Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 21 BV 07.405
Rechtsgebiete: Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester, Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester


Vorschriften:

Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester § 17 Abs. 1
Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

21 BV 07.405

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Pflichtversicherung bei der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat, durch

den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. Juli 2009

am 9. Juli 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 wird geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin für den beigeladenen ******** **** (Beigeladener) Pflichtversicherungsbeiträge abrechnen und an die Beklagte entrichten muss.

Mit Vertrag vom 25. Januar 2000 (Vertrag 2000) wurde der Beigeladene zum Chefdirigenten der ********* *********** für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. August 2004 bestellt. Mit Änderungsvertrag vom 15. Mai 2002 (Vertrag 2002) wurden insbesondere eine differenziertere Regelung hinsichtlich des Honorars je Konzert getroffen und eine Änderung des Pauschalbetrags für die Tätigkeit des Beigeladenen als Chefdirigent vereinbart.

Mit Verträgen vom 16. Juli 2003 (Vertrag 2003) und vom 9. Februar 2006 (Vertrag 2006) wurde die Bestellung des Beigeladenen zum Chefdirigenten zunächst bis 31. August 2007 und dann bis 31. August 2010 verlängert.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 fest, dass der Beigeladene seit 1. Januar 2001 der Pflichtversicherung bei ihr unterliege und verpflichtete die Klägerin, die anfallenden Beträge satzungsgemäß abzurechnen und zu entrichten; Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 2001 seien verjährt. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 den Widerspruch vom 23. Dezember 2005 zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen diese Bescheide mit Urteil vom 13. November 2006 ab. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und nimmt auf den Tatbestand des Urteils Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

Die Klägerin trägt zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Der Beigeladene übe auch unter Zugrundelegung der vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien eine selbständige Tätigkeit aus; so würde eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit ein Beschäftigungsverhältnis nicht automatisch zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis machen. Ebenso wenig bestehe ein Weisungsrecht des Intendanten gegenüber dem Beigeladenen. Zudem habe es zu keinem Zeitpunkt während der Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen eine Anwesenheitspflicht des Beigeladenen gegeben. Ebenso wenig habe es eine Verpflichtung des Beigeladenen zum Dirigat einer bestimmten Anzahl von Konzerten oder zum Dirigat von Rundfunk- oder CD-Aufnahmen gegeben. Es habe immer nur die Verpflichtung der Klägerin gegeben, eine gewisse Anzahl von Dirigaten anzubieten. Eine Verpflichtung des Beigeladenen oder gar ein Weisungsrecht der Klägerin ihm gegenüber könne daraus weder zu Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 2000 noch heute abgeleitet werden. Dies werde vom Verwaltungsgericht lediglich unterstellt. Auch der Umstand, dass der Beigeladene als Chefdirigent seine künstlerische Tätigkeit nur in Zusammenarbeit mit einem Orchester entfalten könne, mache ihn nicht zum abhängig Beschäftigten. Entscheidend sei hier, dass die Klägerin vom Beigeladenen erwarte, dass er mit dem Orchester intensiv zusammenarbeite; es sei ihr aber nicht möglich, ihn zu dieser Zusammenarbeit "heranzuziehen". Der Beigeladene trage auch ein Unternehmerrisiko. Gerade die besonderes herausgehobene künstlerische Stellung des Beigeladenen und die völlige Weisungsungebundenheit bei seiner Tätigkeit ließen nur den Schluss zu, dass er selbständig tätig sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. November 2006 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2005 sowie den Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für zutreffend: Der Beigeladene sei als Chefdirigent in den Orchesterbetrieb eingegliedert. Der Intendant habe die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, woraus die Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen resultiere. Dieser trage auch kein Unternehmerrisiko, weil er für Konzertausfälle nicht hafte und sein persönliches Vermögen nicht einsetzen müsse.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (§ 124 VwGO) ist begründet, weil die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 6. März 2006 ebenfalls zulässig und begründet ist. Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); denn diese ist nicht verpflichtet, Pflichtversicherungsbeiträge für die Beschäftigung des Beigeladenen als Chefdirigent abzurechnen und an die Beklagte abzuführen.

Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin gemäß §§ 22 a ff. der Satzung der Versorgungsanstalt der deutschen Kulturorchester vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Dezember 2005 (BAnz 2006 S. 732) - Satzung VddKo - und für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004 gemäß §§ 22, 24 Satzung VddKo in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung vom 12. Dezember 1991 (BAnz S. 8323 und 1992 S. 546), insoweit zuletzt geändert durch Satzung VddKo vom 11. Dezember 2002 (BAnz 26589), verpflichtet ist, für den Beigeladenen im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtbeiträge abzurechnen und zu überweisen. Denn der Beigeladene ist nicht gemäß § 1 der Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 (RArbbl vom 15.5.1938 Teil VI S. 597) - TO Kulturorchester - in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satzung VddKo bei der Beklagten pflichtversichert. Da er schon nicht zu den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehenden Musikern zu rechnen ist, kann offen bleiben, ob der Beigeladene überhaupt als Kapellmeister im Sinn von § 1 Abs. 3 a TO Kulturorchester anzusehen ist.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Satzung VddKo ist bei der Beklagten pflichtversichert jeder unter die TO Kulturorchester fallende Musiker, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres unter Anrechnung früher zurückgelegter Beitragsmonate 120 (aktuell 60) Beitragsmonate erreichen kann und nicht berufs- oder erwerbsunfähig ist. Die Pflichtversicherung setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus.

Bei der Abgrenzung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, geht der Senat von den Grundsätzen aus, die das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellt haben (vgl. u.a. BAG vom 9.10.2002 AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BSG vom 30.6.1999 NZS 2000, 147). Anknüpfungspunkte für ein Arbeitsverhältnis sind insbesondere der Umfang der Weisungsgebundenheit des Dienstverpflichteten bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die Eingliederung in den Betrieb des Dienstberechtigten, die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen in dessen Dienst stehenden Personen, die Unterordnung unter solche Personen und die Möglichkeit für den Dienstberechtigten, über die Arbeitszeit des Mitarbeiters zu verfügen. Dagegen kommt Äußerlichkeiten und formalen Merkmalen wie der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Vertragsverhältnisses nur untergeordnete Bedeutung zu (BAG vom 16.8.1977 AP Nr. 23 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung unterscheiden sich demnach durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldeten Leistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Wird das Rechtsverhältnis durch eine starke persönliche Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten geprägt, liegt ein Arbeitsverhältnis vor. Persönliche Abhängigkeit ist dabei nicht gleichbedeutend mit Weisungsgebundenheit. Diese ist nur eines von mehreren Unterscheidungsmerkmalen und kann bei Erledigung einzelner geschuldeter Leistungen ganz fehlen, wie zum Beispiel bei Chefärzten, Wissenschaftlern oder Künstlern (vgl. BAG vom 3.10.1975 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 2). Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Verhältnisse unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien dem Rechtsverhältnis gegeben haben oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge (vgl. BAG vom 19.1.2005 BAGE 93, 218/222). Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen und aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (vgl. BAG vom 30.11.1994 BAGE 78, 343/347).

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung an. Kein Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Tätigkeit und Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann und insoweit keinem umfangreichen Weisungsrecht unterliegt. Zeitliche Vorgaben und die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übernommenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinn nicht weisungsabhängig (vgl. BAG vom 19.1.2000 BAGE 93, 218/222; vom 20.9.2000 EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84, vom 22.4.1988 BAGE 88, 263). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (vgl. BAG vom 22.8.2001 AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist demnach nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich (vgl. BAG vom 14.2.1974 BAGE 25, 505/512; vom 18.5.2000 NZA 2000, 1343).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lässt sich im vorliegenden Fall weder aus dem Inhalt der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossenen Verträge noch bei einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ein solches Maß an persönlicher Abhängigkeit des Beigeladenen erkennen, dass er als Arbeitnehmer anzusehen wäre.

Die Verträge enthalten kaum Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen könnten.

