Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2008
Aktenzeichen: 22 CS 08.2181
Rechtsgebiete: GastG, GastV


Vorschriften:

GastG § 18
GastV § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 CS 08.2181

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sperrzeitvorverlegung (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. Juli 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 12. Dezember 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen das formelle Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO verneint. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit mit ausreichend fallbezogenen Erwägungen begründet. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind im angefochtenen Bescheid mehrere konkrete Umstände angeführt, die es aus der Sicht der Antragsgegnerin rechtfertigen, die von der Gaststätte des Antragstellers ausgehende dauerhafte Ruhestörung für die Anwohner unverzüglich zu unterbinden.

2. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass - bei summarischer Überprüfung - vorliegend die Voraussetzungen für eine Vorverlegung der Sperrzeit gemäß § 11 GastV i.V. mit § 18 GastG gegeben sind, weil durch den Betrieb der Gaststätte des Antragstellers zur Nachtzeit schädliche Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1 BImSchG hervorgerufen werden, die den Anwohnern nicht zumutbar sind. Was als zumutbar hinzunehmen ist, bestimmt sich zum einen nach der Lärmart und der Intensität der Geräusche, die nach dem einschlägigen technischen Regelwerk ermittelt werden kann, zum andern aber auch nach der gegebenen Situation, in der Lärmquelle und Immissionsort sich befinden. So kann dem Umstand Bedeutung zukommen, dass Geräusche zur Nachtzeit in besonderem Maße als störend empfunden werden (vgl. BayVGH vom 17.6.2008 Az. 22 N 06.3069 und 22 N 07.974). Vor allem ist die bauplanungsrechtliche Situation zu würdigen, denn die Schutzwürdigkeit richtet sich nach der materiellen baurechtlichen Lage (BVerwG vom 7.5.1996 BVerwGE 101, 197). Zu den zu berücksichtigenden Lärmeinwirkungen gehören dabei nicht nur die Geräusche durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb, also den Lärm aus der Gaststätte, sondern auch sonstiger der Gaststätte zurechenbarer Lärm, wie der durch Gäste hervorgerufene Lärm vor der Gaststätte, sofern er einen erkennbaren Bezug zu dem Betrieb hat. Die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen hat nach Lärmart und -intensität zu erfolgen, die nach dem einschlägigen technischen Regelwerk der TA Lärm ermittelt werden kann (BVerwG vom 9.4.2003 GewArch 2003, 300).

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts kommt es durch die sich vor der vom Antragsteller betriebenen Gaststätte zur Nachtzeit üblicherweise aufhaltenden zahlreichen Besucher regelmäßig zu nächtlichen Ruhestörungen. Das Verwaltungsgericht stützt sich dabei auf die in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin befindlichen und im gerichtlichen Verfahren ergänzten umfangreichen Fotodokumentationen und Beschwerden von Anwohnern sowie die Ereignismeldung der Polizeiinspektion ********-***** vom 18. März 2008 und die Feststellungen des Ordnungsamts der Antragsgegnerin bei Kontrollen vor Ort. Zusätzlich verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass die vom Ordnungsamt in der Nacht vom 30. April 2008 auf den 1. Mai 2008 durchgeführte Messung auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Anwesen W******** *** * Lärmwerte bis zu 54 dB(A) ergeben hat, womit nicht nur die Vorgaben der Auflage 41 der Baugenehmigung vom 29. September 2003 für die Gaststätte des Antragstellers überschritten werden, sondern auch der Richtwert nach Nr. 6.1 Buchst. c TA Lärm vom 45 dB (A) nachts für Mischgebiete, wie sie im Bebauungsplan Nr. 4121 der Antragsgegnerin auf der der Gaststätte gegenüberliegenden Straßenseite ausgewiesen sind.

