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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2002
Aktenzeichen: 22 AS 02.40076
Rechtsgebiete: AEG, VwVfG, GO
Vorschriften:
AEG § 20 Abs. 2 | |
AEG § 20 Abs. 3 | |
AEG § 20 Abs. 5 Satz 2 | |
VwVfG § 73 Abs. 3 | |
VwVfG § 73 Abs. 5 | |
VwVfG § 74 Abs. 4 | |
VwVfG § 74 Abs. 5 | |
GO Art. 26 Abs. 2 | |
GO Art. 27 Abs. 1 |
22 AS 02.40076
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen eisenbahnrechtlicher Planfeststellung
(Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner
ohne mündliche Verhandlung am 26. November 2002 folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe:
Der am 19. Juli 2002 eingegangene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vom 20. Juli 2001 ist unzulässig.
1. Die Antragstellerinnen dürften bereits die nach § 20 Abs. 5 Satz 2 AEG einzuhaltende Antragsfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids versäumt haben. Es muss davon ausgegangen werden, dass der angegriffene Verwaltungsakt mit dem Ablauf der öffentlichen Auslegung am 8. Oktober 2001 auch ihnen gegenüber als zugestellt galt.
Nachdem die Antragstellerinnen im Verwaltungsverfahren keine Einwendungen erhoben hatten und ihnen daher der Planfeststellungsbeschluss nicht individuell zugestellt werden musste (§ 20 Abs. 3, 1. Hs. AEG), gehörten sie zu den "übrigen Betroffenen" im Sinne des § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG, bei denen mit dem Ende der Auslegung in der jeweiligen Gemeinde nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG die Zustellung als erfolgt gilt. Eine solche Auslegung hat hier ordnungsgemäß in der Zeit vom 24. September bis 8. Oktober 2001 in der Landeshauptstadt München als örtlich betroffener Gemeinde stattgefunden.
Allerdings hat die Antragsgegnerin auf diese Auslegung und die mit ihr verbundene Zustellungsfiktion nicht in der von § 74 Abs. 4 Satz 2, 2. Hs. VwVfG grundsätzlich geforderten Weise durch "ortsübliche Bekanntmachung" hingewiesen, sondern wegen der gleichzeitig erfolgenden (zustellungsersetzenden) öffentlichen Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG nur durch Mitteilungen im amtlichen Teil des Verkehrsblattes des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Heft 17/2001, Nr. 130, S. 382, 383) sowie in der Süddeutschen Zeitung und im Münchner Merkur (jeweils Nr. 214 vom 17. September 2001). Diese Publikationsformen entsprachen für sich betrachtet nicht den Anforderungen einer ortsüblichen Bekanntmachung.
Was im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. VwVfG als "ortsüblich" anzusehen ist, ergibt sich primär aus den maßgeblichen Normen des Landes- oder Ortsrechts (BVerwG vom 23. 4. 1997 NVwZ 1998, 847/848). Nach Art. 27 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern -GO - sind Verwaltungsakte, Ladungen oder sonstige Mitteilungen, die aufgrund von Rechtsvorschriften außerhalb dieses Gesetzes ortsüblich bekannt zu machen sind, von der Gemeinde wie ihre Satzungen bekannt zu machen. Für Satzungen schreibt Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO vor, dass sie im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekannt zu machen sind. Solange ein solches Publikationsorgan besteht, kann allein auf diesem Weg eine rechtswirksame Bekanntmachung erfolgen (Hölzl/Hien, GO, Art. 26 Anm. 2 b; Widtmann/Grasser, GO, Art. 26 RdNr. 5; Bauer/Böhle/Masson/Samper, GO, Art. 26 RdNr. 11; Müller-Franken, BayVBl 1998, 683). Nur wenn die Gemeinde kein Amtsblatt unterhält und auch keiner Verwaltungsgemeinschaft mit eigenem Amtsblatt angehört, kann sie sich für eine der in Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO aufgezählten weiteren vier Bekanntmachungsarten entscheiden, etwa dafür, die Satzung in der Gemeindeverwaltung niederzulegen und dies durch Mitteilung in einer Tageszeitung bekannt zu geben.
Zwar wurde entgegen diesen Regeln im vorliegenden Fall die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG nicht auf ortsübliche Weise im vorhandenen Amtsblatt der Landeshauptstadt München bekannt gemacht. Gleichwohl sprechen überwiegende Gründe dafür, dass mit dem Ende der Auslegungsfrist die Zustellungsfiktion auch gegenüber den übrigen Betroffenen eingetreten ist. Die tatsächlich durchgeführte öffentliche Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG, die eine Verbreitung in den örtlichen Tageszeitungen umfasst, geht in ihrer faktischen Publizitätswirkung über eine bloße Mitteilung im gemeindlichen Amtsblatt weit hinaus. Der Zweck der Bekanntmachung, die Betroffenen über den ergangenen Beschluss und die dagegen bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu unterrichten, wird damit unzweifelhaft erreicht. Dementsprechend wird in der Literatur ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei öffentlicher Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG auf eine zusätzliche ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung nach § 74 Abs. 4 Satz 2, 2 Hs. VwVfG verzichtet werden kann (Dürr in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 74 RdNr. 48; Bonk/Neumann in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 74 RdNr. 129; Allesch/Häußler in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 74 RdNr. 140; Bambey, DVBl 1984, 374/376 Fn. 28; a.A. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 74 RdNr. 153; offen BVerwG vom 27. 5. 1983 NJW 1984, 188/189; vom 24. 9. 1987, NVwZ 1988, 364). Hierfür spricht nicht zuletzt der Wortlaut des § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG, wonach der Beschluss bei öffentlicher Bekanntmachung nicht etwa nur gegenüber den - in § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG als Zustellungsadressaten angesprochenen - "bekannten Betroffenen" als zugestellt gilt, sondern gegenüber "den Betroffenen" schlechthin, zu denen auch die bisher nicht verfahrensbeteiligten "übrigen Betroffenen" im Sinne des § 74 Abs. 4 Satz 3, 1. Hs. VwVfG gehören.
2. Der Antrag ist darüber hinaus jedenfalls mangels Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) unzulässig. Die Antragstellerinnen können sich im vorliegenden Verfahren nicht auf die Verletzung subjektiver Rechte berufen. Sie sind mit ihrem jetzigen Vorbringen insgesamt präkludiert, nachdem sie im früheren Anhörungsverfahren gegenüber der Behörde keinerlei Einwendungen erhoben haben.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG sind alle Einwendungen gegen den Plan ausgeschlossen, die nach Ablauf der Einwendungsfrist im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren erhoben werden. Diese Regelung zielt nach dem Willen des Gesetzgebers auf eine materielle Verwirkungspräklusion, die sowohl für das Verwaltungs- als auch für das Gerichtsverfahren gilt und damit den Verlust des Rügerechts im Verwaltungsprozess zur Folge hat (Begründung z. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4609 [neu], S. 100; OVG RhPf vom 2. 3. 2001 DVBl 2001, 1301/1302). Mit diesem Inhalt ist die Vorschrift verfassungsrechtlich unbedenklich, da die Betroffenen auf den drohenden Rechtsverlust in der Bekanntmachung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AEG hinzuweisen sind (BVerwG vom 5. Juni 1998 11 B 27/98; vom 24. 5. 1996 DVBl 1997, 51 m.w.N.). Die Antragstellerinnen müssen sich die Versäumung der Einwendungsfrist entgegenhalten lassen. Sie können nicht geltend machen, dass sie keine Gelegenheit gehabt hätten, während des Anhörungsverfahrens bei der Regierung von Oberbayern Einwendungen zu erheben. Einer individuellen Benachrichtigung über das damals laufende Verfahren bedurfte es im Falle der ortsansässigen Antragstellerinnen nicht (§ 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG). Sie konnten sich auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg des Anhörungsverfahrens über den Stand des Verfahrens informieren, nachdem insoweit alle formellen Anforderungen eingehalten waren.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 AEG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 VwVfG war der Plan innerhalb von drei Wochen nach Zugang in der Gemeinde für die Dauer eines Monats zur Einsicht auszulegen; dies war mit den entsprechenden Erläuterungen vorher ortsüblich bekannt zu machen. Zugleich war auf die bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist bestehende Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen und die Rechtsfolgen bei Versäumung dieser Frist hinzuweisen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AEG i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG). Diesen Anforderungen wurde durch die Auslegung des ursprünglichen Plans in der Zeit vom 28. Mai bis 28. Juni 1996 und des geänderten Plans in der Zeit vom 8. September bis 8. Oktober 1999 Rechnung getragen; die zugehörigen Bekanntmachungen im Amtsblatt der Landeshauptstadt München Nr. 14/1996 S. 349 und Nr. 24/1999 S. 212 enthielten alle gesetzlich geforderten Hinweise und Belehrungen.
Da die Antragstellerinnen die jeweilige Einwendungsfrist versäumt und auch nicht fristgerecht Gründe geltend gemacht haben, die vor Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG geboten hätten (vgl. BVerwG vom 30. Juli 1998 NVwZ-RR 1999, 162/163), bleiben sie mit ihrem erstmals im gerichtlichen Verfahren erhobenen Vorbringen ausgeschlossen, so dass der vorliegende Antrag keinen Erfolg haben kann.
3. Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG
Ende der Entscheidung
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