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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.08.2008
Aktenzeichen: 22 CS 08.1326
Rechtsgebiete: VwGO, BayAbgrG, UVP-RL, EG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 7 Satz 2
BayAbgrG Art. 6 Abs. 1
BayAbgrG Art. 8 Abs. 1
UVP-RL Art. 4 Abs. 2
UVP-RL Art. 4 Abs. 3
EG Art. 234 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 08.1326

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung (Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO);

hier: Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Mai 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung

am 8. August 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 19. Dezember 2005 wurde der Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Steinbruchs mit Betriebseinrichtungen und Nebenanlagen sowie für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Brechen und Klassieren des vor Ort gewonnenen Gesteins auf dem Grundstück Fl.Nr. **** der Gemarkung A********** erteilt. Die Beigeladene bewohnt ein Haus in der Ortschaft A******** in einer Entfernung von etwa 500 m vom geplanten Steinbruch. Über die von ihr zum Verwaltungsgericht erhobene Klage gegen diesen Bescheid ist noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 16. Januar 2007 genehmigte das Landratsamt die Errichtung und den Betrieb einer neuen Zufahrt zu dem mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 genehmigten Steinbruch.

Den Antrag der Antragstellerin vom 19. März 2007 auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der Bescheide vom 19. Dezember 2005 und vom 16. Januar 2007 lehnte das Landratsamt mit Schreiben vom 26. März 2007 ab. Auf Antrag der Antragstellerin ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2007 die sofortige Vollziehung der mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 19. Dezember 2005 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 16. Januar 2007 an. Auf Beschwerde der Beigeladenen hin lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. März 2008 (Az. 22 CS 07.2027) unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ab.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 28. März 2008 verzichtete die Antragstellerin auf die Genehmigung vom 19. Dezember 2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 16. Januar 2007 insoweit, als dort die Verwendung von Sprengstoff genehmigt wurde. Mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 1. April 2008 wurde daraufhin festgestellt, dass auf Grund des erklärten Verzichts die Durchführung von Sprengungen in dem Steinbruch nicht mehr von der Genehmigung vom 19. Dezember 2005 umfasst sei, im Übrigen aber die erteilten Genehmigungen unberührt blieben.

Auf Antrag der Antragstellerin ordnete das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2008 unter Abänderung von Ziffer I. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. Juli 2007 in der durch Ziffer II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2008 erlangten Fassung die sofortige Vollziehung der mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 19. Dezember 2005 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 16. Januar 2007 und des Bescheids des Landratsamts Regensburg vom 1. April 2008 an. Durch den teilweisen Verzicht der Antragstellerin auf die ursprüngliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei eine maßgebliche Veränderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Nach dem teilweisen Erlöschen dieser Genehmigung könne sich eine Rechtsverletzung der Beigeladenen nicht mehr daraus ergeben, dass keine förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung (ab hier: UVP) durchgeführt worden sei. Da die Anfechtungsklage der Beigeladenen nunmehr aller Wahrscheinlichkeit nach erfolglos bleiben werde, überwiege das Vollzugsinteresse der Antragstellerin deshalb das Suspensivinteresse der Beigeladenen.

Die Beigeladene hat Beschwerde eingelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Beigeladenen dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist das Verwaltungsgericht nicht von einem fehlerhaften Prüfungsmaßstab ausgegangen. Zwar ist das Verfahren nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 7 VwGO ein neues selbstständiges, vom vorangegangenen Verfahren nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO gelöstes Verfahren und kein Rechtsmittelverfahren zur Überprüfung der Richtigkeit der ursprünglichen Entscheidung (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 101 zu § 80). Die Entscheidung in der Sache ist allerdings nach den gleichen Grundsätzen zu treffen, wie sie für das Verfahren nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO maßgebend sind (BVerwG vom 21.7.1994, BVerwGE 96, 239/240).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die von der Antragstellerin begehrte Vollzugsanordnung bei der vorliegenden verfahrensrechtlichen Ausgangslage (Eintritt der aufschiebenden Wirkung infolge Nachbarklage und Erfolglosigkeit des Antrags, den der Begünstigte gemäß § 80 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Behörde gestellt hatte) darauf abgestellt, ob der von der Beigeladenen in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und deshalb eine Fortdauer seiner aufschiebenden Wirkung dem Begünstigten gegenüber unbillig erscheinen muss (vgl. z.B. BayVGH vom 17.9.1987, BayVBl 1988, 369/370 und vom 23.8.1991, BayVBl 1991, 723/724). Soweit - wie hier - ein besonderes öffentliches Interesse daran, die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung für sofort vollziehbar zu erklären, weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, sind - der Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO folgend - in erster Linie die widerstreitenden Beteiligteninteressen abzuwägen, die grundsätzlich als gleichrangig anzusehen sind (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 25 zu § 80 a). Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt im Rahmen mehrpoliger Verwaltungsrechtsverhältnisse dem einen Genehmigungsbescheid anfechtenden Dritten im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes keine bevorzugte verfahrensrechtliche Position zu, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung des Genehmigungsgegenstands geht (vgl. BVerfG vom 1.10.1984, GewArch, 1985, 16; BayVGH vom 6.8.1987, BayVBl 1988, 86/87). Was die materielle Rechtslage angeht, ist insoweit abzustellen auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache, nicht jedoch darauf, ob sich die angefochtene Genehmigung aufgrund summarischer Prüfung als objektiv rechtmäßig oder rechtswidrig erweist (vgl. BayVGH, a.a.O.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fielen andernfalls aufgrund verschiedener materiell-rechtlicher Maßstäbe die im Eil- und Hauptsacheverfahren ergehenden Entscheidungen notwendig auseinander.

2. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend veränderte Umstände eingetreten sind, die auf Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO eine Änderung von Nr. II des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2008 Az. 22 CS 07.2027 rechtfertigen, mit dem der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 19. Dezember 2005 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 16. Januar 2007 abgelehnt wurde.

a) Der teilweise Verzicht der Antragstellerin auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 19. Dezember 2005 in Gestalt der Änderungsgenehmigung vom 16. Januar 2007 und der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 1. April 2008 sind veränderte Umstände im Sinn des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Zwar stellt es keine Veränderung in diesem Sinne dar, wenn durch eine behördliche Entscheidung zur Behebung eines Rechtsverstoßes, der zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geführt hat, ein neues selbstständiges Vorhaben genehmigt wird und damit auch prozessual ein neuer Streitgegenstand ("aliud") zur Beurteilung steht (vgl. Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 100 zu § 80). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Verzichtserklärung der Antragstellerin vom 28. März 2008 bezieht sich nur auf eine der von der bisherigen Genehmigung erfassten Betriebsweisen, nämlich den Einsatz von Sprengstoffen in dem mit den oben genannten Bescheiden genehmigten Steinbruch. Dementsprechend wird im Bescheid des Landratsamts vom 1. April 2008 darauf verwiesen, dass die Durchführung von Sprengungen in diesem Steinbruch nicht mehr von der bisherigen Genehmigung umfasst ist (Nr. I des Bescheidstenors). Im Übrigen soll sich an Errichtung und Betrieb des Steinbruchs nichts ändern. Hierzu wird in Nr. III des Bescheidstenors darauf hingewiesen, dass die mit den ursprünglichen Bescheiden erteilte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Steinbruchs im Übrigen unberührt bleibt. Daraus wird deutlich, dass die ursprüngliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgrund des Teilverzichts und des Bescheids vom 1. April 2008 nur in einer Weise modifiziert wurde, welche die Identität des Vorhabens wahrt (vgl. BayVGH vom 21.2.2007, BayVBl 2007, 500). Im Übrigen sind diese Verzichtserklärung und der darauf ergangene Bescheid vom 1. April 2008 für das anhängige Hauptsacheverfahren bereits deswegen nicht unerheblich, weil die Beigeladene diesen Bescheid des Landratsamts in das Hauptsacheverfahren einbezogen hat, so dass der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens nicht mehr die ursprüngliche Genehmigung ist, sondern die erteilte Genehmigung in geänderter Form, und zwar unabhängig davon, ob diese Änderung durch die Verzichtserklärung der Antragstellerin oder durch den Bescheid des Landratsamts vom 1. April 2008 erfolgt ist.

b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann die Verzichtserklärung nicht als unwirksam angesehen werden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, steht die aufschiebende Wirkung der Hauptsacheklage der Beigeladenen einem Teilverzicht des Inhabers auf die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht entgegen (vgl. BVerwG vom 15.12.1989, BVerwGE 84, 209).

Der Teilverzicht ist - wovon auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist - nicht rechtsmissbräuchlich. Da der Verzicht auf Sprengungen das teilweise Erlöschen der der Antragstellerin erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bewirkt und für den Steinbruch der Anwendungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nicht mehr eröffnet ist, wird mit dem Teilverzicht entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht bewirkt, dass die Antragstellerin unter Verletzung drittschützender Normen erlangte Vorteile behalten kann, weil sich eine solche subjektive Rechtsposition für die Beigeladene, wie dem oben genannten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2008 entnommen werden kann, vorliegend allein aus der Nichtdurchführung einer nach dem UVPG erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin den Steinbruch ohne Sprengungen nur unter Hervorrufung unzumutbarer Lärmimmissionen betreiben könnte, lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen (vgl. unten e).

c) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass mit dem Verzicht auf die Verwendung von Sprengstoff eine UVP nach dem UVPG für das Vorhaben der Antragstellerin (Errichtung und Betrieb eines Steinbruchs mit einer Abbaufläche von weniger als 10 ha, bei dem keine Sprengstoffe verwendet werden; vgl. Nr. 2.1 der Anlage 1 zum UVPG) nicht mehr durchzuführen ist und insoweit eine Verletzung der Beigeladenen in einer subjektiven Rechtsposition wegen Nichtdurchführung einer förmlichen UVP nicht mehr in Betracht kommt.

Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit dem Verzicht auf die Verwendung von Sprengstoffen auch die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht des Vorhabens gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang Nr. 2.1 Spalte 2 der 4. BImSchV entfallen ist und der Steinbruch nur noch einer abgrabungsrechtlichen Genehmigung nach Art. 6 Abs. 1 BayAbgrG bedarf. Der Wegfall der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht führt nicht dazu, dass für das Vorhaben der Antragstellerin eine UVP unabhängig von den Regelungen des UVPG durchzuführen war. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayAbgrG ist die UVP für nach Art. 6 BayAbgrG genehmigungsbedürftige Abgrabungen nur durchzuführen, wenn eine Abbaufläche von mehr als 10 ha beantragt wird. Für kleinere Steinbrüche mit einer - wie hier - beantragten Abbaufläche von mehr als 1 ha ist die Durchführung einer UVP nur dann erforderlich, wenn die Abgrabung in einem gemäß der Richtlinie 92/43/EWG oder der Richtlinie 79/409/EWG ausgewiesenen Schutzgebiet oder in Nationalparken (Art. 8 BayNatSchG) oder Naturschutzgebieten (Art. 7 BayNatSchG) erfolgt (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayAbgrG) oder wenn die Abbaufläche in einem Biotop im Sinn des Art. 13 d Abs. 1 BayNatSchG liegt (Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BayAbgrG). All dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr liegt das Vorhaben lediglich in der Schutzzone des "Naturparks Altmühltal (Südliche Frankenalb)" und damit in einem Landschaftsschutzgebiet, da gemäß Art. 11 Abs. 2 BayNatSchG die Naturparkverordnung hinsichtlich festgesetzter Schutzzonen als Rechtsverordnung über ein Landschaftsschutzgebiet gilt (vgl. bereits BayVGH vom 12.3.2008 Az. 22 CS 07.2027).

Nach dem Verzicht auf Sprengungen besteht damit vorliegend für das Vorhaben der Antragstellerin weder nach den Regelungen des UVPG noch nach denen des Bayerischen Abgrabungsgesetzes eine Pflicht zur Durchführung einer UVP. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich demgemäß eine Verletzung einer subjektiven Rechtsposition der Beigeladenen nicht mehr daraus ergeben, dass eine förmliche UVP nicht durchgeführt wurde.

d) Eine Pflicht zur Durchführung einer UVP kann auch nicht aus europäischem Recht abgeleitet werden. Soweit die Beigeladene auf die Regelungen der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 (ABl Nr. L 175 S. 40) in der hier anwendbaren Fassung der Änderungsrichtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl Nr. L 73 S. 5) verweist, ist anerkannt, dass diese Richtlinie den Mitgliedsstaaten einen - wenn auch eingeschränkten - Ermessensspielraum bei der Beurteilung einräumt, ob sie die in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Vorhaben einer UVP unterziehen wollen oder nicht (vgl. z.B. Günter, NuR 2002, 317, m.w.N.; Gassner, BayVBl 2000, 289/291).

Nach Art. 4 Abs. 2 UVP-RL bestimmen die Mitgliedsstaaten bei Projekten des Anhangs II der Richtlinie, wozu gemäß Nr. 2 lit.a des Anhangs II auch Steinbrüche unter 25 ha gehören, anhand einer Einzelfallprüfung oder den von den Mitgliedsstaaten festgelegten Schwellenwerten bzw. Kriterien oder einer Kombination beider Verfahren, ob das Projekt einer UVP unterzogen werden muss. Dabei sind allerdings die Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-RL zu berücksichtigen (Art. 4 Abs. 3 UVP-RL).

Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend der nationale Gesetzgeber diesen Ermessensspielraum überschritten hat, sind weder von der Beigeladenen dargelegt noch sonst ersichtlich. Soweit sich die Beigeladene auf ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der UVP-RL bezieht, das von der Kommission eingeleitet wurde (Rs C-253/06), hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sich dieses Vertragsverletzungsverfahren nicht auf die Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 UVP-RL bezogen hat und inzwischen durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. Februar 2007 gestrichen wurde (ABl EU C vom 28.4.2007).

Nach dem Verzicht auf Sprengungen kann auch dahinstehen, ob das Kriterium der Verwendung von Sprengstoffen bei Steinbrüchen mit einer Abbaufläche von weniger als 10 ha gemäß Nr. 2.1.3 der Anlage 1 zum UVPG den Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-RL hinreichend Rechnung trägt. Denn es wird in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayAbgrG für die Notwendigkeit einer UVP darauf abgestellt, ob die Abgrabung in einem besonders schutzbedürftigen Gebiet erfolgt. Damit wird die UVP-Pflicht von kleinen Steinbrüchen, in denen nicht gesprengt wird, nicht allein von der Größe des Projekts abhängig gemacht, sondern es wird auch der Standort in Gebieten berücksichtigt, die in Nr. 2 des Anhangs III der UVP-RL als berücksichtigungswürdig bezeichnet werden und in denen sich die Abgrabungen nach der Einschätzung des Gesetzgebers vor dem Hintergrund des jeweiligen Schutzzwecks des Gebietstyps besonders umweltrelevant auswirken und insoweit auch praktisch am bedeutsamsten sind (vgl. LT-Drs. 14/994, S. 22). Für die Frage einer ausreichenden Umsetzung der UVP-RL kommt es nicht darauf an, ob mit dieser typisierenden Regelung gewährleistet wird, dass jedes Projekt, bei dem mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer UVP unterworfen wird. Die Frage, ob ein Mitgliedsstaat bei Aufstellung der Kriterien und/oder Schwellenwerte gemäß Art. 4 Abs. 2 UVP-RL seinen Ermessensspielraum überschritten hat, kann nicht anhand der Merkmale eines einzelnen Projekts geklärt werden. Sie hängt von einer pauschalen Beurteilung der Merkmale der im Gebiet der Mitgliedsstaaten in Betracht kommenden derartigen Projekte ab (vgl. EuGH vom 24.10.1996, DVBl 1997, 40/42 und vom 21.9.1999 Az. C-392/96 - juris). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass mit den Regelungen des UVPG und des Bayerischen Abgrabungsgesetzes eine relevante Anzahl von Steinbrüchen nicht von der UVP-Pflicht erfasst wird, zumal für den Betrieb von Steinbrüchen im Allgemeinen der Einsatz von Sprengstoffen kennzeichnend ist (vgl. Feldhaus/Ludwig, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 2, RdNr. 4 zu Nr. 2.1 des Anhangs der 4. BImSchV). Auch wenn den komplexen Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-RL möglicherweise mit Einzelfalluntersuchungen besser Rechnung getragen werden könnte, wäre eine diesbezügliche Verpflichtung der Mitgliedsstaaten aber nicht mit der Regelungssystematik des Art. 4 Abs. 2 UVP-RL zu vereinbaren, nach der den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt ist, über die UVP-Pflichtigkeit von Vorhaben mittels der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien auf abstrakt-generelle Art und Weise zu entscheiden (vgl. EuGH, a.a.O.).

e) Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben der Antragstellerin nunmehr entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 24. Juli 2007 Az. RN 7 S 07.444 zu unzumutbaren Lärmbelästigungen am Anwesen der Beigeladenen führt, lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Der Hinweis auf den nunmehr lediglich technisch erfolgenden Gesteinsabbau ändert daran nichts. Wie dem Bescheid des Landratsamts vom 19. Dezember 2005 entnommen werden kann, erstreckt sich das schalltechnische Gutachten der LGA vom 6. Dezember 2004 auf alle wesentlichen Tätigkeiten des Betriebs des Steinbruchs und des Schotterwerks, insbesondere auch auf das Herausarbeiten des Gesteins mit dem Bagger im Tiefschnitt und auf Sprengungen. Bei den Berechnungen wurde angenommen, dass sämtliche betrachteten Tätigkeiten zugleich stattfinden (vgl. S. 37 und 38 des Bescheids).

f) Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG kommt nicht in Betracht, weil in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG besteht und das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht ersichtlich ist (vgl. BVerfG vom 7.12.2006, NJW 2007, 1521/1522). Hinzu kommt, dass Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts für den Verwaltungsgerichtshof derzeit - wie ausgeführt - nicht bestehen.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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