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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.10.2008
Aktenzeichen: 22 AS 08.40032
Rechtsgebiete: VwGO, AEG
Vorschriften:
VwGO § 80 a Abs. 3 | |
AEG § 17 Abs. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen eisenbahnrechtlicher Duldungsanordnung (Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO);
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch
ohne mündliche Verhandlung am 22. Oktober 2008
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beigeladene plant den Neubau einer bestehenden 110 kV-Bahnstromleitung von München nach Stuttgart. Der Ausbau zwischen Stuttgart und Ulm ist bereits abgeschlossen, der zwischen Neu-Ulm und Augsburg wird voraussichtlich Ende 2008 beendet. Für den Ausbau zwischen Karlsfeld (München) und Augsburg wurde die Planfeststellung beantragt (Abschnitt A in Oberbayern, Abschnitt B in Schwaben). Planfeststellungsbeschlüsse wurden noch nicht erlassen, die Bahnstromleitung führt (im Abschnitt A) voraussichtlich über die Grundstücke des Antragstellers FlNr. *** Gemarkung W*********** und FlNr. *** Gemarkung O*****************.
Nachdem der Antragsteller für die Durchführung von Vorarbeiten ein Betreten seiner Grundstücke untersagt hatte, erließ die Antragsgegnerin auf Antrag der Beigeladenen am 12. Juni 2007 eine Duldungsanordnung (Vermessungsarbeiten, Baugrunduntersuchungen, Zufahrt). Dagegen erhob der Antragsteller nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren fristgerecht Klage, über die noch nicht entschieden wurde.
Auf Antrag der Beigeladenen ordnete das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) am 8. Oktober 2008 die sofortige Vollziehung der erlassenen Duldungsanordnung an.
Der Antragsteller beantragte am 14. Oktober 2008 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Duldungsanordnung vom 12. Juni 2007 anzuordnen.
Eine Duldungspflicht des Antragstellers bestehe nicht. Die Planung sei abgeschlossen, die Auslegung der Planfeststellungsunterlagen sei bereits im Jahr 2006 erfolgt. Aus der Duldungsanordnung gehe hervor, dass die Vorarbeiten nicht der Erarbeitung der Planfeststellungsunterlagen oder einer Planänderung dienten, sondern der Vorbereitung der Baudurchführung. Die beabsichtigten Baugrunduntersuchungen seien aber verfrüht und daher nicht notwendig, da die Bauausführung in weiter Ferne liege. Es sei noch unklar, ob und mit welchem Inhalt ein Planfeststellungsbeschluss ergehe. Angesichts einer Vielzahl von Einwendungen könne nicht mit einem Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses noch im Jahr 2008 oder Anfang 2009 gerechnet werden. Für den Planfeststellungsabschnitt B liege eine abschließende Stellungnahme der Regierung von Schwaben schon seit März 2008 vor, mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses sei frühestens Anfang 2009 zu rechnen. Die angefochtene Duldungsanordnung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sich die Antragsgegnerin vor Erlass des angefochtenen Duldungsbescheides nicht um die Zustimmung des Antragstellers zur Inanspruchnahme seiner Grundstücke bemüht habe. Im Rahmen der Interessenabwägung sei die Gefahr zu berücksichtigen, dass bei Vollziehung des Duldungsbescheids vollendete und nicht rückgängig zu machende Tatsachen entstünden. Im Übrigen wurde auf die Klagebegründung verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 16. Oktober und die Beigeladene mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchführung der Vorarbeiten wird in der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 8. Oktober 2008 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet und überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der ungestörten Nutzung seiner Grundstücke, weil sich die Duldungsanordnung als offensichtlich rechtmäßig und ihre Vollziehung als eilbedürftig erweist.
1. Die angefochtene Duldungsanordnung ist zu Recht auf § 17 Abs. 1 AEG in der seit 17. Dezember 2006 gültigen Fassung gestützt. Danach haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens oder von Unterhaltungsmaßnahmen notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden.
