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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 22 AS 08.40013
Rechtsgebiete: AEG, VwVfG, VwGO
Vorschriften:
AEG § 18 | |
AEG § 18 b | |
VwVfG § 74 Abs. 6 | |
VwGO § 80 Abs. 5 | |
VwGO § 123 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen eisenbahnrechtlicher Plangenehmigung, Antrag nach § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3 VwGO;
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch
ohne mündliche Verhandlung am 10. Juni 2008
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, die das Eisenbahn-Bundesamt, Außenstelle Nürnberg (ab hier EBA), unter dem 4. April 2008 hinsichtlich der Plangenehmigung vom 22. November 2007 für den Neubau eines Umrichterwerks in Aschaffenburg erlassen hat. Das Umrichterwerk, das Strom mit einer Frequenz von 50 Hertz auf die für den Bahnbetrieb erforderliche Frequenz von 16 2/3 Hertz umrichtet, wird nach Abschaltung des Kernkraftwerks Neckarwestheim 1 und des dort installierten Bahnstromgenerators ab ca. Mitte 2009 zur Aufrechterhaltung einer stabilen und hochverfügbaren Bahnstromversorgung benötigt; es soll in das bestehende Unterwerk auf dem Grundstück FlNr. 2112 der Beigeladenen im Gemeindegebiet der Antragstellerin integriert werden.
Die Antragstellerin hat im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange mit Schreiben vom 23. Juli 2007 auf einen bestehenden Bebauungsplan "GE nördlich der Bahnlinie - 1. Teilabschnitt" hingewiesen und die Einhaltung von 45 dB(A) nachts an in einem beigefügten Lageplan gekennzeichneten angrenzenden Grundstücken gefordert. In der Plangenehmigung vom 22. November 2007 traf das EBA hierzu die Entscheidung, dass das Planvorhaben die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) von 69 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts einzuhalten habe.
Die Antragstellerin hat am 21. Dezember 2007 Klage erhoben und beantragt, die Plangenehmigung vom 22. November 2007 aufzuheben, soweit hinsichtlich des Neubaus des Umrichterwerks auf die Verkehrslärmschutzverordnung und nicht auf die TA Lärm bzw. die dort festgesetzten Lärmgrenzwerte abgestellt worden sei. Am 29. April 2008 hat sie Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gestellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
1. Die von der Antragstellerin beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an der Statthaftigkeit des Antrags.
Die Antragstellerin hat nämlich bei zutreffender Auslegung ihrer Klageschrift keine Anfechtungsklage erhoben, die nach § 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO aufschiebende Wirkung haben könnte. Das Klagebegehren der Antragstellerin zielt ungeachtet der Fassung des Antrags der Sache nach (§ 88 VwGO) auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, weitergehenden Lärmschutz durch Beauflagung der Einhaltung der Grenzwerte der TA Lärm anzuordnen. Die Antragstellerin erstrebt keine (vollständige) Aufhebung der Plangenehmigung und auch keine bloße Teilaufhebung. Denn eine bloße teilweise Aufhebung der Plangenehmigung hinsichtlich der Auflage über die Einhaltung der Grenzwerte nach der 16. BImSchV entspräche ersichtlich nicht ihrem Rechtsschutzziel auf verbesserten Lärmschutz und wäre im Übrigen auch unzulässig. Ihr auf mehr Lärmschutz abzielendes Klagebegehren kann nur mit einer Verpflichtungsklage auf Planergänzung erreicht werden, ihr Antrag ist dementsprechend in ihrem wohlverstandenen Interesse so auszulegen.
Eine solche Auslegung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass im Falle geltend gemachter unzulänglicher Immissionsvorsorge, etwa unzureichender Lärmschutzmaßnahmen, grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung besteht, der gegebenenfalls im Wege einer Verpflichtungsklage durchzusetzen ist (vgl. BVerwG vom 16.3.2006 NVwZ 2006, 1055 [juris RdNr. 231] m.w.N.). Dies schließt es in aller Regel aus, vorläufigen Rechtsschutz auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu gewähren (vgl. BVerwG vom 19.5.2005 NVwZ 2005, 940, vom 19.4.2005 - Az. 4 VR 1001/04 u.a.). Die Gefahr einer Verkürzung des Rechtsschutzes besteht im vorliegenden Fall nicht, weil durch den vorläufigen Vollzug der Plangenehmigung vollendete Tatsachen nicht geschaffen werden können, da diese Entscheidung auch nachträglich um weitere Lärmschutzauflagen ergänzt werden kann und Schutzmaßnahmen auch dann noch verwirklicht werden können.
Ein Anspruch auf Planaufhebung (bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Plans) und damit vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5, § 80 Abs. 3 VwGO kämen - ausnahmsweise - nur in Betracht, wenn die von der Antragstellerin beklagten Lärmschutzdefizite so gravierend wären, dass sie die Ausgewogenheit der Planung insgesamt infrage stellen würden (vgl. BVerwG vom 16.3.2006 a.a.O., vom 19.5.2005 a.a.O., vom 19.4.2005 a.a.O., vom 9.9.1996 NVwZ-RR 1997, 210). Dafür trägt die Antragstellerin nichts vor. Im Gegenteil räumt sie selbst unter Bezugnahme auf die von der Beigeladenen vorgelegte schalltechnische Untersuchung vom 5. März 2008 ein, dass es zur Beseitigung der von ihr befürchteten Lärmbeeinträchtigung nicht einer konzeptionellen Korrektur der getroffenen Planungsentscheidung bedarf, sondern mit der Errichtung von Lärmschutzwänden ihrem Begehren Rechnung getragen werden könnte. Eine derartige Schutzauflage könnte in der Plangenehmigung nachgeholt werden, ohne dass dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt und ohne dass in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen wären. Anhaltspunkte dafür, dass eine nachträgliche Errichtung von Lärmschutzwänden nicht mehr möglich wäre, fehlen. Angesichts der nachträglich problemlos möglichen Planergänzung in Bezug auf den Lärmschutz liegen die Voraussetzungen, bei denen ausnahmsweise die Aufhebung der Planungsentscheidung bzw. die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit in Betracht kämen, nicht vor.
2. Auch eine Umdeutung des Antrags in einen in Bezug auf die im Hauptsacheverfahren verfolgte Verpflichtungsklage statthaften Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO verhilft dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Denn es ist entgegen § 123 Abs. 1 Satz 2, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nichts dafür ersichtlich, dass durch den Beginn und den Fortgang der Bauarbeiten in Vollziehung der Plangenehmigung die von der Antragstellerin begehrte Verbesserung des aktiven Schallschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. BVerwG vom 10.1.1996 NVwZ 1997, 274). Hinzu kommt, dass das Bebauungsplangebiet noch unbebaut und nicht erschlossen ist sowie die Errichtung konkreter Vorhaben noch nicht ansteht, somit die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen vor Abschluss des Klageverfahrens nicht gegeben ist.
Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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