So kann aus § 2 Vertrag 2000 nicht geschlossen werden, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben ist. Nach § 2 Buchst. a Vertrag 2000 ist der Chefdirigent künstlerischer Leiter sowohl der von ihm dirigierten Konzerte als auch - gemeinsam mit dem Intendanten - des Orchesters ********* ***********. Soweit in § 2 Buchst. c Vertrag 2000 geregelt ist, dass der Chefdirigent an Probespielen des Orchesters teilnimmt, sich hierin aber auch durch den Intendanten vertreten lassen kann, wird deutlich, dass er gegenüber dem Intendanten nicht weisungsabhängig ist. Gleiches gilt für die Regelung in § 5 Buchst. a Vertrag 2000, wonach der Intendant die künstlerische Gesamtleitung und -verantwortung für die ********* *********** hat und die für den Chefdirigenten erforderlichen Kompetenzen delegiert. Der Intendant wird seinerseits für wichtige Entscheidungen das Einvernehmen mit dem Chefdirigenten herstellen. In § 5 Buchst. b Vertrag 2000 ist geregelt, dass der Beigeladene als Chefdirigent für alle Belange des Orchesters entscheidungsbefugt ist und bei wichtigen Entscheidungen der Chefdirigent das Einvernehmen mit dem Intendanten herstellt. Aus diesen Formulierungen lässt sich aber kein Weisungsrecht des Intendanten dem Beigeladenen gegenüber entnehmen oder begründen. Vielmehr belegen diese Regelungen in § 5 Vertrag 2000 offenkundig eine Art Gleichstellung des Intendanten mit dem Chefdirigenten, was eine Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen ausschließt. Im Übrigen bedeutet "Einvernehmen" gerade nicht Weisungsgebundenheit. Auch die anderen (Verlängerungs-)Verträge und Vereinbarungen enthalten keine Regelungen oder Anhaltspunkte, die auf eine Weisungsabhängigkeit des Beigeladenen gegenüber dem Intendanten hindeuten könnten.

Aus § 2 Buchst. a Vertrag 2000 ergibt sich nicht, dass der Beigeladene in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert ist. Der Beigeladene ist nach dieser Regelung als Chefdirigent künstlerischer Leiter der von ihm dirigierten Konzerte als auch - gemeinsam mit dem Intendanten - des Orchesters ********* *********** für den Vertragszeitraum. Diese Formulierung besagt nur, dass sich die Klägerin für eine bestimmte Dauer (Spielzeiten und Vertragslaufzeit) die Dienste des Beigeladenen gesichert hat. Damit sollte aus Sicht der Klägerin jedenfalls ein Teil der Dirigate abgedeckt werden, die in der jeweiligen Spielzeit anfallen. Ein abhängig Beschäftigter übernimmt auch nicht die künstlerische Leitung eines Orchesters, sondern er wird eingestellt und damit in den Betrieb integriert. Der hier verwendete Begriff "Chefdirigent" sagt über die rechtliche Einordnung nichts aus. Der Titel soll eine gewisse Reputation schaffen, gibt aber für die konkrete Einordnung der Tätigkeit nichts her. Der Beigeladene hat in den vorliegenden Verträgen allenfalls in § 3 Vertrag 2000 eine Verpflichtung übernommen, eine bestimmte Anzahl von Dirigaten durchzuführen. Allein aus dem Umstand, dass der Beigeladene notwendigerweise auf die Zusammenarbeit mit einem Orchester angewiesen ist, ergibt sich nicht, dass er in abhängiger Beschäftigung arbeitet, weil es sich insoweit nicht um eine organisatorische Einbindung handelt. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass sie dem Beigeladenen das Orchester als Klangkörper zur Verfügung stellt und sich dieser zur Einbringung seiner Leistung des Orchesters bedient. Dem Beigeladenen wird aber weder vorgeschrieben, welche Werke er zu dirigieren noch wie er diese zu dirigieren hat.

Aus den Verträgen, insbesondere den Verlängerungsverträgen kann entgegen der Meinung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen geschlossen werden. Denn die Klägerin und der Beigeladene haben sich in einer Art Rahmenvereinbarung auf eine mehrjährige Zusammenarbeit verständigt. Eine längerfristige Zusammenarbeit ist in der Orchesterpraxis üblich und auch gewollt, denn die besondere künstlerische Kompetenz und der Bekanntheitsgrad des Beigeladenen sollen für den Erfolg der Klägerin verwertbar gemacht werden. Die Dauer der Zusammenarbeit sagt daher über die Einordnung, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder die Tätigkeit eines freien Mitarbeiters handelt, nichts aus. Die Klägerin sichert sich nämlich die besondere künstlerische Kompetenz des Beigeladenen, um den Erfolg ihres Orchesters zu maximieren. Das entspricht gängigen Vereinbarungen, die mit selbstständigen Künstlerpersönlichkeiten getroffen werden, die durch ihre vorherige und auch noch über die Arbeit mit dem Orchester der Klägerin hinausgehende weitere Arbeit mit anderen Orchestern eine Reputation erlangen, die die Qualität und damit auch den Ruf des eigenen Orchesters verbessern soll. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass die künstlerische Prägung eines Orchesters nur in abhängiger Beschäftigung möglich sein soll. Zwar regelt zunächst § 3 Vertrag 2000, dass je Spielzeit mindestens 20 Konzerte und die dafür erforderlichen Proben unter Leitung des Chefdirigenten stattfinden. In den weiteren Verträgen vom 16. Juli 2003 und vom 3. Februar 2006 ist aber nur noch vereinbart worden, dass beide Parteien von mindestens 20 Konzerten pro Spielzeit "ausgehen".

