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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.10.2009
Aktenzeichen: 21 ZB 08.2187
Rechtsgebiete: VwGO, WaffG, BJagdG, Streitwertkatalog 2004


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b
BJagdG § 17 Abs. 1 Satz 2
Streitwertkatalog 2004 Nr. 20.3
Streitwertkatalog 2004 Nr. 50.2
Ein Ausnahmefall von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG liegt nicht vor, wenn ein Jäger bei völliger Dunkelheit ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere ohne auf einen ausreichenden Kugelfang zu achten, in der Nähe eines in Geschossreichweite liegenden Wohngebietes in dessen Richtung zweimal auf ein Wildschwein geschossen hat, wobei ein Geschoss das Ziel verfehlte und eine sich in einer Entfernung von über einem Kilometer aufhaltende Person so am rechten Unterarm traf, dass diese operativ versorgt und mehrere Tage stationär im Krankenhaus bleiben musste.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

21 ZB 08.435 21 ZB 08.2187

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung eines Jagdscheins und Widerrufs von Waffenbesitzkarten

hier: Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. Januar 2008 und vom 2. Juli 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 21. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Polloczek, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dachlauer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

ohne mündliche Verhandlung am 19. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Verfahren 21 ZB 08.435 (Jagdrecht) und 21 ZB 08.2187 (Waffenrecht) werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

III. Der Kläger trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.

IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird im Verfahren 21 ZB 08.435 auf 8.000,-- Euro und im Verfahren 21 ZB 08.2187 auf 19.250,-- Euro festgesetzt. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Juli 2008 (AN 15 K 08.374) wird der Streitwert auch für dieses erstinstanzliche Verfahren auf 19.250,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Jagdscheins (21 ZB 08.435) und wendet sich gegen den Widerruf seiner fünf Waffenbesitzkarten (21 ZB 08.2187).

Die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen die klageabweisenden Urteile des Verwaltungsgerichts vom 9. Januar 2008 und 2. Juli 2008 bleiben ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht und der Beklagte haben den Kläger zu Recht gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig und sich daraus ergebend auch nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG als jagdrechtlich unzuverlässig eingestuft. Denn er ist wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen bei der Jagdausübung rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden und seit dem Eintritt der Rechtskraft am 22. Juni 2007 sind noch keine fünf Jahre verstrichen. Damit sind die Voraussetzungen für die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG erfüllt.

Bei einer rechtskräftigen Verurteilung wie hier kann auch grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgegangen werden und sich die Prüfung darauf beschränken, ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ausgeräumt ist (vgl. BVerwG vom 22.4.1992 Buchholz 402.4 WaffG Nr. 63 zum früheren § 5 Abs. 2 WaffG 1976). Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die strafrechtliche Beurteilung auf einem Irrtum beruht und die Verwaltungsbehörde und die Verwaltungsgerichte den Vorfall besser und richtiger beurteilen können, kommt eine Abweichung von einem rechtskräftigen Urteil in Betracht (vgl. BVerwG a.a.O.). Im konkreten Fall sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass der strafrechtlich relevante Sachverhalt im waffen- und jagdrechtlichen Verfahren ausnahmsweise besser hätte aufgeklärt werden können. Die Umstände des Jagdunfalls vom 11. September 2004 und die Einlassungen des Klägers dazu sind vielmehr im Strafverfahren vom Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht in drei Instanzen erschöpfend aufgeklärt sowie eingehend geprüft und rechtlich bewertet worden. Zweifel an der Richtigkeit der strafrechtlichen Beurteilung bestehen nicht.

