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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 20 B 04.2741
Rechtsgebiete: GG, KrW-/AbfG, BauGB, SGB VII, BayAbfG, StVO, UVV


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1 Satz 2
KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7
SGB VII § 1 Nr. 1
SGB VII § 15 Abs. 1 Nr. 1
BayAbfG Art. 7 Abs. 1
BayAbfG Art. 7 Abs. 4 Satz 1
StVO § 1 Abs. 1
StVO § 1 Abs. 2
StVO § 9 Abs. 5
UVV § 7 Abs. 1
UVV § 16 Nr. 1
1. Auch rechtliche Gründe - hier Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung - können einem Anfahren von Grundstücken mit einem Müllfahrzeug entgegenstehen

2. Bestehende Entsorgungsmissstände kann der Entsorgungsträger nicht zulasten der Abfallbesitzer lösen und diesen uneingeschränkte Mitwirkungspflichten auferlegen.

3. Wird eine Erschließungsanlage hinter den Festsetzungen eines Bebauungsplans zurückbleibend hergestellt, wäre diese Anlage im hergestellten Umfang aber "planbar" bzw. wird diese von dem Anlieger hingenommen, können sich die Abfallbesitzer später nicht gegen Mitwirkungspflichten bei der Verbringung von Abfällen wenden, soweit sich die Pflichten im Einzelfall im Rahmen der Zumutbarkeit halten.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

20 B 04.2741 20 B 04.2742

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen Abfallentsorgung;

hier: Berufung des Beklagten gegen die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. August 2004 (RN 7 K 03.1195 und RN 7 K 03.1194),

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Reiland, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Guttenberger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandl

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2005

am 11. März 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Streitsachen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. August 2004 werden die Klagen abgewiesen.

III. Die Kläger (die klagenden Eheleute jeweils gesamtverbindlich) tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu je ein Halb. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger zu 1 und 2 sind Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die im westlichen Bereich der (insgesamt ca. 155 m langen) Tulpenstraße von Süden (nach ca. 145 m - Fl.Nr. 191/141) und von Norden (nach ca. 120 m - Fl.Nr. 191/153) an diese angrenzen. Die Tulpenstraße zweigt im Südosten von der Kühbergstraße ab und geht im Westen nach den Grundstücken der Kläger in eine Gehwegverbindung über, die in einen von Süden - steil ansteigend - heranführenden und nicht befestigten Hang mündet. Die Tulpenstraße verfügt nach der Einmündungstrompete (in Granitsteinen) durchgehend über eine 3,5 m breit asphaltierte Fahrbahn mit einer südlichen (ca. 0,35 m breiten) Entwässerungsrinne (wiederum in Granitstein) und nochmals südlich sich anschließenden, parallel zur Fahrbahn angeordneten Stellplätzen zwischen dort gepflanzten Bäumen. Die nördlich angrenzenden Grundstücke steigen steil an, wobei auf zwei Grundstücken mit Nebengebäuden unmittelbar an die Straße gebaut ist. Die Tulpenstraße ist an ihrem Ende in einer Länge von 15 m auf eine Breite von 10 m ausgeweitet. Der im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Kühberg II (aus dem Jahre 1985) vorgesehene Wendehammer (18 m x 18 m mit einer nördlichen Ausbuchtung) ist plangemäß nicht erstellt worden; dies gilt ebenso für einen an der Nordseite der Straße vorgesehenen 1,5 m breiten Gehweg.

Die Kläger zu 1 und 2 sind mit ihren Grundstücken an die vom Beklagten eingerichtete Müllabfuhr angeschlossen und zwar mit 80-Liter-Gefäßen (Restmüll/2-wöchiger Abholturnus) und 240-Liter-Gefäßen (Altpapier/4-wöchiger Abholturnus zusammen mit dem "gelben Sack" der Dualen System Deutschland GmbH - DSD -). Von den 120-Liter-Gefäßen für die Bioabfallentsorgung, die ebenfalls dem Holsystem unterliegt (2-wöchiger Abholturnus), machen die Kläger wegen Eigenkompostierung (§ 4 Abs. 6 der Gebührensatzung) keinen Gebrauch.

Mitte der 80er Jahre waren die von der Tulpenstraße erschlossenen Grundstück bebaut; bis Herbst 2001 erfolgte die Müllabfuhr derart, dass das Müllfahrzeug rückwärts in die Tulpenstraße bis zu deren Ende einfuhr und sodann beim Vorwärtsausfahren die Müllgefäße geleert wurden. Im Zusammenhang mit der Neuvergabe der Müllabfuhr im Jahre 2000/2001 drängte die Beigeladene zu 2 verstärkt auf die "Einhaltung der Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung" (Schreiben vom 23.8.2000 an die die Müllabfuhr durchführende Fa. P.S. GmbH). Dabei wurden vom Beklagten und der Beigeladenen zu 2 zusammen mit den jeweiligen Gemeinden sämtliche nach Inkrafttreten der Unfallverhütungsvorschrift (1.10.1979) im Landkreis errichteten Erschließungsanlagen überprüft (721 Erschließungsanlagen), wobei nach den Vorgaben der Beigeladenen zu 2 ca. 160 Erschließungsanlagen nicht mehr rückwärts angefahren werden dürfen. Auf Wendehämmern darf (als Ausnahme) nur einmal oder zweimal mit dem Müllfahrzeug zurückgestoßen werden, um dieses zu wenden. Wendeversuche vor Ort (29.7.2002) ergaben, dass mit einem Zweiachser am Ende der Tulpenstraße vier mal und mit einem Dreiachser dreizehn mal zurückgestoßen werden muss, um das Müllfahrzeug zu wenden. Mit Schreiben vom 5. August 2002 verneinte die Beigeladene zu 2 die Möglichkeit eines rückwärtigen Einfahrens in die Tulpenstraße mit Müllfahrzeugen. Der Beigeladene zu 1 sagte daraufhin zu, sich um den Erwerb weiterer Flächen zur Ausweitung des Wendehammers (bzw. zur Verbreiterung der westlichen Gehwegverbindung) zu bemühen. Die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke stellten aber die zur Ausweitung der Erschließungsanlage benötigen Flächen nicht zur Verfügung. Der Beklagte bot in der Tulpenstraße in der Folgezeit einen "Vorholservice" (12,50 Euro/Monat - § 4 Abs. 3 der Gebührensatzung) an, von dem von den Anliegern mit einer Ausnahme aber nicht Gebrauch gemacht wurde.

