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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 21 B 04.3153
Rechtsgebiete: VwGO, BÄO, GG


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 2
BÄO § 5 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 12
Im Approbationwiderrufsverfahren besteht für die Verwaltungsgerichte grundsätzlich keine Veranlassung, die tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl wegen mehrfachen (Abrechnungs-)Betrugs erneut zu überprüfen, wenn ein Arzt den Strafbefehl in Kenntnis aller möglichen berufsrechtlichen Konsequenzen durch Zurücknahme des dagegen eingelegten Einspruchs akzeptiert hat. Dies gilt erst recht, wenn dem Arzt - wie hier - der Strafbefehl vorab als Erstentwurf zur Kenntnis gebracht worden ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

21 B 04.3153

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerrufs der ärztlichen Approbation;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Oktober 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. März 2007

am 28. März 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Oktober 2004 wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1 Dem Kläger wurde mit Urkunde des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 28. Oktober 1983 die Approbation als Arzt erteilt. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vom 4. November 1994 wurde er in ********** als Nervenarzt zugelassen. Unabhängig von seiner vertragsärztlichen Tätigkeit untersuchte der Kläger über Jahre hinweg im Auftrag der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Patienten zur Erstellung von psychiatrischen Rentengutachten.

2 Mit Beschluss vom 6. Dezember 2000 entzog der Zulassungsausschuss Ärzte der KVB die Kassenzulassung. Dem Kläger wurde die unerlaubte Abrechnung von Leistungen zu Lasten der vertragsärztlichen Versorgung im Zusammenhang mit der Erstattung von Gutachten für die BfA sowie die unplausible, unerlaubte und falsche Abrechnung von Leistungen bei Zugrundelegung der Leistungslegenden der Gebührenordnung vorgeworfen. Der Kläger habe gegen das Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise verstoßen, indem er bei allen gutachterlich betreuten Patienten zusätzlich vertragsärztliche Leistungen über Krankenscheine abgerechnet habe. Diese Abrechnungsweise habe die Fallzahl und in den budgetierten Quartalen ab 3/97 das Praxisbudget gesteigert.

3 Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Berufungsausschuss für Ärzte mit Beschluss vom 19. Februar 2002 zurück.

4 Mit Urteil vom 11. Mai 2004 (Az. S 28 KA 1144/02) hob das Sozialgericht München diesen Beschluss auf. Der Kläger habe zwar gegen seine Verpflichtung zur "peinlich genauen Abrechnung" verstoßen. Die Entziehung der Kassenzulassung sei jedoch unverhältnismäßig. Über die gegen das Urteil eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden.

5 Der Kläger wurde mit seit 30. Dezember 2002 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg vom 5. November 2002, Az. ** ** *** ** ********, wegen 16 tatmehrheitlichen Fällen des Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewährung (3 Jahre) und einer Geldbuße von 15.000,-- € verurteilt. Er habe im Zeitraum von 1996 bis 1999 in 197 Fällen vertragsärztliche Leistungen über Krankenschein abgerechnet, obwohl er gewusst habe, dass diese gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Außerdem habe er im Zeitraum von 1/96 bis 2/97 in einer Vielzahl von Fällen die Gebührenordnungspositionen Nr. 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes - EBM - (Erhebung der Fremdanamnese bei kommunikationsgestörten Patienten) und Nr. 3 (Verwaltungsgebühr) zu Unrecht abgerechnet. Im Strafbefehl wurde von einem Schaden zu Lasten der KVB in Höhe von 45.067,07 DM (= 23.042,43 €) ausgegangen.

6 Die Regierung der Oberpfalz widerrief mit Bescheid vom 9. September 2003 die Approbation als Arzt (Ziffer I) und forderte den Kläger zur Rückgabe der Approbationsurkunde auf (Ziffer II). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung dieser Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,-- € angedroht (Ziffer III).

Der Kläger sei zur Ausübung des ärztlichen Berufs sowohl unzuverlässig als auch unwürdig. Das beruhe im Wesentlichen auf den in dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts enthaltenen tatsächlichen Feststellungen, die der Kläger bisher nicht entkräftet habe, so dass die Sorg- und Bedenkenlosigkeit des Klägers im Umgang mit Berufspflichten sich in allen Zusammenhängen auszuwirken drohe, die mit den Berufsbildern von Ärzten verbunden seien. Die betrügerischen Manipulationen des Klägers bei den Abrechnungen würden sich negativ auf die Höhe der Kassenbeiträge der Patienten auswirken. Dieses Verhalten beeinträchtige daher das Vertrauen der Patienten und der Öffentlichkeit zu einem Arzt.

