Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.2007
Aktenzeichen: 22 B 06.2707
Rechtsgebiete: BayEG, GG


Vorschriften:

BayEG Art. 6 Abs. 3
GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 B 06.2707

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausdehnung der Enteignung;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Juli 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 10. September 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Juli 2006 wird geändert.

II. Der Enteignungsbeschluss des Landratsamts Aichach-Friedberg vom 18. August 2004 wird in Teil B 2 (Ausdehnung der Enteignung auf das Restgrundstück FlNr. 849 der Gemarkung H****** ) aufgehoben.

III. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug je zur Hälfte. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte die Hälfte, die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen je ein Viertel.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beigeladenen zu 1 und 2 die Ausdehnung der einen Teil des Grundstücks FlNr. 849 der Gemarkung H******* betreffenden Enteignung auf das Restgrundstück verlangen können.

Mit Planfeststellungsbeschluss (ab hier: PFB) vom 26. März 2001 stellte das Eisenbahnbundesamt den Plan für die Eisenbahnausbaustrecke Augsburg-Olching, Planungsabschnitt **** ******* **************** ************* **** *** **** fest. Ziel des Ausbaus war es, in Anbetracht der stark gestiegenen Nachfrage nach hochwertigem Schienenverkehr zwischen Augsburg und München die Eisenbahnstrecke von zwei auf vier durchgehende, elektrifizierte Hauptgleise auszubauen und sie dadurch um zwei Hauptgleise für den Hochgeschwindigkeitsverkehr zu erweitern.

Der Beigeladene zu 1 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 849 der Gemarkung H*******, das ca. 1.363 m² groß und bei Bahnkilometer ***** unmittelbar nördlich der Eisenbahnausbaustrecke gelegen ist. Die Beigeladene zu 2 ist Berechtigte aus einem Leibgeding, die Beigeladene zu 3 Inhaberin eines Grundpfandrechts. Auf dem Grundstück befindet sich ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohnhaus, Stallgebäude (Milchviehstall), Nebengebäude (auch Maschinenhalle genannt), Jauchegrube, Festmistdungstätte und einem Milchkuhbestand von derzeit ca. 30 Kühen. Der Anbau der zwei zusätzlichen Gleise für den Hochgeschwindigkeitsverkehr erfolgte dort nördlich der Bestandsstrecke in Richtung auf das Grundstück des Beigeladenen zu 1 hin. Die zusätzlichen Gleise verlaufen in diesem Abschnitt auf einem 3 m bis 4 m hohen Bahndamm. Für diesen Bahndamm musste auf der Nordseite in Richtung auf das Grundstück des Beigeladenen zu 1 hin eine Stützwand errichtet werden. Der PFB sieht nördlich der beiden zusätzlichen Gleise für den Hochgeschwindigkeitsverkehr von Bahnkilometer ***** bis ***** eine 3 m hohe und von Bahnkilometer ***** bis ***** eine 5 m hohe Lärmschutzwand vor (Nr. 1.1.2.1). Darüber hinaus legt er fest, dass dem Beigeladenen zu 1, da bei ihm Beurteilungspegel oberhalb der in § 2 Nr. 3 der 16. BImSchV festgesetzten Immissionsgrenzwerte auftreten würden, die notwendigen Kosten für die erforderlichen passiven Schallschutzmaßnahmen (z.B. Schalldämm-Lüfter, gegebenenfalls Schallschutzfenster, gegebenenfalls Dachdämmungen) auf Antrag zu erstatten sind (Nr. 1.1.3.1). Dem der Planfeststellung zugrunde liegenden Lärmschutzgutachten zufolge wäre im Bereich des Grundstücks des Beigeladenen zu 1 zur Einhaltung der maßgeblichen Immissionsgrenzwerte des § 2 Nr. 3 der 16. BImSchV die Errichtung einer 8,5 m über Schienenoberkante hohen Lärmschutzwand nördlich der Gleise notwendig gewesen (S. 82 des PFB). Das Eisenbahnbundesamt sah von einer derartigen Forderung wegen der hohen Kosten von Lärmschutzwänden in dieser Höhe, wegen der Belange des Orts- und Landschaftsbilds sowie wegen erheblicher Verschattung der unmittelbar an die Bahnlinie angrenzenden Anwesen ab (S. 83 des PFB). Die Höhe der Stütz- und Lärmschutzwand im Bereich des Grundstücks des Beigeladenen zu 1 soll insgesamt ca. 7,5 m betragen. Die Stütz- und Lärmschutzwand soll ca. 65 m entlang der Südgrenze des Grundstücks des Beigeladenen zu 1 verlaufen. Der geringste Abstand zwischen der Stütz- und Lärmschutzwand und der Südwest-Ecke des Nebengebäudes (auch Maschinenhalle genannt) soll ca. 0,7 m betragen. Der geringste Abstand zwischen der Stütz- und Lärmschutzwand und der Südwest-Ecke des Stallgebäudes soll ca. 5,5 m betragen. Der geringste Abstand zwischen der Stütz- und Lärmschutzwand und der südlichen Ecke des Wohnhauses soll ca. 7,5 m betragen.

Das Eisenbahnbundesamt leistete der Einwendung des Beigeladenen zu 1, der Klägerin aufzugeben, das von der Planung betroffene Grundstück FlNr. 849 wegen nicht mehr zumutbarer Wohnnutzung zu übernehmen, im PFB nicht Folge. Es führte dazu aus: "Die faktische Eingriffsintensität des planfestgestellten Vorhabens räumt dem Einwender als betroffenem Eigentümer keinen im PFB auszusprechenden Anspruch auf Übernahme des Anwesens ein. Die Planung wirkt sich insgesamt zwar negativ auf das betroffene Grundstück aus; sie verändert die vorgegebene Grundstückssituation jedoch nicht in der Weise, dass sie das Grundeigentum schwer und unerträglich treffen würde und die weitere Nutzung als unzumutbar erscheinen müsste. Es sei klargestellt, dass sich diese Entscheidung nur auf die Auferlegung einer Übernahme des Anwesens in der Planfeststellung bezüglich der Zumutbarkeit weiterer Wohnraumnutzung bezieht. Über in einem Enteignungsverfahren...zu treffende Entscheidungen ergeht in diesem PFB keine Entscheidung. Über Ansprüche nach Art. 6 Abs. 3 bis 5 BayEG und anderen Vorschriften dieses Gesetzes entscheidet die nach Art. 19 BayEG zuständige Kreisverwaltungsbehörde als Enteignungsbehörde im entsprechenden Verfahren" (Nr. 5.6.1, S. 125 des PFB). Der PFB ist unanfechtbar.

