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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 20 N 05.1221
Rechtsgebiete: GG, VwGO, VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung


Vorschriften:

GG Art. 80 Abs. 1
GG Art. 123
GG Art. 129
VwGO § 47
VO zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung Art. II § 3
1) Art. II § 3 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 ermächtigt die Landesjustizminister weiterhin zur Errichtung (und Aufhebung) amtsgerichtlicher Zweigstellen.

2) Die Justizverwaltung hat bei solchen Akten ein weites Organisationsermessen, das seine Grenzen am Willkürverbot findet.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

20 N 05.1221 20 NE 05.1220

Verkündet am 28. Juni 2005

In der Normenkontrollsache

wegen 14. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die amtsgerichtlichen Zweigstellen;

hier: Normenkontrollantrag und Antrag auf einstweilige Anordnung,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 20. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Reiland, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Guttenberger den Richter am Verwaltungsgerichtshof Brandl,

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2005

im Verfahren 20 N 05.1221

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge werden abgelehnt.

III. Die Antragsteller tragen die Verfahrenskosten zu je einem Sechstel.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

im Verfahren 20 NE 05.1220 folgenden Beschluss:

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge werden abgelehnt.

III. Die Antragsteller tragen die Verfahrenskosten zu je einem Sechstel.

und in beiden Verfahren folgenden Beschluss:

Der Streitwert wird für das Hauptsacheverfahren auf insgesamt 30.000,- Euro und für das Eilverfahren auf insgesamt 15.000,- Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Auflösung der amtsgerichtlichen Zweigstelle Füssen und deren Eingliederung in das Hauptgericht, das Amtsgericht Kaufbeuren. Die Antragsteller zu 1 bis 3 sind Bedienstete der Zweigstelle - der Antragsteller zu 1 als Richter, die Antragsteller zu 2 und 3 als Beamte -, die übrigen Antragsteller sind Rechtsanwälte. Sämtliche Antragsteller haben ihren Wohnsitz bzw. Kanzleisitz in Füssen oder in der Nähe und wehren sich gegen den in Zukunft weiteren Weg zum Amtsgericht Kaufbeuren.

Im Zusammenhang mit der Gebietsreform waren 1973 zahlreiche ursprünglich selbstständige Amtsgerichte zu Zweigstellen eines zentralen Hauptgerichts herabgestuft worden, so auch das ehemalige Amtsgericht Füssen zur Zweigstelle des Amtsgerichts Kaufbeuren (Gesetz vom 25.4.1973, GVBl S. 189; Verordnung vom 30.5.1973, GVBl S. 341). In den folgenden Jahren wurde die Zahl dieser Zweigstellen reduziert; die den Amtsgerichtsbezirk Kaufbeuren betreffenden Neugliederungsakte (Verordnung vom 2.8.1979, GVBl S. 220; Verordnung vom 14.3.1984, GVBl S. 90) ließen die Zweigstelle Füssen wie bisher bestehen. Die nunmehr streitgegenständliche Verordnung (§ 1 Nr. 1b und § 2 Nr. 2 der 14. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die amtsgerichtlichen Zweigstellen vom 1.4.2005, GVBl S. 112) löst mit Wirkung zum 1. Juli 2005 die Zweigstelle auf und gliedert sie in das Hauptgericht Kaufbeuren ein. Sämtliche genannten Verordnungen wurden auf Grund von Art. II § 3 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl I S. 403) erlassen; danach kann der Reichsminister der Justiz anordnen, dass außerhalb des Sitzes eines Amtsgerichts Zweigstellen errichtet oder Gerichtstage abgehalten werden. Die jetzige Reform beruht auf der Zielsetzung der Staatsregierung ("Verwaltungsreform 21"), Zweigstellen von Amtsgerichten auf Grund einer Einzelfallprüfung nach Möglichkeit aufzulösen. Dementsprechend sollen sämtliche noch bestehenden Zweigstellen bis auf eine, die zum Vollgericht aufgestuft wird, aufgelöst werden.