7 Das Verwaltungsgericht gab der dagegen erhobenen Klage mit Urteil vom 4. Oktober 2004 statt. Offensichtlich sei, dass dem Strafbefehl eine Abmachung zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern des Klägers zugrunde gelegen habe, so dass das Ausmaß der strafwürdigen Verfehlungen des Klägers nicht in dem für den Entzug der ärztlichen Approbation notwendigen Umfang feststehe. Der Entzug der Approbation vernichte die berufliche Existenz des Klägers auf Jahre hinaus. Auch die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei nicht gegeben.

8 Im zugelassenen Berufungsverfahren beantragt der Beklagte,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. Oktober 2004 die Klage abzuweisen.

9 Die im Strafbefehl geahndeten Straftaten ließen Charaktereigenschaften des Klägers erkennen, die nicht der raschen Wandlung unterlägen. Das gelte um so mehr, als er bislang keine ernstlichen Sanktionen seines Fehlverhaltens zu spüren bekommen und somit keinen Anlass gesehen habe, sich zu ändern. Die nicht sofort vollziehbare Entziehung der Kassenzulassung sei mit Urteil des Sozialgerichts München aufgehoben worden. Der Kläger sei im Stande gewesen, die zu Unrecht eingenommene Honorarsumme (95.037,88 €) unverzüglich zurück zu zahlen, weil er weiter als Arzt gearbeitet habe. Der Entzug der Approbation vernichte auch nicht die beruflichen Existenz des Klägers, weil er zum einen die Arztpraxis verkaufen oder verpachten könne. Zum anderen habe der Kläger die Möglichkeit beispielsweise als Pharmareferent zu arbeiten. Insgesamt sei von der Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufes und von der Verhältnismäßigkeit des Approbationsentzugs auszugehen.

10 Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach einem Approbationswiderruf sei die Verpachtung seiner Vertragsarztpraxis rechtlich nicht möglich; er habe außerdem irreversible Auswirkungen auf seine Kassenzulassung. Er habe keine andere Ausbildung beispielsweise als Pharmareferent.

Seit seiner letzten fehlerhaften Abrechnung Ende 1999 sei bereits ein Zeitraum von mehreren Jahren verstrichen. Seine Unwürdigkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen. Zutreffend sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Approbationswiderruf unverhältnismäßig sei und dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG widerspreche. Er habe bereits bei Bescheidserlass die volle Gewähr dafür geboten, dass er die Abrechnungsfehler zuverlässig und dauerhaft beseitigt habe und er seine Berufspflichten peinlichst genau beachte, so dass sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Würdigkeit gegeben gewesen sei.

11 Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Strafakten, der Akten des Sozialgerichts München und wegen des Verlaufs des Erörterungstermins vom 17. Oktober 2006 und der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2007 auf die darüber geführten Niederschriften sowie auf alle gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 a Abs. 5 VwGO) ist begründet.

1 Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil der Widerruf der dem Kläger erteilten Approbation als Arzt rechtmäßig ist und diesen nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Regierung der Oberpfalz war verpflichtet, die Approbation des Klägers nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Bundesärzteordnung - BÄO - vom 16. April 1987 (BGBl I S. 1218) zu widerrufen, weil nachträglich eine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO zur Erteilung der Approbation weggefallen ist. Sie ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger sich im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung als Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das so schwerwiegend ist, dass sich aus ihm sowohl seine Unzuverlässigkeit als auch seine Unwürdigkeit zur weiteren Ausübung des Arztberufes ergeben.

2 Beim Widerruf einer als begünstigender Verwaltungsakt ergehenden Approbation handelt es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl; denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern überdies die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll (vgl. BVerfGE 44, 105, 117 m.w.N.). Diese Entscheidungsfreiheit wird dem betroffenen Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen. Ein solcher Eingriff ist nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter statthaft. Dieser Anforderung ist dann genügt, wenn die Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO Voraussetzung für die Erteilung der Approbation sind, weggefallen ist (vgl. BVerwG vom 16.9.1997 BVerwGE 105, 214 ff m.w.N.).

3 Voraussetzung für den Widerruf der Approbation des Klägers ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, aus denen sich eine Unzuverlässigkeit oder eine Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des Arztberufes ergibt.

4 Das Merkmal der Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessenspielraum eröffnet. Danach ist insbesondere derjenige im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO unzuverlässig, der aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seinen Beruf als Arzt ordnungsgemäß ausüben wird. In diesem Sinn ist die Unzuverlässigkeit dann zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Abzustellen ist für die somit anzustellende Prognose auf die jeweilige Situation des Arztes im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens. Dabei ist für die Prognose der Zuverlässigkeit auch die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und ihrer Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage in diesem maßgeblichen Zeitpunkt ausschlaggebend (vgl. BVerwG vom 16.9.1997 BVerwGE 105, 214 ff; BVerwG vom 9.11.2006 Az. 3 B 7/06 m.w.N.).

5 Nach allgemeiner Auffassung ist ein Arzt zur Ausübung des ärztlichen Berufes unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Dabei ist entscheidend, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BVerwG vom 28.01.2003 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107 m.w.N.).

6 Die Begriffe "Unzuverlässigkeit" und "Unwürdigkeit" haben jeweils eine eigenständige Bedeutung. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird durch die Prognose gekennzeichnet, ob der Betroffene auch in Zukunft seine beruflichen Pflichten nicht zuverlässig erfüllen wird. Ihr gegenüber entbehrt die Unwürdigkeit des prognostischen Elements. Sie ist nicht vom künftigen Verhalten des Betroffenen abhängig (vgl. BVerwG vom 2.11.1992 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 83; vgl. auch BVerwG Buchholz vom 9.1.1991 Ärzte Nr. 80). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob diese Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation des Klägers vorlagen, ist - wie oben dargelegt - der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens. Denn bei Anfechtungsklagen gegen statusentziehende Verwaltungsakte, wie den Widerruf der Approbation, gibt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung den Ausschlag (st. Rspr., zuletzt BVerwG vom 9.11.2006 Az. 3 B 7/06).

7 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass der Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt ein Verhalten gezeigt hat, aus dem sich seine Unzuverlässigkeit und seine Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs als Arzt ergeben.

8 Dem Kläger fehlt aufgrund seines gesamten im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Verhaltens die notwendige Zuverlässigkeit zur Ausübung des Arztberufs.

9 Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die dem seit dem 30. Dezember 2002 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg (Az. ** *** ** ********) zugrunde liegen, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die ihm insoweit zur Last gelegten Straftaten jedenfalls in einem das verhängte Strafmaß und den Schuldspruch tragenden Umfang tatsächlich begangen hat.

Zwar ist ein Strafbefehl kein im ordentlichen Strafverfahren ergehendes Urteil, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Weil das Strafbefehlsverfahren vornehmlich der Vereinfachung und Beschleunigung dient, kann ein Strafbefehl regelmäßig nicht das Maß an Ergebnissicherheit bieten wie ein Urteil. Die in einem Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen Feststellungen vermögen deswegen keine Bindungswirkung etwa für ein Disziplinarverfahren zu erzeugen. Weil der Strafbefehl jedoch aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht (§§ 407, 408 StPO) ergeht, einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält sowie eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt, und - wie hier nach Rücknahme des Einspruchs hiergegen - gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangt, können im Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben. Das gilt auch im Zusammenhang mit dem Widerruf der ärztlichen Approbation (vgl. BVerwG vom 26.9.2002 NJW 2003, 913 f m.w.N.; vom 6.3.2003 Az. 3 B 10/03).

10 Somit können die Behörden und Gerichte Feststellungen auch in einem rechtskräftigen Strafbefehl der Beurteilung der Zuverlässigkeit im berufsrechtlichen Sinn zugrunde legen, ohne diese auf ihre vom Betroffenen bestrittene Richtigkeit selbst überprüfen zu müssen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen, insbesondere wenn ersichtlich Wiederaufnahmegründe vorliegen oder wenn die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt nunmehr besser als das Strafgericht aufklären können (vgl. die hier übertragbare st. Rspr. des BVerwG im Straßenverkehrsrecht - z.B. BVerwG vom 12.1.1977 und vom 28.9.1981 Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 51 und Nr. 60 - im Ausländerrecht z.B. BVerwG vom 16.9.1986 und vom 8.5.1989 Buchholz 402.24 § 10 AuslG a.F. Nr. 112 und Nr. 118 - im Waffenrecht z.B. BVerwG vom 24.6.1992 Buchholz 402.5 WaffG Nr. 65).

11 Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Schon aufgrund des Verhaltens des Klägers im Strafverfahren, insbesondere vor Erlass des Strafbefehls, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Straftaten im entscheidungserheblichen Umfang begangen hat. So ist dem an die Staatsanwaltschaft Regensburg gerichteten Schriftsatz der früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 28. August 2002 (Bl. 321, 322 der Strafakte) zu entnehmen, dass dem Kläger die außerstrafrechtlichen Folgen eines rechtskräftigen Strafbefehls bekannt waren, insbesondere, dass die Rechtskraft des Strafbefehls zu einem unwiderruflichen Verlust der Kassenarztzulassung führen könne und nach Auskunft des sozialrechtlichen Beraters des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Approbation des Klägers widerrufen werde. In diesem Schriftsatz ist unter anderem ausgeführt: "Nachdem auf der anderen Seite mein Mandant bei seiner damaligen Vorsprache bei der KV Bayern in Begleitung seines früheren Anwalts unverzüglich den Sachverhalt unstreitig gestellt hat und den "Schaden" mittlerweile längst zurückgezahlt hat, sollte auch nur noch eine kleinere Bewährungsauflage erforderlich sein......" Damit steht nach Auffassung des Senats fest, dass der Kläger gegenüber der KVB die ihm zur Last gelegten Vorwürfe eingeräumt hat.

12 Zudem wurde den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers zunächst der Strafbefehl im Entwurf zugesandt. Das ist dem Schriftsatz vom 4. November 2002 (Bl. 336 der Strafakte) zu entnehmen, in dem ausgeführt wird, dass nach Rücksprache mit dem Kläger und dessen sozialrechtlichen Berater dieser Entwurf (des Strafbefehls) so akzeptiert werden würde.

13 Nach Zustellung des Strafbefehls am 7. November 2002 erklärte der frühere Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 12. November 2002 (Bl. 337 der Strafakte), dass zwar zunächst Einspruch hiergegen eingelegt, gleichwohl gebeten werde, von der Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins derzeit Abstand zu nehmen, weil zum Jahresende der Einspruch wieder zurückgenommen werde. Dies ist am 30. Dezember 2002 auch geschehen ist.

14 Dieses Verhalten des anwaltlich und auch sozialrechtlich beratenen Klägers belegt zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Straftaten im entscheidungserheblichen Umfang begangen und den ihm dadurch gemachten Schuldvorwurf letztlich auch eingestanden hat. Denn es wäre ansonsten unverständlich, dass der Kläger in Kenntnis der höchst wahrscheinlich eintretenden gravierenden berufsrechtlichen Folgen nach Rechtskraft dieses Strafbefehls, diesen vorab im Entwurf akzeptiert und dann durch Rücknahme des Einspruchs dessen Rechtskraft herbeiführt. Dieses Verhalten des Klägers ist überhaupt nur dann erklärbar, wenn er die ihm im Strafbefehl zur Last gelegten Taten und den ihm gemachten strafrechtlich relevanten Schuldvorwurf im Wesentlichen anerkennt oder einräumt. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie bereits dargestellt, gegenüber der KVB in Begleitung seines früheren Anwalts unverzüglich den Sachverhalt unstreitig gestellt hat (vgl. Schriftsatz vom 28.8.2002, Bl. 322 der Strafakte). Wäre der Kläger nämlich davon überzeugt gewesen, dass die ihm gegenüber erhobenen Anschuldigungen falsch sind, hätte er das in einer Hauptverhandlung nachprüfen lassen können und müssen, um einen Freispruch zu erreichen. Es kann und muss hier auch nicht weiter aufgeklärt werden, weshalb der Kläger die Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung gemieden hat. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob und inwieweit es sich um eine Absprache ("Deal") zwischen Staatsanwaltschaft und Kläger gehandelt haben könnte. Denn der Kläger hätte das Eintreten der Rechtskraft des Strafbefehls verhindern und in einer Hauptverhandlung seine Unschuld unter Beweis stellen und auch damit die Öffentlichkeit hiervon überzeugen können, womit er auch der befürchteten Rufschädigung wirksam entgegentreten wäre.

15 Angesichts der auf diesen Tatsachen beruhenden Überzeugung sieht der Senat unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 26.9.2002 NJW 2003, 913; vom 6.3.2003 Az. 3 B 10/03) keinen Anlass, die erhobenen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl weiter zu vertiefen, weil sich keine gewichtigen Anhaltspunkte hiergegen ergeben haben und die durch das Gesamtverhalten des Klägers gewonnene Überzeugung des Senats dadurch nicht erschüttert wird. Abgesehen davon hält der Senat diese Einwendungen durch die Ausführungen im Widerrufsbescheid für widerlegt. Er macht sich daher die Begründung des Bescheides insoweit zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer erneuten Darstellung dieser Entscheidungsgründe ab (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 5 VwGO).

16 Diese Überzeugung des Senats kann der Kläger auch mit seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht erschüttern. Danach habe er etwa vier BfA-Gutachten pro Monat zu erstellen gehabt, insgesamt 197. Während der Begutachtung habe er in 194 Fällen, wobei die Patienten ihm nicht bekannt gewesen seien, schwerwiegende, akute psychische Probleme gesehen, so dass eine therapeutische Intervention notwendig geworden sei. Diese zusätzliche therapeutische Intervention habe er auch in den 194 Fällen abgerechnet. Wenn sich ihm heute dieselbe Problematik wieder stellte, würde er nach wie vor therapeutisch intervenieren, diese Sitzungen aber nicht mehr gesondert abrechnen. Ergänzend verweise er auf sein Schreiben vom 24. Februar 2000 an die KVB. Diese Einlassung des Klägers ist nicht dazu geeignet, die tatsächlichen Feststellungen, die dem rechtskräftige Strafbefehl zu Grunde liegen, in einer Weise zu entkräften, dass erhebliche Gründe für die Annahme der Unrichtigkeit dieser tatsächlichen Feststellungen gegeben wären.

