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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 22 CS 03.2095
Rechtsgebiete: BImSchG, 4. BImSchV


Vorschriften:

BImSchG § 4 Abs. 1
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1
BImSchG § 19
BImSchG § 52
4. BImSchV § 1 Abs. 1 Satz 4
4. BImSchV § 2 Abs. 1
Kein Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung des Betriebsumfangs einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage, wenn nur die Art des Genehmigungsverfahrens (§§ 10, 19 BImSchG) und nicht auch die Wahrung materiell-rechtlicher Anforderungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) davon abhängt.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 03.2095

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juli 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 11. September 2003

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen.

III. Der Streitwert wird unter Abänderung von Nr. 3 des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juli 2003 für beide Instanzen auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juli 2003 hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses.

Mit der vorliegenden Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, durch die Genehmigung der geplanten Anlage zur Lagerung brennbarer Gase sowie zum Abfüllen und Lagern von Flüssiggasflaschen werde sie als Eigentümerin des u.a. mit einer Tennishalle bebauten Nachbargrundstücks in ihren Rechten verletzt, da die Einhaltung der nach dem Bescheid vom 10. Februar 2003 höchstzulässigen Gesamtlagermenge von 29,99 Tonnen Propangas im laufenden Betrieb nicht durch ausreichende Auflagen gesichert sei. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin zum Erfolg zu verhelfen.

Es ist bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bereits nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf Begrenzung des von der Anlagenbetreiberin insgesamt in Anspruch genommenen Lagervolumens zustünde. Sie kann sich auf keine drittschützenden Normen des materiellen Rechts berufen, die für Flüssiggastanks, Abfüllanlagen und damit verbundene Flaschenlager eine mengenmäßige Beschränkung der jeweiligen Gasvorräte vorsehen. Die im Bescheid festgesetzte Höchstzahl von 29,99 Tonnen erfüllt somit keine unmittelbare Schutzfunktion zugunsten der Nachbarn. Sie dient vielmehr dazu, aus verfahrensrechtlichen Gründen die Einhaltung der in der Betriebsbeschreibung genannten Anlagengröße auf Dauer sicherzustellen. Nur bei einem Gesamtfassungsvermögen der Anlage von weniger als 30 Tonnen kann die erforderliche Genehmigung in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt werden (§ 4 Abs. 1 BImSchG, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV i.V.m. Nr. 9.1 Spalte 2 lit. b des Anhangs zur 4. BImSchV). Diese Obergrenze ist hier nicht überschritten, obwohl der bereits früher genehmigte Erdtank 26,5 Tonnen fasst und das neu hinzu kommende Flaschenlager eine maximale Aufnahmekapazität von 21 Tonnen aufweist. Die für die Verfahrensart maßgebliche Leistungsgrenze bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchV nicht allein nach dem tatsächlich möglichen Betriebsumfang, sondern auch nach dem rechtlich zulässigen Maß, wie es sich aus dem Inhalt der beantragten oder erteilten Genehmigung ergibt (vgl. BayVGH vom 29. 5. 1998, NVwZ 1998, 1191/1192 m.w.N.). Danach ist die vorliegende Genehmigung zu Recht im vereinfachten Verfahren erteilt worden, nachdem sich bereits der zugrunde liegende Antrag der Beigeladenen auf eine Anlage mit einer Gesamtlagermenge von 29,99 Tonnen bezog (Schreiben vom 19. August 2002).