Auch in diesen Formulierungen wird deutlich, dass die Vertragsparteien eine feste Verpflichtung zum Dirigat von Konzerten des Beigeladenen nicht gewollt haben. In keinem der Verträge sind zudem außer finanziellen keine weiteren Konsequenzen für den Fall vorgesehen, dass diese Vorgaben nicht erfüllt werden.

Der Beigeladene trägt somit auch ein wirtschaftliches Risiko. Denn das unternehmerische Risiko des Beigeladenen besteht zunächst darin, dass er überhaupt unter Vertrag genommen wird. Nicht erforderlich ist, dass er selbst das Unternehmerrisiko der Klägerin zusätzlich auf sich nimmt. Das eigene wirtschaftliche Risiko des Beigeladenen ist ausreichend.

Auch die Vereinbarung eines gewissen Mindeststandards an Verpflichtungen steht einem selbständigen Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen. Denn auch in einem solchen Beschäftigungsverhältnis besteht ein Interesse daran, dass die Tätigkeit durch Normen und Regeln festgeschrieben wird (vgl. Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2008, RdNr. 9 zu § 7 SGB IV m.w.N.).

In § 4 Buchst. b Vertrag 2000 ist vorgesehen, dass der Beigeladene einen Pauschalbetrag pro Kalenderjahr und je Konzert ein Honorar erhält, wobei diese Regelung durch die Vereinbarung vom 15. Mai 2002 näher differenziert wurde. Der Vertrag vom 16. Juli 2003 bestimmt, dass, falls die Summe aus der Aufwandsentschädigung und somit der Honorare aller von dem Beigeladenen dirigierten Konzerte, Konzertmitschnitte und Aufnahmen im Laufe einer Spielzeit die Garantiesumme nicht erreicht, der Differenzbetrag am Ende der Spielzeit ebenfalls brutto und in einer Summe zur Zahlung fällig werde. Dabei werden Honorare für einmal fest vereinbarte Konzerte, Konzertmitschnitte oder Aufnahmen, die der Beigeladene wegen Krankheit oder aus sonstigen von ihm zu vertretenden Gründen nicht dirigiert hat, bei der Berechnung fiktiv in Anrechnung gebracht. Diese Regelung beinhaltet somit, dass, falls der Beigeladene mehrere Konzerte nicht dirigiert, die Honorare hierfür zwar fiktiv in Anrechnung gebracht werden, jedoch nur bis zur Höhe der Garantiesumme. Im Vertrag 2006 ist in Nr. 5 vereinbart, dass, falls der Beigeladene Angebote zu einzelnen Konzerten oder Konzertreisen nicht annimmt oder aus gesundheitlichen oder sonstigen in seiner Person liegenden Gründen an der Erfüllung einvernehmlich verabredeter Konzertverpflichtungen verhindert sei und somit weniger als 20 Konzerte einer Spielzeit dirigieren könne, sich der in Ziffer 4 Abs. 4 niedergelegte Garantieanspruch im selben Umfang verringert wie die Konzerte bei Annahme oder Durchführung honoriert worden wären. All diesen Regelungen ist somit zu entnehmen, dass grundsätzlich das vereinbarte Honorar nicht geleistet wird, wenn der Beigeladene im Fall einer Erkrankung, bei Ausfall oder bei Absagung von Konzerten oder sonstigen Verhinderungen ein Dirigat nicht wahrnehmen konnte. Das entspricht dem Grundsatz, dass nur tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt wird. Diese Regelung gilt aber bei abhängig Beschäftigten aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht. Die Verträge insgesamt regeln zudem auch keinen Urlaubsanspruch, einen Anspruch auf Sozialleistung oder eine Überstundenvergütung des Beigeladenen.

Ein weiteres Indiz für ein unabhängig ausgestaltetes Beschäftigungsverhältnis ist der Nebenvereinbarung zur Vereinbarung vom 15. Mai 2002 zu entnehmen. Darin wird eine Zahlung (an den Beigeladenen) angesichts "der seinerzeitigen großen Zugeständnisse des Herrn Nott infolge der außerordentlich prekären Finanzlage des Orchesters" vorgezogen; denn einem abhängig Beschäftigten dürfte es wohl kaum möglich sein, "große Zugeständnisse" in finanzieller Hinsicht gegenüber seinem Arbeitgeber zu machen.