17 Denn für den Senat ist es unglaubhaft, dass in jedem dieser 194 Begutachtungsfälle therapeutische Maßnahmen ergriffen werden mussten, diese also aus objektiver medizinischer Sicht auch veranlasst waren. In dieser Annahme sieht sich der Senat durch das Schreiben einer Probandin (Bl. 9 der Strafakte) bestätigt. Danach hat der Kläger bereits mit der Mitteilung des Termins zur Begutachtung (vgl. Bl. 11 der Strafakte) von der Probandin verlangt, die Versicherungskarte mitzubringen und dann vor der Begutachtung diese Karte in der Praxis abzugeben. Nachdem der Kläger vor der Begutachtung nicht wissen konnte, dass bei dieser Probandin therapeutische Interventionen erforderlich werden, wertet der Senat dieses Verhalten des Klägers als Indiz dafür, dass er von vornherein beabsichtigte, im Rahmen der Begutachtungen therapeutische Interventionen abzurechnen, auch wenn diese nicht veranlasst waren. Insgesamt hält der Senat daher die Behauptungen des Klägers für reine Schutzbehauptungen, um seine betrügerischen Straftaten, deretwegen er zu Recht verurteilt worden ist, in einem besonders milden Licht erscheinen zu lassen. Das gilt auch für das Schreiben vom 24. Februar 2000 an die KVB (Bl. 13, 14 der Strafakte).

Die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit des Strafbefehls kann somit nicht erschüttert werden.

18 Nachdem der vom Kläger verursachte Schaden in Höhe von 47.067,07 DM (= 23.042,43 Euro), wie er im rechtskräftigen Strafbefehl festgestellt wurde, auf keinen Fall mehr als ein den Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit nicht tragender Bagatellschaden anzusehen ist (vgl. auch BayVGH vom 18.7.1996 Az. 21 CS 96.155), zeigt das Verhalten des Klägers insgesamt schwerwiegende Verstöße gegen seine berufsspezifischen Pflichten, so dass der Beklagte zu Recht annehmen konnte, dass der Kläger zur Ausübung des Berufs als Arzt im hier maßgeblichen Zeitpunkt unzuverlässig im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist.

19 Dieses dargelegte Verhalten des Klägers, die erheblichen Verstöße gegen seine Berufspflichten und die dadurch manifest gewordenen Charaktereigenschaften bieten für die Erwartung, er werde seine Berufspflichten als Arzt in Zukunft ordnungsgemäß erfüllen, keine Grundlage, so dass die bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit anzustellende Zukunftsprognose auch zu seinen Ungunsten ausfallen muss (vgl. BVerwG vom 16.9.1997 BVerwGE 105, 214 ff m.w.N.).

20 Diese Zukunftsprognose geht auch nicht deshalb zu Gunsten des Klägers aus, weil er keine derartigen Begutachtungen für die BfA mehr durchführt. Denn es kann - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens - nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger auch weiterhin unzulässige und betrügerische Abrechnungen anderer Art im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit vornimmt. Eine Änderung dieser persönlichen Eigenschaften kann auch nach Auffassung des Senats erst nach einem längeren Reifeprozess erwartet werden.

21 Der Senat verweist auch hier ergänzend und zur Vermeidung weiterer Wiederholungen auf die zutreffenden und rechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen im Widerrufsbescheid (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 5 VwGO).

22 Aufgrund dieses Gesamtverhaltens des Klägers fehlt diesem aber nicht nur die berufliche Zuverlässigkeit. Denn der Kläger erweist sich auch als unwürdig für die (weitere) Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt.

23 Wie bereits dargelegt ist ein Arzt zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten dieses Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt (BVerwG vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100). Dieser Entziehungstatbestand stellt auch nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (vgl. BVerwG vom 28.1.2003 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107 m.w.N.). Ist diese Voraussetzung gegeben, so ist der im Entzug der Approbation liegende, in jedem Fall sehr schwer wiegende Eingriff in die Berufsfreiheit sachlich gerechtfertigt, ohne dass es noch einer zusätzlichen Auseinandersetzung mit individuellen Umständen, wie Alter des Betroffenen und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit, bedürfte.

24 Aufgrund der erheblichen Straftaten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Arzt konnte der Beklagte zu Recht annehmen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt unwürdig im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist und den Approbationswiderruf auch auf dieses Tatbestandsmerkmal stützen. Liegt - wie hier - Berufsunwürdigkeit vor, so lässt das Gesetz für die zusätzliche Berücksichtigung von individuellen Umständen wie längerer Arbeitslosigkeit keinen Raum; hiergegen ist auch verfassungsrechtlich nichts zu erinnern (vgl. BVerwG vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100). Ergänzend verweist der Senat auch hier auf den Widerrufsbescheid (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 5 VwGO).

