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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.11.2002
Aktenzeichen: 22 CS 02.2335
Rechtsgebiete: WHG, BayWG, VwZVG


Vorschriften:

WHG § 7
WHG § 15
BayWG Art. 96
BayWG Art. 97
VwZVG Art. 29 Abs. 3
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 32
VwZVG Art. 38 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
22 CS 02.2335

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

wegen wasserrechtlicher Anordnung, Zwangsgeldandrohung

(Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. August 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 7. November 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich gegen eine am 4. Juni 2002 erlassene Zwangsgeldandrohung, mit der die Antragsgegnerin ihn zur vollständigen Erfüllung der aus einem Bescheid vom 11. Dezember 1986 folgenden Verpflichtung zur Wiederherstellung einer Stauanlage anhalten will.

Der seit 1992 bestandskräftige Bescheid richtete sich an die damalige Inhaberin der Anlage. Diese ließ in der Folgezeit trotz mehrfacher Androhung und Beitreibung von Zwangsgeldern die geforderten Sanierungsmaßnahmen nur teilweise durchführen, wobei die Arbeiten vom Antragsteller ausgeführt wurden. Mit notariell beurkundeten Erklärungen vom 15. Mai 1996 und 22. Mai 2002 übertrug die frühere Inhaberin ihr im Wasserbuch eingetragenes Benutzungsrecht mit der zugehörigen Stauanlage auf den Antragsteller, der gleichzeitig alle damit zusammenhängenden Rechte und Pflichten übernahm und sich insbesondere zur unverzüglichen Durchführung der Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen aus dem Bescheid vom 11. Dezember 1986 verpflichtete.

Gegen die Zwangsgeldandrohung vom 4. Juni 2002 legte der Antragsteller Widerspruch ein und beantragte zugleich gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Die von ihm bisher durchgeführten Arbeiten hätten nicht nur der angeordneten Sanierung des Stauwehrs gedient, sondern auch der geplanten Wiedererrichtung der früher bestehenden Triebwerksanlage zur Stromgewinnung, was bereits zu erheblichem Mehraufwand geführt habe. Sobald mit dem Bau der Triebwerksanlage begonnen werden könne, würden die noch fehlenden Abschnitte der angeordneten Sanierung hinfällig; ihre Ausführung führe daher zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung.

Mit Beschluss vom 16. August 2002 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag ab. Der aus dem unanfechtbaren Grundverwaltungsakt als Rechtsnachfolger verpflichtete Antragsteller habe die Sanierungspflichten unstreitig nicht vollständig erfüllt. Da nach fachbehördlicher Einschätzung eine Genehmigung der geplanten Wasserkraftanlage nicht in Kürze bevorstehe, sei für den Antragsteller die geforderte Erfüllung seiner Pflichten unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Hochwasserschutz nicht unverhältnismäßig.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsätzen vom 26. September und 6. November 2002 begründet wurde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des angegriffenen Beschlusses im vorliegenden Verfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), lassen keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung erkennen.

1. Zu Unrecht trägt der Antragsteller vor, der Bescheid vom 11. Dezember 1986 sei durch die der angegriffenen Zwangsgeldandrohung beigefügte Aufzählung der noch fehlenden Sanierungsmaßnahmen inhaltlich abgeändert worden. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Konkretisierung und Präzisierung der nach heutigem Stand noch zu erfüllenden Pflichten.

Die in Ziff. 1.1. des Sanierungsbescheids geforderte Wiederherstellung der bedienbaren Schützenanlage umfasste auch die von dort zum rechten Ufer führende Spundwand. Nachdem diese ursprünglich bestehende Wand offenbar im Zuge der Errichtung der neuen Schützenanlage bzw. der Baustelleneinrichtung beseitigt wurde, konnte im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ihre fachgerechte Neuerrichtung als Spundwand oder Betonwand mit schleierartigem Überfall verlangt werden.

Bisher nicht erfüllt hat der Antragsteller die in Ziff. 1.4 des Bescheids vom 11. Dezember 1986 geregelte Verpflichtung, zur Feststellung des Umfangs der geforderten Kolksicherungsmaßnahmen am Stauwehr eine Kolktiefenmessung durch einen Wasserbausachverständigen durchführen zu lassen. Diese Grundverfügung ging entgegen seinem Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht deshalb ins Leere, weil es sich bei dem zu sichernden Bauteil nach wasserwirtschaftlicher Terminologie nicht um ein Holzkastenwehr, sondern um ein Steinwehr mit nachgebautem Holzkasten als Unterspülschutz handeln könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass eine insoweit mögliche Fehlbezeichnung seitens der Behörde den Regelungsinhalt für den Bescheidsadressaten als nicht mehr hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) und damit als nicht vollstreckungsfähig erscheinen ließe. Soweit das Vorbringen des Antragstellers auf die fehlende Notwendigkeit einer Kolksicherung abzielt, kann dies im vorliegenden Vollstreckungsverfahren keine Berücksichtigung finden (Art. 38 Abs. 3 VwZVG). Dem Antragsteller bleibt es aber unbenommen, durch die geforderte Bestätigung eines Sachverständigen nachzuweisen, dass eine ordnungsgemäße Kolksicherung bereits besteht und zusätzliche Maßnahmen nicht erforderlich sind.

2. Von den seiner Rechtsvorgängerin auferlegten Sanierungsmaßnahmen, insbesondere der noch unerfüllten Verpflichtung zur Wiederherstellung des Bedienungsstegs zur Schützenanlage (Ziff. 1.2 des Bescheids vom 11. Dezember 1986), ist der Antragsteller als daran gebundener Einzelrechtsnachfolger (vgl. Stadie, DVBl 1990, 501/506 ff.) nicht deshalb (vorläufig) befreit, weil er von Anfang an die Wiedererrichtung einer Turbinenanlage beabsichtigt hat, deren Bau die noch ausstehenden Sanierungsschritte entbehrlich werden ließe. Bloße Planungen können die tatsächlich bestehende wasserwirtschaftliche Situation nicht ändern und damit die Bindung an den bestandskräftigen Sanierungsbescheid nicht entfallen lassen. Die Verwirklichung des Projekts steht auch nicht mit so hoher Wahrscheinlichkeit in unmittelbarer Zukunft bevor, dass eine Fortsetzung der Vollstreckung zum gegenwärtigen Zeitpunkt unverhältnismäßig wäre (vgl. Art. 29 Abs. 3 VwZVG).

Zwar hat der Antragsteller erstmals im Beschwerdeschriftsatz bekundet, dass er an seinem ursprünglichen Vorhaben, die Wasserkraftanlage aus Gründen der Wirtschaftlichkeit mit einer Stauerhöhung um 0,38 m zu verbinden (zuletzt Antragsschreiben vom 3. Juni 2002), nicht mehr festhalten und sich auf die bloße Wiedererrichtung einer Triebwerksanlage "auf der Grundlage des alten Nutzungsrechts" beschränken wolle. Auch damit ist aber die Notwendigkeit eines zeitaufwändigen wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Betroffenenbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung aller Voraussicht nach nicht entfallen (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 7 WHG i.V.m. Art. 16, 83 Abs. 2 BayWG; Nr. 13.14 der Anlage 1 z. UVPG). Ein Altrecht im Sinne des § 15 Abs. 1 WHG bestand nach Maßgabe der Art. 96, 97 BayWG zugunsten der früheren Inhaberin nur insoweit, als die ursprünglich bestehende Triebwerksanlage eine Gewässerbenutzung zur Stromgewinnung mit Hilfe der früher vorhandenen vier (offenen) Wasserräder zuließ. Von diesem altrechtlichen Nutzungsumfang ist der nunmehr beabsichtigte Einbau einer modernen Wasserkraftanlage mit zwei Kaplanturbinen (vgl. Schreiben des Ingenieurbüros Haase vom 21. August 2002) wegen der Unterschiede in Art und Maß der Gewässerbenutzung (vgl. Knopp, in: Sieder/Zeitler, WHG, § 7 RdNr. 10) nicht mehr gedeckt, so dass dafür ein neues wasserrechtliches Gestattungsverfahren erforderlich wird. Dieser Einschätzung folgt nunmehr auch das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg (Schreiben vom 1. Oktober 2002), dessen frühere gegenteilige Äußerung offenbar auf der Fehlvorstellung beruhte, der Antragsteller wolle die Altanlage in ihrer ursprünglichen Gestalt rekonstruieren. Nicht mehr entscheidungserheblich ist hier die weitere Frage, ob nach dem mit Änderungsbescheid vom 26. März 1976 genehmigten Ausbau der früheren Wasserräder und Radkästen nicht ohnehin das seit längerem nicht mehr ausgeübte Benutzungsrecht durch konkludenten Verzicht (vgl. BayVGH vom 7. 7. 1997 BayVBl 1998, 694 m.w.N.) oder kraft Gesetzes entsprechend der bis zum Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes geltenden Bestimmungen der Art. 61 und 63 BayWG 1907 erloschen ist (vgl. Gieseke/Wiedemann/ Czychowski, WHG, § 15 Anm. 14 d) bzw. analog § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 WHG jederzeit entschädigungslos widerrufen werden kann (Dahme, in: Sieder/Zeitler, WHG, § 15 RdNr. 31 m.w.N.).

Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller im übrigen auf eine Passage im bestandskräftigen Bescheid vom 11. Dezember 1986, wonach erst der Umstand, dass die Stadtwerke Erlangen seinerzeit den Plan zur Errichtung einer neuen Wasserkraftanlage aufgegeben hätten, zur Wiederaufnahme des Verfahrens auf Erlass der Sanierungsanordnung geführt habe, da andernfalls eine kostspielige Instandsetzung trotz unmittelbar bevorstehender Auflassung der Stauanlage angeordnet worden wäre (S. 5 des Bescheids). Aus der damaligen Einschätzung, dass die Sanierung der Anlage kurz vor ihrer Außerbetriebsetzung oder Beseitigung unzumutbar gewesen wäre, kann unter den heutigen Umständen kein Anspruch auf Aussetzung der Vollstreckung abgeleitet werden. Zum einen geht es vorliegend nicht mehr um die Frage, ob der Zustandsverantwortliche überhaupt in Anspruch genommen werden soll, sondern nur noch um die Durchsetzung einer seit langem bestandskräftig festgestellten Verpflichtung, deren Erfüllung der Antragsteller ausdrücklich übernommen hat. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die langjährigen Bemühungen des Antragstellers um eine wirtschaftliche Nutzung der Stauanlage zur Stromgewinnung, denen die Antragsgegnerin durch die Zurückstellung von Vollstreckungsmaßnahmen in der Vergangenheit schon mehrfach Rechnung getragen hat, bisher nicht einmal zur Vorlage prüffähiger Pläne geführt haben, während die angeordnete Sanierung bereits weit fortgeschritten ist. In dieser Situation gebührt dem öffentlichen Interesse an einer Herstellung rechtmäßiger Zustände eindeutig der Vorrang gegenüber dem rein finanziellen Interesse des Antragstellers, eine kostengünstigere Gesamtlösung verwirklichen zu können. Auch das in der Beschwerdebegründung hervorgehobene öffentliche Interesse an einer Nutzung regenerierbarer Energiequellen muss hier zurücktreten hinter dem ebenfalls von Art. 20 a GG erfassten Interesse an einer möglichst umgehenden Beseitigung der mit dem gegenwärtigen Anlagenzustand verbundenen erheblichen Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes (s. Lichtbilder vom 17. Juni 1999, Bl. 176 d. Akten) und insbesondere des Hochwasserabflusses (s. Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 16. Oktober 2002).

3. Der Antragsteller kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, statt des Zwangsgelds (Art. 31 VwZVG) habe die Antragsgegnerin die Ersatzvornahme (Art. 32 VwZVG) androhen müssen. Wie sich aus der Regelung des Art. 32 Satz 2 VwZVG ergibt, stellt die Ersatzvornahme im Verhältnis zum Zwangsgeld nicht das mildere Mittel, sondern die stärker belastende Vollstreckungsmaßnahme dar, die zur Erzwingung vertretbarer Handlungen nur subsidiär eingesetzt werden darf (Giehl, VwZVG, Art. 32 Anm. 3). Im Verzicht auf eine rechtlich mögliche Ersatzvornahme kann daher im Regelfall kein Verstoß gegen das vollstreckungsrechtliche Übermaßverbot liegen, auf den sich der Betroffene berufen könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das erstmals angedrohte Zwangsgeld von vornherein ungeeignet gewesen wäre, den wirtschaftlich solventen Antragsteller zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Dass durch eine Ersatzvornahme der rechtlich gebotene Zustand auf direkterem Wege hergestellt werden kann als durch die nur mittelbar wirksame Androhung und Beitreibung von Zwangsgeldern, ändert nichts an dessen rechtlichem Vorrang als Regelzwangsmittel (vgl. BayVGH vom 13. 2. 1985 BayVBl 1985, 501).

4. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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