige Vergleiche nach den obigen Ausführungen durchaus brauchbare Größe) zugelassen, das das unmittelbar vor der Neuregelung bei Beachtung des damaligen Flugzeugmixes zulässige Volumen weit übersteigt. Nach den nicht zu bezweifelnden Aussagen des Sachverständigen Meyer wird auch das vor der Flughafeneröffnung für die frühere, erstmals rechtskräftig gewordene Nachtflugregelung von 1991 prognostizierte Volumen durch das nach der neuen Regelung zulässige Volumen um fast das Doppelte übertroffen (die auf Grund der damaligen Prognosen zu errechnende Zahl lautet 53 gegenüber der im Bescheid zugelassenen Zahl 105; siehe hierzu Verhandlungsniederschrift S. 21). Von einer Verringerung der Lärmbelastung kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Die Vorgabe des Regionalplans konnte in der Abwägung allenfalls mit Rücksicht auf die, wie gesagt, ebenfalls landesplanerisch abgesicherten öffentlichen Verkehrsinteressen zurückgedrängt werden, also den Verkehrsbedarf und die Verkehrsfunktion des Flughafens. Das Luftamt hat sich im Rahmen seiner Abwägung für die Bevorzugung des letzteren Belangs entschieden und dies ausführlich begründet (S. 171 ff. des angefochtenen Bescheides). Das mag im Rahmen der der Behörde eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit grundsätzlich hingehen. Die Behörde hat dabei aber die Frage außer Acht gelassen, ob die Vorgabe des Regionalplans in diesem Maße zurückgedrängt werden musste und ob nicht eine maßvollere Erhöhung der Nachtflugbewegungen vorzuziehen gewesen wäre. Ein echter Konflikt zwischen den beteiligten Belangen, der eine so weitgehende Öffnung erzwungen oder auch nur nahegelegt hätte, ist derzeit nämlich kaum erkennbar. Der Verkehr auf dem Flughafen München hat sich seit der Eröffnung in einem die Prognosen weit übertreffenden Ausmaß entwickelt, was beispielsweise demnächst zur Eröffnung eines weiteren Terminals führen wird. Dies ist unter der Geltung der alten Nachtflugregelung geschehen, die offenbar diese Entwicklung nicht entscheidend beeinträchtigt hat. Seit der Geltung der neuen Nachtflugregelung liegt die durchschnittliche nächtliche Bewegungszahl etwas über 40 und damit nicht weit über der früher zulässigen Höchstzahl und weit unter der Ausschöpfung des nunmehr zulässigen Kontingents. Dies zeigt, dass in hohem Maße Angebotsplanung betrieben wurde. Rechtfertigen lässt sich dies nicht wie etwa bei einem Bauvorhaben damit, dass eine langfristige Vorausschau nötig ist, weil nicht ständig nachgebaut werden kann; hier wäre im Gegenteil eine spätere Anpassung an etwa gestiegenen Bedarf jederzeit unschwierig möglich, insbesondere auch bezüglich des Nachtschutzgebiets, weil die rechtlichen und technischen Einzelheiten des Kriteriensystems ausgearbeitet und die Computerprogramme vorhanden sind. Dies hätte gewährleistet, dass eine Abwägung dann stattfindet, wenn ein Konflikt der Belange absehbar ist und nicht nur abstrakt vermutet wird. Bei Rechtskraft der vorliegenden Regelung wird demgegenüber dem Flughafenumland eine plangegebene Vorbelastung zugemutet, die ein erhebliches Steigerungsvolumen festschreibt und jeder weiteren Abwägung mit den Vorgaben des Regionalplans entzieht.

Gegen das Nichtbedenken dieser Zusammenhänge und gegen das Ergebnis bestehen deshalb erhebliche rechtliche Bedenken. Es drängt sich auf, dass das Luftamt die Bedeutung der betroffenen öffentlichen Belange verkannt und den Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen hat, die zur objektiven Gewichtigkeit der Belange außer Verhältnis steht (BVerwGE 56, 110/122 f.).

4.4 Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedarf es indessen nicht, weil eine Rechtswidrigkeit des behördlichen Bescheides unter dem Gesichtspunkt der Raumordnung die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen würde (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Raumordnung ist ihrem Wesen nach Ordnung des Raumes und daher in erster Linie eine öffentliche Aufgabe. Allenfalls in zweiter Linie kann sie die Gewährung subjektiver Rechte an Dritte zum Inhalt haben. Aber auch diese sekundäre Zielrichtung, die für einen Erfolg der Klagen vorauszusetzen wäre, ist hier auf Grund gesetzlicher Regelung auszuschließen. Die Vorgabe in BXII2.5.4 des Regionalplans für die Region 14 wurde 1987 aufgestellt und damit unter der Geltung des früheren bis Ende 1997 in Kraft befindlichen Raumordnungsgesetzes (a.a.O.). Dessen § 3 Abs. 3 bestimmte ausdrücklich, dass die Grundsätze der Raumordnung "dem Einzelnen gegenüber keine Rechtswirkung haben" (zum fehlenden Drittschutz der damaligen Grundsätze und auch Ziele siehe auch BVerwG v. 7.11.1996, DVBl 1997, 434). Unter der Geltung des damaligen Rechts konnte somit der regionale Planungsverband, obwohl dies von der Sache her denkbar gewesen wäre, gar nicht festlegen, dass seine Vorgabe auch den Flughafenanwohnern unmittelbar Rechte verleihen sollte. Die Vorgabe des Regionalplans bleibt in Inhalt und Reichweite durch diese bei ihrem Erlass geltende gesetzliche Regelung geprägt, und zwar ungeachtet des Umstands, dass das neue Raumordnungsgesetz, aus welchen Gründen auch immer, eine entsprechende Einschränkung des Drittschutzes nicht mehr enthält. Dies folgt einmal aus der Überleitungsvorschrift in § 23 Abs. 1 ROG n.F., wonach am 1. Januar 1998 in Aufstellung befindliche raumbedeutsame Planungen (hierzu zählen auch Raumordnungspläne, § 3 Nr. 6 ROG n.F.) nach dem bisherigen Gesetz zu beurteilen sind und damit erst recht die zu diesem Zeitpunkt bereits aufgestellten Pläne. Dies folgt weiter aus dem allgemeinen Grundsatz, dass ohne entgegenstehende Regelung eine untergesetzliche Rechtsvorschrift immer nach der bei ihrem Erlass bestehenden Gesetzeslage auszulegen ist. Ein Drittschutz, soweit er nach dem neuen Recht überhaupt möglich wäre, könnte der Vorgabe daher nur durch einen Rechtsakt des regionalen Planungsverbands seit 1998 beigelegt worden sein. Ein solcher Rechtsakt ist aber nicht ersichtlich, die allein die inzwischen vergangene Zeit betreffende Streichung des Wortes "neu" hat damit offenbar nichts zu tun.

Diese Rechtslage bedeutet, in die Sprache der Fachplanung übersetzt, dass es sich bei der Vorgabe des Regionalplans nur um einen öffentlichen Belang, nicht auch um einen privaten Belang der Kläger handelt. Vom Fall der Normenkontrolle abgesehen, für die § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht gilt, können solche Belange im Allgemeinen nicht im Klagewege geltend gemacht werden, da jeder Kläger nur die angemessene Berücksichtigung der eigenen privaten Belange und nicht auch die Berücksichtigung der Belange anderer Kläger oder öffentlicher Belange verlangen kann (BVerwGE 48, 56/66). Eine Ausnahme in dem Sinne, dass eine volle Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme stattfindet, wird von der Rechtsprechung nur bei solchen Klägern gewährt, deren Grundstücke für die angefochtene Maßnahme unmittelbar enteignend in Anspruch genommen werden müssen (BVerwGE 67, 74/76 und ständige Rechtsprechung; die Ausnahme gilt nicht auch für Gemeinden, die sich auf ihre Planungshoheit berufen, BVerwG v. 11.1.2001, NVwZ 2001, 1160). Die Voraussetzungen dieser Ausnahme sind hier bei keinem der Kläger gegeben und können bei einer Nachtflugregelung auch nicht gegeben sein.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Raumordnungs- und Landesplanungsrechts sind die Klagen daher im Ergebnis abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, 2 VwGO, § 100 ZPO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die durch Antragstellung ein eigenes Kostenrisiko übernommen hat, entspricht der Billigkeit (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

B. Eilverfahren

Die Abweisung der Eilanträge (§ 80 Abs. 5 VwGO) ist interessengerecht, weil die Klagen in der Hauptsache keinen Erfolg haben.

Für die Kosten und den Streitwert geltend die Bemerkungen zum Hauptsacheverfahren entsprechend.

Ende der Entscheidung

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