Aus dem planfestgestellten Grunderwerbsverzeichnis und dem ebenfalls planfestgestellten Grunderwerbsplan geht hervor, dass für das Vorhaben der Klägerin eine Teilfläche von 6 m² für die Errichtung der Stütz- und Lärmschutzwand benötigt wird. Diese Fläche besteht aus einem schmalen Geländestreifen, der sich im Bereich der Südostecke des Grundstücks FlNr. 849 östlich des Nebengebäudes (auch Maschinenhalle genannt) im Bereich des sog. Haus- und Gemüsegartens befindet. Diese Fläche diente bisher nicht zum Rangieren mit dem Traktor oder mit anderen landwirtschaftlichen Maschinen. Sie diente auch nicht zu Lagerzwecken.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 26. Februar 2002 beim Landratsamt A***** -********* die Enteignung einer Teilfläche von 6 m² aus dem Grundstück FlNr. 849. Die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragten im Enteignungsverfahren die Gesamtabnahme dieses Grundstücks gemäß Art. 6 Abs. 3 BayEG.

Im Enteignungsverfahren erstellte die Landesgewerbeanstalt Bayern, Fachgebiet Bewertungen (ab hier: LGA) durch den Sachverständigen ****** ************, im Auftrag des Landratsamts unter dem 11. August 2003 ein Gutachten. In diesem Gutachten wurden die aufgrund der Baumaßnahme eintretenden Beeinträchtigungen folgendermaßen bewertet (S. 9): Umgebung/Nachbarschaft: Sehr starke Beeinträchtigung (60 %); Bebauungsmöglichkeit: Deutliche Beeinträchtigung (40 %); Grundstücksgestaltung: Deutliche Beeinträchtigung (40 %); Schutz gegen äußere Störwirkung: Starke Beeinträchtigung (50 %); Nutzungswerte des Wohngebäudes: Schwere Beeinträchtigung (70 %); Nutzungswerte der landwirtschaftlichen Zweckbauten: Mäßige Beeinträchtigung (30 %); optische Einfügung in die Umgebung: Sehr starke Beeinträchtigung (60 %). Im Übrigen wurden keine Beeinträchtigungen festgestellt. Insgesamt gelangte das Gutachten zu folgendem Ergebnis: "Die Wertminderung am Gesamtobjekt aufgrund des Neubaus der planfestgestellten Lärmschutzwand (mit Teilflächenabtretung von 6 m²) wird auf 35 % geschätzt; dies ergibt einen Minderungsbetrag von 880.000 Euro x 35 % = 308.000 Euro zuzüglich des Bodenwerts für die Teilflächenabtretung von 6 m² x 100 Euro pro m² = 308.600 Euro. Die Wertminderung bei fiktiver Baumaßnahme, ohne Inanspruchnahme des Grundbesitzes und unter Einhaltung der Bauabstandsflächen der Lärmschutzwand wird auf ...88.000 Euro geschätzt. Bei der Achtung des Grundsatzes der Parallelverschiebung wird sich demnach eine Differenz zwischen den Wertminderungen aufgrund der planfestgestellten und der fiktiven Baumaßnahme von 220.600 Euro ergeben (entspricht rd. 25 % des Verkehrswerts). Aus Sachverständigensicht ist bei einem Vergleich von tatsächlicher und fiktiver Baumaßnahme das verbleibende Restgrundstück in angemessenem Umfang weiter nutzbar und die Nutzung zumutbar" (S. 14 f.).

Der Sachverständige ****** ******* erstellte im Auftrag des Landratsamts unter dem 19. Mai 2004 ein Gutachten aus landwirtschaftlich-fachlicher Sicht über die betriebswirtschaftlichen Nachteile für den Beigeladenen zu 1 aufgrund des Vorhabens der Klägerin. Danach resultieren aus der Beanspruchung der Teilfläche von 6 m² keine Beeinträchtigungen derart, dass die täglichen Arbeitsabläufe, welche mit Maschinen und Gerätschaften durchgeführt werden müssen, gestört oder beeinträchtigt sind (S. 25). Jedoch wird der Haus- und Gemüsegarten aufgrund von Verschattung nicht mehr wie bisher genutzt werden können (S. 41). Dem Gutachten zufolge werden mit der Errichtung der Stütz- und Lärmschutzwand die Luftverhältnisse im Bereich der Hofstelle sehr nachteilig beeinflusst, weil die Stütz- und Lärmschutzwand und die Gebäude die kleine, dreiecksähnliche Hoffläche fast zur Gänze umschließen und wahrscheinlich eine natürliche Luftzirkulation großteils ausschließen (S. 30). Der Sachverständige hielt es für plausibel, dass dies neben der Verschattung Einfluss auf den Ertrag der Rinderhaltung haben könnte (S. 31). Die Lichtreduzierung durch den Schatten der Stütz- und Lärmschutzwand sei nur schwach und könne durch elektrisches Licht ausgeglichen werden (S. 33). Die auf die Dauer aufzubringenden Kosten hierfür würden ca. 5.751 Euro betragen (S. 35). Die erhebliche Verschlechterung der Belüftung könne durch eine Belüftungseinrichtung, und zwar durch den Einbau eines Abluftsystems (Ventilatoren, Abluftkamine) im Stallgebäude, in der Tenne und im Nebengebäude (genannt auch Maschinenhalle) ausgeglichen werden (S. 36 f.). Die auf die Dauer aufzubringenden Kosten hierfür würden 54.700 Euro betragen (S. 39). Auf diese Weise könne der landwirtschaftliche Betrieb fortgeführt werden.