Hierzu wird im Widerspruchsbescheid vom 17. August 2007 ausgeführt, Vorarbeiten könnten auch vor einem Erörterungstermin stattfinden, um hierfür eine solide Grundlage zu schaffen. Die zu untersuchende Bodenbeschaffenheit, nach der sich die Ausführung der Mastfundamente richte, könne auch Auswirkungen auf die mögliche spätere Trassierung haben. Mit den Vorarbeiten würden aber keine vollendeten Tatsachen für die spätere Trassenwahl im Planfeststellungsbeschluss geschaffen. In der Anordnung des Sofortvollzugs vom 8. Oktober 2008 wird ergänzt, dass die Vorarbeiten einen notwendigen Schritt für die Ausführungsplanung des Neubaus der Bahnstromleitung darstellten. Für die Ausführungsplanung der Masten sei insbesondere die Ermittlung der Beschaffenheit des Untergrunds notwendig, wegen der Vordringlichkeit des Vorhabens sei ein Zuwarten mit der Durchführung der genannten Vorarbeiten nicht möglich. Demgegenüber seien die nachteiligen Auswirkungen für die Betroffenen geringfügig und von vorübergehender Natur. Der Leitungsbau sei im Dezember 2007 vergeben worden, die Ausführungsplanung parallel zum laufenden Planfeststellungsverfahren sollte im September 2008 abgeschlossen werden. Die technische Ausgestaltung der Masten könne erst nach Auswertung der durch die Vorarbeiten gewonnenen Erkenntnisse erfolgen. Mittlerweile habe die Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 1. September 2008 ihre abschließende Stellungnahme für das Planfeststellungsverfahren (Abschnitt A) abgegeben.
1.1. Zur Erforderlichkeit von Vorarbeiten zur Vorbereitung der Planung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, die Auslegung von Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren bilde keine Zäsur, nach der Maßnahmen zur Planungsvorbereitung nicht mehr möglich erschienen. Dies ergebe sich schon aus dem Zweck des auf Planoptimierung ausgerichteten Planfeststellungsverfahrens. Ebenso sei es nachvollziehbar, dass der Vorhabenträger selbst im Laufe dieses Verfahrens die Kenntnis gewinne, seine Planungen ergänzen oder durch weitere Sachverhaltsermittlung untermauern zu müssen. Soweit er einen Plan der Anhörungsbehörde zur Durchführung des Anhörungsverfahrens eingereicht habe, halte er die Planungen aber zunächst für feststellungsfähig und damit für abgeschlossen. Verlange er dennoch die Duldung weiterer Arbeiten zur Planvorbereitung, treffe ihn eine gesteigerte Pflicht, die Notwendigkeit dieser Arbeiten plausibel zu machen, es sei denn, diese Notwendigkeit ergebe sich erkennbar aus dem bisherigen Verlauf des Planfeststellungsverfahrens (BVerwG vom 3.3.1994 NVwZ 1994, 483). Das EBA geht im Widerspruchsbescheid sinngemäß davon aus, dass grundsätzlich eine Planoptimierung mit Änderung der gewählten Trasse möglich sei. Dies lässt sich so verstehen, dass bei aufgrund der Vorarbeiten festgestellten ungünstigen Bodenverhältnissen möglicherweise auch eine andere Standortentscheidung für einzelne Masten getroffen werden könnte. Insoweit ist es tatsächlich denkbar, dass eine Rückkoppelung neu gefundener Sachverhalte auf das Planfeststellungsverfahren erfolgt, was auch in diesem fast abgeschlossenen Planungsstadium die Notwendigkeit von Vorarbeiten zur Planungsvorbereitung rechtfertigen könnte.
