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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.03.2004
Aktenzeichen: 22 CS 03.3202
Rechtsgebiete: VwGO, GastG, GG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
GastG § 1 Abs. 1
GastG § 15 Abs. 2
GastG § 4 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 03.3202

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerruf der Gaststättenerlaubnis (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. November 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 8. März 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller erhielt mit Bescheid des Landratsamts O******** vom 11. Mai 1994 die gaststättenrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Imbisswirtschaft in dem Wohn- und Geschäftsgebäude L*******straße ** in F*****. Die Erlaubnis galt für den Ausschank alkoholfreier Getränke sowie für die Abgabe von Pizzas. Der Antragsteller erhielt mit weiterem Bescheid des Landratsamts vom 22. August 1997 die gaststättenrechtliche Erlaubnis, in dem genannten Anwesen in erweiterten Räumen mit Bereitstellung von Sitzgelegenheiten alkoholische und alkoholfreie Getränke auszuschenken sowie Pizzas abzugeben. Der Antragsteller baute in der Folgezeit das genannte Anwesen um und bezog zusätzlich einen Nebenraum in seine Gaststätte ein (Feststellung vom 22.7.1998). Mit Bescheid vom 20. Dezember 2002 erteilte das Landratsamt die bauaufsichtliche Genehmigung der Nutzungsänderung zum Einbau eines Imbissbetriebs in dem bestehenden Wohn- und Geschäftsgebäude in der L*******straße **. Die Öffnungszeit des Imbissbetriebs wurde auf die Tagzeit (bis 22.00 Uhr) beschränkt (Nr. 6 des Bescheids). Dem lag ein verwaltungsgerichtlicher Vergleich mit betroffenen Nachbarn zugrunde, der auf einem beschlussmäßigen Vorschlag des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. März 2002 beruhte. Für den Fall eines Verstoßes gegen diese "Auflage Nr. 6" wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro angedroht. Mit Bescheid vom 11. Februar 2003 erteilte das Landratsamt die gaststättenrechtliche Erlaubnis zur Erweiterung der bestehenden Schank- und Imbisswirtschaft (Erhöhung der Zahl der Gastplätze aufgrund der Vergrößerung des Gastraums). Auf die baurechtliche Beschränkung der Betriebszeit auf die Tagzeit wurde ausdrücklich hingewiesen.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2003 teilte das Landratsamt O******** dem Antragsteller mit, es lägen Anzeigen der Polizeiinspektion F***** über einen Zeitraum von acht Tagen vor, wonach die Gaststätte des Antragstellers pflichtwidrig noch nach 22.00 Uhr betrieben worden sei: am 30. April bis 0.30 Uhr, am 6. Mai bis 23.00 Uhr, am 7. Mai bis 22.30 Uhr und am 8. Mai bis 23.00 Uhr. Das Landratsamt teilte dem Antragsteller dazu folgendes mit: "Sollte es in nächster Zeit zu erneuten Verstößen gegen die Öffnungszeit der Gaststätte kommen, ist das Landratsamt gehalten, ihre Gaststättenerlaubnis zu widerrufen und den Fortbetrieb des Lokals zu untersagen". Der Antragsteller teilte dem Landratsamt daraufhin telefonisch mit, die anwesenden Personen seien nur Freunde von ihm gewesen. Der Antragsteller gab an, die Öffnungszeit künftig einhalten zu wollen. Mit Schreiben vom 3. Juni 2003 stellte das Landratsamt das angedrohte Zwangsgeld fällig.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2003 teilte die Polizeiinspektion F***** dem Landratsamt folgendes mit: "...Tatsache ist, dass das Lokal beinahe täglich länger als vereinbart geöffnet hat. Zudem hat Herr K. bei gutem Wetter noch Tische und Stühle im Freien (an der Zufahrt zum Parkplatz) stehen. Gegenüber den kontrollierenden Beamten zeigt sich der Betroffene äußerst uneinsichtig und bringt ständig hervor, dass ihm die längere Öffnung erlaubt sei bzw. ihm alles egal sei, da er Geld verdienen müsse". Bei einer Kontrolle durch die Polizeiinspektion F***** am 31. Mai 2003 waren nach Polizeiangaben um 23.45 Uhr im Nebenraum der Gaststätte noch acht Personen mit teilweise vollen Gläsern anzutreffen. Nach Feststellungen der Polizeiinspektion F***** vom 14. Juni 2003 hatte der Antragsteller in der Hofeinfahrt neben der Gaststätte ein 2,2 m x 2,95 m großes Podest mit 80 cm hohem Geländer errichtet, wo Gästebewirtung stattfand, ohne dass hierfür eine gaststättenrechtliche Erlaubnis vorlag. Bei einer Kontrolle durch die Polizeiinspektion F***** am 20. Juni 2003 befanden sich nach Polizeiangaben um 22.50 Uhr ca. acht Gäste sowohl in der Imbissstube als auch auf dem genannten Podest mit mehreren, teils noch halbvollen Bierflaschen. Nach Polizeiangaben existierte ein öffentlicher Aushang an der Eingangstür der Gaststätte, wonach diese Freitags und Samstag bis 1.00 Uhr und ansonsten bis 23.00 Uhr geöffnet habe. Der Antragsteller zeigte sich nach Polizeiangaben "uneinsichtig und provokant".