Mit Nr. B 2 des Enteignungsbeschlusses vom 18. August 2004 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, das gesamte Restgrundstück von 1.357 m² (1.363 m² minus 6 m²) nach Art. 6 Abs. 3 BayEG abzulösen. In Nr. D 2 wurde der Ablösungsbetrag auf 1.136.585 Euro festgesetzt.

Die Klägerin erhob gegen die Verpflichtung zur Übernahme des Restgrundstücks Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg. Gegen den festgesetzten Ablösungsbetrag erhob sie Klage zum Landgericht Augsburg.

Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen ******* ******. Der Sachverständige fertigte sein Gutachten unter dem 25. April 2006. Er stellte fest, dass die Stützmauer aus Stahlbeton bereits vorhanden sei. Die Errichtung der Lärmschutzwand stehe noch aus. Nach Angaben der Klägerin solle sie etwa 3,5 m hoch werden und am oberen Rand mit einer ca. 1 m hohen Glasscheibe abschließen. Das Wohnhaus der Beigeladenen zu 1 und 2 verlaufe von Südwesten nach Nordosten; eine Längsseite des Gebäudes zeige nach Südosten in den Innenhof, die andere nach Nordwesten. Auf der Südost-Seite des Wohnhauses befänden sich die Wohn- und Aufenthaltsräume sowie die beiden Balkone. Die Schlafräume seien nach Nordwesten gerichtet (S. 9 ff.). Der Sachverständige gelangte zu folgenden Bewertungen: Der Flächenverlust von 6 m² (= 0,4 % der Gesamtfläche) sei unbedeutend für die verbleibende Restfläche. Die Stütz- und Lärmschutzwand wirke sich nicht als Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des vorhandenen, schon bisher kleinen und beengten Hofraums sowie des Milchviehstalls aus. Der Haus- und Gemüsegarten werde stark beeinträchtigt; bei der Größe der Fläche von ca. 40 m² sei dieser Verlust aber nur als geringfügig zu werten. Die Stütz- und Lärmschutzwand beeinträchtige die Aussicht vom Wohnhaus nach Süden und schränke die Besonnungsmöglichkeiten von Süden her ein. Verschlechterungen könnten sich auch durch veränderte Windströmungen ergäben (S. 28 f.). Insgesamt ergäben sich negative Auswirkungen für die dauerhafte Nutzung. Besonders betroffen sei dabei das Wohnhaus (S. 40 f.). Der Sachverständige führte weiter aus, dass bei Erhaltung der vorhandenen baulichen Anlagen nur die Beibehaltung der bisherigen Nutzung in Frage komme. Ein Umbau des Stallgebäudes zu einem anderen Nutzungszweck sei unverhältnismäßig teuer. Er sei bei einer anderen landwirtschaftlichen Nutzungsart kaum wirtschaftlich durchzuführen, da die wirtschaftlich erforderlichen Stückzahlen nicht untergebracht werden könnten. Eine dauerhafte Nutzung als gewerbliche Lagerhalle wäre wegen ungünstiger Verkehrsanbindung nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich; abgesehen davon bestehe insofern in H******* keine Nachfrage. Der Umbau zu Ferienwohnungen sei nicht sinnvoll; die Beeinträchtigungen durch die im Süden vorbeiführende Bahnstrecke seien zu bedeutend, als dass in ausreichender Weise Mieter gefunden werden könnten. Unter den gegebenen Umständen seien andere wirtschaftliche Nutzungskonzepte für das Anwesen des Beigeladenen zu 1 nicht denkbar (S. 35 ff.). Hinsichtlich der Auswirkungen einer fiktiven Errichtung der Stütz- und Lärmschutzwand 8 m bis 9 m weiter südlich führte der Sachverständige aus, dass eine Beeinträchtigung hinsichtlich der Belichtung und Besonnung für das Wohngebäude dann nicht mehr bestünde. Es gäbe dann auch keine Beeinträchtigungen für die Be- und Entlüftung des Stallgebäudes mehr. Allerdings wäre dann das Sichtfeld aus dem ersten Stock des Wohnhauses immer noch teilweise eingeschränkt (S. 39).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ergänzte der Sachverständige ******, dass das Obergeschoss des Wohnhauses von der Verschattung überhaupt nicht tangiert werde. Von Frühjahr bis Herbst merke man im Erdgeschoss den niedrigen Sonnenstand und die zusätzliche Verschattung durch die Stütz- und Lärmschutzwand besonders stark. Nach Auffassung des Sachverständigen ****** ist die Wohnnutzung dadurch aber nicht unzumutbar eingeschränkt. Der Sachverständige ****** wies zusätzlich darauf hin, dass mit der Echowirkung von Einzelschallereignissen zu rechnen sei. Geräusche von Lastkraftwagen, die die Straßenunterführung passieren würden, würden zuerst die Stütz- und Lärmschutzwand erreichen und von dort zum Wohnhaus reflektiert werden. Dies wiederhole sich, solange die Geräusche vernehmbar seien.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ergänzte der Vertreter der LGA, er habe bei der Erstellung seines Gutachtens ermittelt, dass gerade im Wohnzimmer des Beigeladenen zu 1 in der Jahreszeit von Oktober bis Dezember eine erhebliche Verschattung eintrete, also gerade in den Jahreszeiten, die einen niedrigen Sonnenstand hätten. Deswegen habe er bei der Frage der weiteren Wohnnutzung eine Wertminderung von 30 bis 33 % angenommen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (Urteil vom 25.7.2006). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayEG lägen vor. Das Restgrundstück sei nicht mehr in angemessenem Umfang in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art nutzbar. Dabei seien die nachteiligen Auswirkungen des Enteignungsunternehmens insgesamt zu berücksichtigen. Zwar werde die landwirtschaftliche Nutzung durch das Vorhaben der Klägerin nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch die Beeinträchtigung des Haus- und Gemüsegartens wegen Verschattung sei gering und zu vernachlässigen. Entscheidend sei aber, dass die Wohnnutzung des Grundstücks nicht mehr zumutbar sei. Wie im Dorfgebiet auch sonst üblich, sei die Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Hofstelle untrennbar mit der Möglichkeit, dort weiterhin zu wohnen, verbunden. Die Milchkuhhaltung könne nur dann sinnvoll aufrechterhalten werden, wenn der Beigeladene zu 1 gleichzeitig auf dem Betriebsgelände wohne, insbesondere im Hinblick auf die Versorgung der Tiere, die Betreuung kranker Tiere und neugeborener Kälber. Durch die strittige Stütz- und Lärmschutzwand entstehe eine kesselförmige Einengung des Hofbereichs in nächster Nähe des Wohnbereichs, die eine erdrückende Wirkung nach sich ziehe. Die Wucht der Mauer wirke sich unmittelbar auf das Grundstück und das Wohnhaus des Beigeladenen zu 1 aus. In den nach Süden orientierten Aufenthaltsräumen und auf den Balkonen des Wohnhauses entstehe auf die Dauer eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse, da der Blick nunmehr in Richtung Süden und Südosten ausschließlich auf die Stütz- und Lärmschutzwand falle. Insbesondere in den Wintermonaten leide gerade das Erdgeschoss des Wohnhauses unter einer erheblichen Verschattung. Die Abtrocknung des Hofraums nach Regenfällen oder Reinigungsarbeiten werde deutlich erschwert. Die Situation des Beigeladenen zu 1 sei nicht vergleichbar mit einer Nachbarschaft mit einem hohen Stallgebäude, einer hohen Scheune oder auch einem hohen Wohnhaus. In diesen Fällen fehle es an dem bedrückenden, einengenden Charakter, wie er von einer haushohen, nackten Betonmauer ausgehe, die sich optisch endlos hinziehe und im Osten nahezu an die Schlepperhalle anstoße. Die Beigeladenen zu 1und 2 könnten sich diesen Wirkungen nicht entziehen, weil für sie keine Ausweichmöglichkeiten bestünden. Der Vergleich mit einem Gefängnishof sei hierbei nicht abwegig. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur sog. Parallelverschiebung gelte nur für Entschädigungsansprüche und sei im Falle des Art. 6 Abs. 3 BayEG nicht anwendbar. Diese Sachverhaltswürdigung beruhe auf der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Gerichts. Auf die von den Beigeladenen zu 1 und 2 weiter geltend gemachten Beeinträchtigungen, nämlich die Blendwirkung, die Aufheizung durch reflektierte Sonneneinstrahlung oder die veränderte Luftzirkulation, komme es nicht mehr an; diese seien zudem der Beurteilung durch einen Gutachter nicht zugänglich. Hinsichtlich der Echowirkung seien die Beigeladenen zu 1 und 2 auf passiven Lärmschutz zu verweisen.

Die Klägerin beantragt mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung die Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25. Juli 2006 sowie des Enteignungsbeschlusses des Landratsamts Aichach-Friedberg vom 18. August 2004 in Nr. B 2.

Die Klägerin führt aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien entschieden habe. Es hätte nicht von der Notwendigkeit einer gleichzeitigen Nutzung des Anwesens der Beigeladene zu 1 und 2 zu wohn- und landwirtschaftlichen Zwecken ausgehen dürfen. Die Beigeladenen zu 1 und 2 könnten bei Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebs die Wohnnutzung ohne besondere Schwierigkeiten in den umgebenden Dorfbereich verlagern, ohne dass dadurch die auf dem Grundstück FlNr. 849 betriebene Milchviehwirtschaft beeinträchtigt werden würde. Ferner habe das Verwaltungsgericht die Situationsgebundenheit des Grundstücks FlNr. 849 durch seine Lage an der Bahntrasse und die damit verbundenen Vorbelastungen nicht ausreichend berücksichtigt. Abgesehen davon hätte es die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Parallelverschiebung anwenden müssen. Es habe zudem die positiven Wirkungen der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand nicht berücksichtigt, die sich insbesondere aus einem verbesserten Lärmschutz ergeben würden. Es habe verkannt, dass die mit dem Vorhaben verbundenen ästhetischen Auswirkungen rechtlich bedeutungslos seien. Das Verwaltungsgericht habe nicht genügend beachtet, dass die strittige Stütz- und Lärmschutzwand im oberen Bereich auf eine Höhe von 2 m transparent gestaltet sei und dass die massige Wirkung durch eine Bepflanzung aufgelockert werde.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 beantragen die Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Die Beigeladene zu 3 stellt keinen Antrag, hält aber die Zurückweisung der Berufung für rechtens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück FlNr. 849 der Gemarkung H******* zur Klärung der Frage, ob dieses nicht mehr in angemessenem Umfang in der bisherigen Art genutzt werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu derselben Frage weiter Beweis erhoben durch Einholung von Erläuterungen der Sachverständigen Michael ****** und ****** ************ zu ihrem jeweiligen Sachverständigengutachten. Auf die Augenscheinsniederschrift vom 6. Juli 2007 wird insofern Bezug genommen.

Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben danach erneut Stellung genommen. Sie haben insbesondere auf die fehlende rechtliche Festsetzung der Verwendung von Acrylglas im PFB, auf die Belastung durch Schattenwurf durch die vorbeifahrenden Züge und auf die individuelle gesundheitliche Disposition der Beigeladenen zu 2 hingewiesen.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Augenscheinsniederschrift vom 6.7.2007, Schreiben der Beigeladenen zu 3 vom 27.8.2007).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Verwaltungsgerichtshof kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Landratsamt hat zu Unrecht angenommen, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 die Ausdehnung der Enteignung auf das Restgrundstück nach Art. 6 Abs. 3 BayEG verlangen können. Zwar können - entsprechend der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1 und 2 - die nachteiligen Wirkungen des Enteignungsvorhabens auf das Grundstück FlNr. 849 zu einem großen Teil berücksichtigt werden; nur diejenigen Nachteile, die bei fiktiver Errichtung der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand auf Bahngelände unter Beachtung der Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO ebenfalls entstünden, bleiben außer Betracht. Dies ändert aber nichts daran, dass die Fortsetzung der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung verbunden mit der bisherigen Nutzung zu Wohnzwecken noch in angemessenem Umfang möglich ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

1. Bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 3 BayEG kommt es im vorliegenden Fall nicht allein darauf an, welche Nachteile die Verkleinerung des betroffenen Grundstücks als solche unmittelbar verursacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht es einer verfassungskonformen, an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GG orientierten Auslegung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Ausdehnung der Enteignung, darüber hinaus die dem Restgrundstück erwachsenen Nachteile zu berücksichtigen, die aus dem Enteignungsunternehmen insgesamt herrühren (BGH vom 8.11.1979, DVBl 1980, 285/286; BGH vom 6.8.1986, NJW 1986, 2424/2425; BGH vom 9.11.2000, NVwZ 2001, 359/360; BayObLG vom 28.3.1994 - Az. 1 Z RR 95/93;Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Anm. 4.2.3 zu Art. 6 BayEG). Dieser rechtliche Ansatz ist jedenfalls dann zutreffend, wenn das Enteignungsunternehmen - hier die Stütz- und Lärmschutzwand - in seiner konkreten örtlichen Situierung ohne die Inanspruchnahme einer Teilfläche des fremden Grundstücks insgesamt nicht hätte errichtet werden können, was hier anzunehmen ist. Zum einen handelt es sich bei Art. 6 Abs. 3 BayEG um eine Schutzvorschrift zugunsten des Eigentümers. Zum anderen können die Nachteile für das Restgrundstück gerade in dem gesamten Unternehmen und nicht nur in der Verkleinerung des Restgrundstücks selbst ihre Ursache haben (BGH vom 8.11.1979, DVBl 1980, 285/286). Gerade in einem Fall wie dem hier zu entscheidenden stellt nur eine Gesamtschau der vorhabenbedingten Nachteile den Grundrechtsschutz hinreichend sicher; bei einer Teilbetrachtung im Planfeststellungsverfahren und einer Teilbetrachtung im Enteignungsverfahren würde die Gesamtbelastung zu Unrecht aus dem Blick geraten.

Die bestandskräftigen Regelungen des PFB vom 26. März 2001 stehen diesem rechtlichen Ansatz nicht entgegen. Im vorliegenden Fall hat der PFB hinsichtlich der Problematik eines Übernahmeanspruchs der Beigeladenen zu 1 und 2 zwar nicht generell auf das spätere Enteignungsverfahren verwiesen, sondern selbst die Entscheidung getroffen, dass die faktische Eingriffsintensität des planfestgestellten Vorhabens dem Eigentümer keinen im Planfeststellungsbeschluss auszusprechenden Anspruch auf Übernahme einräumt (Nr. 5.6.1, S. 125). Diese Entscheidung schließt aber nicht aus, dass im Enteignungsverfahren nach Art. 6 Abs. 3 BayEG eine andere Entscheidung ergeht. Sie schließt auch nicht aus, dass im Enteignungsverfahren die nachteiligen Auswirkungen des auf der enteigneten Fläche verwirklichten Vorhabens als Folgewirkungen des Flächenentzugs behandelt werden (BVerwG vom 7.7.2004, NVwZ 2004, 1358/1360), ja sogar eine Gesamtschau aller rechtserheblichen nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens der Klägerin vorgenommen wird. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt die Rechtslage diesbezüglich nicht anders als der Bundesgerichtshof. Die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde erstreckt sich lediglich auf Entscheidungen über den Ausgleich für mittelbare planungsbedingte Grundstücksbeeinträchtigungen gemäß § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG, nicht jedoch auf die Entschädigung für die Folgewirkungen, die durch den unmittelbaren Zugriff auf ein Teilgrundstück für das Restgrundstück entstehen (BVerwG vom 7.7.2004, NVwZ 2004, 1358, m.w.N.; BVerwG vom 22.9.2004 - Az. 9 A 72/03; BayVGH vom 18.10.2006, BayVBl 2007, 402). Letztere sind von der Enteignungsbehörde zu regeln. Im vorliegenden Fall ist mit dem von der Enteignungsbehörde zu bewertenden unmittelbaren Zugriff auf die Teilfläche von 6 m² nicht nur der hier praktisch bedeutungslose Verkleinerungsschaden verbunden (vgl. Gutachten ******, S. 27 f.), sondern das noch nähere Heranrücken der Stütz- und Lärmschutzwand. Die Bewertung der Enteignungsbehörde darf diesbezüglich nicht auf einen Teil der nachteiligen Auswirkungen beschränkt bleiben, sondern sie muss eine Gesamtschau vornehmen, gerade weil sie in zeitlicher Hinsicht die letzte Entscheidung im gestuften Verfahren trifft und erst sie den Überblick über die Gesamtheit der nachteiligen Folgen hat. Es muss dabei auch beachtet werden, dass eine unzumutbare Erschwerung des Rechtsschutzes vermieden werden muss (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Abschichtung von Rechtsschutzmöglichkeiten bereits im Planfeststellungsverfahren müsste für die Enteignungsbetroffenen eindeutig erkennbar sein (BVerfG vom 15.2.2007, NVwZ 2007, 373). Hinsichtlich des Anspruchs auf Übernahme des Restgrundstücks war dies im vorliegenden Fall nicht gegeben.