Bereits im Sommer 2001 forderte der Beklagte die Anlieger der Tulpenstraße auf, ihre Müllbehältnisse jeweils an einem Sammelpunkt westlich des Eingangsbereichs Tulpenstraße/Kühbergstraße am Tag der Müllabfuhr bereitzustellen. Nachdem ab Herbst 2001 die Müllabfuhr nur noch auf diese Weise erfolgte, ließen die Kläger zu 1 und 2 beim Verwaltungsgericht Regensburg eine einstweilige Anordnung beantragen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Müllabfuhr im bisherigen Umfang. Mit Beschlüssen vom 7. Mai 2002 verpflichtete das Gericht den Beklagten bis zu einer Hauptsacheentscheidung, die angemeldeten Restmüllgefäße sowie alle Abfälle, die nach der Abfallwirtschaftssatzung im Holsystem erfasst werden, von Bediensteten des Entsorgungsunternehmens abholen zu lassen. In einer (einmaligen) Entsorgungsaktion im Juni 2002 ließ der Beklagte auf den Grundstücken der Anlieger der Tulpenstraße von Oktober 2001 bis Juni 2002 zwischengelagerten Restmüll entsorgen. Dies betraf nicht den "gelben Sack" des DSD, der von der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten nicht erfasst ist.

Mit Bescheiden vom 4. September 2002 verpflichtete der Beklagte die Kläger, die für das jeweilige Grundstück angemeldeten Müllbehältnisse ab 1. Oktober 2002 an den jeweiligen Abfuhrtagen auf dem dafür vorgesehenen Sammelplatz an der Zufahrt zur Tulpenstraße zur Abholung bereitzustellen. Gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Abfallwirtschaftssatzung (AWS) seien die Müllbehältnisse am Abholtag vor den Grundstücken bereitzustellen, so dass sie ohne Schwierigkeiten entleert werden können. Könnten Grundstücke vom Müllfahrzeug nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten angefahren werden, habe der Überlassungspflichtige die Abfallbehältnisse zur nächsten vom Müllfahrzeug erreichbaren Stelle zu verbringen (§ 15 Abs. 7 Satz 3 AWS). Gemäß § 16 Nr. 1 der Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung vom 1. Oktober 1979 dürfe Müll von Müllbehälterstandplätzen nur abgeholt werden, wenn ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich sei. Ausnahmsweise könne ein- oder zweimaliges Zurückstoßen zum Wenden des Müllfahrzeuges zugelassen werden. Das Verbringen der Müllbehältnisse stelle eine Mitwirkungspflicht der Betroffenen dar. Die Straße sei geteert bzw. mit Kopfsteinpflaster befestigt. Die Müllgefäße seien mit Rädern entsprechend der EU-Norm versehen. Gemäß § 4 Abs. 3 der Gebührensatzung könne ein Abhol- und Rückstellservice beauftragt werden. Dass die Müllabfuhr über 15 Jahre hinweg anders durchgeführt worden sei, begründe keinen Vertrauensschutz.

Die Kläger erhoben hiergegen Widerspruch, den die Regierung von Niederbayern mit Bescheiden vom 30. Mai 2003 zurückwies.

Die Kläger zu 1 und 2 ließen hiergegen Klage erheben und beantragten, den Bescheid des Beklagten vom 4. September 2002 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 30. Mai 2003 aufzuheben. Seit Mitte der 80er Jahre sei die Müllabfuhr in der Tulpenstraße ohne jegliche Zwischenfälle erfolgt. Mit kleineren Fahrzeugen könne am Ende der Tulpenstraße auch gewendet werden. Die Lage der Grundstücke der Kläger sei völlig unspektakulär; die Tulpenstraße sei in der erforderlichen Breite ausgebaut, die ein Rückwärtsfahren erlaube. Gegebenenfalls müssten zusätzliche Kosten für die Entsorgung von Straßenzügen, in die nicht rückwärts eingefahren werden könne, vom gesamten Gebührenaufkommen aufgefangen werden. Der Beklagte trat der Klage entgegen: Die neue Abfallwirtschaftssatzung sehe in § 15 Abs. 7 Satz 4 einen Vorholservice vor. Auf diesen seien die Anlieger zu verweisen. Von den nicht bedienten 164 Straßen im Kreisgebiet handle es sich um 30 Straßen vergleichbar der Tulpenstraße. Weiter würden nicht angefahren: 53 kurze Stichstraßen, 31 gefährliche (enge, unübersichtliche) Strecken, 7 Teilstücke von alten Sackgassen (die nur über 150 m angefahren werden), 5 nicht benutzbare Wendehämmer und 32 Straßen ohne Wendehämmer. Eine Entsorgung mit kleineren Müllfahrzeugen würde mit rund 40.000 Euro pro Jahr zusätzlich zu Buche schlagen. Wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit müsse dies ausscheiden.

Mit Urteilen vom 19. August 2004 hob das Verwaltungsgericht die Bescheide des Beklagten vom 4. September 2002 und die Widerspruchsbescheide der Regierung von Niederbayern vom 30. Mai 2003 auf. Das Anfahren der Grundstücke der Kläger sei nicht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Tulpenstraße sei 3,60 m bis 3,80 m breit mit seitlichen Parkstreifen von ca. 2 m Breite. Sie falle nur leicht nach Osten ab. Rückwärtiges Einfahren mittels Einweiser stehe im Einklang mit § 9 Abs. 5 StVO. Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) GUV 7.8 und BGV C 27 stünden dem nicht entgegen. Für die Auslegung des § 15 Abs. 7 Satz 3 AWS seien sie irrelevant, da in dieser Vorschrift von tatsächlichen Hindernissen oder Schwierigkeiten ausgegangen werde. Das autonome Recht des Unfallversicherungsträgers könne sich nicht über höherrangiges Recht wie das der Straßenverkehrsordnung hinwegsetzen. § 7 Abs. 1 der UVV erlaube ein Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen, wenn eine geeignete Person den Fahrer einweise. § 16 Nr. 1 UVV betreffe nur unmittelbar den Abholvorgang. Das Verbringen über eine Strecke von mehr 100 m sei zudem auch unzumutbar; ob dies durch den Vorholservice aufgefangen werde, sei zweifelhaft. Auch den Umstand, dass der Beigeladene zu 1 es pflichtwidrig unterlassen habe, den im Bebauungsplan vorgesehenen Wendehammer zu errichten, sei ohne Bedeutung.

Der Beklagte ließ hiergegen die Zulassung der Berufung beantragen. Dem entsprach der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 6. Dezember 2004. Zur Begründung der Berufung trägt der Beklagte unter Verweisung auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren vor: Ein Grundstück könne von einem Müllfahrzeug auch dann nicht im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 3 AWS angefahren werden, wenn es dem vom Landkreis beauftragten Unternehmern verbindlich verboten sei, in eine nach 1979 errichtete Straße rückwärts einzufahren. Eine Rückwärtsfahrt über ca. 150 m gehe auch deshalb nicht ohne besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 3 AWS vonstatten, weil dies nur verhältnismäßig langsam und unter Inkaufnahme eines erheblichen Zeitverlustes erfolgen könne. Ob eine Straße aus tatsächlichen Gründen (weil beispielsweise zu eng) nicht angefahren werden könne oder Rechtsvorschriften dem entgegenstünden, sei letztlich unerheblich, weil ein deutlicher Zeit- und damit ein immenser Kostenfaktor nicht unberücksichtigt gelassen werden könne. Zwar enthielten die Unfallverhütungsvorschriften nur den handelnden Unternehmer bindende Weisungen, die dieser ausführen müsse; mittelbar spielten aber die Unfallverhütungsvorschriften insoweit eine Rolle, als der Beklagte vom Unternehmer keine Tätigkeit verlangen dürfe, die UVV-widrig sei und damit eine Ordnungswidrigkeit darstelle. § 9 Abs. 5 StVO widerspreche § 16 Nr. 1 UVV Müllbeseitigung nicht. § 9 Abs. 5 StVO regle die besondere Sorgfaltspflicht gegenüber dem fließenden Verkehr und dem Fußgängerverkehr. Demgegenüber sei es gemäß § 1 SGB VII Aufgabe der Unfallversicherung, Arbeitsunfälle des versicherten Personenkreises zu verhindern. Demgemäß erlasse der Unfallversicherungsträger gemäß §§ 14, 15 SGB VII als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften, die für den Unternehmer verbindlich seien. Die Unfallverhütungsvorschriften enthielten eine Zusammenstellung von Maßnahmen, die zur Beseitigung typischer Gefahrenquellen zu treffen seien und dienten dazu, arbeitsbedingte Unfälle zu verhüten. Die Unfallverhütungsvorschrift Müllbeseitigung solle somit den Abfallwerker schützen und schweren bzw. tödlichen Unfällen vorbeugen. StVO und UVV hätten demnach verschiedene Schutzzwecke. Die Dienstanweisung zu § 16 Nr. 1 UVV laute, dass bei Sackgassen die Möglichkeit bestehen müsse, am Ende der Straße zu wenden. § 7 UVV widerspreche dem nicht. Diese Vorschrift gehöre zum allgemeinen Teil der Bestimmungen und werde durch die genannten besonderen Bestimmungen eingeschränkt. Für Erschließungsanlagen, die vor dem 1. Oktober 1979 errichtet worden seien, sehe § 32 UVV eine Ausnahme vor. Die Verhältnismäßigkeit der Anordnungen sei gegeben. Die Verbringung des Abfalls über eine Strecke von 145 m zum Sammelplatz sei zumutbar. Restmüllsäcke seien nicht erforderlich. Eine Vorholservice sei angeboten. Der Beklagte müsse nicht dafür Sorge tragen, dass ein Grundstück von Sammelfahrzeugen angefahren werden könne. Dies sei Sache der jeweiligen Gemeinde. Der Beklagte habe erst auf das Drängen des Entsorgungsunternehmens reagiert.

Die Kläger treten der Berufung entgegen. Wenn der Beklagte glaube, lediglich mit einem Vorholservice die Müllabfuhr bewerkstelligen zu können, habe er dies zu organisieren. Allein der Unternehmer habe die an ihn adressierten Normvorschriften zu beachten. Die Kosten einer derartigen Müllabfuhr müssten aber nicht die Anlieger tragen, dies sei vielmehr eine Frage der Preisgestaltung und somit eine Frage der Kalkulation des Unternehmers.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses schließt sich der Berufung an. Im Rahmen des § 15 Abs. 7 Satz 3 AWS seien auch rechtliche Hindernisse zu berücksichtigen. § 7 UVV lasse wie § 9 Abs. 5 StVO ein Rückwärtsfahren grundsätzlich zu, während in besonderen Fällen (wie in § 18 Abs. 7 StVO das Rückwärtsfahren auf Autobahnen oder eben in § 16 UVV) dies verboten sei. Nur das Rückwärtsfahren zu Müllbehälterstandplätzen sei verboten. Sonstige Verkehrsvorgänge blieben unberührt. StVO und UVV verfolgten verschiedene Regelungszwecke.

Gemäß der Stellungnahme der Beigeladenen zu 2 vom 3. Februar 2005 bezieht sich das Rückwärtsfahrverbot auf die gesamte Abfallsammeltour (im öffentlichen Verkehrsbereich). Das übrige Fahren mit dem Abfallsammelfahrzeug - wie rückwärtiges Anfahren zum Abfallbunker oder auf einer Deponie - unterfalle § 7 UVV. 28 tödliche Arbeitsunfälle in den vergangenen 25 Jahren rechtfertigten auch ein Rückwärtsfahrverbot.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide ergänzt: Der Restmüll könne von den Klägern anstatt in einer Tonne auch in vom Landkreis zu beziehenden Müllsäcken (70 Liter) zu einem am Eingang der Tulpenstraße aufgestellten Container gebracht werden. Diese Verbringungsvariante könne von den Klägern mittels eines Antrags gewählt werden. Für die Verbringung von Papier werde für die Kläger am Eingang der Tulpenstraße ebenfalls (kostenlos) ein Container zur Verfügung gestellt. Statt eines Containers komme auch ein anderes abschließbares Gefäß in Frage. Die Kläger lehnten dieses Angebot des Beklagten ab und beantragten auch diesbezüglich die Aufhebung der geänderten Bescheide.

Verwiesen wird auf die dem Gericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie auf die Satzung über die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen im Landkreis Kelheim vom 10. Dezember 2002 und auf die am 1. Oktober 1979 in Kraft getretenen Unfallverhütungsvorschrift VBG 126 Müllbeseitigung (nunmehr BGV C 27) bzw. GUV-V C 27 (des Gemeindeunfallversicherungsverbandes).

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen haben Erfolg. Unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19. August 2004 sind die Klagen abzuweisen, da die Kläger durch die Bescheide vom 4. September 2002 in der Fassung der mündlichen Verhandlung nicht in ihren Rechten verletzt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Grundstücke der Kläger können von den im Marktgebiet des Beigeladenen zu 1 zum Einsatz kommenden Müllfahrzeugen (auch im Wege eines vorherigen rückwärtigen Einfahrens) nicht angefahren werden (1.). Dabei wird die grundsätzliche Entsorgungspflicht des Beklagten nicht in Frage gestellt, wenn die Eigentümer von am Ende der Tulpenstraße liegenden Wohngrundstücken an der Überlassung der dort anfallenden Abfälle in verstärktem Maße mitzuwirken haben; die durch den gegebenen Ausbau der Tulpenstraße vermittelte Erschließung bewirkt aber noch keinen Entsorgungsmissstand, der den Beklagten veranlassen müsste, von Mitwirkungspflichten der Kläger im Rahmen der Überlassung der Abfälle abzusehen (2.).

1. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayAbfG ermächtigt den Beklagten, durch Satzungsbestimmungen die Überlassungspflicht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KrW/AbfG) von in privaten Haushalten anfallenden Abfällen zu regeln. Gemäß der hierauf gründenden Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten (AWS) haben Überlassungspflichtige ihre Abfallbehältnisse selbst zur nächsten vom Müllfahrzeug erreichbaren Stelle zu verbringen, wenn Grundstücke vom diesem nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten angefahren werden können (§ 15 Abs. 7 Satz 3 AWS).

Dabei ist mit dem Beklagten und der Beigeladenen zu 2 davon auszugehen, dass nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche Hindernisse einem unmittelbaren Anfahren der Grundstücke entgegenstehen können. Tatsächliche Hindernisse können sich daraus ergeben, dass eine Erschließungsanlage nicht über die erforderliche Tragfähigkeit verfügt, um mit schweren Müllfahrzeugen auf Dauer befahren werden zu können, oder dass die lichte Breite der Straße der Durchfahrbarkeit eines ca. 3 m breiten Müllfahrzeugs (Breite des Dreiachsers: 2,55 m, zusätzlich zwei Ausstellspiegel) entgegensteht. Rechtliche Hindernisse können dem Befahren einer Erschließungsanlage in Form straßenverkehrsrechtlicher oder auch arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen entgegenstehen. Der Senat ging bereits in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2003 (BayVBl 2004, 466 - Müllabfuhr in St. Englmar/Bayer. Wald) davon aus, dass eine ca. 180 m lange Stichstraße mit einer Fahrbahnbreite von 2,70 m bis 3,50 m, die zudem nicht in gerader/ebener Streckenführung verläuft, mit dem dort verwendeten Fahrzeug nur "unter erheblichen Schwierigkeiten" (im Sinne von § 16 Abs. 7 Satz 2 der dortigen Abfallwirtschaftssatzung) befahren werden kann. Dass die von der Tulpenstraße (eine gerade und fast ohne Gefälle verlaufende Anlage) erschlossenen Grundstücke nur "unter erheblichen Schwierigkeiten" im Sinne der streitgegenständlichen Satzungsbestimmung angefahren werden können, scheint angesichts der schmalen Fahrbahnbreite von 3,50 m nicht ausgeschlossen; doch ist dem möglicherweise der Umstand entgegenzuhalten, dass mehr als 15 Jahre (bis 2001) in die Tulpenstraße regelmäßig mit Müllfahrzeugen rückwärts eingefahren worden ist. Die Frage, ob insoweit "erhebliche Schwierigkeiten" bestehen, kann aber offen bleiben.

Denn jedenfalls stehen dem von den Klägern weiterhin geforderten rückwärtigen Einfahren des Müllfahrzeuges in die Tulpenstraße straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen entgegen. So ist ein Rückwärtsfahren mit einem Entsorgungsfahrzeug nur zulässig, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, aber auch sonstiger anderer Dritter (wie spielende Kinder oder aus den Grundstücken heraustretende Personen) ausgeschlossen ist (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage Anm. 51 zu § 9 StVO). Auch der Einsatz eines gemäß § 9 Abs. 5 StVO "erforderlichenfalls" nötigen Einweisers schließt nicht aus, dass der mit dem Müllfahrzeug rückwärts fahrende Müllwerker nicht die erforderliche "äußerste Sorgfalt" (Jagusch/Hentschel, a.a.O., Anm. 52 zu § 9 StVO) zu erbringen vermag, wenn die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse an und um eine Erschließungsanlage dem entgegenstehen (die gesteigerte Sorgfaltspflicht gilt auch für die Bereiche außerhalb des Verkehrsraums, Janiszewski/Jagow/Burmann, StVO, 16. Auflage Anm. 69 zu § 9). Diese strengen Anforderungen folgen aus den Grundregeln des § 1 Abs. 1 und § 1 und Abs. 2 StVO, wonach der Verkehrsteilnehmer eine ständige Vorsicht walten lassen muss und zwar auch bezüglich des ruhenden Verkehrs und der nicht am Straßenverkehr beteiligter Personen. Dabei liegt eine (konkrete) Gefährdung im Sinne von § 1 Abs. 2 StVO bereits in der Nichtbeachtung der in der jeweiligen Verkehrslage gebotenen Sorgfalt und der damit anstehenden (wahrscheinlichen) Gefahr eines Schadenseintritts. Legt man dies den in der Tulpenstraße vorzufindenden tatsächlichen (örtlichen) Verhältnissen zu Grunde, verstößt ein (sich stets wiederholendes) rückwärtiges Einfahren in die Tulpenstraße mit einem Müllfahrzeug der gegebenen Größe gegen das Gebot der ständigen Vorsicht und Rücksichtnahme und gegen das Verbot der Gefährdung anderer: Die Tulpenstraße hat eine Fahrbahnbreite von 3,50 m; das am Kühberg in Bad Abbach eingesetzte Entsorgungsfahrzeug (und der Beklagte muss aus Kostengründen nicht speziell für die Tulpenstraße oder ähnlich enge Erschließungsanlagen für den Einsatz kleinerer Müllfahrzeuge sorgen, vgl. BayVGH vom 14.10.2003, a.a.O.) hat eine Breite von fast 3 m. Wenn das Müllfahrzeug auf einer Strecke von 150 m in einem Zuge rückwärts fahren soll mit beidseitig verfügbarem Manövierraum von 0,25 m (bzw. 0,40 m nimmt man den südlichen Entwässerungsstreifen hinzu), muss stets damit gerechnet werden, dass es gegebenenfalls zu einer Gefährdung von aus den angrenzenden Grundstücken plötzlich heraustretender Personen kommt und dies auch beim Einsatz eines Einweisers. Angesichts der örtlichen Situation an der Tulpenstraße ist dies kein fern liegendes Szenarium, da das Gelände nördlich der Tulpenstraße stark ansteigt und dort zwei Nebengebäude unmittelbar an der Grenze zur Fahrbahn errichtet sind, was in erheblichem Maße zur Unübersichtlichkeit beiträgt und somit für zusätzliche Gefahrenquellen sorgt. Die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbilder machen dies deutlich; dass auf einem der Bilder an einem der grenzständigen Gebäude eine Person gerade die Fahrbahn betritt trotz des dort fahrenden Müllfahrzeuges, bestätigt diese Einschätzung nur. Im Übrigen leuchtet dem Senat auch die mündlich vorgetragene Einschätzung der Beigeladenen zu 2 ein, wonach unter Sicherheitsgesichtspunkten wegen der wesentlich kürzeren Distanzen ein mehrmaliges Zurückstoßen am Straßenende (was hier aber wegen Beengtheit ausscheidet) noch eher hinzunehmen wäre als regelmäßiges Rückwärtsfahren über 150 m.

Ob darüber hinaus auch § 16 Nr. 1 UVV (BGV C 27) einem rückwärtigen Einfahren in die Tulpenstraße als rechtliches Hindernis im Sinne von § 15 Abs. 7 Satz 3 AWS entgegengehalten werden kann, ist zumindest zweifelhaft. Anders als die oben genannten Regelungen der Straßenverkehrsordnung sollen diese Bestimmungen Arbeitsunfällen und damit der Gefährdung der Gesundheit von Müllwerkern entgegenwirken (§ 1 Nr. 1 SGB VII). § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ermächtigt den Unfallversicherungsträger zum Erlass autonomen Rechts, wobei dahingestellt sein mag, ob diese allgemein gehaltene Ermächtigung an den Unfallversicherungsträger dem Bestimmtheitserfordernis im Hinblick auf eine Berufsausübungsregelung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) entspricht (vgl. BVerfGE 33, 126/160; BVerfGE 94, 372/390). Geht man von der nicht in Frage zu stellenden Gefährdung von Müllwerkern bei der Ausübung ihrer Tätigkeit aus, ist ein Rückwärtsfahrverbot - insoweit eine typische Berufsausübungsregelung - durch eine sachgerechte und vernünftige Erwägung des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die in § 7 Abs. 1 und § 16 Nr. 1 UVV hierzu getroffene "Regelungstechnik" scheint aber deutlich widersprüchlich (zur Normklarheit und zur Berechenbarkeit gesetzlicher Regelungen als Wirksamkeitsvoraussetzung, Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, 9. Aufl. Anm. 34 f. zu Art. 20), wenn (mit der Beigeladenen zu 2 und dem Vertreter des öffentlichen Interesses) von einem nahezu uneingeschränkten Rückwärtsfahrverbot auszugehen ist und § 7 Abs. 1 UVV als allgemeine Regelung und § 16 Nr. 1 UVV als weit reichende Ausnahmebestimmung hierzu verstanden werden sollen. Um zu diesen den vom Beigeladenen zu 2 eingeforderten Ergebnissen zu kommen (letztlich ein generelles Rückwärtsfahrverbot für Müllfahrzeuge auf öffentlichen Straßen), muss § 16 Nr. 1 UVV in einem Maße weit ausgelegt werden, dass für die allgemeine Regelung in § 7 Abs. 1 UVV kaum mehr ein Anwendungsbereich verbleibt (nur das Rückwärtsfahren mit Einweisung im nicht öffentlichen Verkehrsbereich vor Müllbunkern oder auf Deponien wäre hiervon noch erfasst). Eine derart weite Auslegung einer Ausnahmeregelung widerspricht nicht nur den Regeln der (engen) Auslegung von Ausnahmebestimmungen, sondern stellt die Normstruktur - infolge widersprüchlicher Ausgestaltung - an sich in Frage. Geboten wäre aus der Sicht der Beigeladenen zu 2 angesichts der von ihr dargestellten starken Gefährdung der Müllwerker vielmehr, ein präventives Rückwärtsfahrverbot im allgemeinen Teil der Unfallverhütungsvorschrift zu statuieren und von diesem Verbot dann - auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs - Ausnahmen zuzulassen, die ein Rückwärtsfahrverbot erlauben, wenn die Gefährdung von Müllwerkern (über das allgemeine Lebensrisiko hinaus) schlechthin ausgeschlossen erscheint (wie bei einem rückwärtigen Heranfahren an einen Müllbunker oder bei einem rückwärtigen Einfahren in eine kurze, ausreichend breite Erschließungsanlage).

2. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 14. Oktober 2003 (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass nicht jeder einem Abfallbesitzer auferlegte Transport seines Müllbehältnisses über die Grenze seines Grundstücks hinaus bereits ein dem Beklagten obliegendes "Befördern" darstellt und bei besonderer Lage eines Grundstückes ein "Lastenausgleich" zwischen dem Abfallbesitzers einerseits und dem Entsorgungsträger andererseits stattzufinden hat (im Anschluss an BVerwG vom 25.8.1999 NVwZ 2000, 71). Eine derartige Mitwirkungspflicht bewegt sich im Rahmen der Sozialadäquanz (BVerwGE 99, 88/92). Maßgebend ist dabei stets die konkrete örtliche Situation (bei zusätzlicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) für die Frage, unter welchen Voraussetzungen, insbesondere bei weiterer Entfernung zwischen Grundstück und Verbringungsort, noch von einem dem Abfallbesitzer aufgegebenen Überlassen ausgegangen werden kann oder bereits ein dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegendes Einsammeln und Befördern anzunehmen ist. Bedeutsam ist insbesondere die Erschließungssituation des betreffenden Grundstückes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (BVerwG vom 25.8.1999, a.a.O. S. 73 l.Sp. oben).

2.1 Ein vom Träger der örtlichen Planungshoheit gewissermaßen defizitär geschaffener Erschließungszustand (im Sinne eines Fehlens des Heranfahrenkönnens an die Grundstücksgrenze mit Müllfahrzeugen) muss dabei nicht stets zulasten des betroffenen Abfallbesitzers gehen mit der Folge, dass er seine Müllbehältnisse stets an einen Sammelplatz zu verbringen hätte. Kommt es zu deutlichen Erschließungs-/Entsorgungsmissständen - etwa infolge der Errichtung einer großen Wohnanlage am Ende einer schmalen Erschließungsanlage ohne Wendemöglichkeit für Müllfahrzeuge oder bei einer noch deutlich längeren Sackstraße ohne Wendemöglichkeit -, muss der Entsorgungsträger durch eigene organisatorische Maßnahmen die ihm obliegende Abfallentsorgung in einem geordneten Rahmen sicherstellen (im soeben gebildeten Falle einer großen Wohnanlage müssten sonst gegebenenfalls eine Vielzahl von Bewohnern die einzelnen Müllbehältnisse oder große Sammelcontainer an den Beginn der Straße verbringen). Das heißt bei einem völlig unzureichenden Ausbau einer Erschließungsanlage durch die Gemeinde kann allein die Menge der an einen Sammelplatz zu verbringenden Abfälle, aber auch die Vielzahl betroffener Abfallbesitzer es unumgänglich machen, dass der Entsorgungsträger selbst tätig wird und von einer Mitwirkung der Abfallbesitzer bei der Verbringung der Abfälle absieht. Bei derartigen Erschließungsmissständen ist es Sache des Entsorgungsträgers, gegebenenfalls auf die Rechtsaufsichtsbehörde einzuwirken, damit der ausreichende Ausbau von Erschließungsanlagen (im Sinne deren Geeignetheit für das Befahren mit Müllfahrzeugen) sichergestellt wird. Unterlässt der Entsorgungsträger dies, hat er bei Entsorgungsmissständen durch eigene organisatorische Maßnahmen die Entsorgung der Grundstücke zu gewährleisten.

Erweist sich dagegen die konkrete Erschließungs- und Entsorgungssituation als städtebaulich noch vertretbar und damit als planbar (i.S.v. § 1 Abs. 6 und 7 BauGB), hat der Abfallbesitzer eine weitgehende Mitwirkungspflicht in Bezug auf das Verbringen der Abfälle zu einem Sammelplatz. Ein derartiger Fall ist vorliegend gegeben: Der Beigeladene zu 1 hätte die Tulpenstraße angesichts der geringen Zahl der erschlossenen Grundstücke auch im jetzt gegebenen Umfang im Sinne eines flächensparenden Ausbaus und im Hinblick auf ein vom Straßenverkehr möglichst unbehelligtes Wohnen planen können. Von einer unvertretbaren Missachtung verkehrlicher Belange kann beim jetzigen Ausbauzustand der Tulpenstraße jedenfalls keine Rede sein (zu den Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit, vgl. Urteil des Senats vom 14.10.2003, a.a.O.). Zwar mag die Tulpenstraße rechtswidrig errichtet worden sein, da planabweichend der Wendehammer an ihrem Ende und der nordseitige Gehweg nicht erstellt wurden und dies unter Umständen mit den Grundzügen der Planung nicht vereinbar ist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Doch haben sowohl die Kläger wie auch die übrigen Anlieger der Tulpenstraße den für den reduzierten Ausbau angefallenen Erschließungsbeitrag (der mangels Fertigstellung und der Straße möglicherweise gar nicht entstanden war) beglichen und gegenüber dem Beigeladenen zu 1 zu keiner Zeit einen plangemäßen Ausbau der Anlage eingefordert; von einem Erschließungsmissstand angesichts der beengten Verhältnisse an der Tulpenstraße war jedenfalls zu keiner Zeit die Rede. Würde man davon ausgehen, dass der reduzierte Ausbau der Tulpenstraße die Grundzüge der Planung nicht berühren würde, erwiese sich deren Ausbau als rechtmäßig, hätte vom Beigeladenen zu 1 in diesem Umfang auch geplant werden können und wäre von den Klägern schon aus diesem Grunde auch im Hinblick auf die Entsorgungssituation hinzunehmen.

Kauft ein Bauwilliger ein Grundstück an einer verkehrsberuhigten Straße, an einer Spielstraße oder an einem Wohnweg von begrenzter Länge, also an Erschließungsanlagen, die mit Ver- und Entsorgungsfahrzeugen nicht oder nur eingeschränkt befahren werden können, dann versteht es sich von selbst, dass der auf den dortigen Grundstücken anfallende Abfall an eine von einem Müllfahrzeug anfahrbare Sammelstelle verbracht werden muss. Nichts anderes gilt, wenn Anlieger einer Erschließungsanlage, die hinter den Festsetzungen des Bebauungsplans zurückbleibend ausgebaut wird und damit von Müllfahrzeugen nicht uneingeschränkt befahren werden kann, sich mit diesem Ausbauzustand (gleichsam durch die Begleichung des niedrigeren Erschließungsbeitrags) einverstanden erklären. Die Anlieger können in all diesen Fällen nicht nachträglich fordern, dass angesichts der erschwerten Entsorgungssituation der Beklagte als Träger der Müllentsorgung einspringt und sie von jeglichem Verbringen der Abfälle freistellt.