Die darauf bezogene Auflage Nr. 3.1.1 im Genehmigungsbescheid vom 10. Februar 2003, wonach die Einhaltung der zugelassenen Lagermenge durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen sei, hat nach den bisher erkennbaren Umständen auch nicht etwa deshalb eine (zusätzlich) nachbarschützende Funktion, weil bei Ausschöpfung der technisch möglichen Gesamtkapazität von 46,5 Tonnen bereits die Sicherheit der Anlage in Frage gestellt wäre. Für die diesbezüglichen Befürchtungen der Antragstellerin fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Aus den ausführlichen Gutachten des TÜV Süddeutschland vom 18. Oktober und 5. Dezember 2002 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 16. Dezember 2002 geht nicht hervor, dass die sicherheitstechnischen Anforderungen der Druckbehälterverordnung sowie der Störfallverordnung nur bei einer Beschränkung des Lagervolumens auf weniger als 30 Tonnen eingehalten würden. Nicht das Gesamtgewicht des auf dem Gelände gelagerten Gases, sondern die Menge des durch Undichtigkeiten oder Fehlhandlungen möglicherweise freigesetzten Gases bestimmt nach Einschätzung der Sachverständigen das Gefahrenpotential, wobei der DN-80-Flansch im Tankkopfraum die dimensionierende Leckgröße zur Ermittlung von Auswirkungen der betrachteten Schadensszenarien im Hinblick auf die Nachbarbebauung darstellt (Stellungnahme vom 16. Dezember 2002, S. 2). In den vorliegenden Gutachten werden demgemäss keine besonderen Vorkehrungen zur Einhaltung der genehmigten Gesamtlagermenge gefordert, sondern eine Vielzahl anderer, auf die technischen Betriebsabläufe bezogener Maßnahmen vorgeschlagen, die von der Genehmigungsbehörde als Auflagen in den Bescheid übernommen worden sind.

Selbst wenn die Antragstellerin als Drittbetroffene nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einen Anspruch darauf hätte, dass die Menge des gelagerten Propangases im Erdtank und im Flaschenlager zusammengerechnet zu keinem Zeitpunkt mehr als 29,99 Tonnen beträgt, würde diese Anforderung durch den Genehmigungsbescheid hinreichend erfüllt. Der Beigeladenen wird durch die erwähnte Auflage Nr. 3.1.1 zwingend vorgeschrieben, die Einhaltung der festgesetzten Obergrenze durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen. Mit der Angabe in ihrem Erläuterungsschreiben vom 30. September 2002, dass zu diesem Zweck eine EDV-geführte Lagerbuchhaltung eingesetzt werde, hat sie einen geeigneten, der externen Kontrolle zugänglichen Weg aufgezeigt, um ihre Verpflichtung wirksam erfüllen zu können. Da auf das erwähnte Schreiben, das auch einen behördlichen Genehmigungsvermerk trägt, im Bescheid vom 10. Februar 2003 zur näheren Erläuterung des Genehmigungsinhalts ausdrücklich verwiesen wird, ist sie an diese Form der fortlaufenden Dokumentation ihrer Lagerbestände rechtlich gebunden. Damit wird auch einer etwaigen Schutzverpflichtung gegenüber Dritten ausreichend Rechnung getragen. Die von der Antragstellerin geäußerte Befürchtung, die Erfüllung der Auflage Nr. 3.1.1. sei weitgehend in das Ermessen der Beigeladenen gestellt, findet hiernach in den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten keine Grundlage.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen mussten in der angegriffenen Genehmigung für die zu ermittelnden Daten über den jeweiligen Gesamtbestand keine speziellen Speicherungspflichten der Betreiberin oder Kontrollbefugnisse der Behörde festgeschrieben werden. Ausreichende Informationsmöglichkeiten zur Überwachung des Anlagenbetriebs bestanden schon nach den allgemeinen Bestimmungen des § 52 BImSchG. Dabei durfte - im Unterschied zu den allein im Interesse des Immissionsschutzes gefertigten Aufzeichnungen über bestimmte Geräuschquellen (Nrn. 3.2.2 bis 3.2.4 der Auflagen) - von der Vollständigkeit und ständigen Verfügbarkeit des auch im Betreiberinteresse geführten elektronischen Bestandsverzeichnisses ausgegangen werden, so dass die jederzeitige Überprüfbarkeit aktueller wie auch zurückliegender Betriebszustände sichergestellt war.

Bestehen somit insgesamt keine Anhaltspunkte für eine mögliche Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die angegriffene Genehmigung, so muss die im Eilverfahren anzustellende Interessenabwägung zu Gunsten der Beigeladenen ausfallen und die vorliegende Beschwerde damit ohne Erfolg bleiben.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG i.V.m. I.7 Satz 1, II.1.2 und II.16.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563).

Ende der Entscheidung

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