2. Die Rechtsprechung zur sog. Parallelverschiebung ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1 und 2 bei der Anwendung des Art. 6 Abs. 3 BayEG zu berücksichtigen. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt grundsätzlich nicht davor, dass die Nutzbarkeit der Nachbargrundstücke durch hoheitliche Maßnahmen verändert wird (BGH vom 7.5.1981, NJW 1981, 2116/2117). Dies gilt auch dann, wenn auf einem Nachbargrundstück ein Schienenweg gebaut wird. Daraus folgt, dass Enteignungsbetroffene grundsätzlich solche nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens ohne Entschädigung oder ohne Übernahme des Restgrundstücks dulden müssen, die sie auch getroffen hätten, wenn ihnen kein Gelände genommen, sondern das Vorhaben an der Grenze des ungeteilten Grundstücks entlang geführt worden wäre (BGH vom 7.5.1981, NJW 1981, 2116/2117). Ein Unterschied zwischen Entschädigungsanspruch und Übernahmeanspruch ist insofern nicht gerechtfertigt, weil auch letzterer materiell-rechtlich als "besondere Form der Entschädigung" zu betrachten ist (vgl. z.B. BVerwG vom 7.7.2004, NVwZ 2004, 1358/1359). Diese Rechtsgrundsätze bedürfen allerdings einer Einschränkung. Sie gelten nur, wenn der betroffene Eigentümer nach den Vorschriften des Nachbarrechts den Bau einer vergleichbaren Anlage durch einen Privaten ohne Ausgleich hätte dulden müssen; anderenfalls ist darauf abzustellen, in welchem Grenzabstand die Anlage von einem Privaten rechtmäßig hätte erbaut werden dürfen (BGH vom 8.11.1979, DVBl 1980, 285; Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Anm. 4.2.3 zu Art. 6 BayEG).

Für die Beigeladenen zu 1 und 2 folgt hieraus, dass sie solche Auswirkungen der Stütz- und Lärmschutzwand ohne Entschädigung und ohne Relevanz für einen etwaigen Übernahmeanspruch dulden müssen, die sie auch getroffen hätten, wenn das Vorhaben unter Einhaltung der nach Art. 6 BayBO vorgeschriebenen Abstandsflächen errichtet worden wäre. Unerheblich ist insofern, dass die Bayerische Bauordnung für Anlagen des öffentlichen Verkehrs nicht gilt (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBO). Unter den konkreten örtlichen Gegebenheiten bedeutet dies, dass zwar nur ein kleinerer Teil der nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens der Klägerin auf das Grundstück FlNr. 849, aber immerhin eine Prägung durch Bahndamm und Sichtbehinderung auf der Südseite, auch bei Einhaltung der Abstandsflächen bestehen bliebe. Dem Sachverständigengutachten der LGA zufolge würden bei fiktiver Verschiebung der Stütz- und Lärmschutzwand die zu erwartenden Grundstücksbeeinträchtigungen erheblich abgeschwächt werden (S. 29). Der Sachverständige ****** präzisierte hierzu in seinem Sachverständigengutachten, dass bei einer solchen Parallelverschiebung keine Beeinträchtigung hinsichtlich der Belichtung und der Besonnung und keine Beeinträchtigung der Be- und Entlüftung verbleiben würden. Es würde aber das Sichtfeld aus dem ersten Stockwerk des Wohnhauses immer noch teilweise eingeschränkt werden (S. 39). Dies bedeutet, dass es sich bei der Nachbarschaft einer Bahnstrecke entlang der gesamten Südgrenze des Grundstücks FlNr. 849 auf einem ca. 3 bis 4 m hohen Bahndamm mit einer Sichtbehinderung nach Süden durch eine fiktive Stütz- und Lärmschutzwand mit Einhaltung der vorgeschriebenen Abstandsfläche um nachteilige Auswirkungen handelt, die hier von vornherein außer Betracht bleiben müssen.

3. Maßgeblich sind im vorliegenden Fall lediglich die nachteiligen Auswirkungen auf die bisher ausgeübte Nutzung.

Zwar stellt Art. 6 Abs. 3 BayEG nicht nur auf die Nutzbarkeit in der bisherigen Art, sondern auch auf die Nutzbarkeit in einer anderen zulässigen Art ab. Die Nutzbarkeit in einer anderen zulässigen Art muss sich allerdings nach Lage und Beschaffenheit objektiv anbieten (OVG NW vom 23.1.2006 Az. 11 A 1138/01; Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Anm. 4.2.3 zu Art. 6 BayEG). Im vorliegenden Fall bietet sich keine anderweitige Nutzbarkeit objektiv an, weder eine andere Art von Landwirtschaft noch eine gewerbliche Nutzung (vgl. dazu insbesondere Gutachten ******, S. 35 ff. mit eingehenden und nachvollziehbaren Begründungen).

4. Im vorliegenden Fall kann das Grundstück FlNr. 849 noch in angemessenem Umfang in der bisherigen Art genutzt werden. Dies betrifft die bisher ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung, gilt aber auch für die bisher ausgeübte, mit dem landwirtschaftlichen Betrieb verbundene Wohnnutzung.

a) Ein Grundstück kann dann nicht mehr in angemessenem Umfang in der bisherigen Art genutzt werden, wenn die Fortsetzung der bisherigen Nutzung dem betroffenen Eigentümer nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG vom 6.6.2002, NVwZ 2002, 209/210). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, die besondere Lage des Grundstücks, der Zuschnitt der Gebäude sowie die Möglichkeit, den Beeinträchtigungen auszuweichen, zu berücksichtigen. Dabei steht zwar eine objektive wirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, zu Gunsten des betroffenen Eigentümers subjektive Elemente in untergeordnetem Umfang zu berücksichtigen (vgl. BGH vom 9.11.2000, NVwZ 2001, 359). Auf die individuelle gesundheitliche Disposition eines Bewohners, hier geltend gemacht für die Beigeladene zu 2, kommt es danach nicht entscheidend an.