Unter dem 10. Mai 2005 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof beantragt,

§ 1 Ziff. 1b und §2 Ziff. 2 der 14. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die amtsgerichtlichen Zweigstellen vom 1. April 2005 für nichtig zu erklären.

Weiter haben sie eine einstweilige Anordnung beantragt und zwar schließlich mit dem Ziel,

dem Antragsgegner zu untersagen, die Räume der amtsgerichtlichen Zweigstelle Füssen im Hohen Schloss zu Füssen, Süd- und Westflügel, vor rechtskräftigem Verfahrensabschluss der Bayerischen Finanzverwaltung oder anderen zu übergeben, und dem Antragsgegner aufzugeben, die Zweigstelle Füssen unverzüglich bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss nach Füssen zurück zu verlagern.

Zur Begründung dieser Anträge bringen sie vor: Die angegriffene Verordnung verfüge nicht über gültige Ermächtigungsgrundlagen; diese Grundlagen würden auch nicht ausreichend zitiert. Die Verordnung von 1935 sei ein typisches nationalsozialistisches Unrechtsgesetz und mit dem föderalistischen Staatsaufbau nicht vereinbar. Wegen zahlreicher späterer Änderungen sei sie als nachkonstitionell anzusehen und scheitere deshalb an den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG. Außerdem sehe sie nur Verordnungen zur Errichtung, nicht zur Auflösung amtsgerichtlicher Zweigstellen vor. Nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit bedürfe die Aufhebung nahezu aller amtsgerichtlichen Zweigstellen eines Gesetzes. Mit Blick auf die gleichzeitige Erhaltung der Zweigstelle Sonthofen und ihre Aufstufung zu einem Vollgericht sei die Aufhebung der Zweigstelle Füssen willkürlich. Wegen der schwereren Erreichbarkeit des Hauptgerichts werde das Recht der Bürger auf gerichtlichen Rechtsschutz beschnitten. Die Auflösung der Zweigstelle sei unwirtschaftlich. Der Eilantrag sei gerechtfertigt, weil mit dem Umzug schon vor dem Inkrafttreten der streitigen Verordnung begonnen worden sei.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge in der Hauptsache und im Eilverfahren abzulehnen.

Nur der Antrag des Antragstellers zu 1, der sich auf seine richterliche Unabhängigkeit berufen könne, sei zulässig, den übrigen Antragstellern stünden keine subjektiven Rechte zur Seite. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Verordnung von 1935 gelte als vorkonstitutionelle Ermächtigungsnorm fort, sie richte sich nunmehr an die zuständigen Landesjustizminister und erlaube auch - als "actus contrarius" - die Auflösung von Zweigstellen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit bedürfe die Auflösung amtsgerichtlicher Zweigstellen keines formellen Gesetzes. Durch die Reform werde die Gerichtsorganisation verbessert, beispielsweise müsse nicht mehr an zwei Gerichtssitzen eine doppelte Infrastruktur vorgehalten werden und es werde die Vertretungsregelung erleichtert. In zweiter Linie seien die derzeitigen Sparzwänge maßgeblich gewesen. Angesichts der bestehenden Verkehrsverbindungen sei für den Bürger der Mehraufwand zumutbar, von einem Rückbau der Rechtspflege könne keine Rede sein.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Hauptsacheverfahren

Die Normenkontrollanträge bleiben ohne Erfolg.

