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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 21 C 08.30088
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, AufenthG, AufnG, Richtlinie 2004/83/EG


Vorschriften:

VwGO § 146
VwGO § 147
VwGO § 166
ZPO § 114
AufenthG § 25 Abs. 3 Satz 1
AufnG Art. 4 Abs. 4 Satz 1
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 Art. 31
Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 Art. 23 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

21 C 08.30088

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Gestattung des Auszugs aus einer Gemeinschaftsunterkunft (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 01. Februar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Abel, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer

ohne mündliche Verhandlung am 6. Mai 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. Februar 2008 wird aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt *****, ******** ** ********, zu den Bedingungen eines im Freistaat Bayern ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu Unrecht abgelehnt.

Gemäß § 166 VwGO, § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs, d.h. der Zeitpunkt, zu dem der Antrag vollständig einschließlich der Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 14 Buchst. a zu § 166).

Diese Voraussetzungen waren im konkreten Fall zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses vom 1. Februar 2008 erfüllt.

Der Kläger hatte seinerzeit eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 16. November 2007 vorgelegt, aus der hervorging, dass er nicht in der Lage war, die Kosten der Prozessführung aufbringen zu können (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich insoweit etwas geändert haben könnte.

Auch die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist nicht in Abrede zu stellen, wobei berücksichtigt werden muss, dass die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen und regelmäßig offene Erfolgsaussichten genügen (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 8 zu § 166). Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Regierung von Schwaben 18. Oktober 2007, mit dem sein Antrag auf Gestattung des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Kempten (Allgäu) abgelehnt worden ist, obwohl seine Ehefrau über eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verfügt und deshalb nicht mehr verpflichtet ist, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Das Verwaltungsgericht hat dazu zwar in seiner angegriffenen Entscheidung im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats ausgeführt, dass diese Konstellation keinen begründeten Ausnahmefall nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 AufnG darstelle, wenn die Ehefrau - wie hier - weiter in der Gemeinschaftsunterkunft wohnen könne. Nicht berücksichtigt sind dabei aber bisher die Art. 31 und 23 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 vom 30.9.2004, S. 12). Diese Richtlinie gilt nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10. Oktober 2006 in Deutschland unmittelbar (vgl. BVerwG vom 1.2.2007 NVwZ 2007, 590), soweit sie nicht ohnehin schon durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I Nr. 42 S. 1970) umgesetzt ist. Nach den genannten Vorschriften sorgen die Mitgliedsstaaten dafür, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder - wie der Ehefrau des Klägers - der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, den Zugang zu Wohnraum unter den Bedingungen erhalten, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten; Familienangehörige solcher Personen -wie der Kläger-, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden Status erfüllen, haben zur Wahrung des Familienverbands gemäß den einzelstaatlichen Verfahren ebenfalls Anspruch auf diese Vergünstigung, sofern dies mit ihrer persönlichen Rechtsstellung vereinbar ist. Ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen diese europarechtlichen Bestimmungen im vorliegenden Fall haben, muss im Klageverfahren eingehend geprüft und geklärt werden (vgl. auch BayVGH vom 13.11.2007 Az. 21 CS 07.1630), wobei die Erfolgsaussichten offen sind. Dem Kläger ist daher für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostenpflicht der Beigeladenen kommt gemäß § 154 Abs. 3 VwGO nicht in Betracht. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind im Beschwerdeverfahren nicht angefallen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 GKG, § 2 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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