b) Das Grundstück FlNr. 849 kann auch weiterhin in angemessenem Umfang in der bisherigen Weise landwirtschaftlich genutzt werden. Die zusätzliche Verschattung des Stallgebäudes sowie die erhebliche Verschlechterung der Be- und Entlüftungsverhältnisse im Stallbereich können durch angemessene technische Maßnahmen ausgeglichen werden, nämlich durch künstliches Licht und durch eine Abluftanlage (Gutachten *******, S. 32 ff., S. 36 ff.). Es handelt sich um Maßnahmen, die teilweise schon bisher veranlasst gewesen wären. Da deren Kosten über die Entschädigungsregelungen ausgeglichen werden können, stehen sie einer angemessenen Weiternutzung nicht entgegen (OVG NW vom 23.1.2006 Az. 11 A 1138/01). Die Nutzbarkeit der Hoffläche ist nicht eingeschränkt (Gutachten *******, S. 40). Aus der Beanspruchung der Teilfläche von 6 m² resultieren keine Beeinträchtigungen derart, dass die täglichen Arbeitsabläufe, welche mit Maschinen und Gerätschaften durchgeführt werden müssen, gestört oder beeinträchtigt sind (Gutachten *******, S. 25). Der weitreichende Verlust der Nutzbarkeit des Haus- und Gemüsegartens (Gutachten *******, S. 41) ist wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung (Gutachten *******, S. 28 f.).

c) Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Nachbarschaft einer Bahnstrecke entlang der Südgrenze des Grundstücks FlNr. 849 auf einem ca. 3 bis 4 m hohen Damm mit einer Sichtbehinderung nach Süden durch eine fiktive Stütz- und Lärmschutzwand unter Einhaltung der nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsfläche als nachteilige Auswirkungen außer Betracht bleiben müssen (s. oben 2), wird auch die Wohnnutzung des Anwesens FlNr. 849 nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

Die Prüfung, ob eine Nutzung zu Wohnzwecken weiterhin in angemessenem Umfang möglich bzw. zumutbar ist, muss zunächst die örtlichen Verhältnisse berücksichtigen. Es muss im vorliegenden Fall beachtet werden, dass die Wohnnutzung in einem Dorfgebiet in einem sehr ländlichen Bereich stattfindet, in dem mitunter auch Gebäude mit der Höhe der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand nahe beieinander stehen. Dies haben sowohl der Sachverständige ****** in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (S. 25 des VG-Urteils) als auch der Sachverständige ************ beim Augenschein des Verwaltungsgerichtshofs nachvollziehbar hervorgehoben. Auf dieser Grundlage bietet der Wohnungsmarkt einen objektiven Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit weiterer Wohnnutzung. Wie der Sachverständige ************ beim Augenschein des Verwaltungsgerichtshofs nachvollziehbar ausgeführt hat, gibt es für Objekte wie das Wohnhaus des Beigeladenen zu 1 auch nach der Errichtung der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand bei entsprechenden Preisabschlägen einen Markt mit Kaufinteressenten.

aa) Im Einzelnen ist zunächst festzuhalten, dass die Belüftung, die Luftzirkulation, durch die strittige Stütz- und Lärmschutzwand beim Wohnhaus des Beigeladenen zu 1 nicht verschlechtert wird (Ausführungen des Sachverständigen ****** beim Augenschein des Verwaltungsgerichtshofs, bestätigt von den Beigeladenen zu 1 und 2). Das von der Klägerin beim Augenschein des Verwaltungsgerichtshofs vorgelegte Sachverständigengutachten vom Dezember 2005 schließt erhebliche Lärmbelästigungen durch Reflexionen des von der Dorfstraße herrührenden Straßenverkehrslärms jedenfalls bei der hier anzunehmenden geringen Verkehrsdichte aus; die Beigeladenen haben sich dazu in ihrem Schriftsatz vom 31. Juli 2007 nicht mehr geäußert.

bb) Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die strittige Stütz- und Lärmschutzwand den Beigeladenen zu 1 und 2 gegenüber der Vorbelastung verbesserten Lärmschutz bringt. Dieser Vorteil wird zwar durch verschiedene Umstände relativiert. Es handelt sich zum einen um einen Vorteil, der dem gesamten nördlichen Ortsteil von H******* zugute kommt. Zum andern ändert die erzielte Verbesserung des Lärmschutzes nichts daran, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 nach dem Ergebnis des im Planfeststellungsverfahren eingeholten Lärmschutzgutachtens weiterhin auf passiven Lärmschutz angewiesen sind. Zum dritten wird der Vorteil durch - allerdings nicht sehr ausgeprägte - Reflexionen des von der Dorfstraße herrührenden Straßenverkehrslärms gemindert Insgesamt handelt es sich jedoch um einen Umstand, der die strittige Stütz- und Lärmschutzwand als für eine weitere Wohnnutzung zumutbar erscheinen lässt.

