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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.11.2003
Aktenzeichen: 22 CS 03.2469
Rechtsgebiete: WHG, BayWG
Vorschriften:
WHG § 31 Abs. 2 Satz 2 | |
WHG § 31 Abs. 5 Satz 3 | |
BayWG Art. 68 Abs. 3 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen wasserrechtlicher Beseitigungsanordnung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. August 2003,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner
ohne mündliche Verhandlung am 7. November 2003
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. August 2003 wird abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Miltenberg vom 14. Juli 2003 wird wiederhergestellt mit der Maßgabe, dass die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn der Antragsteller nicht bis spätestens am 28. Februar 2004 beim Landratsamt Miltenberg einen Antrag auf wasserrechtliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung für die streitgegenständliche Ausbaumaßnahme in ihrer derzeit bestehenden Form gestellt und die dafür erforderlichen Pläne und Beilagen (Art. 77 Abs. 2 BayWG) vollständig vorgelegt hat.
II. Im Übrigen wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Wasserrechtsbehörde, mit der ihm die weitgehende Beseitigung einer auf seinem Grundstück entlang eines Bachlaufs errichteten Barriere aus sog. L-Steinen aufgegeben wird. Seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 20. August 2003 ab. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens trug der Antragsteller u.a. vor, er habe die aus Gründen des Hochwasserschutzes aufgestellten Steine zwischenzeitlich so weit abschneiden lassen, dass sie nunmehr die gleiche Höhe hätten wie eine früher dort befindliche, wegen Baufälligkeit abgerissene Sandsteinmauer.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO statthafte sowie form- und fristgerecht erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat im Wesentlichen Erfolg. Zwar lässt sich im vorliegenden Eilverfahren, das nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ermöglicht, wegen unzureichender Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse noch keine gesicherte Prognose über die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs treffen; der Ausgang des anhängigen Widerspruchs- und eines etwa nachfolgenden Klageverfahrens muss als offen bezeichnet werden. Eine Abwägung ergibt aber, dass das Interesse des Antragstellers, von irreversiblen Vollzugsmaßnahmen bis zur hinreichenden Ermittlung der wasserrechtlich relevanten Umstände verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Beseitigung eines weiteren Teils der Uferbefestigung überwiegt.
Die auf Art. 68 Abs. 3 BayWG gestützte Anordnung, die zum Schutz vor Hochwasser aus dem angrenzenden L******bach errichtete, mittlerweile um ca. 0,35 m abgesenkte Staumauer aus sog. L-Steinen im oberen Bereich um weitere ca. 0,40 m abzutragen, kann nicht allein auf das Fehlen einer formellen wasserrechtlichen Gestattung für diese Baumaßnahme und die daraus (derzeit) resultierende materielle Illegalität (§ 1a Abs. 4 Nr. 2 WHG) gestützt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Wasserrechtsbehörde vor dem Erlass ordnungsbehördlicher Maßnahmen grundsätzlich zu prüfen, ob die illegal vorgenommene Maßnahme tatsächlich zu einer konkreten Beeinträchtigung wasserrechtlicher Belange führt und damit auch künftig materiell nicht gestattungsfähig ist (BVerwG vom 10. 2. 1978, BayVBl 1978, 472/473; vom 22. 8. 1997, Az. : 11 B 31/97; vom 29. 12. 1998, Az.: 11 B 56/98). Die Behörde verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn sie gegen eine ungenehmigte wasserrechtliche Gewässerbenutzungs- oder Gewässerausbaumaßnahme abschließend vorgeht, ohne zuvor die Möglichkeit einer Legalisierung ernsthaft geprüft zu haben (BVerwG vom 28. 2. 1991, NVwZ-RR 1991, 461; vom 21. 12. 1993, NVwZ-RR 1994, 202 f.).