Mit Bescheid vom 11. August 2003 widerrief das Landratsamt die Gaststättenerlaubnis vom 11. Februar 2003, verlangte die Einstellung des Gaststättenbetriebs bis zum 30. August 2003 und ordnete hierfür die sofortige Vollziehbarkeit an. Des Weiteren wurde für den Fall der Nichtbeachtung der Einstellungsverpflichtung ein Zwangsgeld angedroht. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 12. August 2003 zugestellt.

Der Antragsteller legte Widerspruch ein und beantragte am 22. August 2003 beim Bayer. Verwaltungsgericht Augsburg die Wiederherstellung von dessen aufschiebender Wirkung.

In der Folgezeit stellte die Stadt F***** fest, dass sich am 31. August 2003 um ca. 22.20 Uhr immer noch Gäste in der Gaststätte des Antragstellers aufhielten. Die Polizeiinspektion F***** stellte am 10. September 2003 um 22.45 Uhr fest, dass in der Gaststätte des Antragstellers noch drei Gäste sich aufhielten. Am 4. November 2003 um 22.40 Uhr stellte sie fest, dass noch fünf Gäste in der Gaststätte waren und aus Getränkedosen tranken. Am 7. November 2003 befanden sich der Polizeiinspektion F***** zufolge um 22.18 Uhr noch zwei Personen im Gastraum und war die Gaststätte um diese Zeit noch geöffnet, ebenso am 11. November 2003 um 23.05 Uhr.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab (Beschluss vom 20.11.2003).

Der Antragsteller hat Beschwerde eingelegt.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Antragsgegner verweist auf Feststellungen der Polizeiinspektion F*****, wonach am 1. Februar 2004 um 23.20 Uhr in der Gaststätte des Antragstellers noch voller Betrieb herrschte und die Gaststätte erst gegen 23.50 Uhr endgültig geschlossen wurde. Am 4. Februar 2004 herrschte um 22.40 Uhr noch reger Gaststättenbetrieb; es befanden sich noch acht Gäste mit Essen und Trinken im Lokal.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 7 VwGO), rechtfertigen es nicht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts vom 11. August 2003 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Die Einwände gegen die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 3 VwGO greifen nicht durch. In Wirklichkeit handelt es sich hier um keine formellen Einwände, sondern es wird die Argumentation des Landratsamts in der Sache angegriffen. Der Antragsteller wendet sich gegen die Bewertung seines prozessualen Verhaltens und die Erwartung, dass er den Rechtsweg ausschöpfen werde. Diese Überlegungen sind indes nicht zu beanstanden. Sie ermöglichen der Behörde die erforderliche Abschätzung, welcher Zeitraum der gebotenen Interessenabwägung bei der Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zu Grunde zu legen war. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind diejenigen Folgen abwägungserheblich, die bei einem Aufschub der Maßnahmen für die Dauer des Rechtsstreits zu befürchten sind (BVerfG vom 13.8.2003, NJW 2003, 3617).