cc) Zu berücksichtigten ist aber auch eine erhebliche Verschattung des Wohnbereichs. Eine Verschattung ist dann erheblich, wenn sie im Verhältnis zur fiktiven Errichtung des Vorhabens außerhalb der Abstandsflächen (Art. 6 BayBO) erheblich ist. Den Abstandsflächenvorschriften sind auch in diesem Zusammenhang die maßgeblichen Bestimmungen zur Sicherung der Nachbarbelange hinreichender Belichtung, Besonnung oder Belüftung eines Grundstücks zu entnehmen (BGH vom 6.11.1979, DVBl 1980, 285/286; OVG NW vom 6.6.1990, NVwZ 1991, 389/391). Danach liegt hier eine erhebliche Verschattung vor, die bei Errichtung der Stütz- und Lärmschutzwand unter Einhaltung der Abstandsflächen gemäß Art. 6 BayBO nicht bestünde. In den Wintermonaten würden die Wohnräume und der Balkon im Erdgeschoss, die nach Südosten ausgerichtet sind, erheblich verschattet werden. Das Obergeschoss wäre hingegen kaum betroffen. Dies haben beide Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht unter Auswertung von Sonnenstandsdiagrammen nachvollziehbar ausgeführt. Die Fortsetzung der Wohnnutzung wird dadurch insgesamt jedoch nicht unzumutbar erschwert. dd) Der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand kommt hier nach dem Ergebnis des vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Augenscheins keine einem Gefängnishof vergleichbare rechtserhebliche erdrückende Wirkung zu. Es ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, dass die erdrückende Wirkung einer Anlage dazu führen kann, dass die weitere Nutzung eines benachbarten Wohnhauses zu Wohnzwecken unzumutbar erscheint (BVerwG vom 6.6.2002, NVwZ 2003, 209). Eine rechtserhebliche erdrückende Wirkung kommt bei Abständen von hohen baulichen Anlagen von ca. 28 m zu Wohngebäuden nicht mehr in Betracht (OVG NW vom 6.6.1990, DVBl 1991, 389/391), wohl bei diesbezüglichen Abständen von 7,5 m (BGH vom 8.11.1979, DVBl 1980, 285), wie sie hier vorliegen. Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings, dass sich z.B. durch die Länge der hohen baulichen Anlage, durch ihre Beziehungen zu den Gebäuden, die sich auf dem betroffenen Grundstück befinden und durch ihre Gestaltung eine besondere Belastungssituation ergibt. So kann es z.B. sein, dass eine vergleichbar hohe Rampe in vergleichbarer Entfernung nicht erdrückend auf ein benachbartes Wohnhaus wirkt, wenn der Blick nicht frontal auf sie fällt, sondern gewissermaßen an ihr entlang läuft und wenn die Böschungsneigung dazu führt, dass sich das Sichtfeld nach oben trichterförmig erweitert. Auch eine Bepflanzung kann zu einer optischen Auflockerung beitragen (BVerwG vom 6.6.2002, NVwZ 2003, 209/210). Nach diesen Kriterien ist hier nicht von einer rechtserheblichen erdrückenden Wirkung auszugehen. Beim Grundstück FlNr. 849 ist von vornherein (s. oben 2) von einer Nachbarschaft mit einer Bahnstrecke entlang der gesamten Südgrenze auf einem ca. 3 bis 4 m hohen Bahndamm mit Sichtbehinderungen nach Süden auszugehen. Die Stütz- und Lärmschutzwand zieht sich zwar in einer Höhe von ca. 7,5 m an der gesamten ca. 65 m langen südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. 849 entlang. Von der Südwestecke des Wohnhauses beträgt die Entfernung zur Wand zwar nur ca. 7,5 m. An der Südostseite beim Betriebsgebäude (genannt auch Maschinenhalle) verbleibt zwar nur noch ein schmaler Durchgang, so dass dort ein weitgehender Abschluss des Anwesens FlNr. 849 nach Südosten entsteht. Gerade diese Situation ist aber durch die bestehenden landwirtschaftlichen Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 849 mitgeprägt und kann nicht allein der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand angelastet werden. Nach Westen zur Dorfstraße hin besteht zudem eine verhältnismäßig breite Öffnung; die Südwestseite des Wohnhauses wird dadurch entlastet. Geringfügig entlastend wirken schließlich die Ansätze von Begrünung, deren weitere Erfolgschancen allerdings kaum abschätzbar sind.

Nicht außer Acht bleiben darf in diesem Zusammenhang schließlich, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Enteignungsbehörde (vgl. OVG NW vom 23.1.2006 - Az. 11 A 1138/01) bereits hinreichend sicher feststand, dass durch die Verwendung von Acrylglas zumindest auf 1 Meter Höhe unter der Oberkante der strittigen Stütz- und Lärmschutzwand die Verschattungswirkung sowie die bedrückende Wirkung abgemildert werden würden. Die Beigeladenen zu 1 und 2 weisen zwar zu Recht darauf hin, dass hierfür eine entsprechende Änderung des Planfeststellungsbeschlusses vom 26. März 2001 fehlte (und noch fehlt). Die Enteignung ist zwar allein zur Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses vom 26. März 2001 zulässig (§ 22 Abs. 1 Satz 1 AEG; vgl. dazu auch BayVGH vom 28.4.2007 Az. 22 A 07.40008). Doch für die Frage, ob die bisherige Nutzung künftig in angemessenem Umfang fortgeführt werden kann, kann die hinreichende Sicherheit der Verwendung von Acrylglas und die damit einhergehende Abmilderung der nachteiligen Wirkungen gleichwohl nicht ausgeblendet werden, sondern muss als zu erwartende künftige Entwicklung einbezogen werden. Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben zwar während des Augenscheins des Verwaltungsgerichtshofs und in ihrem weiteren Schriftsatz vom 31. Juli 2007 auf theoretisch denkbare Risiken hingewiesen, insbesondere Einwände Dritter wegen der stärkeren Schallreflexion nach Süden, eventuelles Einschreiten des Eisenbahnbundesamts zur Durchsetzung des ungeänderten Planfeststellungsbeschlusses vom 26. März 2001, schließlich Einwände der Beigeladenen zu 1 und 2 wegen einer Blendwirkung, verursacht durch die vorbeifahrenden Züge. Der Verwaltungsgerichtshof hält es für unwahrscheinlich, dass sich eines dieser Risiken verwirklichen könnte und dass die strittige Stütz- und Lärmschutzwand bis zur Oberkante in Beton ausgeführt werden müsste. Südlich des Bahngeländes wohnt niemand. Für das Eisenbahnbundesamt hat die Frage, ob die strittige Stütz- und Lärmschutzwand in Beton oder in Acrylglas ausgeführt wird, keine besondere Bedeutung. Die genannte Blendwirkung wurde von den Sachverständigen ****** und ************ beim Augenschein des Verwaltungsgerichtshofs als wenig bedeutsam eingeschätzt.

Kosten: § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.136.585 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG; wie Vorinstanz; Ablösungsbetrag gemäß Nr. D 2 des Enteignungsbeschlusses vom 18.8.2004).

Ende der Entscheidung

Zurück