Im vorliegenden Fall lässt sich nach den bisherigen Äußerungen des Landratsamts und des als wasserwirtschaftliche Fachbehörde (Art. 75 Abs. 2 BayWG) beteiligten Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens nicht hinreichend sicher beurteilen, ob dem als Gewässerausbau zu qualifizierenden Hochwasserdamm (§ 31 Abs. 2 Satz 2 WHG) auch in seiner jetzigen reduzierten Form zwingende Versagungsgründe oder überwiegende wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen, die eine nachträgliche Legalisierung ausschließen. Als eine unbedingt zu erhaltende "natürliche Rückhaltefläche" im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 3 WHG dürfte das im bebauten Innenbereich gelegene Grundstück Fl. Nr. 2317 nicht anzusehen sein (vgl. OVG RP vom 24. 2. 2000, NuR 2000, 342/343). Nach den nicht substantiiert bestrittenen Angaben des Antragstellers über das Aufnahmevolumen seines Grundstücks und die Höhe der Schutzmauern entlang der angrenzenden Grundstücke kann auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der von den abgeschnittenen L-Steinen gebildete, unstreitig nur bei kleineren Hochwasserereignissen wirksame Damm eine messbare und damit "erhebliche" Erhöhung der Hochwassergefahr im Sinne der genannten Vorschrift bewirkt. Wie die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 1. Oktober 2003 zeigt, liegen dort bisher weder hydraulische Berechnungen über mögliche Auswirkungen auf die bachauf- und bachabwärts gelegenen Nachbargrundstücke noch konkrete Erkenntnisse über die Wirksamkeit der jeweiligen Uferbefestigungen vor, so dass die Zahlenangaben des Antragstellers hinsichtlich der wasserwirtschaftlichen Irrelevanz seiner Baumaßnahme gegenwärtig nicht als widerlegt oder auch nur als unplausibel angesehen werden können.
Bei der Prüfung einer möglichen wasserrechtlichen Gestattungsfähigkeit muss berücksichtigt werden, dass die strittigen L-Steine die frühere Ufermauer aus Sandstein ersetzen sollen, deren Sanierung dem Antragsteller trotz möglicherweise fehlenden Bestandsschutzes wohl schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und einer angemessenen Nutzung seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) kaum hätte verwehrt werden können. Nach den vorliegenden Fotos scheint die streitgegenständliche Betonsteinmauer allerdings auch in ihrer jetzigen Form noch um einige Zentimeter höher zu sein als die frühere Mauer; insoweit geben die vom Antragsteller vorgelegten Geländeschnitte die wirklichen Verhältnisse wohl nicht zutreffend wieder. Die somit anzunehmende Änderung der bisherigen Abflusssituation dürfte aber keine so gravierenden wasserwirtschaftlichen Auswirkungen haben, dass ohne genauere Sachprüfung von der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Bauwerks ausgegangen werden könnte. Solange die Wasserrechtsbehörde kein realisierbares Gesamtkonzept zur Bereinigung der Hochwassergefahr vorlegt, kann sie den Wunsch eines durch Überschwemmungen vorgeschädigten Anliegers nach Gestattung wirksamerer Schutzmaßnahmen auch nicht von vornherein mit der Begründung abweisen, dass an der bisherigen Gesamtsituation des Gewässers generell nichts geändert werden solle. Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn durch die Zulassung einer Einzelmaßnahme ein Bezugsfall für eine Vielzahl ähnlich betroffener Grundstücke entstünde, bedarf hier keiner Klärung. Bisher bestehen nämlich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die auf dem Grundstück des Antragstellers abzuwehrende Überschwemmungsgefahr mit der auf den Nachbargrundstücken unmittelbar vergleichbar wäre.
Nachdem die tatsächlichen Verhältnisse, von denen die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung abhängt, bisher nicht ausreichend ermittelt worden sind, kann die sofortige Vollziehbarkeit des angegriffenen Bescheids nicht weiter aufrechterhalten bleiben. Auf der anderen Seite darf aber auch nicht außer Betracht bleiben, dass der Antragsteller sich über das gesetzliche Gestattungserfordernis bewusst hinweggesetzt und bis heute keine Bemühungen zur Legalisierung der Anlage unternommen hat. Die gerichtliche Aussetzung des Sofortvollzugs erscheint daher insgesamt nur interessengerecht, wenn der Behörde zumindest nachträglich die Gelegenheit zur umfassenden wasserrechtlichen Prüfung auf der Grundlage vollständiger Pläne gegeben wird. Der Fortbestand des in diesem Beschluss angeordneten Suspensiveffekts wird daher gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO im Sinne einer auflösenden Bedingung davon abhängig gemacht, dass der Antragsteller innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist einen Antrag auf wasserrechtliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung stellt und die dafür erforderlichen Unterlagen vorlegt.
Kosten: § 154 Abs. 1; § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Ende der Entscheidung
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