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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 14.08.2009
Aktenzeichen: 22 BV 07.1725
Rechtsgebiete: GewO, SGB X, SGB I, SGB III, TVG, KG, Tarif-Nr. 5.III.5/1.1 KVz.


Vorschriften:

GewO § 14 Abs. 8
SGB X § 64 Abs. 2 Satz 1
SGB X § 69 Abs. 2 Nr. 2
SGB I § 11
SGB I § 18 Abs. 1
SGB I § 19 Abs. 1 Nr. 3
SGB I § 19 Abs. 1 Nr. 5
SGB III § 209
SGB III § 354
SGB III § 356 Abs. 1
SGB III § 356 Abs. 2 a.F.
TVG § 4 Abs. 2
KG Art. 11 Satz 1
KG Art. 15
Tarif-Nr. 5.III.5/1.1 KVz.
Eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien (hier des Baugewerbes) ist kein Sozialleistungsträger und kann deshalb bei der Einholung von Gewerberegisterauskünften weder unmittelbar noch entsprechend eine Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X geltend machen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 BV 07.1725

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Kostenfestsetzung für eine Auskunft aus dem Gewerberegister;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung

am 14. August 2009

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien ist die Kostenerhebung für eine von der Klägerin beantragte Auskunft aus dem Gewerberegister der Beklagten strittig.

Die Klägerin ist als Zusatzversorgungskasse eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (§ 4 Abs. 2 Tarifvertragsgesetz - TVG). Zusammen mit der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes erfüllt sie unter der gemeinsamen Bezeichnung Sozialkasse des Baugewerbes (SOKA-BAU) ihr tarifvertraglich übertragene Aufgaben, insbesondere die Zahlung von Beihilfen zu gesetzlichen Renten als tarifvertragliche Zusatzversorgung. Zur Deckung ihrer eigenen Versorgungsleistungen wie auch der Leistungen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse zieht die Klägerin Beiträge der tarifunterworfenen Arbeitgeber ein. Zur Überprüfung der Tarifunterworfenheit von Betrieben und deren Beitragspflicht holt sie u.a. Auskünfte aus öffentlichen Registern ein.

Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin auf ihre Anfrage vom 21. Dezember 2004 am 5. Januar 2005 eine Auskunft der Beklagten zu einem in ihrem Stadtgebiet tätigen Gewerbetreibenden. Hierfür setzte die Beklagte eine Gebühr in Höhe von 12,50 Euro fest. Der gegen die Gebührenfestsetzung eingelegte Widerspruch wurde vom Landratsamt Traunstein mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2006 zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 8. Mai 2007 ab. Es führte aus, die von der Klägerin geltend gemachte Kostenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X greife schon deshalb nicht ein, weil die erteilte Auskunft nicht für die Erbringung bzw. im Zusammenhang mit einer Sozialleistung begehrt worden sei. Die Klägerin nehme ihr tarifvertraglich zugewiesene Aufgaben wahr. Auch wenn derartige tarifvertragliche Leistungen als im weiteren Sinn soziale Leistungen anzusehen seien, handle es sich jedoch nicht um Sozialleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuchs.

Die Klägerin legte fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein. Sie beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2007 abzuändern und den Gebührenbescheid der Beklagten vom 5. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Traunstein vom 11. Oktober 2006 aufzuheben.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gelte die Regelung zur Kostenfreiheit in § 64 SGB X nicht ausschließlich für in § 11 SGB I beschriebene Leistungsarten. Aus der Formulierung in § 64 Abs. 2 SGB X "aus Anlass" ergebe sich, dass die Kostenfreiheit nicht lediglich auf die in §§ 18 ff. SGB I beschriebenen Sozialleistungen begrenzt sei.

Zudem könnten einzelne der Klägerin durch Tarifverträge zugewiesene Aufgaben zumindest teilweise unter die Regelungen der §§ 18 ff. SGB I subsumiert werden. Nach § 18 SGB I gehöre die Ausbildungsförderung zu den Sozialleistungen. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft habe u.a. nach dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) die Aufgabe, eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen und die Berufsbildung für die Auszubildenden im Baugewerbe dadurch zu sichern, dass Ausbildungskosten nach Maßgabe des Tarifvertrags erstattet würden. Dies könne nur durch die von der Klägerin für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse einzuziehenden Beiträge der den Bautarifverträgen unterliegenden Arbeitgeber gesichert werden. Mit diesem Aufgabenkatalog würden auch die Kriterien des § 19 Abs. 1 Nr. 3 d) SGB I erfüllt.

Die Klägerin sei nach § 3 Abs. 3 des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Einzugsstelle für den Sozialkassenbeitrag nach § 18 VTV. In Erfüllung dieser tarifvertraglichen Aufgabe sei bei der Klägerin die Betriebserfassung für die in § 3 VTV aufgeführten Sozialkassen angesiedelt, die die Tarifunterworfenheit der Baubetriebe prüfe und deren Beitragspflicht feststelle. Weiterhin ziehe die Klägerin aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung für die Bundesagentur für Arbeit Beiträge bei den Bauarbeitgebern für Leistungen von Wintergeld und Winterausfallgeld in der Bauwirtschaft (§ 19 Abs. 1 Nr. 5 SGB I) ein. Hierzu seien jeweils Auskunftsersuchen gegenüber Behörden erforderlich.

Die Gleichstellung der Klägerin mit anderen Sozialleistungsträgern ergebe sich auch aus § 69 Abs. 2 Nr. 2 SGB X. Damit sei § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X erweiternd auch für die Klägerin anwendbar.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entgegen der Berufungsbegründung beruhe die Erstattung von Ausbildungskosten allein auf tarifvertraglichen Vereinbarungen ohne gesetzliche Regelung, insbesondere stelle sie keine Leistung der Ausbildungsförderung dar. Die Erstattung von Ausbildungskosten an ausbildende Betriebe sei keine Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung.

Bei dem von der Klägerin angeführten Wintergeld und Winterausfallgeld handle es sich um eine Sozialleistung nach § 19 Abs. 1 Nr. 5 SGB I in der Form der Lohnersatzleistung. Jedoch sei das Auskunftsersuchen der Klägerin nicht im Rahmen eines Geschäftes aus Anlass der Erbringung dieser Leistungen gestellt worden, vielmehr gehe es allein um die Finanzierung dieser Leistung. Nach § 175 a SGB III hätten Arbeitnehmer nur Anspruch auf Wintergeld, soweit für diese Zwecke Mittel durch eine Umlage aufgebracht würden. Durch diese Umlage seien auch die Verwaltungskosten und die sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistung zusammenhingen, aufzubringen (§ 354 SGB III). Führten die Arbeitgeber die Umlagebeträge über eine gemeinsame Einrichtung ihres Wirtschaftszweigs oder über eine Ausgleichskasse ab, würden dort entstehende Kosten nicht erstattet (§ 356 SGB III). Ein entsprechender Ausschluss von Kostenerstattungen ergebe sich auch aus Nr. 13 der von der Klägerin vorgelegten Verwaltungsvereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit. Der Gesetzgeber habe die Voraussetzungen für den Anspruch auf Wintergeld also weitgehend in die Verantwortung des betreffenden Wirtschaftszweigs gelegt und zahle nur in Abhängigkeit von der Umlagefinanzierung und der ebenfalls im betrieblichen Bereich angesiedelten Auflösung von Arbeitszeitguthaben aus. Bei dem Wintergeld (Zuschuss-Wintergeld und Mehraufwand-Wintergeld) handle es sich um eine im Verhältnis zu dem über die Arbeitslosenversicherung finanzierten Saison-Kurzarbeitergeld (§ 175 SGB III) wesentlich geringere, ergänzende Leistung, die deshalb zur Disposition des Baugewerbes oder ähnlich betroffener Wirtschaftzweige gestellt worden sei. Deshalb stehe der Klägerin auch für Auskunftsersuchen zur Erfassung von Wintergeld-umlagepflichtigen Betrieben keine Kostenfreiheit nach § 64 SGB X zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Verwaltungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO).

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann nicht geltend machen, von den Kosten für die von ihr beantragte Auskunft der Beklagten befreit zu sein (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB X).

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gebührenforderung ist der Zeitpunkt des Entstehens des Kostenanspruchs (nach Art. 11 Satz 1 KG mit Beendigung der kostenpflichtigen Amtshandlung), spätestens der Zeitpunkt seiner Fälligkeit (nach Art. 15 KG mit Bekanntgabe der Kostenentscheidung, vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand März 2009, RdNr. 2 zu Art. 11 KG und RdNrn. 3 und 8 zu Art. 15 KG). Der Kostenanspruch ist landesrechtlich entstanden und mit der Bekanntgabe der Kostenrechnung vom 5. Januar 2005 fällig geworden, wenn nicht die bundesrechtliche Kostenfreistellung nach § 64 SGB X eingreift. Für diese Prüfung ist auf den Zeitpunkt des Entstehens, spätestens des Fälligwerdens des Anspruchs mit Bekanntgabe der Kostenrechnung und somit auf die damalige Rechtslage abzustellen.

Für die der Klägerin erteilte Auskunft aus dem Gewerberegister (§ 14 Abs. 8 GewO) ist eine Gebühr in Höhe von 12,50 Euro zu erheben (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/1.1 KVz); die Voraussetzungen für die landesrechtliche sachliche Kostenfreiheit oder persönliche Gebührenfreiheit (Art. 3, Art. 4 KG) liegen nicht vor.

Auch aus § 64 Abs. 1 SGB X ergibt sich keine Kostenfreiheit für die Klägerin. Diese Vorschrift gilt nur für Verfahren bei den Behörden nach dem Sozialgesetzbuch und ist hier schon deshalb nicht anwendbar.

Ebenso begründet die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X, deren Anwendbarkeit die Klägerin für sich beansprucht, keine Kostenfreiheit für die beantragte Auskunft. Die Klägerin führt keine kostenbefreiten Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden.

§ 64 Abs. 2 SGB X dehnt die Kostenfreiheit im Bereich des Sozialrechts über § 64 Abs. 1 SGB X hinaus auf die Inanspruchnahme von Behörden aus, die nicht dem Sozialgesetzbuch unterliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt die in § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X angeordnete Kostenfreiheit nicht nur zugunsten der Bürger, sondern auch zugunsten der Sozialleistungsträger (BVerwG vom 26.6.1987 BVerwGE 77, 364; vom 18.12.1987 BVerwGE 78, 363). Auch bei dieser erweiternden Auslegung zur Anwendung des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X folgt aus den angeführten Entscheidungen aber unmissverständlich, dass - neben dem Bürger als Hilfesuchendem und Hilfeempfänger - nur Sozialleistungsträger, nicht aber sonstige Dritte Kostenfreiheit beanspruchen können. Dies ergibt sich schon aus der Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Norm, insbesondere aus dem Vergleich mit der Vorgängerregelung in § 118 Abs. 1, 1. Halbsatz BSHG, der nach allgemeiner Auffassung nicht nur für die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern und Sozialleistungsträgern, sondern gleichfalls im Verhältnis von Sozialleistungsträgern zu anderen Behörden galt. Diese Regelung ist vom Gesetzgeber im Wesentlichen unverändert in § 64 SGB X übernommen worden. Für das Bundesverwaltungsgericht folgt dies weiter "aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die die Kostenfreiheit auf Verfahren bezieht, die aus Anlass nicht nur der Beantragung, sondern auch der Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung nötig werden. Sozialleistungen werden von den Sozialleistungsträgern erbracht und an diese erstattet" (BVerwG vom 26.6.1987 a.a.O.). Dies wird auch durch eine teleologische Auslegung gestützt. Die Befreiung von den Kosten bezweckt, im Bereich der Sozialleistungen die verfügbaren, der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit dienender Mittel möglichst ungeschmälert ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zuzuführen, indem die Leistungsempfänger und Leistungsträger von vermeidbaren Kostenbelastungen freigehalten werden (BVerwG vom 18.12.1987 a.a.O.); es sollen also neben den Empfängern nur die Erbringer von Sozialleistungen privilegiert werden.

Dies zugrunde gelegt kann die Klägerin keine Kostenfreiheit geltend machen. Sie ist weder selbst Sozialleistungsträgerin noch in einer Weise in die Beantragung, Erbringung oder Erstattung von Sozialleistungen mit einer eigenen schutzwürdigen Rechtsposition eingebunden, die eine entsprechende Anwendung der Kostenbefreiungsregelung auf sie rechtfertigen würde. Auch aus § 69 Abs. 2 Nr. 2 SGB X ergibt sich keine allgemeine Gleichstellung der Klägerin mit Sozialleistungsträgern.

1. Die Klägerin ist schon nach § 12 SGB I keine Sozialleistungsträgerin, da sie in den §§ 18 bis 29 SGB I nicht aufgeführt ist. Sie erbringt oder erstattet auch in eigener Zuständigkeit oder in eigenem Namen keine Sozialleistungen. Vielmehr nimmt sie ihr tarifvertraglich übertragene Aufgaben wahr. Dies gilt auch, soweit sie in die Abführung der Winterbau-Umlage verwaltungsmäßig eingebunden ist.

1.1 Sozialleistungen i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X sind die in § 11 Satz 1 SGB I gesetzlich definierten Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die in diesem Gesetzbuch vorgesehen sind (vgl. von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, RdNr. 7 zu § 64; Diering/Timme/Waschull, LPK-SGB X, 2. Aufl. 2007, RdNr. 4 zu § 64; Hauck/Noftz, SGB X, Stand Januar 2009, RdNr. 6 zu § 64). Diese sind in den §§ 18 bis 29 SGB I enumerativ aufgezählt und in den verschiedenen weiteren Büchern des Sozialgesetzbuchs und anderen Normen näher geregelt. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen sind dagegen im Sozialgesetzbuch nicht aufgeführt, sondern beruhen auf tarifvertraglichen Regelungen (vgl. auch OVG NRW vom 22.1.2007 Az. 9 A 304/05).

Die Klägerin ist eine im Rahmen der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) geschaffene gemeinsame Einrichtung des Baugewerbes i.S. von § 4 Abs. 2 TVG. Die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Baugewerbes haben insbesondere zur Sicherung der Rechte der Arbeitnehmer sowie zur Vereinfachung der Leistungserbringung für die Arbeitgeber eine Zusatzversorgungskasse für die betriebliche Altersversorgung, sowie eine Lohnausgleichs- und Urlaubskasse tarifvertraglich eingerichtet (vgl. Löwisch/Rieble, TVG, 2. Aufl. 2004, RdNr. 159 f. zu § 4). Entsprechende Regelungen wurden insbesondere im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) vom 4. Juli 2002, im Tarifvertrag über Rentenbeihilfen im Baugewerbe (TVR) vom 31. Oktober 2002, im Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 29. Januar 1987, im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 sowie in einem mittlerweile außer Kraft gesetzten Tarifvertrag zur Förderung der Aufrechterhaltung der Beschäftigungsverhältnisse im Baugewerbe während der Winterperiode (TV Lohnausgleich) getroffen.

Nach § 2 TVR, § 3 Abs. 2 VTV hat die Klägerin die Aufgabe der Finanzierung und der Gewährung von Rentenbeihilfen an ehemalige Arbeitnehmer des Baugewerbes und deren Hinterbliebene. Für die weitere tarifvertraglich errichtete gemeinsame Einrichtung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes mit u.a. den Aufgaben der Erbringung oder Sicherung der Urlaubsvergütung und Urlaubsabgeltung (§ 8 Nr. 15 BRTV) und der Erstattung von Ausbildungskosten (§ 18 BBTV) ist die Klägerin zudem in die Finanzierung von deren Leistungen als Einzugsstelle für den Sozialkassenbeitrag (§ 3 Abs. 3, § 18 VTV) eingebunden.

Die jeweiligen Tarifverträge regeln sowohl die Beitragsbeziehung zwischen der berechtigten gemeinsamen Einrichtung und den verpflichteten Arbeitgebern, als auch die individualrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen die gemeinsame Einrichtung (Löwisch/Rieble, a.a.O., RdNrn. 186 und 190 zu § 4). Auch wenn diese Tarifverträge jeweils für allgemeinverbindlich erklärt wurden und damit Wirkung über die Tarifvertragsparteien hinaus entfalten, bleiben sie doch tarifvertragliche Regelungen für Leistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Rahmen des individuellen Arbeitsverhältnisses, sie werden nicht zu gesetzlichen (Sozial-)Leistungen (BVerfG vom 15.7.1980 BVerfGE 55, 7).

1.2 Auch die von der Klägerin in der Berufungsbegründung besonders aufgeführten Aufgaben der Ausbildungsförderung sowie der Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung sind keine Sozialleistungen i.S. von § 18 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 Nr. 3.d) SGB I. Ausbildungsförderung i.S. von § 18 Abs. 1 SGB I ist im Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (BAföG) abschließend geregelt und die Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung ist in § 59 bis § 87 SGB III abschließend geregelt (Krahmer, LPK-SGB I, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 2 und 5 zu § 18 und RdNr. 11 zu § 19); der Klägerin fallen in diesem Bereich keinerlei Aufgaben zu. Die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Ausbildungsplätzen und die Durchführung einer qualifizierten Berufsbildung im Baugewerbe ist der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse, wie ausgeführt, tarifvertraglich und damit unabhängig von gesetzlichen Regelungen übertragen (§ 18 BBTV).

1.3 Eine gewisse Besonderheit ergibt sich dagegen für die Beteiligung der Klägerin an der Finanzierung von Wintergeld und Winterausfallgeld in der Bauwirtschaft. Diese Leistungen waren in § 19 Abs. 1 Nr. 5 SGB I und in § 209 bis § 213 SGB III in den bis 31. März 2006 geltenden Fassungen als Sozialleistungen aufgeführt. Mittlerweile wurde § 19 Abs. 1 Nr. 5 SGB I zusammen mit den näheren Regelungen in § 175 a (anstelle §§ 209 ff.) und §§ 354 bis 357 SGB III durch das Gesetz zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24. April 2006 (BGBl I S. 926) neu gefasst. Im vorliegenden Fall kommt es auf die bis zum 31. März 2006 bestehende Rechtslage an. Allerdings ergibt sich auch durch die Neufassung der gesetzlichen Bestimmungen zur Winterbauförderung kein wesentlicher gesetzessystematischer Unterschied zur früheren Rechtslage (vgl. BT-Drs. 16/429 S. 1 B. sowie S. 14 f. zu Nr. 12 des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung). Insbesondere ist Voraussetzung für die Winterbauförderung, dass sich die Tarifvertragsparteien über die Aufbringung der Mittel für ergänzende Leistungen wie Wintergeld in seinen verschiedenen Formen sowie deren Erbringung an die Arbeitnehmer tarifvertraglich geeinigt haben (vgl. auch Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, RdNrn. 2 ff. zu § 209 SGB III a.F.; Ambs/Feckler u.a., GK-SGB III, Stand Mai 2009, RdNrn. 2 ff. zu § 354 SGB III n.F.).

Nach der - entsprechend den tarifvertraglichen Vereinbarungen - bis zum 31. März 2006 geltenden Rechtslage hatten alleine die Arbeitgeber des Baugewerbes die Mittel für die Winterbauförderung durch die Agenturen für Arbeit (§ 19 Abs. 2 SGB I) über eine Umlage zu erbringen (Winterbau-Umlage nach § 354 SGB III a.F.). Umlagepflichtig war danach der jeweilige Arbeitgeber, in dessen Betrieb die ganzjährige Beschäftigung zu fördern war. Für den Arbeitgeber bestand ein Wahlrecht, ob er die Umlagebeträge über die gemeinsame Einrichtung (§ 356 Abs. 1 SGB III a.F.) oder unmittelbar an die von der Bundesagentur für Arbeit für zuständig erklärte Agentur für Arbeit zahlen wollte, wobei er dann aber die Mehraufwendungen hierfür unmittelbar tragen musste (§ 356 Abs. 2 SGB III a.F.).

Gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Umlage zur Aufbringung der Mittel für das Wintergeld und das Winterausfallgeld (Winterbau-Umlageverordnung) vom 13.7.1972 (BGBl I S. 1201, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2003 BGBl I S. 2848), die aufgrund der Ermächtigung in § 357 SGB III a.F. erlassen wurde, hatte die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin als gemeinsame Einrichtung bekanntgegeben, über welche ein Arbeitgeber die Umlagebeträge abführen konnte und mit der sie ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren vereinbart hatte. Allerdings war die Klägerin insoweit nur eine "Zahlstelle", die die Umlagen der Arbeitgeber entgegennahm und an die Bundesagentur oder die von ihr benannte Stelle abführte. In diesem System hatte die Klägerin keine eigene Rechtsposition, da - anders als bei den tarifvertraglich übertragenen Aufgaben, die die Klägerin in eigenem Namen wahrnimmt - Gläubiger der Forderungen die Bundesagentur war. Demzufolge oblag die Feststellung der Umlagepflicht dem Grunde wie der Höhe nach den Arbeitsämtern bzw. Agenturen für Arbeit (Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III - Praxiskommentar, 2. Aufl. 2004, RdNrn. 36 und 37 zu § 354 SGB III a.F.).

Auch hatte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Winterbau-Umlageverordnung grundsätzlich der Arbeitgeber Beginn und Ende seiner Umlagepflicht der Bundesagentur unverzüglich zu melden. Abweichend hiervon bestand die Meldepflicht allerdings dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Umlagebeträge über eine gemeinsame Einrichtung, mit der die Bundesagentur ein vereinfachtes Abrechnungsverfahren vereinbart hatte, abführte (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Winterbau-Umlageverordnung). Verfahrensmäßig konnte also die Bundesagentur, gestützt auf § 356 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F., der Klägerin weitergehende Verwaltungsaufgaben übertragen. Eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung mit der damaligen Bundesanstalt für Arbeit vom August 1972 hat die Klägerin vorgelegt. Diese Vereinbarung trifft nähere Regelungen zum Geschäftsgang, u.a. sieht sie in Nr. 6 vor, dass die Klägerin bei nicht fristgerechtem Eingang der Umlagezahlungen diese im folgenden Monat im Namen der Bundesanstalt bei den Zahlungspflichtigen anmahnen kann mit dem Hinweis, dass von der Bundesanstalt Zwangsmaßnahmen eingeleitet werden können. Nach Nr. 7 der Vereinbarung meldet die Klägerin der Bundesanstalt die mit der Zahlung in Rückstand befindlichen Unternehmen; eine Vollstreckung durch die Klägerin ist nicht vorgesehen. Nach Nr. 11 der Vereinbarung ist die Klägerin auch nicht zu Stundungen, Verzichten, Vergleichen und ähnlichen Maßnahmen berechtigt. Aus diesen Regelungen ergibt sich ebenfalls, dass die Klägerin lediglich "Zahlstelle" für die Arbeitgeber sein soll, nicht dagegen in irgendeiner Weise mit eigenen Rechten oder Befugnissen wie ein Sozialleistungsträger ausgestattet wird.

Darüber hinaus hat die Klägerin keinerlei Funktion bei der Gewährung der Sozialleistung der Winterbauförderung. So hat der Arbeitgeber (bzw. auch der Betriebsrat) die Leistung zu beantragen, die Voraussetzungen für die Gewährung von Wintergeld und Winterausfallgeld nachzuweisen sowie die Leistungen zu errechnen und auszuzahlen (§ 320 Abs. 1 und 3, § 323 Abs. 2 SGB III a.F.; vgl. Niesel, a.a.O., RdNr. 15 zu § 209 SGB III a.F.). Die Klägerin ist damit auch insoweit kein Sozialleistungsträger, ihre verwaltungsmäßige Einbindung in die Einziehung der Umlage durch die Arbeitgeber ist kein Geschäft aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung i.S. von § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Letztlich ist die Einbeziehung der Klägerin in das System der Erhebung der Winterbau-Umlage, wobei ihr anfallende Kosten nach § 356 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. nicht erstattet werden, eine öffentlich-rechtliche Indienstnahme der Arbeitgeber, da diese - nach dem früheren Recht ausschließlich - auch die damit verbundenen Verwaltungskosten zu tragen hatten (vgl. Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, a.a.O., RdNrn. 13 bis 15 zu § 356).

Weiterhin ergibt sich aus Vorstehendem, dass die Klägerin kein eigenes Interesse an der Ermittlung möglicherweise umlagepflichtiger Betriebe hat. Denn meldepflichtig sind die Arbeitgeber unmittelbar gegenüber der Bundesanstalt bzw. Agentur für Arbeit. Die Klägerin erzielt aus ihrer Verwaltungsaufgabe bei der Entgegennahme und Weiterleitung der Umlagebeträge auch keine eigenen Einnahmen. Der eigentliche Grund für die Ermittlung von Baugewerbetreibenden - wie durch die hier strittige Gewerberegisteranfrage - ist vielmehr, dass die Klägerin die ihr und der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes im eigenen Namen aufgrund tarifvertraglicher Regelungen zustehenden Sozialkassenbeiträge nach § 18 VTV einziehen will.

2. Eine Gleichstellung der Klägerin mit Sozialleistungsträgern hinsichtlich deren Kostenbefreiung kann auch nicht aus § 69 Abs. 2 Nr. 2 SGB X hergeleitet werden, wonach die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (wie hier die Klägerin) für die Erfüllung einer gesetzlichen oder sich aus einem Tarifvertrag ergebenden Aufgabe den in § 35 SGB I genannten Stellen gleichgestellt werden. Schon aus der Systematik der Regelung zum Schutz der Sozialdaten ergibt sich, dass hieraus keinerlei Rückschlüsse auf die Bestimmung von Sozialleistungsträgern i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X gezogen werden können. Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - trennt die Regelungen zum Verwaltungsverfahren gerade von denen zum Sozialdatenschutz. Das Verwaltungsverfahren ist im Ersten Kapitel des SGB X, der Schutz der Sozialdaten ist im Zweiten Kapitel des SGB X geregelt. § 64 SGB X findet sich im Ersten, § 69 SGB X dagegen im Zweiten Kapitel des SGB X.

Zudem knüpft die in § 69 Abs. 2 Nr. 2 SGB X angeführte Gleichstellung von gemeinsamen Einrichtungen der Tarifsvertragsparteien mit den in § 35 SGB I genannten Stellen unmittelbar an die Regelung in § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X an. Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie für die Erfüllung einer Aufgabe eines in § 35 SGB I genannten Dritten erforderlich ist. Schon die Wortwahl des Gesetzgebers "Aufgabe des Dritten" zeigt die Abschichtung gegenüber den eigentlichen Sozialleistungsträgern. Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifsvertragsparteien werden darüber hinaus nur diesen "Dritten" wiederum "gleichgestellt".

Eine den Kreis der Normadressaten erweiternde Regelung wie in § 69 SGB X wurde aber in § 64 SGB X gerade nicht vorgenommen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass insoweit eine dem Gesetzgeber entgangene Gesetzeslücke besteht, die eine analoge Anwendung der Kostenfreistellungsregelung auch auf die Klägerin zuließe (vgl. auch VG Hamburg vom 6.2.2008 Az. 15 K 1956/07).

Damit ist die Berufung zurückzuweisen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 12,50 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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