Das Verwaltungsgericht und der Beklagte haben auch zu Recht angenommen, dass im Fall des Klägers eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht vorliegt. In § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG hat der Gesetzgeber grundsätzlich eine Wertung getroffen, wonach die Begehung einer fahrlässigen Straftat im Zusammenhang mit dem Umgang mit Waffen, wie sie hier in Form der mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen geahndeten fahrlässigen Körperverletzung vorliegt, ein gewichtiges Indiz dafür darstellt, dass es dem Waffenbesitzer an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft fehlt, mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Eine Abweichung von der Regelvermutung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (BVerwGE 97, 245 = NVwZ 1995, 1103; BVerwG, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 60; BVerwG vom 21.7.2008 NVwZ 2009, 398). Solche tatbezogenen Umstände sind hier nicht ersichtlich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat. Der Senat folgt insoweit der ausführlichen und überzeugenden Begründung der angegriffenen Urteile und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das umfangreiche Vorbringen des Klägers, mit dem er jeweils die Zulassung der Berufung erstrebt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es war im Wesentlichen bereits Gegenstand des Strafverfahrens und der verwaltungsgerichtlichen Verfahren und wurde vom Verwaltungsgericht rechtlich beanstandungsfrei bewertet. Angesichts der im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren getroffenen Feststellungen, dass der Kläger bei völliger Dunkelheit ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere ohne auf einen ausreichenden Kugelfang zu achten, in der Nähe eines Wohngebietes in dessen Richtung zweimal auf ein Wildschwein geschossen hat, wobei ein Geschoss das Ziel verfehlte und einen sich in einer Entfernung von über einem Kilometer aufhaltenden dreizehnjährigen Schüler am rechten Unterarm so traf, dass dieser operativ versorgt und mehrere Tage stationär im Krankenhaus bleiben musste, kann auch der Senat keine besonderen Umstände erkennen, die die fahrlässige Straftat des Klägers im Umgang mit seiner Jagdwaffe in einem derart milden Licht erscheinen lassen könnten, dass dadurch die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit entkräftet sein könnte.

Es bestehen daher keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf den beantragten Jagdschein hat und der Widerruf der Waffenbesitzkarten (einschließlich der Nebenentscheidungen) rechtmäßig ist.

Die außerdem geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssachen liegt weder in waffen- noch in jagdrechtlicher Hinsicht vor, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Zulassung der Berufung nicht in Betracht kommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die hier zentrale Frage, ob die Umstände der abgeurteilten Straftat des Klägers die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind, lässt sich nur einzelfallbezogen und nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht die von der Klägerseite behaupteten allgemeinen jagdlichen Sorgfalts- und Sicherheitsregeln, nämlich dass die Nachtjagd generell, auch bei sehr naher Schussentfernung (hier 20 bis 30 m), als unsicher und gefährlich einzustufen sei, weil das Wild hierbei nicht sicher anzusprechen und ein sicherer Schuss unter Ausschluss einer Gefährdung Dritter nicht zu gewährleisten sei, und dass die Schussabgabe in Richtung eines innerhalb der Geschossreichweite liegenden und von Menschen bewohnten Ortes auch bei Vorhandensein eines Kugelfangs als unsicher anzusehen sei, in den angegriffenen Urteilen so nicht aufgestellt. Es hat bei der Prüfung, ob im konkreten Einzelfall des Klägers die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Regelvermutung der waffen- und jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit vorliegen, vielmehr zu Recht sinngemäß auf das wegen der schlechteren Sichtverhältnisse größere Gefahrenpotential der Jagd bei Nacht und die damit verbundenen erhöhten Sorgfaltspflichten sowie auf die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen wie einen zuverlässigen Kugelfang bei Schussabgabe in Richtung eines innerhalb der Geschossreichweite liegenden bewohnten Ortes hingewiesen. Das sind allgemein anerkannte Bewertungen und Maßstäbe, die für einen Jäger selbstverständlich sein müssen und keiner grundsätzlichen Klärung bedürfen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung der Streitwerte ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Anhang zu § 164 RdNr. 14; NVwZ 2004, 1327). Danach sind für das Begehren des Klägers auf Erteilung eines Jagdscheins (21 ZB 08.435) ein Streitwert von 8.000,-- Euro und für das Verfahren wegen Widerrufs seiner fünf Waffenbesitzkarten (21 ZB 08.2187) für die Waffenbesitzkarten einschließlich einer eingetragenen Waffe der Auffangwert von 5.000,-- Euro sowie für die eingetragenen 19 weiteren Waffen je 750,-- Euro, insgesamt 19.250,-- Euro anzusetzen. Der zusätzlich eingetragene Wechsellauf bleibt bei der Berechnung außer Betracht. Die insoweit erforderliche Abänderung der Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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