2.2. Doch kann das Verbringen von Abfällen nicht über beliebig weite Entfernungen bis zu einer zentralen Sammelstelle erfolgen, will man die Grenze des Verbringens zum Einsammeln und Befördern als Entsorgungshandlung des Beklagten nicht überschreiten. Der Senat zögert aus den bereits im Urteil vom 14. Oktober 2003 (a.a.O.) genannten Gründen, sich auf eine Grenze von 100 m festzulegen, unterhalb der ein Verbringen der Abfälle den jeweiligen Besitzern zumutbar ist (so zuletzt aber OVG Lüneburg vom 3.3.2004 NVwZ-RR 2004, 562, vgl. auch OVG Münster vom 3.6.2002 NVwZ-RR 2003, 97). Auf den vorliegenden Fall bezogen hätte eine derartige feste Grenze zur Folge, dass den fünf im Westen an die Tulpenstraße angrenzenden Grundstückseigentümern ein Verbringen der Abfälle wegen Überschreitung der 100-m-Grenze nicht mehr zumutbar wäre, während die Eigentümer der sieben östlich angrenzenden Grundstücke ihren Müll zum Sammelplatz zu verbringen hätten. Bei einer Würdigung aller Umstände kann hier aber für die Tulpenstraße insgesamt nicht von einer Unzumutbarkeit gesprochen des Verbringens der Abfälle gesprochen werden; dabei sind einmal die nicht erheblich über 100 m liegenden Entfernungen zu berücksichtigen und ferner die vom Beklagten angebotene, die Situation erleichternde Wahl zwischen drei Verbringensvarianten (bezahlter Vorholservice, Verbringung in der Tonne, Verbringung im Müllsack).

Der Beklagte hat zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit den Klägern, deren Grundstücke 120 m bzw. 140 m (jeweils Garagenzufahrt) westlich der Einmündung der Tulpenstraße liegen, einen Vorholservice angeboten (§ 15 Abs. 7 Satz 4 AWS), dessen Kosten aber nicht aus den allgemeinen Gebührenaufkommen getragen werden sollen, sondern von denjenigen, die den Vorholservice in Anspruch nehmen (zur grundsätzlichen Möglichkeit der Erhebung von Sondergebühren insoweit vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Erg. Lief. September 2002 RdNr. 324). Dass der Beklagte es ablehnt, die Kosten des Vorholservices in die Kalkulation der von allen Müllbesitzern zu tragen Gebühren einzustellen (zu dieser Möglichkeit angesichts des weiten Ermessenspielraums der entsorgungspflichtigen Körperschaften, Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Gebührenarten Nr. 5.8.4.1) und somit den Vorholservice selbst in die öffentliche Einrichtung Abfallentsorgung einzugliedern, ist von seinem Organisationsermessen gedeckt. Allerdings lässt das Bayerische Abfallrecht die Erhebung von Sondergebühren nur bezüglich der Art und der Menge von Abfällen zu (Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayAbfG), nicht aber für das (ersatzweise) Verbringen von Abfällen. Für den vorliegenden Streit ist dieser Punkt aber nicht vorrangig, da der Beklagte der Bezahlung des Vorholservice jederzeit eine andere, insbesondere privatrechtliche Rechtsform geben könnte.

Ferner hat der Beklagte durch die Ergänzung der streitgegenständlichen Bescheide in der mündlichen Verhandlung mit den nunmehrigen Bereitstellungs-/Verbringungsvarianten einer Kollision seiner Anordnungen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. dem Grundsatz der Zumutbarkeit vorgebeugt (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 3.10.2003, a.a.O.). Der Beklagte räumt nunmehr den Klägern in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 3 AWS die Möglichkeit ein, ihren Restmüll in Abfallsäcken zu einem Container am Beginn der Tulpenstraße zu verbringen. Damit können unzumutbare Härten vermieden werden (die Kläger haben aber auch die Wahl weiterhin ihre Restmüllgefäße verwenden, die dann aber zum Sammelplatz zu rollen sind), weil Abfallsäcke gegebenenfalls in einem Pkw transportiert werden können und hygienische Probleme bei geeigneter Handhabung beherrschbar sind. Auch für das dem Holsystem unterliegenden Altpapier stellt der Beklagte den Klägern einen Container am Straßenbeginn zur Verfügung, so dass je nach Bedarf der in den Häusern der Kläger anfallende Reststoff (gegebenenfalls als geschnürte Papierpakete) mit dem Auto (nach Belieben und Notwendigkeit) zum Müllcontainer verbracht werden kann. Diese Lösung ist angesichts der Tatsache, dass in vielen Landkreisen in Bayern Altpapier zu Wertstoffhöfen zu verbringen ist (also insoweit keinem Holsystem unterliegt), den Klägern zumutbar. Gleiches gilt grundsätzlich auch für das Verbringen des Biomülls, nachdem den Abfallbesitzern insoweit auch die Möglichkeit einer Eigenkompostierung auf ihren Grundstücken eingeräumt ist.

Der Senat verkennt nicht, dass den Klägern gegenüber Anliegern von mit Müllfahrzeugen befahrbaren Erschließungsanlagen gewisse Erschwernisse bei der Entsorgung der auf ihren Grundstücken anfallenden Abfällen zugemutet werden. Dies ist aber bedingt durch die örtliche Lage ihrer Grundstücke (an einer sehr schmalen Erschließungsanlage) und durch den Umstand, dass seitens der Anlieger nicht zur rechten Zeit gegenüber der beigeladenen Marktgemeinde auf einen plangerechten Ausbau der Straße gedrängt worden ist. Den Beklagten für diese Nachlässigkeit eintreten zu lassen, ist weder nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz noch nach dem Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetz geboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO. Die Beigeladenen, die durch Antragstellung kein eigenes Kostenrisiko übernommen haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 8.000 Euro (4.000 Euro je Verfahren).

Ohne auf den Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG abstellen zu wollen hält der Senat einen Streitwert von je 4.000 Euro für die anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten angesichts der geringen wiederkehrenden Kosten für den Vorholservice für ausreichend.

Ende der Entscheidung

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