Der Antragsteller macht weiter geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs einer Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG setze im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG voraus, dass eine weitere Berufstätigkeit während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse (vgl. BVerfG vom 13.8.2003, NJW 2003, 3617 und BVerfG vom 24.10.2003, NJW 2003, 3618/3619). Daran fehle es hier. Dieser Argumentation des Antragstellers kann nicht gefolgt werden. Dass der Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Lärmeinwirkungen zur Nachtzeit ein wichtiges Gemeinschaftsgut sein kann, ist nicht ernstlich zu bezweifeln. Im Hinblick auf die "Lebensnotwendigkeit" ungestörten Schlafs (BVerwG vom 5.11.1985, GewArch 1986, 96/98) besteht insofern ein qualifiziertes Schutzbedürfnis (BayVGH vom 20.4.1995, BayVBl 1995, 465/467). Dass es im konkreten Fall des Antragstellers und seiner Nachbarschaft eines Betriebsendes um 22.00 Uhr bedarf, um schädliche Lärmeinwirkungen auf die Nachbarschaft zur Nachtzeit zu vermeiden, ist im vorangegangenen baurechtlichen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren verbindlich geklärt worden. Es besteht kein Anlass, bei den gaststättenrechtlichen Auseinandersetzungen eine andere Beurteilung zugrundezulegen. Ein Gaststättenbetrieb widerspricht u.a. dann im Hinblick auf seine örtliche Lage dem öffentlichen Interesse im Sinn des § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wenn er mit Vorschriften des Bauplanungsrechts unvereinbar ist (BVerwG vom 17.10.1989, GewArch 1990, 29/31). Die vorliegende baurechtliche Regelung mag für den Antragsteller ungünstig sein, aber er muss sich nach ihr richten. Dass dem wichtigen Gemeinschaftsgut des Schutzes der Nachbarschaft vor schädlichen Lärmeinwirkungen zur Nachtzeit konkrete Gefahren drohen, ist nach dem vom Antragsteller gezeigten Verhalten nicht zweifelhaft. Die geltende Betriebszeitbeschränkung für die Nachtzeit wird vom Antragsteller beharrlich missachtet. Dieses Verhalten ist für den Verwaltungsgerichtshof entgegen der Auffassung des Antragstellers bis zum Tag der gerichtlichen Entscheidung von Bedeutung, in gleicher Weise, wie es auch für die Entscheidung über den Widerspruch erheblich sein wird. Maßgeblich für die Entscheidung in der Hauptsache ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten, den Widerruf betreffenden Behördenentscheidung; dies ist hier der noch ausstehende Widerspruchsbescheid (vgl. BVerwG vom 16.12.1987, GewArch 1988, 233). Der Antragsteller ist nach seinem eigenen Sachvortrag entweder nicht willens oder nicht in der Lage, sich an die geltende Betriebszeitbeschränkung zu halten. Daran hat sich auch unter dem Druck des gerichtlichen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nichts geändert. Die Tendenz des Antragstellers, seine Gäste zu seinen Freunden zu erklären, mit denen er in seinem Lokal nur privat zusammensitzen will, lässt insofern keine positive Entwicklung erwarten. Das Ziel, den Anwendungsbereich des Gaststättengesetzes zu verlassen, lässt sich so nicht erreichen. Ein Gaststättengewerbe im Sinn des § 1 Abs. 1 GastG betreibt auch, wer "Freunde" bewirtet; anders wäre es nur, wenn die Zugänglichkeit auf ganz bestimmte Einzelpersonen beschränkt bliebe, wofür hier kein Anhaltspunkt besteht (vgl. Metzner,GastG, 6. Aufl. 2002, RdNr. 67 zu § 1, m.w.N.). Die Tatsache, dass der Antragsteller die Betriebszeitbeschränkung selbst im Winter nicht einhält, lässt für den Sommer mit verändertem Gästeverhalten (späterer Beginn des Gaststättenbesuchs) nicht erwarten, dass er sich dann im Wesentlichen daran halten wird.

Die Bedenken des Antragstellers gegen die Angemessenheit einer Abwicklungsfrist vom 12. August 2003 bis zum 30. August 2003 greifen nicht durch; konkrete, den Betrieb des Antragstellers betreffende Hindernisse werden insofern nicht genannt.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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