1.2. Jedenfalls kann die Notwendigkeit von Vorarbeiten aber wie in der Anordnung des Sofortvollzugs ausgeführt mit der Vorbereitung der Baudurchführung des Vorhabens begründet werden. Dieses alternative Tatbestandsmerkmal wurde mit Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl I S. 2833) in § 17 Abs. 1 AEG ergänzend eingeführt. Nach der Begründung (BT-Drs. 16/54, S. 27) sollte gerade mit Blick auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2002 (NVwZ-RR 2003, 66), in der die Notwendigkeit von Vorarbeiten wegen umfangreicher Einwendungen gegen die grundlegende Trassenführung im dahinterstehenden Planfeststellungsverfahren verneint wurde, die Norm dahin ergänzt werden, dass eine durchsetzbare Duldungspflicht für Vorarbeiten kurz vor wie auch nach dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bestehe, auch wenn der Planfeststellungsbeschluss beklagt werde und keine sofortige Vollziehbarkeit bestehe. Angesichts der geringen Eingriffsintensität der Vorbereitungsmaßnahmen solle die Rechtssicherheit für den Vollzug der gesetzlichen Duldungspflicht erhöht und das Planungsverfahren oder zumindest der Beginn der Durchführung des Plans beschleunigt werden. Selbst wenn sich später herausstelle, dass Grundstücke wegen eines anderen Trassenverlaufs nicht in Anspruch genommen würden, sei den Eigentümern auch nach Erlass des Planfestststellungsbeschlusses eine Duldung von Vorarbeiten zuzumuten.
Im vorliegenden Fall kann die Antragsgegnerin die von der Beigeladenen vorgesehenen Vorarbeiten auch auf die intendierte Vorbereitung der Baudurchführung stützen. Für die Baudurchführung bedarf es neben den Planfeststellungsunterlagen zusätzlich der detaillierten Ausführungsplanung (vgl. BT-Drs. 16/54, S. 30). Die Antragsgegnerin hat schlüssig dargelegt, dass die angeordneten Vorarbeiten für die Ausführungsplanung der Masten im Zuge des Neubaus der Bahnstromleitung notwendig sind, insbesondere um die Beschaffenheit des Untergrundes zu ermitteln. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten, vielmehr rügt er im Wesentlichen nur den angeblich verfrühten Zeitpunkt der Duldungsanordnung. Hierzu hat die Antragsgegnerin wiederum nachvollziehbar dargelegt, dass die Ausführungsplanung parallel zum laufenden Planfeststellungsverfahren demnächst abgeschlossen werden solle, und auch mit einem zeitnahen Abschluss des Planfeststellungsverfahrens selbst gerechnet werden könne, da die Regierung von Oberbayern als Anhörungsbehörde ihre abschließende Stellungnahme für den Planfeststellungsabschnitt A am 1. September 2008 abgegeben habe. Die Einschätzung des Antragsstellers, die Bauausführung liege noch in weiter Ferne, lässt sich damit nicht bestätigen.
1.3. Die Duldungsanordnung ist auch im Übrigen nicht unverhältnismäßig. Nach den unbestrittenen Angaben der Beigeladenen und der Antragsgegnerin sind zeitlich beschränkt auf etwa zwei Stunden Vermessungsarbeiten an den geplanten Maststandorten erforderlich, wozu ein Messgehilfe zu Fuß über die Grundstücke des Antragstellers gehen muss. Für die ebenfalls etwa zwei Stunden dauernde Baugrunduntersuchung wird eine Bohrung im Durchmesser von ca. 6 cm erforderlich, wobei das Bohrloch anschließend wieder verschlossen wird und die Arbeitsfläche etwa 5 m² umfasst. Hierzu soll eine Zufahrt wenn möglich mit einem Kleintransporter oder alternativ mit einem Miniraupengerät auf Gummiketten erfolgen. Demgegenüber hat der Antragsteller nicht dargetan, dass es für ihn zu einer wesentlichen Substanz- bzw. Nutzungsbeeinträchtigung seiner landwirtschaftlich genutzten Grundstücke kommt. Eine derartige Beeinträchtigung ist auch dem Verwaltungsgerichtshof angesichts der zeitlich und flächenmäßig nur geringfügigen Inanspruchnahme der Grundstücke für die beabsichtigten Vorarbeiten nicht ersichtlich. Soweit einem Betroffenen durch die Vorarbeiten unmittelbare Vermögensnachteile entstehen, etwa durch Schäden an der vorhandenen Bepflanzung, die zu Ertragseinbußen bei der Ernte führen, hat der Träger des Vorhabens nach § 17 Abs. 3 AEG eine angemessene Entschädigung zu leisten.
Da die beabsichtigten Vorarbeiten nicht vorgreiflich für den Planfeststellungsbeschluss sein müssen, kann es entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch nicht darauf ankommen, ob der Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses bereits absehbar ist oder nicht. Unerheblich ist auch, ob gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt wird bzw. ob dieser sofort vollziehbar ist. Nach der Intention des Gesetzgebers soll es darauf gerade nicht ankommen.
1.4. Der Duldungsanordnung kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beigeladene habe sich vor Erlass des Duldungsbescheids nicht um eine Zustimmung zur Inanspruchnahme seiner Grundstücke bemüht. Selbstverständlich ist es im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und liegt auch im Interesse des Vorhabenträgers, die Zustimmung der Betroffenen zu den Vorarbeiten oder sonstigen belastenden Maßnahmen zu erreichen, da dann keine entgegenstehenden Rechtspositionen in einem Verwaltungsverfahren überwunden werden müssen. Die Vorgehensweise der Beigeladenen ist insofern nicht zu beanstanden. Dem Antragsteller wurde mit Schreiben des von der Beigeladenen beauftragten Unternehmens vom 2. Mai 2007 angezeigt, dass Bodenuntersuchungen durchgeführt werden sollen; darin liegt der Versuch, eine Zustimmung zu erlangen. Dem widersprach der Antragsteller, weshalb es in der Folge zur angegriffenen Duldungsanordnung kam. Im anschließenden Widerspruchsverfahren konnte sich der Antragsteller umfassend zu der erlassenen Anordnung bzw. den entscheidungserheblichen Tatsachen äußern. Damit liegt auch kein Anhörungsverstoß vor (§ 28 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG).
Die angefochtene Duldungsanordnung ist somit offensichtlich rechtmäßig.
2. Die Antragsgegnerin kann neben dem Interesse an einer sofortigen Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts zusätzlich auch noch auf die besondere Dringlichkeit der angeordneten Vorarbeiten verweisen. Die Planung der Baudurchführung ist vordringlich, da der Leitungsbau bereits vergeben wurde und die Ausführungsplanung möglichst bald abgeschlossen werden soll, damit diese zeitnah zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens abschließend durch das EBA überprüft werden kann. Nur dadurch kann erreicht werden, dass mit Vorliegen eines - vollziehbaren - Planfeststellungsbeschlusses zur Vermeidung von Kostensteigerungen und wegen der technischen Dringlichkeit der Bahnstromertüchtigung baldmöglich mit dem Bau begonnen werden kann.
Der Sofortvollzug ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil vor einer abschließenden Überprüfung der Anordnung nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden. Vielmehr handelt es sich bei den angeordneten Vorarbeiten nur um ganz unwesentliche Beeinträchtigungen des Grundeigentums bzw. des Besitzrechtes. Das geplante Bohrloch mit einem geringfügigen Ausmaß von 6 cm Durchmesser wird, wie bereits ausgeführt, nach der Beprobung sofort wieder verfüllt; soweit durch den kurzzeitigen Aufenthalt auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche Schäden entstehen, führen diese zu keiner signifikanten Beeinträchtigung des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers und sind ohnehin zu entschädigen.
Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004.
Ende der Entscheidung
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