1. Einen Normenkontrollantrag kann nur stellen, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Danach sind nur die Anträge der Antragsteller zu 1 bis 3 (Bedienstete des Gerichts) zulässig, nicht die der übrigen Antragsteller (Rechtsanwälte). Bei der angegriffenen Verordnung handelt es sich um eine Maßnahme der Gebietsreform im weiteren Sinne, weil sie den Sitz und den örtlichen Zuständigkeitsbereich von Behörden oder - so hier - Gerichten betrifft. Bürger werden durch solche Maßnahmen nicht in ihren eigenen Rechten betroffen. Ihr Interesse an einem möglichst nahe gelegenen Gerichtssitz ist nicht rechtlich geschützt, sondern betrifft eine bloße Chance (zur fehlenden Rechtsbetroffenheit durch die Gebietsreform siehe OVG Rheinland-Pfalz vom 2.2.1982 DÖV 1982, 702). Für Rechtsanwälte gilt dies ebenso, weil sie die Gerichte zwar intensiver und im Rahmen ihrer Berufsausübung, im Übrigen aber grundsätzlich in gleicher Weise in Anspruch nehmen wie andere Bürger; auch sie stehen nicht in einer rechtlich geschützten Beziehung zu einem bestimmten Amtsgericht oder dessen Zweigstelle.

Die Bediensteten des Gerichts werden dagegen durch die Verlegung ihres Dienstortes in rechtlich geschützten Interessen berührt. Gemäß seiner Fürsorgepflicht hat der Dienstherr für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen (Art. 86 Satz 1 des Bayer. Beamtengesetzes). Es liegt auf der Hand, dass der Dienstort - der im Übrigen in besonderen Fällen auch beamtenrechtliche Auswirkungen auf den Wohnort haben kann (Art. 82 des Bayer. Beamtengesetzes) - und seine mehr oder weniger gute Erreichbarkeit für das Wohl des Beamten eine nicht unerhebliche Rolle spielen; auch wenn dadurch noch nichts über den Stellenwert dieses Gesichtspunkts im Rahmen einer Organisationsmaßnahme gesagt ist, ergibt sich daraus immerhin ein Antragsrecht (zu rechtlichen geschützten Interessen bei der Verlegung eines Gerichtssitzes siehe auch BayVGH vom 21.4.1995 NVwZ-RR 1996, 300). Für Richter gilt dies entsprechend (Art. 2 Abs. 1 des Bayer. Richtergesetzes).

Soweit die Anträge zulässig sind, bleiben sie in der Sache erfolglos. Die angegriffene Verordnung erweist sich als rechtmäßig.

2. Die Verordnung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. II § 3 der Verordnung zu einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. März 1935 (RGBl. I. S. 403). Aus Gründen der Übersichtlichkeit und zur Vermeidung rechtlicher Streitfragen wäre es zwar wünschenswert gewesen, diese alte Ermächtigungsnorm in ein neueres Gesetz zu integrieren; aus rechtlicher Sicht ist gegen ihre Fortgeltung jedoch nichts einzuwenden. Die Verordnung ermächtigt zur Errichtung amtsgerichtlicher Zweigstellen und sinngemäß - als gegenläufigen Akt - auch zu ihrer Aufhebung. In diesem Sinne wurde die Verordnung seit Gründung der Bundesrepublik nicht nur in einer Vielzahl von Fällen als Ermächtigungsgrundlage herangezogen, sondern auch wiederholt in ihrer Gültigkeit von Gerichten bestätigt (BVerwG vom 23.9.1969 BVerwGE 34, 42/45 f. - dort zur Aufhebung einer Zweigstelle -, BayVerfGH vom 30.5.1973 VGH n.F. 28, 1, BayVerfGH vom 15.12.1977 NJW 1978, 1515/1517 - dort unter Hervorhebung des von den Antragstellern betonten vorübergehenden Charakters einer Zweigstelle). Der erkennende Senat schließt sich diesen Entscheidungen an. Im Einzelnen ergibt sich die Fortgeltung der Ermächtigungsgrundlage aus folgenden Erwägungen:

