Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.03.2008
Aktenzeichen: 22 CS 07.2769
Rechtsgebiete: SchfG


Vorschriften:

SchfG § 11 Abs. 2 Nr. 1
SchfG § 13 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 07.2769

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. September 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 4. März 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk W******** * durch Bescheid der Regierung von S******* vom 30. Juli 2007, der kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§ 11 Abs. 4 SchfG). Der Bescheid ist darauf gestützt, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche und fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufs nicht mehr besitze. Diese Feststellung basiert in erster Linie auf einem im Rahmen einer aufsichtlichen Überprüfung des Kehrbezirks erstellten Gutachten eines Sachverständigen des Kaminkehrerhandwerks, des Obermeisters W******, vom 2. Mai 2007, in dem dem Antragsteller aufgrund der Anzahl und der Erheblichkeit der bei der Begutachtung des Kehrbezirks am 23. April 2007 festgestellten Mängel keine ordentliche Kehrbezirksführung bescheinigt werden konnte.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage ab (Beschluss vom 21.9.2007).

Der Antragsteller hat Beschwerde eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den mit Bescheid vom 30. Juli 2007 ausgesprochenen Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister anzuordnen. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend wird ausgeführt:

Die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Annahme, dass der Antragsteller nicht die erforderliche persönliche oder fachliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufs besitzt (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG), weil er seine ihm als Bezirksschornsteinfegermeister gesetzlich zugewiesenen Berufspflichten schwerwiegend und länger andauernd verletzt hat und eine künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht erwartet werden kann, hat der Antragsteller nicht entkräften können. Das Verwaltungsgericht hat diese Feststellung zu Recht mit den Ergebnissen der von der Regierung von S******* am 27. März 2007 angeordneten Überprüfung des Kehrbezirks des Antragstellers unter Berücksichtigung des bereits in der Vergangenheit an den Tag gelegten beruflichen Verhaltens des Antragstellers begründet.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht bei der Überprüfung der Richtigkeit der Prognose, es sei eine künftige ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Antragsteller nicht zu erwarten, ergänzend auch das berufliche Verhalten des Antragstellers vor seiner endgültigen Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk W******** * zum 1. Januar 2004 herangezogen hat. Bei der Beurteilung, ob ein Bezirksschornsteinfegermeister die persönliche und fachliche Zuverlässigkeit zur Ausübung seines Berufs hat, kommt es entscheidend darauf an, ob er nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit die Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Berufspflichten bietet (vgl. Musielak/ Schira/Manke, SchfG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 4 zu § 11 m.w.N.). Im Rahmen einer solchen Gesamtschau kann neben aktuellem Fehlverhalten ergänzend auch Fehlverhalten in der Vergangenheit berücksichtigt werden, wie vorliegend Verhalten des Antragstellers, das bereits bei der Führung eines anderen Kehrbezirks bzw. bei der probeweisen Führung des Kehrbezirks W******** * zu Beanstandungen Anlass gegeben hat.

Soweit der Antragsteller anführt, die Ergebnisse der aktuellen Überprüfung seines Kehrbezirks W******** * seien nicht als Entscheidungsgrundlage bezüglich seiner Zuverlässigkeit geeignet, da er wegen urlaubsbedingter Abwesenheit am Überprüfungstermin (23. April 2007) nicht habe teilnehmen können, kann dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller rechtzeitig vom Termin verständigt wurde und nur wegen eines unter Verletzung seiner Informationspflicht angetretenen Urlaubs von mehr als einer Woche (vgl. § 19 VOSch) nicht teilnehmen konnte (vgl. Seite 17 des Beschlussabdrucks); darüberhinaus hatte der Antragsteller vor Erlass des Bescheids vom 30. Juli 2007 sowie im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens hinreichend Gelegenheit, sich zu den festgestellten Mängeln zu äußern. Der mit der Begutachtung des Kehrbezirks beauftragte Obermeister hat sich in Kenntnis der Äußerung des Antragstellers vom 29. Juni 2007 nicht veranlasst gesehen, seinen Überprüfungsbericht vom 2. Mai 2007 und insbesondere seine Bewertung abzuändern, dass dem Antragsteller eine ordnungsgemäße Kehrbezirksführung nicht bescheinigt werden könne (vgl. Stellungnahme des Obermeisters W****** vom 13.7.2007, Bl. 57 f. der Akten der Regierung).

Soweit der Antragsteller verschiedene im Gutachten vom 2. Mai 2007 aufgeführte Verstöße als nicht erfolgt darstellt, verkennt er, dass das Verwaltungsgericht auf diese nicht abgestellt hat, sondern die sonstigen, von ihm weitgehend eingeräumten Beanstandungen des Obermeisters als ausreichend angesehen hat, ein gravierendes Fehlverhalten des Antragstellers bei der Führung seines Kehrbezirks zu bejahen, das - für sich gesehen - die Annahme rechtfertigt, dass er unzuverlässig sei (vgl. Seite 12 des Beschlussabdrucks). Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei den überprüften Anwesen, bei denen wesentliche Mängel festgestellt wurden, um im Rahmen der aufsichtlichen Überprüfung gezielt ausgewählte Objekte gehandelt hat oder nicht. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass § 26 Abs. 2 SchfG, der auch nicht anlassbezogene Überprüfungen zulässt, eine lediglich stichprobenartige Auswahl nicht vorschreibt, und es auf der Hand liegt, dass bei einer - wie hier - anlassbezogenen Überprüfung Anwesen ausgewählt werden, bei denen schon der Verdacht einer mangelhaften Arbeitsausführung besteht. Auch der Einwand des Antragstellers, die Beanstandungen im Gutachten vom 2. Mai 2007 stützten sich teils auf nicht verifizierbare Angaben von Bewohnern, insbesondere was den Bezugszeitpunkt der Anwesen betrifft, ist nicht stichhaltig. Unabhängig davon, dass kein Grund ersichtlich wäre, warum die Anwohner einen früheren Bezugszeitpunkt der Anwesen angeben sollten, hat der Antragsgegner deren Angaben bereits vor Erlass des Bescheids (vgl. Bl. 37 der Akten der Regierung) sowie ergänzend im Beschwerdeverfahren durch einen Abgleich mit dem Melderegister überprüft; das Vorliegen einer ausreichenden Tatsachengrundlage, die ein Fehlverhalten und eine daraus resultierende Prognose begründen kann, konnte insoweit vom Antragsteller nicht in Frage gestellt werden.

Der Antragsteller geht auf die vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss im Einzelnen aufgelisteten zahlreichen Verstöße nicht ein, die seine Kehr- und Überprüfungspflichten nach § 13 Abs. 1 SchfG i.V.m. der Kehr- und Überprüfungsordnung (KÜO), den Bestimmungen der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (1. BImSchV) und der Bayerischen Bauordnung (BayBO) sowie seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung von Aufzeichnungen, insbesondere des Kehrbuchs (§§ 14 ff. VOSch), betreffen. Er setzt sich insofern nicht in der gesetzlich gebotenen Weise mit dem angefochtenen Beschluss auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) bzw. räumt die Verstöße, wie schon seiner Äußerung vom 29. Juni 2007 zu entnehmen ist, weitgehend ein; soweit in der Beschwerde die zeitliche Dauer der Verstöße bestritten wird, sind die Einwände, wie bereits ausgeführt, durch den Abgleich mit dem Melderegister weitgehend ausgeräumt. Der allgemeine Hinweis des Antragstellers, ein Bezirksschornsteinfegermeister könne seinen Beobachtungs- und Überprüfungspflichten gemäß § 13 Abs. 1 SchfG nicht immer in allen Fällen zeitnah nachkommen, insbesondere wenn lange krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern vorlägen, kann zu keiner Rechtfertigung der Pflichtverletzungen führen. Zum einen handelt es sich bei den Pflichtverletzungen nicht nur um kurzfristige, sondern teilweise jahrelange, bis in das Jahr 2004 zurückgehende Versäumnisse; zum anderen betreffen die Verstöße teilweise Aufgaben, die nicht von den Gesellen, sondern nur vom Bezirksschornsteinfegermeister selbst durchzuführen sind, wie die unterbliebenen Rohbau- bzw. Schlussabnahmen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 9 SchfG, Art. 73 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 64 Abs. 5 Satz 3 BayBO a.F.); im Übrigen weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller als Bezirksschornsteinfegermeister wegen seiner allgemeinen Aufgabe der ordnungsgemäßen Verwaltung seines Bezirks in Fällen längerer Erkrankungen für eine Vertretung oder Aushilfe hätte sorgen müssen.

Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begegnet der Bescheid keinen Bedenken. Zwar zeigt ein Vergleich der Regelung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchfG mit der des § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG, dass selbst bei Vorliegen einer schuldhaft gröblichen Verletzung von Berufspflichten die Annahme einer Unzuverlässigkeit im Sinn des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist. Denn nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 SchfG ist der Widerruf der Bestellung auch dann zulässig, wenn innerhalb der letzten zehn Jahre zweimal ein Warnungsgeld nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 SchfG angeordnet war und der Betroffene danach abermals seine Berufspflichten schuldhaft gröblich verletzt hat. Aufgrund der Vielzahl der Verstöße, die in großer Zahl auch vom Bezirksschornsteinfegermeister wahrzunehmende öffentliche Aufgaben betreffen (z.B. die Bauabnahme, vgl. § 3 Abs. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 9 SchfG), des langen Zeitraums des Fehlverhaltens sowie des Verhaltens des Antragstellers in der Vergangenheit erscheint die den Aufsichtsmaßnahmen des § 27 Abs. 1 SchfG immanente Disziplinierungsfunktion aber nicht mehr ausreichend und der Widerruf als erforderliches Mittel, möglichst schnell und auf Dauer die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufgaben im Kehrbezirk W******** * wieder zu gewährleisten. Wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG vorliegen, ist die Bestellung zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zustünde; in diesem Fall steht dem Widerruf auch nicht entgegen, dass der Betroffene nicht zuvor durch Aufsichtsmaßnahmen im Sinne des § 27 SchfG förmlich abgemahnt worden ist (vgl. VGH BW vom 19.8.2003 GewArch 2003, 489 m.w.N.). Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Verstöße teilweise zwischenzeitlich behoben sind; denn Wohlverhalten im Vorfeld eines Widerrufsverfahrens bzw. eines diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht geeignet, eine zuvor zu Tage getretene Unzuverlässigkeit zu widerlegen (vgl. BVerwG vom 16.6.1995 GewArch 1996, 24).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. II. Nrn. 1.5, 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004; halbierter Jahresbetrag des vom Antragsteller angegebenen erwarteten Gewinns; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

Zurück