25 Die im Regelfall gegebene Annahme, dass erhebliche berufliche Unzuverlässigkeit auch zur Unwürdigkeit zur weiteren Berufsausübung führt (vgl. BVerwG vom 2.11.1992 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 83), ist beim Kläger auch nicht widerlegt. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass diese wenn auch über längere Zeit andauernden Pflichtverletzungen des Klägers den ersten Verstoß gegen seine beruflichen Pflichten darstellen. Denn auch ein erstmaliger, zumal strafrechtlich erfasster, Verstoß genügt grundsätzlich für die Annahme der Berufsunwürdigkeit, wenn die Art der Straftat, das Ausmaß der Schuld und der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit von bedeutendem Gewicht sind (vgl. BVerwG vom 4.8.1993 NVwZ-RR 1994, 388). Das ist hier - wie bereits dargelegt - der Fall.

26 Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass die Öffentlichkeit keine Kenntnis von den Verstößen des Klägers erhalten hat und daher das Vertrauen zu ihm nicht verloren gegangen ist. Es genügt nämlich, wenn dieser Vertrauensverlust spätestens zum maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten wäre, wenn die Öffentlichkeit vom Verhalten des Klägers Kenntnis erlangt hätte; das kann nur dann ausnahmsweise widerlegt werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass trotz Kenntnis der Verfehlungen dennoch kein Vertrauensverlust eingetreten wäre (vgl. BVerwG vom 4.8.1993 NVwZ-RR 1994, 388; vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100). Hierfür ist jedoch weder vom Kläger etwas konkret vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.

27 Steht nach alldem fest, dass der Kläger unzuverlässig und unwürdig zur Ausübung des Arztberufs ist, war die Approbation zu widerrufen, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen eingeräumt gewesen wäre. Auch der hierbei zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist hier nicht verletzt.

28 Die Beachtung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist bei der Anwendung von § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geboten. Eine Beschränkung der Approbation, also deren Teilwiderruf, ist nicht möglich, was sich zwingend aus dem Begriff der Approbation ergibt. Diese ist im Gegensatz zu der Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 BÄO eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes und als solche unteilbar. Der Gesetzgeber hat jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des § 8 Abs. 1 BÄO dadurch Rechnung getragen, dass er unter anderem für den Fall eines Widerrufs der Approbation wegen Wegfalls einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO dann, wenn die Verhaltensweise des Arztes nach Abschluss des entsprechenden Widerrufsverfahrens mit Blick etwa auf die Zuverlässigkeit eine günstige Prognose erlaubt, die Möglichkeit eröffnet hat, einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen und ggf. zunächst eine Erlaubnis zu einer erneuten Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten (vgl. BVerwGE 105, 214 ff; BVerwG vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100).

29 Unter Beachtung dieser Grundsätze kann der Kläger auch mit seinem übrigen Vorbringen im Verwaltungsprozess, insbesondere im Berufungsverfahren, die zutreffenden Feststellungen seiner Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht in Zweifel ziehen.

30 Soweit der Kläger meint, das jahrelanger Wohlverhalten, das er nach Entdeckung der Abrechnungsunregelmäßigkeiten an den Tag gelegt habe, müsse mehr beachtet werden, trifft das nicht zu. Denn ein ordnungsgemäßes Verhalten wird von jedem rechtstreuen Bürger, somit auch von einem Arzt als Normalfall erwartet und stellt kein besonderes Verhalten dar, das die vom Kläger begangenen Straftaten in Frage stellen könnte. Auch die Tatsache, dass der Kläger die Liste der Gutachtenspatienten "sofort von sich aus" der KVB zur Verfügung gestellt habe, stellt kein besonderes Wohlverhalten dar, das die Straftaten des Klägers in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass diese Listen auch durch die BfA als Auftraggeber hätten vorgelegt werden können. Ebenso wenig kann ins Gewicht fallen, dass der Kläger "weit mehr" als einen tatsächlichen Schaden von ca. 7.000,-- Euro zurückgezahlt habe, weil ausweislich des Strafbefehls von einem Gesamtschaden gegenüber der KVB von 23.042,43 Euro (45.064,07 DM) auszugehen ist.

31 Unbeachtlich ist hier, dass die Abrechnungsfehler des Klägers nicht zu einer Gesundheitsgefährdung der Patienten geführt haben. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nicht allein Behandlungsfehler zum Widerruf der Approbation führen können, sondern dass zu den berufsspezifischen Pflichten eines Arztes auch die korrekte Abrechnung mit den Krankenkassen gehört (BVerwG vom 28.8.1995 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 91).