Ebenfalls entscheidend für den Selbständigenstatus des Beigeladenen ist, dass er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann.

In § 3 Vertrag 2000 ist geregelt, dass der Beigeladene für die ********* *********** während des gesamten Vertragszeitraums an 400 Kalendertagen zur Verfügung steht. Pro Spielzeit finden in dieser Zeit mindestens 20 Konzerte und die dafür erforderlichen Proben unter Leitung des Chefdirigenten statt. Die Termine werden im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt. In § 2 Buchst. c Vertrag 2000 ist insoweit noch geregelt, dass der Chefdirigent an Proben des spielenden Orchesters teilnimmt, sich aber hierin auch durch den Intendanten vertreten lassen kann. In den weiteren Verträgen wird eine ausdrückliche Verpflichtung zu einer bestimmten Anzahl von Konzerten oder zur Teilnahme an den Proben nicht mehr fest vereinbart, sondern lediglich vertraglich geregelt, dass beide Parteien davon "ausgehen", dass die ********* *********** dem Beigeladenen mindestens 20 Konzerte pro Spielzeit anbieten können (Vertrag 2006 Abs. 2), oder von mindestens 20 Konzerten pro Spielzeit auszugehen ist (Vertrag 2003), was insgesamt eine Anwesenheit von 12 bis 14 Wochen erforderlich machen wird oder bedeutet. Auch diese Formulierungen sprechen offenkundig gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.

Denn die Festsetzung einer Anzahl der von dem Beigeladenen zu dirigierenden Konzerte ist aber vor allem auf das Interesse der Klägerin zurückzuführen, den Beigeladenen, der ein in der Fachwelt anerkannter Dirigent ist, an sich zu binden, nicht zuletzt, um Planungssicherheit hinsichtlich der Anzahl der Konzerte mit ihm als Dirigent zu haben. Im Übrigen unterliegt die Festsetzung der Termine der Zeithoheit des Beigeladenen, da er die Konzerttermine im einzelnen selbst bestimmen kann. Lediglich in § 3 Vertrag 2000 ist (noch) vereinbart, dass die Termine im gegenseitigen Einvernehmen festgelegt werden. Die weiteren Verträge enthalten derartige Regelungen nicht. Die Klägerin hat gegenüber dem Beigeladenen auch keine rechtliche Handhabe, wenn dieser seine vertraglichen Vereinbarungen nicht erfüllt. Selbst wenn der Beigeladene verpflichtet ist, an 400 Kalendertagen im Vertragszeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. August 2004 (§ 3 Vertrag 2000) und ansonsten für 12 bis 14 Wochen pro Spielzeit (Abs. 2 Satz 4 Vertrag 2006 und Vertrag 2003) zur Verfügung zu stehen, ist der Schluss von dieser Präsenzpflicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht zwingend. Denn auch innerhalb dieses nicht unerheblichen Zeitraums, in dem der Beigeladene der Klägerin zur Verfügung stehen soll, ist dieser in der zeitlichen Gestaltung seiner Tätigkeit nicht näher vertraglich gebunden. Zudem lässt die Klägerin noch weitere terminintensive Tätigkeiten des Beigeladenen auch für andere Auftraggeber zu, wie es insbesondere in § 9 Vertrag 2000 zum Ausdruck kommt und worauf der Beigeladene selbst im Schreiben vom 10. Mai 2009 hinweist. Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat auch insoweit keine konkreten Anhaltspunkte für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Betriebsübertragungsvertrag (vgl. Bl. 122/123 der VG-Akte). Zwar trägt die "Anlage 2" dieses Vertrages die Überschrift "Arbeitnehmer" und der Beigeladene ist auch dort unter vielen anderen namentlich aufgeführt. Aus dieser hier - wohl irrtümlich - gewählten Bezeichnung auf eine Arbeitnehmereigenschaft des Beigeladenen zu schließen, entbehrt aber jeder rechtlichen Grundlage. Denn durch die Betriebsübertragung hat sich weder an dem Inhalt der Verträge / Vereinbarungen mit dem Beigeladenen noch an deren tatsächlichen Ausgestaltung auch nur ansatzweise etwas geändert.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass bei einer wertenden Betrachtung sowohl der Verträge als auch der Gesamtumstände im konkreten Fall der Senat zu dem Ergebnis kommt, dass hier die Elemente einer selbständigen Betätigung eindeutig diejenigen einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Die Berufung hat daher Erfolg.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, da sie keine Anträge gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben haben (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Sache notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.354,60 Euro festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück