Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.10.2009
Aktenzeichen: 22 BV 08.1968
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, Richtlinie 2001/18/EG, GenTG, BGB


Vorschriften:

EG Art. 234
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 2 Nr. 4
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 2 Nr. 5
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 2 Nr. 6
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 2 Nr. 10
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 3 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 4 Abs. 2
Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 Art. 12 Abs. 2
Richtlinie 2001/18/EG (Freisetzungsrichtlinie) Art. 2 Nr. 1
Richtlinie 2001/18/EG (Freisetzungsrichtlinie) Art. 2 Nr. 2
GenTG § 36 a Abs. 1
BGB § 906 Abs. 2
Die Entscheidung, ob Honig mit Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810 bzw. Pollenprodukte mit solchen Pollen mangels Zulassung als Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen, wirft Auslegungsfragen auf, die einer Vorabentscheidung über Fragen der Auslegung der Verordnung (EG) 1829/2003 über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel durch den Europäischen Gerichtshof bedürfen.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 BV 08.1968

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anbau von genetisch verändertem Mais;

hier: Berufungen der Kläger, des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Mai 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 26. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird ausgesetzt.

II. Dem Europäischen Gerichtshof werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff "genetisch veränderter Organismus" oder "GVO" gemäß Art. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel so auszulegen, dass er auch Material genetisch veränderter Pflanzen (hier Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810) erfasst, das zwar genetisch veränderte DNA und genetisch veränderte Proteine (hier Bt-Toxin) enthält, aber zu dem Zeitpunkt, in dem es in ein Lebensmittel (hier Honig) gelangt oder zur Verwendung als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel bestimmt wird, keine konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit (mehr) besitzt?

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen ist:

a) Ist es jedenfalls für Lebensmittel, die im Sinne von Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 "hergestellt aus GVO" sind, ausreichend, dass das Lebensmittel Material aus genetisch veränderten Pflanzen enthält, das zu einem früheren Zeitpunkt eine konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit besessen hat?

b) Falls dies zu bejahen ist:

Ist der Begriff "hergestellt aus GVO" i.S. von Art. 2 Nr. 10, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 so auszulegen, dass er in Bezug auf GVO keinen bewussten zielgerichteten Produktionsprozess verlangt und auch den ungewollten und zufälligen Eintrag von (früheren) GVO in ein Lebensmittel (hier Honig bzw. Pollen als Nahrungsergänzungsmittel) erfasst?

3. Für den Fall, dass die Frage 1 oder die Frage 2 zu bejahen ist:

Ist Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 so auszulegen, dass jeglicher Eintrag von in der Natur rechtmäßig vorhandenem genetisch verändertem Material in tierische Lebensmittel wie Honig deren Zulassungs- und Überwachungspflicht auslöst oder können anderweitig geltende Schwellenwerte (z.B. nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung) entsprechend herangezogen werden?

Gründe:

I.

Den Klägern des Verfahrens geht es um die Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit ihrer Imkereiprodukte (Honig und Pollen), die sie durch den Eintrag von Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810 gefährdet sehen.

Die Beigeladene zu 3 verfügt seit 1998 über eine vom französischen Landwirtschaftsminister erteilte und für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geltende Genehmigung des Inverkehrbringens von Mais der Linie MON 810, die sich sowohl auf Saatgut (zum Anbau) als auch auf bestimmte daraus hergestellte Lebensmittel (Maismehl, Maisgluten, Maisgries, Maisstärke, Maisglukose und Maisöl) bezieht. Diese Genehmigung gilt trotz ihrer mittlerweile abgelaufenen zehnjährigen Geltungsdauer aufgrund eines im Jahre 2007 bei der Europäischen Kommission gestellten Verlängerungsantrags bis zur Entscheidung der Kommission oder des Rates der Europäischen Union fort (vgl. auch Schreiben der Europäischen Kommission vom 18.1.2007 an die Mitglieder des Deutschen Bundestags Renate Künast und Ulrike Höfken). Aufgrund einer befristeten Anordnung des Ruhens der Inverkehrbringensgenehmigung durch Bescheid des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 17. April 2009 ist der Anbau von Mais der Linie MON 810 derzeit in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Die Beigeladene zu 1 ist Inhaberin der saatgutrechtlichen Sortenzulassungen, die Beigeladene zu 2 ist für den Vertrieb des auf der Maislinie MON 810 beruhenden Saatguts in Deutschland zuständig.

Der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 enthält ein Gen des Bodenbakteriums "Bacillus turingiensis (Bt)", das in der Maispflanze zur Bildung von "Bt-Toxinen" führt. Diese Bt-Toxine richten sich gegen die Raupen des Maiszünslers, einer für Mais schädlichen Schmetterlingsart, deren Larven bei einem Befall die Maispflanze in ihrer Entwicklung schwächen. Das im Bt-Mais gebildete Bt-Toxin zerstört Zellen im Verdauungstrakt der Insektenlarven und führt dadurch zu deren Tod.

Der Beklagte ist Eigentümer verschiedener zum staatlichen Versuchsgut Neuhof gehörender Grundstücke, auf denen er in den vergangenen Jahren zu Forschungszwecken genetisch veränderten Mais der Linie MON 810 angebaut hat; er schließt es nicht aus, diesen Anbau wieder aufzunehmen, sobald das zwischenzeitlich für das Bundesgebiet erlassene Anbauverbot außer Kraft tritt.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens (Kläger zu 1) ist Betreiber einer nachhaltigen Liebhaber-Imkerei und produziert Honig zum Verkauf und für den Eigenbedarf. Ferner produzierte er bis zum Jahr 2005 Pollen zum Verkauf als Lebensmittel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Er beabsichtigt die Wiederaufnahme der Pollenproduktion, sobald das Risiko des Eintrags von genetisch verändertem Pollen nicht mehr besteht. Das Bienenhaus des Klägers zu 1 ist ca. 2 km von den Anbauflächen des Beklagten entfernt. Die Kläger zu 2 bis 5, die erst im Berufungsverfahren beigetreten sind, betreiben ebenfalls nachhaltige Liebhaber-Imkereien, teilweise nur zum Eigenbedarf. Deren Bienenhäuser sind zwischen 1 km und 3 km von den Anbauflächen des Beklagten entfernt.

Im Jahr 2005 wurden im Maispollen des Klägers zu 1, der von Bienen aus in 500 m Entfernung zum Versuchsgut aufgestellten Bienenstöcken gesammelt worden war, MON 810-DNA (4,1% in Relation zur Gesamt-Mais-DNA) sowie transgene Proteine (Bt-Toxin) festgestellt. Auch im Honig des Klägers zu 1 wurde zwischenzeitlich in einzelnen Proben in sehr geringen Mengen MON 810-DNA nachgewiesen, die von dem Eintrag von Pollen dieses Maises stammt. In den Imkereiprodukten der Kläger zu 2 bis 5 ist bisher keine MON 810-DNA nachgewiesen worden.

Die Kläger begehren vom Beklagten in erster Linie Maßnahmen, die verhindern sollen, dass ihre Bienen mit Pollen des Maises der Linie MON 810 in Berührung kommen und hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit des bisherigen oder künftigen Anbaus dieser Maislinie. Weiter hilfsweise begehren sie die Feststellung, dass ihre Imkereiprodukte durch Pollen des Maises der Linie MON 810 wesentlich beeinträchtigt (und damit nicht mehr verkehrs- oder verbrauchsfähig) sind.

Die Klage des Klägers zu 1 hatte vor dem Verwaltungsgericht nur insoweit Erfolg, als die hilfsweise Feststellung beantragt war, dass seine Imkereiprodukte, soweit sie nachweisbar Bestandteile von Pollen des Maises der Linie MON 810 enthalten, wesentlich beeinträchtigt sind, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen: Der Honig des Klägers zu 1 sei bei einem Eintrag von Pollen der Linie MON 810 wesentlich beeinträchtigt, da er dadurch ein Lebensmittel sei, das nicht über die erforderliche Zulassung nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 verfüge und damit gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung nicht in Verkehr gebracht werden dürfe. Gleiches gelte für den Pollen selbst.

Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger zu 1 als auch die Beigeladenen zu 1 und 2 und der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Der Beklagte und die Beigeladenen machen geltend: Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sei auf Pollen der Maislinie MON 810, der sich im Honig befinde oder als Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden solle, von vornherein nicht anwendbar, weil mit deren Zulassung zur Freisetzung in der Natur nach der Richtlinie 2001/18/EG (Freisetzungsrichtlinie) die Folgen eines (geringfügigen) natürlichen Eintrags in Lebensmittel geprüft und daher mitgenehmigt worden seien. Pollen in Honig oder als Nahrungsergänzungsmittel stelle keinen GVO im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 dar, weil der Pollen in dem Zeitpunkt, in dem er in den Honig gelange oder zur Verwendung als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel bestimmt werde, keine konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit mehr besitze und das bloße Vorhandensein transgener DNA und/oder transgener Proteine hierfür nicht ausreiche. Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sei jedenfalls auf Honig als tierisches Lebensmittel nicht anwendbar. Andernfalls müsse eine einschränkende Auslegung der Zulassungsvorschriften dieser Verordnung dahingehend vorgenommen werden, dass eine Zulassung des Honigs bei einem zufälligen Eintrag von in der Natur rechtmäßig vorhandenem Pollen der Linie MON 810 erst ab einem Schwellenwert von 0,9% erfolgen müsse.

II.

Zu den relevanten Rechtsvorschriften:

1. Gemeinschaftsrecht

a) Die maßgeblichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1) - im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 -:

Art. 2 (Begriffsbestimmungen), soweit hier von Interesse, lautet:

Für die Zwecke dieser Verordnung...

4. gelten die Definitionen für "Organismus"..., die in der Richtlinie 2001/18/EG festgelegt sind;

5. bezeichnet "genetisch veränderter Organismus" oder "GVO" einen genetisch veränderten Organismus im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2001/18/EG...

6. bezeichnet "genetisch veränderte Lebensmittel" Lebensmittel, die GVO enthalten, daraus bestehen oder hergestellt werden;...

10. bezeichnet "hergestellt aus GVO" vollständig oder teilweise aus GVO abgeleitet, aber keine GVO enthaltend oder daraus bestehend;

11. bezeichnet "Kontrollprobe" den GVO oder sein genetisches Material (positive Probe) oder den Elternorganismus oder sein genetisches Material, der/das für die Zwecke der genetischen Veränderung genutzt worden ist (negative Probe);

Art. 3 Abs. 1 (Geltungsbereich) lautet:

(1) Dieser Abschnitt (gemeint Abschnitt 1 Zulassung und Überwachung) findet Anwendung auf

a) zur Verwendung als Lebensmittel/in Lebensmitteln bestimmte GVO,

b) Lebensmittel, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen,

c) Lebensmittel, die aus GVO hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden.

Art. 4 Abs. 2 und 5 lautet:

(2) Niemand darf einen zur Verwendung als Lebensmittel/in Lebensmitteln bestimmten GVO oder ein in Art. 3 Abs. 1 genanntes Lebensmittel in Verkehr bringen, wenn der Organismus oder das Lebensmittel nicht über eine gemäß diesem Abschnitt erteilte Zulassung verfügt und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen erfüllt....

(5) Eine Zulassung im Sinne von Absatz 2 kann nur auf der Grundlage dieser Verordnung und nach den darin festgelegten Verfahren erteilt, versagt, erneuert, geändert, ausgesetzt oder widerrufen werden....

Art. 12 Abs. 1 und 2 (Geltungsbereich) lautet:

(1) Dieser Abschnitt (gemeint Abschnitt 2 Kennzeichnung) gilt für Lebensmittel, die als solche an den Endverbraucher oder an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung innerhalb der Gemeinschaft geliefert werden sollen und die

a) GVO enthalten oder daraus bestehen oder

b) aus GVO hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus GVO hergestellt werden.

(2) Dieser Abschnitt gilt nicht für Lebensmittel, die Material enthalten, das GVO enthält, aus solchen besteht oder aus solchen hergestellt ist, mit einem Anteil, der nicht höher ist als 0,9% der einzelnen Lebensmittelzutaten oder des Lebensmittels, wenn es aus einer einzigen Zutat besteht, vorausgesetzt, dieser Anteil ist zufällig oder technisch nicht zu vermeiden.

b) Daneben ist von Relevanz Art. 2 der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl. L 106 vom 17.4.2001, S. 1) - im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG -, der, soweit hier von Relevanz, lautet:

Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

1. "Organismus": jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen;

2. "genetisch veränderter Organismus (GVO)": ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist.

2. Nationales Recht

§ 36 a Abs. 1 Gentechnikgesetz (eingeführt durch Gesetz vom 21.12.2004 BGBl I 2005 S. 186) - im Folgenden: GenTG - lautet:

(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

1. nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder...

§ 906 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.1.2002 BGBl. I S. 42) - im Folgenden: BGB - lautet: (2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch die ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Besitzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

III.

Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO auszusetzen, und es ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Fragen der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 einzuholen (Art. 234 EG). Die vorgelegten Fragen zur Auslegung dieser Verordnung sind entscheidungserheblich (1) und bedürfen im Hinblick auf die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof (2).

1. Die Entscheidungserheblichkeit der gestellten Fragen für den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die vorgelegten Fragen sind für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über den Hilfsantrag der Kläger erheblich. Über diesen Hilfsantrag wird der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden haben. Denn der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der bisherige und - nach Auslauf der nur temporär wirkenden Ruhensanordnung vom 17. April 2009 - voraussichtlich künftige Anbau von Mais der Linie MON 810 auf dem Versuchsgut Neuhof bei fortbestehender Inverkehrbringensgenehmigung und Einhaltung der guten fachlichen Praxis rechtlich zulässig und von den Klägern zu dulden ist (§ 906 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 BGB). Hilfsweise beantragt ist die Feststellung, dass die Imkereiprodukte der Kläger bei einem (nachgewiesenen) Eintrag von Pollen der Maislinie MON 810 auf Grund des Anbaus dieser Maislinie auf dem Versuchsgut Neuhof wesentlich beeinträchtigt sind. Der Hilfsantrag scheitert nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht an Zulässigkeitsbedenken. Er dient der Klärung des Nachbarschaftsverhältnisses zwischen dem Beklagten, der versuchsweise Mais der Linie MON 810 anbaut, und benachbarten Imkern. Das berechtigte Interesse an einer solchen Feststellung besteht im Hinblick auf eine Richtschnur für die künftige Betriebsführung und mögliche Ausgleichsansprüche in Geld (vgl. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Für die Frage, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Imkereiprodukte vorliegt, kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob diese Produkte bei einem Eintrag von Pollen der Linie MON 810 aufgrund von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 mangels Zulassung als genetisch veränderte Lebensmittel nicht mehr in den Verkehr gebracht oder jedenfalls nur unter Hinweis auf die genetische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. § 36 a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GenTG). Beides ist nur der Fall, soweit die Imkereiprodukte mit Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810 in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 fallen.

2. Zur Erläuterung der Klärungsbedürftigkeit der Vorlagefragen:

a) Zu Vorlagefrage 1:

Mit dieser Frage soll geklärt werden, ob es sich bei Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810 zu dem Zeitpunkt, in dem er in den Honig gelangt bzw. als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel Verwendung finden soll, überhaupt um einen "genetisch veränderten Organismus" oder "GVO" im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 handelt und daher genetisch veränderte Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a oder b der Verordnung vorliegen können. Dies ist aus folgenden Gründen nicht eindeutig durch Auslegung zur ermitteln:

Gemäß Art. 2 Nrn. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 wird hinsichtlich der Begriffe "Organismus" bzw. "genetisch veränderter Organismus" oder "GVO" auf die Definitionen in der Richtlinie 2001/18/EG verwiesen. Gemäß Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2001/18/EG ist ein "genetisch veränderter Organismus (GVO)" ein Organismus mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Ein "Organismus" ist dabei jede biologische Einheit, die fähig ist, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen. Es ist offensichtlich, dass es sich bei Pollen von Mais zunächst um einen Organismus im Sinne der zweiten Alternative dieser Definition handelt, da er sich zwar nicht selbst vermehren, aber unter natürlichen Bedingungen als männliche Geschlechtszelle genetisches Material, nämlich seinen haploiden Chromosomensatz, auf die weiblichen Geschlechtszellen zur Vervollständigung des diploiden Chromosomensatzes übertragen kann. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Maispollen seine Fähigkeit zur Fortpflanzung (Befruchtung einer weiblichen Maisblüte) innerhalb relativ kurzer Zeit aufgrund von Austrocknung verliert. Dabei ist nach wissenschaftlichen Stellungnahmen von Zeiträumen zwischen 20 Minuten und vier Stunden bzw. längstens 20 bis 36 Stunden auszugehen. Nachdem der Honig (einschließlich eingetragener Pollen) von den Bienen in Waben eingelagert und gedeckelt wird sowie bis zur Erntefähigkeit reifen muss, ist davon auszugehen, dass der im Honig eingeschlossene Maispollen kein funktionsfähiger lebender Organismus mehr ist. Gleiches gilt für den Pollen in Pollenprodukten zu dem Zeitpunkt, zu dem sie zur Verwendung als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel bestimmt werden.

Es spricht einiges dafür, dass ein "Organismus" im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG und damit auch im Rahmen der darauf verweisenden Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 nur als funktionstüchtige bzw. lebende biologische Einheit verstanden wird und es nicht ausreicht, dass die (abgestorbenen) Maispollen transgene DNA (bzw. transgene Proteine) enthalten (so auch OVG Berlin-Bbg vom 27.6.2007 Az. 11 S 54.07 in juris). Nach dem Begriff des "Organismus" im Sinne der Richtlinie 2001/18/EG scheint es als erforderlich, dass die enthaltene Erbinformation auch auf einen entsprechenden Empfänger zur Rekombination konkret weitergegeben werden kann und eine bloße abstrakte typische Vermehrungs- oder Übertragungsfähigkeit der Spezies nicht ausreicht. Für die Annahme, dass allein der Transport, die Konservierung oder der Nachweis genetischen Materials keine Definitionskriterien für einen "Organismus" oder ein "GVO" sein können, spricht der Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2001/18/EG. Dort ist davon die Rede, dass lebende Organismen, die in großen oder kleinen Mengen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt freigesetzt werden, sich in dieser fortpflanzen und sich über Landesgrenzen hinaus ausbreiten können, wodurch andere Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen werden können. Der Anknüpfungspunkt der Richtlinie 2001/18/EG, auf der die Definition in der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 basiert, scheint somit die Lebensfähigkeit und damit verbundene Fortpflanzungsfähigkeit zu sein, und nicht nur der bloße Transport von DNA, die sich auf natürliche Weise nicht mehr selbständig vermehren kann. Für diese Auslegung spricht auch, dass die Europäische Kommission den Begriff des "Organismus" im Gentechnikrecht auch anderweitig so verstanden hat (vgl. dessen Definition in dem "Handbook for the Implementation of Directive 90/220/EEC on the Deliberate Release of Genetically Modified Organisms to the Environment", Vol. I, 1992, S. 17, der Europäischen Kommission). Auch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 scheint in ihrem Art. 2 Nr. 11 streng zwischen einem GVO und seinem genetischen Material zu unterscheiden, wobei andererseits das Vorhandensein sowohl des GVO als auch seines genetischen Materials als "positive Probe" bezeichnet wird.

Auf der anderen Seite könnte ein solches Verständnis von "GVO" dem Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 widersprechen, die zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier nur sichere, gesunde und den höchstmöglichen Anforderungen standhaltende Lebensmittel/Futtermittel in den Verkehr bringen lassen will (vgl. etwa deren Erwägungsgründe 1 bis 3 und 9). Mit diesem Schutzzweck könnte es nicht vereinbar sein, dass Lebensmittel, die genetisch veränderte DNA oder Proteine in unbegrenzter Höhe enthalten, - vorbehaltlich der Vorlagefrage 2 - aus dem Schutzbereich der Verordnung ausgenommen werden. Insoweit könnte es im Rahmen der VO (EG) Nr. 1829/2003 im Hinblick auf für den Menschen sichere Lebensmittel weniger auf die Frage der konkreten Fortpflanzungsfähigkeit des GVO ankommen, sondern bereits das Vorhandensein von genetisch verändertem Material von Relevanz sein. Jedenfalls waren dies die maßgeblichen Erwägungen der durch Art. 37 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 aufgehobenen Verordnungen (EG) Nrn. 1139/98 (ABl. L 159 vom 3.6.1998 S. 4) und 49/2000 (ABl. L 6 vom 11.1.2000, S. 13). Diese Verordnungen, die zusätzliche Anforderungen an die Etikettierung von Lebensmitteln (u.a. von genetisch verändertem Mais) aufgestellt haben, haben nur Lebensmittel ausgenommen, bei denen kein Material aus genetisch veränderten Organismen, also weder genetisch veränderte Proteine noch genetisch veränderte DNA, enthalten war (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung [EG] Nr. 1139/98 in der Fassung der Verordnung [EG] Nr. 49/2000). Grund hierfür war, dass beim Vorhandensein solchen Materials erhöhter Prüfbedarf gesehen wurde (vgl. Erwägungsgrund 13 der VO [EG] Nr. 1139/98).

b) Zu Vorlagefrage 2:

aa) Diese Vorlagefrage schließt in ihrem ersten Teil (a) an Frage 1 an, soweit diese zu verneinen sein sollte. Auch wenn Lebensmittel wie Honig oder Pollenprodukte mangels konkret-individueller Fortpflanzungsfähigkeit des Pollen keine GVO (mehr) enthalten, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sie im Sinne von Art. 2 Nr. 10, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 "aus GVO hergestellt" sind. Denn nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung bezeichnet "hergestellt aus GVO" vollständig oder teilweise aus GVO abgeleitet, aber keine GVO enthaltend oder daraus bestehend. Insoweit könnte es ausreichend sein, dass Pollen der Maislinie MON 810, wie oben unter a ausgeführt, zu einem früheren Zeitpunkt - also bevor er in das Lebensmittel gelangt oder zu einem solchen bestimmt worden ist - diese konkret-individuelle Fortpflanzungsfähigkeit besessen hat. Es müsste dann allerdings rechtlich unerheblich sein, dass im vorliegenden Fall nicht die Herstellung selbst - dies könnte hier nur das Verbringen des Materials in das Lebensmittel sein - unmittelbar und kausal zur Zerstörung der GVO-Eigenschaft geführt hat.

bb) Im Falle der Bejahung des ersten Teils der Frage stellt sich in dem zweiten Teil (b) die weitere Frage, ob unter "hergestellten" Lebensmitteln in diesem Sinne nur solche zu verstehen sind, die in Bezug auf GVO, also Pollen der Maislinie MON 810, einen bewussten, zielgerichteten Produktionsprozess durchlaufen, oder davon auch Lebensmittel erfasst sind, die einen ungewollten und zufälligen Eintrag der Pollen enthalten.

Im vorliegenden Fall wird bei der Herstellung von Imkereiprodukten durch die Kläger in keiner Weise das Ziel verfolgt, Pollen der Maislinie MON 810 einzubeziehen. Was die Herstellung von Honig als tierisches Lebensmittel angeht, ist ein bestimmter Anteil von Pollen von den Klägern ebenfalls nicht gewollt. Die Bienen sammeln Pollen im Gegensatz zum Blütennektar nicht zur Honigerzeugung, sondern beispielsweise zur Aufzucht ihrer Larven und Jungbienen. Pollen wird von den Bienen an ihren Hinterbeinen und an ihrem Haarkleid in den Bienenstock transportiert und gerät dabei durch die Bienen selbst oder beim späteren Schleudern der Waben - letztlich ungewollt und zufällig - auch in den Honig. Der Pollen gelangt - im Gegensatz zum Blütennektar - in der Regel nicht in den "Honigmagen" der Biene und ist auch deshalb nicht Teil der Erzeugung des Honigs durch das Tier. Der Pollen ist damit keine "Zutat" dieses Lebensmittels, sondern ein produkttypischer Fremdkörper wie auch andere kleine Partikel (Bienenbeine, Wachsreste ect.). Soweit aus dem Begriff "hergestellt" zu schließen wäre, dass der (frühere) GVO nach dem Durchlaufen eines gewissen Produktionsprozesses bewusst und zielgerichtet in das Lebensmittel gelangen muss, um ein "aus GVO hergestelltes" Lebensmittel zu sein, wäre Honig kein solches Lebensmittel. Er wäre es nur, wenn auch ausreichend ist, dass das (frühere) GVO (Pollen) der Maislinie MON 810 ungewollt und zufällig (hier durch Bienen) eingetragen wird.

c) Zu Vorlagefrage 3:

Für den Fall, dass Frage 1 oder Frage 2 zu bejahen ist, wäre grundsätzlich davon auszugehen, dass die Imkereiprodukte mit Pollen der Maislinie MON 810 genetisch veränderte Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Nr. 6, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 sind. Nachdem die Imkereiprodukte selbst nicht als Lebensmittel zugelassen sind - weder nach der bestehenden Inverkehrbringensgenehmigung noch auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 - unterfallen sie dem Wortlaut der Verordnung nach dem Verbot des Inverkehrbringens gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung.

Insoweit stellt sich aber die Frage, ob die Vorschriften der Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 entgegen ihrem Wortlaut einschränkend dahin ausgelegt werden können, dass sie tierische Lebensmittel wie Honig, die allenfalls einen äußerst geringen, knapp über der Nachweisgrenze liegenden Eintrag von genetisch veränderten Pflanzen, hier Pollen der genetisch veränderten Maislinie MON 810 enthalten, nicht erfassen. Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte:

Die Organe der Europäischen Gemeinschaft, die für die nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 erforderliche Zulassung als Lebensmittel gemäß Art. 7 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 der Verordnung zuständig sind, nämlich die Europäische Kommission und der sog. Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit, halten wohl zumindest die Zulassungsvorschriften der Verordnung auf Honig mit genetisch verändertem Pollen nicht für anwendbar. Der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit hat diese Beurteilung in seiner Sitzung vom 23. Juni 2004 damit begründet, dass Honig ein tierisches Produkt sei und deshalb, wenn er von nicht genetisch veränderten Bienen produziert wird, nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung falle (vgl. summary record of meeting Nr. 1 c unter http://ec.europa.eu/food/committees/regulatory/scfcah/mo-dif_genet/summary02_en.pdf). Darüber hinaus haben der Ständige Ausschuss in seiner Sitzung vom 13. Juni 2002 (vgl. summary record of meeting Nr. 7 a unter http://ec.europa.eu/food/committees/regulatory/scfcah/general_food/sum-mary02_en.pdf) und die Europäische Kommission in der Antwort auf eine schriftliche Anfrage vom 8. Juni 1998 (ABl. C 354 vom 19.11.1998, S. 53) jeweils in Bezug auf die Verordnung (EG) Nr. 258/97 (Novel Food), die durch die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 (vgl. Art. 38) insoweit abgelöst worden ist, das Vorliegen eines neuartigen Lebensmittels verneint. Als Begründung wurde vom Ständigen Ausschuss angegeben, es handle sich um eine unvermeidbare Verunreinigung in sehr geringer Größenordnung, die es auch aus Sicherheitsgründen nicht rechtfertige, solchen Honig vom Markt zu nehmen.

Inwieweit der Umstand, dass es sich bei Honig um ein tierisches Lebensmittel handelt, maßgeblich sein könnte, erscheint unklar. Der Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 dürfte nicht einschlägig sein, da das Lebensmittel Honig vorliegend nicht "mit" einem GVO hergestellt worden ist und Honig mit einem Eintrag von MON 810-Pollen mit den dort genannten Fallgruppen nicht vergleichbar ist. Eine einschränkende Auslegung der Zulassungsvorschriften der Verordnung könnte jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie er im Erwägungsgrund 24 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zum Ausdruck kommt, gerechtfertigt sein. Der Eintrag von transgenem Maispollen erfolgt nicht zielgerichtet und kann gerade bei einem großflächigen Anbau von genetisch verändertem Mais wegen des nicht kontrollierbaren Flugs der Bienen praktisch nicht vermieden werden. Der Eintrag ist zudem äußerst gering (Honig enthält insgesamt Pollen etwa in einer Größenordnung von 0,1 bis 0,5%; der Anteil von GVO-Pollen liegt in der Regel knapp über der Nachweisgrenze). Angesichts des Umstands, dass Mais der Linie MON 810 im Rahmen der Erteilung der Inverkehrbringensgenehmigung einer Risikobewertung unterzogen wurde, die alle potentiell negativen Umweltauswirkungen berücksichtigt hat (vgl. Antwort der Kommission vom 8.6.1998, a.a.O.), könnte es unter Sicherheits- und Gesundheitsaspekten mit dem Schutzzweck der Verordnung vereinbar sein, das Inverkehrbringen des Honigs mit MON 810-Pollen bis zu einem gewissen Schwellenwert nicht unter das Verbot des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 fallen zu lassen. Hinzu kommt vorliegend, dass für verschiedene Produkte wie Maismehl, Maisgluten etc. , die aus MON 810 hergestellt werden oder Zutaten enthalten, die aus MON 810 hergestellt werden, eine Zulassung als Lebensmittel besteht. Es erschiene eine rein formalistische, in der Sache unangemessene Forderung, trotz dieser erfolgten Risikobewertungen auch nur mit geringsten Spuren dieser Maislinie verunreinigte Lebensmittel vom Markt nehmen zu müssen. Die erfolgten Risikobewertungen könnten es rechtfertigen, bis zu einem gewissen Schwellenwert von nicht bestehenden Risiken für die menschliche Gesundheit auszugehen und demnach auch im Hinblick auf den Vorsorgegrundsatz eine einschränkende Auslegung der Zulassungsvorschriften vorzunehmen (vgl. Urteil des EuGH vom 9.9.2003, C-236/01, Monsanto Agricoltura Italia u.a., Slg. 2003, I-8105, RdNr. 111 m.w.N.).

Andererseits sprechen gegen eine solche einschränkende Auslegung der Zulassungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 womöglich Wortlaut und Systematik der Verordnung und deren Schutzzweck. Gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 kann eine Zulassung (von Lebensmitteln) im Sinne von dessen Absatz 2 nur auf der Grundlage der Verordnung und nach den darin festgelegten Verfahren erteilt, versagt, erneuert, geändert, ausgesetzt oder widerrufen werden. Die Verordnung enthält zudem selbst Ausnahmeregelungen vom Verbot des Inverkehrbringens nicht nach der Verordnung zugelassener Lebensmittel. Dies gilt zunächst für bereits existierende Erzeugnisse (vgl. Art. 8 der Verordnung). Dies gilt weiter für bestimmte bereits geprüfte Erzeugnisse bei "positiver Risikobewertung" für das zufällige oder technisch nicht zu vermeidende Vorhandensein von Material aus transgenen Lebensmitteln bis zu einer Schwelle von 0,5% (vgl. die mittlerweile abgelaufene Vorschrift des Art. 47 der Verordnung). Bereits die nur übergangsweise bis 18. April 2007 geltende Vorschrift des Art. 47 der Verordnung weist darauf hin, dass der Verordnungsgeber die Möglichkeit eines zufälligen Vorhandenseins transgenen Materials gesehen und insoweit (beschränkten) Regelungsbedarf gesehen hat. Dafür, dass der Verordnungsgeber die Tolerierung eines solchen zufälligen Vorhandenseins abschließend geregelt haben könnte, spricht auch, dass die Verordnung in Art. 12 Abs. 2 einen weiteren Schwellenwert für zufällig vorhandenes transgenes Material enthält (0,9%), bis zu dem (zugelassene) genetisch veränderte Lebensmittel ohne Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen. Diese ausdrückliche Festlegung eines tolerierten Schwellenwerts zufälliger Verunreinigungen kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs so ausgelegt werden, dass das Fehlen der Festlegung eines solchen Schwellenwerts an anderer Stelle bedeutet, dass im Übrigen keinerlei zufällige Verunreinigung toleriert wird (vgl. Urteil des EuGH vom 1.4.2004, C-286/02, Bellio F. Ili Srl, Slg. 2004, I - 3465, RdNr. 53). Auch der bereits oben (unter a.) angesprochene Schutzzweck der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 1 bis 3 und 9) könnte dafür sprechen, dass ein genetisch verändertes Lebensmittel nicht in Verkehr gebracht werden darf, wenn der GVO nicht auf die konkrete verwendungsspezifische Wirkung hin geprüft worden ist.

Ende der Entscheidung

Zurück