Die Vorschrift aus vorkonstitutioneller Zeit gilt fort, weil sie inhaltlich dem Grundgesetz nicht widerspricht (Art. 123 Abs. 1 GG); die Frage, ob Zweigstellen von Amtsgerichten errichtet werden, hat offenkundig nichts mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime zu tun. Die Ermächtigung ist an die nunmehr zuständigen Landesjustizminister übergegangen (Art. 129 Abs. 1 Satz 1 GG); Art. 129 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen, da nicht zum Erlass gesetzesvertretender Verordnungen ermächtigt wird. Auch der Gesichtspunkt der "Wesentlichkeit" steht nicht entgegen, da demnach erst für die Schaffung oder Aufhebung von Gerichten ein Gesetz erforderlich wäre, bei der Einrichtung oder Aufhebung von Zweigstellen aber die Einheit des Gerichts erhalten bleibt und deshalb hierfür eine Rechtsverordnung ausreicht (BVerwG a.a.O.).

Die Antragsteller meinen, die Verordnung von 1935 sei wegen verschiedener Änderungen durch nachkonstitutionelle Gesetze insgesamt nachkonstitutionell geworden und daher an Art. 80 Abs. 1 GG zu messen. Die Verordnung ist indessen zumindest in der hier interessierenden Vorschrift vorkonstitutionelles Recht geblieben, da der spätere Gesetzgeber sie nicht in einem neuen Gesetzgebungsakt in seinen Willen aufgenommen hat; es wurden lediglich andere, mit der hier fraglichen Vorschrift nicht zusammenhängende Bestimmungen aufgehoben oder in andere Gesetze übernommen, während die Vorschrift selbst nun schon sehr lange Zeit unverändert in Geltung belassen wurde (zu dieser Abgrenzung von vor- und nachkonstitutionellem Recht siehe im Einzelnen BVerfG vom 4.6.1985 BVerfGE 70, 126/129 f.). Im Übrigen wäre die Verordnung selbst als nachkonstitutionelles Gesetz - alle ihre späteren Änderungen geschahen durch formelle Gesetze - mit Art. 80 Abs. 1 GG zu vereinbaren. Die Anforderungen an die Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigung bezüglich Inhalt, Zweck und Ausmaß hängen von der Intensität der vorgesehenen Maßnahme ab (BVerfG vom 20.10.1981 BVerfGE 58, 257/277 f.). Infolgedessen sind die Anforderungen bei organisatorischen Maßnahmen innerhalb eines Gerichts von vornherein als niedrig anzusehen. Im Übrigen ergeben sich Inhalt und Ausmaß schon aus der vorgesehenen Maßnahme selbst, und auch der Zweck - dezentrale oder bürgernahe Organisation der Gerichtsbarkeit - ist bei der Errichtung von Zweigstellen so offensichtlich, dass er keiner näheren Erläuterung bedarf (zum Bestimmtheitsgebot bei Maßnahmen der Justizverwaltung siehe auch BVerfG vom 1.10.1968 BVerfGE 24, 155/168).

Schließlich beachtet die angegriffene Verordnung auch das Zitiergebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); dieses Gebot bezieht sich auf die "Rechtsgrundlage" und schließt nicht sämtliche rechtlichen Rahmenbedingungen - hier die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes - ein, die für die Fortgeltung der Rechtsgrundlage maßgeblich sind.

3. Die bekämpfte Verordnung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Es handelt sich im vorliegenden Fall um einen Organisationsakt in Bezug auf die Gerichtsbarkeit. Bei derartigen Entscheidungen kann der Staat ein verhältnismäßig weites Organisationsermessen für sich in Anspruch nehmen; Organisation braucht Gestaltungsfreiheit. Auch stehen bei der Ausübung dieses Ermessens die allgemeinen Belange der Staats- und Gerichtsverwaltung, insbesondere Effizienz und Sparsamkeit, sowie die Belange der Nutznießer einer Einrichtung im Vordergrund gegenüber den Belangen der Bediensteten. Ein Gericht ist in erster Linie für die Bürger und erst in zweiter Linie für seine Bediensteten da. Infolgedessen hat der oben angesprochene Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht zwar in die Entscheidung einzufließen, jedoch an nachrangiger Stelle. Insgesamt bedeutet dies, dass das staatliche Organisationsermessen bei der vorliegenden Entscheidung - da sonstige rechtliche Bindungen nicht bestehen - nur durch das Willkürverbot eingeschränkt ist. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung zu vergleichbaren Akten der Gerichtsorganisation (BayVerfGH vom 14.2.1995 VGH n.F. 48, 17/22 f.; BayVGH vom 21.4.1995 NVwZ-RR 1996, 300/301).

Die beanstandete Verordnung erweist sich weder in ihrer allgemeinen Zielrichtung -bezüglich der in ihrer Mehrzahl aufzulösenden Zweigstellen überhaupt - noch bezüglich der Zweigstelle Füssen als willkürlich. Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner erwähnten Entscheidung vom 14. Februar 1995 im Einzelnen ausgeführt hat, bringt das Vorhandensein von Zweigstellen von vorneherein Nachteile für die Funktionsfähigkeit eines Gerichtes mit sich, etwa die Erschwerung der Personalbewirtschaftung und der Vertretungsregelungen, die Erschwerung bei der internen Zusammenarbeit und die Notwendigkeit einer doppelten Infrastruktur. Manche dieser Gesichtspunkte erhalten in der jetzigen Zeit mit ihren Sparzwängen besonderes Gewicht. Eine politische Entscheidung, die auf die weitgehende Auflösung amtsgerichtlicher Zweigstellen hinausläuft, kann daher nicht als willkürlich beanstandet werden. Zwar geht dadurch unzweifelhaft ein Stück Bürgernähe verloren, aber es lässt sich auch nicht übersehen, dass bisher schon verschiedene flächenmäßig recht große Landkreise über nur ein Amtsgericht ohne Zweigstellen verfügt haben.

Auch der Vergleich mit der Zweigstelle Sonthofen (Landkreis Oberallgäu), die als einzige erhalten und zum Vollgericht aufgestuft werden soll, lässt keinen Verstoß gegen das Willkürverbot erkennen. Wie der Antragsgegner schriftlich und mündlich unwidersprochen erläutert hat, ist diese Zweigstelle flächenmäßig und personell wesentlich größer und hat zudem erst in jüngster Zeit ein neues Grundbuchamt erhalten, was ein starkes Argument gegen die Auflösung liefert. Demgegenüber haben die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung anklingen lassen, der Vergleich falle nur deshalb so ungünstig zulasten der Zweigstelle Füssen aus, weil man letztere Zweigstelle schon in den letzten Jahren stark ausgedünnt habe. Rechtliche Folgerungen lassen sich daraus jedoch nicht ableiten. Wenn mit diesem Hinweis behauptet werden soll, man habe schon seit Jahren das Auflösungsziel verfolgt, dieses aber verschleiert, dann fehlt für diese Behauptung, von der rechtlichen Beurteilung abgesehen, schon jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Vom tatsächlichen Ablauf her liegt die Annahme näher, dass die nach der letzten Landtagswahl ausgegebenen Ziele der Staatsregierung zur Straffung staatlicher Institutionen der eigentliche Anstoß für die angegriffene Maßnahme waren.

Trotz der auch vom Senat nicht verkannten persönlichen Nachteile für die Antragsteller zu 1 bis 3 verstößt deshalb die Auflösung der Zweigstelle Füssen des Amtsgerichts Kaufbeuren nicht gegen höherrangiges Recht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO, ihre vorläufige Vollsteckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

Streitwert: § 52 Abs. 2 GKG.

B. Eilverfahren

Die Ablehnung der Eilanträge (§ 47 Abs. 6 VwGO) ergibt sich aus der Erfolglosigkeit der Anträge in der Hauptsache. Für die Entscheidung über Kosten und Streitwert gilt Entsprechendes.

Ende der Entscheidung

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