32 Das Vorbringen des Klägers, dass er seit der letzten Falschabrechnung Ende 1999 bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids der Regierung der Oberpfalz am 9. September 2003 korrekt abgerechnet habe und insoweit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Entzug der Zulassung als Kassenarzt / Vertragsarzt und zur Wiederzulassung zur vertragsärztlichen Versorgung berücksichtigt werden müsse, führt hier zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

33 Im Beschluss vom 16. Juli 1996 (Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass auch das Bundessozialgericht keine Rechtsprechung dergestalt entwickelt habe, wonach ein Arzt fünf Jahre nach den Vorkommnissen, die zur Annahme der Unzuverlässigkeit geführt haben, regelmäßig als zuverlässig zu gelten habe. Allerdings habe der 6. Senat des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24.11.1993 BSGE 73, 234, 243) in einem Fall, in dem der Arzt sein Abrechnungsverhalten geändert hat, die Sache an das Landessozialgericht mit der Begründung zurückverwiesen, der Zeitablauf könne ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arzt seine Eignung während des Verlaufs des Verfahrens wieder erlangt habe. Das Bundessozialgericht spricht somit lediglich von einem Anhaltspunkt. Hier hat der Beklagte das Verhalten des Klägers zwar berücksichtigt, ist aber zu Recht von der Unzuverlässigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt (Abschluss des Verwaltungsverfahrens) ausgegangen, was bereits dargestellt wurde.

34 Auch die Tatsache, dass der Kläger den von ihm verursachten Schaden wieder gutgemacht hat, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts. Denn zur Schadenswiedergutmachung besteht ohnehin eine rechtliche Verpflichtung (vgl. BayVGH vom 25.4.2005 Az. 21 ZB 04.794).

35 Ebenso wenig lassen sich aus den im nicht rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Mai 2004 und den hiervon maßgeblich geprägten Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts geäußerten Rechtsauffassungen Beweise für die Zuverlässigkeit und Würde des Klägers hinsichtlich seiner Berufsausübung herleiten.

36 Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 (BSGE 93, 269 ff). In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht dargelegt, dass, wenn sich bei einer nicht vollzogenen Zulassungsentziehung die Sach- und Rechtslage während des gerichtlichen Verfahrens zu Gunsten des Arztes in einer Weise geändert habe, die eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheinen lasse, im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG eine solche Änderung bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht berücksichtigt werden müsse.

37 Dieser Rechtsauffassung hat sich aber das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung für den Approbationswiderruf nicht angeschlossen, sondern auch nach Ergehen dieser Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2004 seine bisherige Rechtsprechung im Beschluss vom 9. November 2006 (Az. 3 B 7/06) bestätigt. Abgesehen davon hat das Bundessozialgericht zwischen einem Widerruf der Approbation und einer Zulassungsentziehung hinreichend differenziert: Danach seien Umstände, die nach der Verwaltungsentscheidung eingetreten sind, grundsätzlich unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise den Entlastungssachverhalt in einer anderen Sicht erscheinen ließen. Diese Grundsätze hätten zur Folge, dass später liegende Veränderungen der Sachlage unbeachtlich seien. Dies könne in den Fällen hingenommen werden, wenn ein Beamter, der wegen Dienstunfähigkeit in Ruhestand versetzt werde, im Falle geänderter Verhältnisse die erneute Berufung in das Beamtenverhältnis (§ 45 BGB) beanspruchen könne, oder aber - bei einem Arzt - die Möglichkeit zur Wiedererlangung der Approbation nach § 8 Abs. 1 BÄO bestehe (BVerwG vom 14.4.1998 NJW 1999 3425, 3426). Nachdem Entsprechendes im Vertragsarztrecht nicht gelte, müsse gegebenenfalls auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt werden.

38 Damit hat auch das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung klar zu erkennen gegeben, dass für diese Rechtsauffassung im Approbationswiderrufverfahren kein Raum ist, weil dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch die Möglichkeit der Wiedererlangung der Approbation nach § 8 Abs. 1 BÄO genüge getan ist.

39 Soweit der Kläger, insbesondere im Schriftsatz vom 27. Februar 2007 auf die beruflichen und existenziellen Folgen hinweist, die ein bestandskräftiger Widerruf der Approbation auslösen würde, vermag auch das zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Der Kläger befürchtet, dass er aus dem Arztregister gestrichen und ihm die Kassenzulassung entzogen wird. Zudem sei der Zulassungsentzug irreversibel, weil die Planungsbereiche gesperrt seien. Der Senat kann diese Folgen eines bestandskräftigen Widerrufs der Approbation nicht ausschließen. Dass damit schwerwiegend in das Grundrecht der Berufsfreiheit des Klägers nach Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird, erweist sich jedoch nicht als unverhältnismäßig, weil der Approbationswiderruf als zwingende Folge der Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit ausgesprochen werden musste. Liegt nämlich Berufsunwürdigkeit vor, so lässt das Gesetz für die zulässige Berücksichtigung individueller Umstände wie eines relativ hohen Lebensalters oder längerer Arbeitslosigkeit keinen Raum, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Es ist nach wie vor gerechtfertigt, die Betätigung eines Arztes zu unterbinden, die das Vermögen der Patienten, ihrer Kassen oder der an der Finanzierung des Gesundheitswesens Beteiligten nachhaltig gefährdet. Liegen Tatsachen - wie hier - vor, die auf eine derartige Gefährdung schließen lassen, so muss dem Arzt die Approbation entzogen werden, gleichgültig ob er für die Zukunft Aussicht auf Wiedererteilung der Approbation und die Wiederzulassung als Vertragsarzt hat oder nicht. Der Behörde steht insoweit weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum zu. Den Patienten, ihren Kassen oder den an der Finanzierung des Gesundheitswesens Beteiligten ist nicht deshalb ein höheres Maß an Gefährdung ihres Vermögens zuzumuten, weil sich die ferneren Berufsaussichten des Arztes ungünstig darstellen (vgl. BVerwG vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100; BVerwG vom 16.7.1996 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95).

40 Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht mehr relevant, welche berufsrechtlichen Folgen die Bestandskraft des Widerrufsbescheids für den Kläger hätten. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hinweist, dass er die von ihm ausgeübte Praxis in ********** nach einem bestandskräftigen Widerruf der Approbation so nicht mehr weiter betreiben könne, hat er somit das hinzunehmen, zumal Art. 12 GG nicht die konkrete in einer bestimmten Praxis an einem bestimmten Ort ausgeübte Berufstätigkeit als Arzt oder Nervenarzt schützen und jeden Eingriff hiergegen abwehren will. Würde der Schutzbereich des Art. 12 GG so weit gehen, wäre jeglicher Approbationswiderruf in derartigen Fällen nicht möglich. Dem Kläger ist es insoweit zuzumuten, nach Wiedererteilen der Approbation, die hier nach einem gewissen Zeitablauf erfolgen kann oder nach einer vorhergehenden Erteilung einer Erlaubnis nach § 8 BÄO seine ärztliche Tätigkeit in einem anderen Umfeld auszuüben, womit der Schutz von Art. 12 GG hinreichend gewahrt bleibt. Der Kläger ist von den Folgen seiner Straftaten nicht anders betroffen als jeder andere Staatsbürger auch, der aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung seinen Arbeitsplatz verliert.

41 Soweit der Kläger meint, dass gegen ihn schon erhebliche Sanktionen verhängt worden seien, trifft das nicht zu. Der Kläger kann bis zum jetzigen Zeitpunkt seine berufliche Tätigkeit in vollem Umfang ausüben, zumal weder hinsichtlich Widerrufs der Approbation noch der Entziehung der Kassenzulassung die sofortige Vollziehbarkeit dieser Maßnahme angeordnet worden ist.

42 Die Straftaten des Klägers hatten in berufsrechtlicher Hinsicht bislang ohnehin noch keine spürbaren Konsequenzen für den Kläger, so dass von erheblichen Sanktionen nicht die Rede sein kann.

43 Auch unter Berücksichtigung von § 18 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I S. 661), auf das das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. Januar 1991 (NJW 1991, 1557) verweist, ergibt sich nichts dafür, dass für die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung und für den Widerruf der Approbation gleiche Maßstäbe zu gelten haben. Schon § 95 Abs. 6 Satz 2 SGB V, wonach der Zulassungsausschuss statt einer vollständigen auch eine hälftige Entziehung der Zulassung beschließen kann, zeigt, dass gleiche Maßstäbe für die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung und des Widerrufs der Approbation schon deshalb nicht gelten können, weil die Approbation unteilbar ist (vgl. Nr. 28).

44 Der Kläger hat demnach gezeigt, dass ihm die gebotene innere Einstellung zur Beachtung seiner berufsspezifischen Pflichten als Arzt fehlt. Er hat Charaktereigenschaften offenbart, die seiner weiteren Tätigkeit als Arzt - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt - insgesamt entgegenstehen, so dass der Widerruf der Approbation angemessen und nicht unverhältnismäßig ist. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, der Kläger halte die rechtskräftige Verurteilung im Strafbefehl lediglich für ein Bagatelldelikt, das letztendlich für ihn keine berufsrechtlichen Folgen haben dürfe.

45 Soweit besondere Umstände oder besonderes Verhalten des Klägers vorliegen sollten, worauf er im Berufungsvorbringen wiederholt hingewiesen hat, könnte dem im Wiedererteilungsverfahren der Approbation oder in einem Verfahren nach § 8 BÄO Rechnung getragen werden. Insbesondere könnte sich das auf die Dauer der Bewährungszeit außerhalb des Berufs, die erst nach Bestandskraft des Widerrufsbescheids zu laufen beginnen kann (vgl. BayVGH vom 11.7.2006 Az. 21 ZB 06.709 m.w.N.), auswirken.

46 Damit war unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

47 Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

48 Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

49 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 75.199,51 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 16.1 des Streitwertkataloges 2004, vgl. Kopp, VwGO, 14. Aufl 2005, Anhang zu § 164 RdNr. 14).

Ende der Entscheidung

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