Diese Feststellungen werden vom Beschwerdevorbringen nicht erschüttert. Anhaltspunkte dafür, dass diese Messung fehlerhaft erfolgt ist, sind jedenfalls im Rahmen summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Aus der vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Videodokumentation allein kann das Ausmaß der von den vor der Gaststätte stehenden Gästen ausgehenden Lärmimmissionen nicht festgestellt werden. Demgegenüber wird von dieser Dokumentation aber bestätigt, dass sich regelmäßig Gäste in größerer Anzahl zur Nachtzeit vor der Gaststätte aufhalten. Wie sich zudem einer von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten weiteren Messung des Ordnungsamts am Anwesen W******** * entnehmen lässt, die in der Nacht vom 9. auf den 10. August 2008 zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr durchgeführt wurde, wurden dabei über den gesamten Zeitraum Pegelwerte zwischen 49 dB (A) und 53 dB (A) festgestellt, die durch Unterhaltungen der Gäste vor der Eingangstüre der Gaststätte des Antragstellers verursacht wurden; durch lautes Gelächter ergaben sich zwischenzeitliche Geräuschspitzen bis 56 dB (A). Nach den Feststellungen des Ordnungsamts hielten sich während des gesamten Zeitraums ununterbrochen Besucher in größerer Anzahl (bis zu 15 bis 20 Personen) außen vor dem Eingang der Gaststätte auf, obwohl am Eingang zwei Türsteher postiert waren. Die Antragsgegnerin hat schließlich im Beschwerdeverfahren weitere Beschwerden von Anwohnern vorgelegt, nach denen es auch in letzter Zeit zu nächtlichen Ruhestörungen im Außenbereich vor der Gaststätte des Antragstellers gekommen ist.

Im Hinblick auf die durch die Messungen ermittelte Geräuschbelastung auf der der Gaststätte gegenüberliegenden Straßenseite sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorverlegung der Sperrzeit unabhängig davon gegeben, ob das Gebiet, in dem sich die Gaststätte des Antragstellers befindet, als allgemeines Wohngebiet - wie im Bebauungsplan Nr. 4121 der Antragsgegnerin festgesetzt - oder als Mischgebiet - wie im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller behauptet - einzustufen ist.

Eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin ist nicht erkennbar. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers erkannt und insoweit berücksichtigt, als sie die Sperrzeit lediglich auf 1.00 Uhr vorverlegt hat, um diesem die Möglichkeit zu geben, die Gaststätte, wie in der Gaststättenerlaubnis vom 9. Januar 2007 vorgesehen, als Schank- und Speisegaststätte mit Veranstaltungsraum zu führen. Auf die Möglichkeit eines diskothekenähnlichen Betriebs brauchte schon deshalb keine Rücksicht genommen zu werden, weil diese Betriebsart nicht von der Gaststättenerlaubnis des Antragstellers umfasst ist. Ungeachtet der Frage, ob die Gaststätte des Antragstellers tatsächlich bereits als Diskothek oder diskothekenähnlicher Betrieb anzusehen ist, kann entgegen dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Einsatz von Diskjockeys in der Gaststätte nur ausnahmsweise bei Jubiläen erfolgt. Wie sich den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen entnehmen lässt, dürfte dies vielmehr regelmäßig im allgemeinen Gaststättenbetrieb am Wochenende der Fall sein und damit über den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft bereits hinausgehen. Was schließlich den Hinweis des Antragstellers auf ähnlich gelagerte Gaststätten angeht, die von einer Sperrzeitvorverlegung nicht betroffen sind, hat die Antragsgegnerin, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nachvollziehbar dargelegt, dass diese - anders als die Gaststätte des Antragstellers - als Schank- und Speisewirtschaften ohne zusätzliche Besonderheiten geführt werden. Soweit sich einige Lokale in der W************** entgegen der erteilten Baugenehmigungen bzw. Gaststättenerlaubnisse zu diskothekenartigen Betrieben entwickelt haben, sind konkrete Maßnahmen nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren in Vorbereitung. Unter der Voraussetzung gleicher tatsächlicher Verhältnisse müssen zwar mehrere Gaststätten im Rahmen der Ermessensausübung gleich behandelt werden (vgl. Metzner, GastG, 6. Aufl. 2002, RdNr. 67 zu § 18). Es kann jedoch gerechtfertigt sein, zunächst - wie hier - den gravierendsten Fall aufgrund der massiven Nachbarbeschwerden bei der Gaststätte des Antragstellers herauszugreifen (vgl. BayVGH vom 21.8.2007, GewArch 2007, 428/429 und vom 29.10.2008 Az. 22 BV 07.3234).

Kosten: § 154 Abs. 2.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück