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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 22 M 09.40019
Rechtsgebiete: GG, VwGO, AtG
Vorschriften:
GG Art. 19 Abs. 4 | |
VwGO § 162 Abs. 1 | |
AtG § 6 Abs. 2 Nr. 4 | |
AtG § 20 Satz 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen atomrechtlicher Genehmigung;
hier: Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2009,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch
ohne mündliche Verhandlung am 28. September 2009
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe:
I.
Gegenstand der Anfechtungsklagen Az. 22 A 04.40010, 22 A 04.40011, 22 A 04.40012 und 22 A 04.40014 war die atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus den Blöcken B und C des Kernkraftwerks ************* ** im Standort - Zwischenlager in *************, die das Bundesamt für Strahlenschutz den Beigeladenen unter dem 19. Dezember 2003 erteilt hatte. In Anknüpfung an ihre vorangegangene Zuziehung als Sachverständige im Genehmigungsverfahren (§ 20 Satz 1 AtG) bediente sich das Bundesamt für Strahlenschutz u.a. der Hilfe der Herren Dr. ********* (TÜV Süd) und Dr. ***** (TÜV Nord) auch bei der Erwiderung auf die Angriffe der Kläger in den gerichtlichen Verfahren, u.a. in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005. Die Anfechtungsklagen Az. 22 A 04.40010, 22 A 04.40011, 22 A 04.40012 und 22 A 04.40014 wurden vom Verwaltungsgerichtshof gemeinsam verhandelt und entschieden. Mit Urteil vom 9. Januar 2006 wies der Verwaltungsgerichtshof die Anfechtungsklagen ab; die Verfahrenskosten wurden den Klägern auferlegt. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Beklagte beantragte mit vier Anträgen unter dem 12. März 2009 die gerichtliche Festsetzung der ihr in den Verfahren Az. 22 A 04.40010, 22 A 04.40011, 22 A 04.40012 und 22 A 04.40014 entstandenen notwendigen Aufwendungen in Höhe von 3.283,03 Euro, 2.438,56 Euro, 2.438,56 Euro und 3.283,03 Euro. Die Beklagte machte insofern auch die anteiligen Kosten für die Beiziehung der Herren Dr. ********* und Dr. ***** als externe Sachverständige der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 geltend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzte mit einem einzigen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. Juli 2009 in den Verfahren Az. 22 A 04.40010, 22 A 04.40011, 22 A 04.40012 und 22 A 04.40014 die zu erstattenden Kosten auf lediglich 2.567,54 Euro, 1.245,66 Euro, 1.245,66 Euro und 2.567,54 Euro fest. Kosten für die Anwesenheit von Sachverständigen des TÜV in der mündlichen Verhandlung könnten nicht angesetzt werden. Zudem müssten die entstandenen Auslagen für die mündliche Verhandlung unter Berücksichtigung des Eilverfahrens (Az. 22 AS 03.40055) verteilt werden. Die Beklagte hat dagegen Erinnerung erhoben.
II.
Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Juli 2009 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einwände der Beklagten vermögen nicht zu überzeugen.
1. Die Beklagte möchte zum einen erreichen, dass über ihre getrennten Kostenfestsetzungsanträge in den Verwaltungsstreitsachen Az. 22 A 04.40010, 22 A 04.40011, 22 A 04.40012 und 22 A 04.40014 durch separate Kostenfestsetzungsbeschlüsse entschieden wird und nicht in einem einzigen Beschluss. Hierauf besteht aber kein Anspruch. Der eine Beschluss vom 21. Juli 2009 enthält mit klarer Trennung ohnehin bereits die gewünschten vier separaten Kostenfestsetzungen.
2. Die im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 angefallenen Kosten betreffen auch das Eilverfahren Az. 22 AS 03.40055. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in diesem Eilverfahren zur mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 geladen. Diese Streitsache ist ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden diesbezüglich Sachanträge gestellt. Dem handschriftlichen Original der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in diesem Eilverfahren vom 12. Januar 2006 zufolge ist aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 entschieden worden. Die Ausfertigungen dieses Beschlusses enthalten insofern einen offensichtlichen Übertragungsfehler, als sie die Angabe "ohne mündliche Verhandlung" enthalten. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof - wie nicht - über den Eilantrag ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden hätte, wie die Beklagte meint, würde dies nichts daran ändern, dass in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 das Eilverfahren aufgerufen und über den Eilantrag verhandelt worden ist. Der Übertragungsfehler könnte gegebenenfalls berichtigt werden, falls dafür seitens der Beteiligten noch ein Bedürfnis bestehen würde.
3. Die Kosten für die Anwesenheit der externen Sachverständigen der Beklagten Dr. ********* (TÜV Süd) und Dr. ***** (TÜV Nord) in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 waren nicht notwendig i.S. des § 162 Abs. 1 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hält insofern an der Rechtsprechung fest, die er im Beschluss vom 21. November 1996 - Az. 22 A 94.40014 u.a. entwickelt hat und die die Beklagte nicht substantiiert in Frage stellt. Danach sind Aufwendungen des Trägers der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde für die Beiziehung von Sachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allenfalls in ganz seltenen Ausnahmefällen als notwendige Aufwendungen i.S. von § 162 Abs. 1 VwGO vom unterlegenen Gegner zu erstatten. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus diesem Beschluss die ausnahmsweise Notwendigkeit der strittigen Sachverständigenkosten nicht ableiten.
Der Streitstoff war im vorliegenden Fall genauso wie in dem am 21. November 1996 behandelten Fall nicht im Gerichtsverfahren neu zu erarbeiten, sondern er war notwendigerweise thematisch wie inhaltlich durch die Vorarbeiten im Genehmigungsverfahren geprägt. Dem angefochtenen Genehmigungsbescheid nach § 6 AtG lagen eine Risikoermittlung und eine Risikobewertung namentlich im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG (Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter) zugrunde, die kraft Gesetzes allein dem Bundesamt für Strahlenschutz oblagen und von diesem in eigener Verantwortung erstellt worden waren, wenn auch nach vorangegangener Hinzuziehung von Sachverständigen (§ 20 Satz 1 AtG). Im anschließenden Anfechtungsprozess konnte es von Rechts wegen gar nicht darum gehen, die dem Bundesamt für Strahlenschutz zugewiesene Ermittlung und Bewertung des Risikos gezielter terroristischer Störmaßnahmen Dritter durch gerichtliche Ermittlungen und Bewertungen zu ersetzen. Die Schwelle zum Bereich des Restrisikos nach dem Maßstab der praktischen Vernunft zu bestimmen, lag allein in der Verantwortung des Bundesamts für Strahlenschutz (vgl. z.B. BVerwG vom 22.1.1997 DVBl 1997, 719/723 f.). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterlag, ob die Wertung des Bundesamts für Strahlenschutz auf willkürfreien Annahmen und ausreichenden Ermittlungen beruhte (BVerwG vom 19.1.1989 BVerwGE 81, 185/192). Zu prüfen war, ob die der behördlichen Sicherheitsbeurteilung zugrundeliegenden Sicherheitsannahmen auf einer ausreichenden Datenbasis beruhten und dem im Zeitpunkt der Behördenentscheidung gegebenen Stand von Wissenschaft und Technik Rechnung trugen (so auch Urteil des VGH vom 2.1.2006 - Az. 22 A 04.40016, Nr. V 1 e der Entscheidungsgründe; vgl. auch BVerwG vom 10.4.2008 UPR 2008, 349/351). Der Verwaltungsgerichtshof musste hierfür vor allem die Tatfrage beantworten, welche Überlegungen die Genehmigungsbehörde bei ihrer Sicherheitsbeurteilung angestellt hatte (BVerwG vom 2.7.1998 NVwZ 1999, 654/656). Soweit diese Überlegungen im Genehmigungsverfahren nicht in vollem Umfang aktenkundig geworden waren, musste der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich prüfen, ob sich auf anderem Wege nachvollziehen ließ, welche Fragen die behördliche Sicherheitsbeurteilung in den Blick genommen hatte und wie sie diese beantwortet hatte (BVerwG vom 2.8.1998 NVwZ 1999, 654/656). Die Beklagte brauchte somit zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (§ 162 Abs. 1 VwGO) lediglich die vom Bundesamt für Strahlenschutz im Zeitpunkt des Erlasses des Genehmigungsbescheids bereits getroffenen Sicherheitsannahmen darzustellen und zu begründen, also von dieser Behörde bereits angestellte Erwägungen zu wiederholen. Dies hätte auch ohne die Zuziehung externer Sachverständiger durch die eigenen Fachleute des Bundesamts für Strahlenschutz, hier die in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 ebenfalls anwesenden wissenschaftlichen Oberräte ****** und Dr. *****, geschehen können. Die Verteidigung einer atomrechtlichen Genehmigung kann kaum höhere Anforderungen stellen als ihre Erteilung, jeweils unter der Voraussetzung, dass sachverständige Beratung bereits im Genehmigungsverfahren erfolgt war.
Bei dieser Sachlage ist es in gleicher Weise wie im Verfahren Az. 22 A 94.40014 u.a. unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, die Anfechtungskläger möglichst keinem für sie kaum kalkulierbaren Kostenrisiko aus der Zuziehung externer Sachverständiger durch die Genehmigungsbehörde auszusetzen.
Diese Erwägungen bedeuten in keiner Weise, dass der Beklagten die Einschaltung der Herren Dr. ********* und Dr. ***** zum Vorwurf gemacht wird. Zweifellos hat die Einschaltung dieser externen Sachverständigen die Argumentationsarbeit der Beklagten vereinfacht, beschleunigt und verbessert und ist daher, wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 21. November 1996 formuliert hat, als Ausdruck staatspolitischer Verantwortung uneingeschränkt positiv zu bewerten. Wie der Verwaltungsgerichtshof seinerzeit entschieden hat und woran festzuhalten ist, rechtfertigt dies aber nicht die Abwälzung der Kosten auf den Prozessgegner. Anders könnte allenfalls dann entschieden werden, wenn die Beklagte ohne den fachlichen Beistand der Herren Dr. ********* und Dr. ***** dem Vorbringen der Kläger fachlich nicht gewachsen gewesen wäre; dies behauptet die Beklagte aber selbst nicht und wäre auch schwerlich nachvollziehbar.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass der vorliegende Fall insofern Besonderheiten aufweist, als er durch Geheimhaltungsbedürfnisse aus betrieblichen Gründen und vor allem aus Sicherheitsgründen gekennzeichnet ist. Indes rechtfertigt auch dieser besondere Aspekt nicht die Abwälzung durch ihn bedingter Kosten auf den unterlegenen Prozessgegner. Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beklagte zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert hat. Soweit die Vorlage weiterer Unterlagen von der Beklagten verweigert worden ist oder aufgrund von Schwärzungen bestimmter Passagen nur eingeschränkt erfolgt ist, hat die Beklagte sich zu den Inhalten der nicht vorgelegten Dokumente schriftsätzlich geäußert und den Inhalt in Teilen verbal umschrieben. Demgemäß hat die Beklagte in einer ersten mündlichen Verhandlung in den Parallelverfahren 22 A 03.40019, 22 A 03.40020 und 22 A 03.40021 vom 12. November 2004 ergänzende Ausführungen "bezüglich der Plausibilität der Ergebnisse" angeboten, die dann auch erfolgt sind. Der Beklagten mag in diesem Zusammenhang auch in der mündlichen Verhandlung vom 13. bis zum 15. Dezember 2005 eine schwierige Gratwanderung oblegen sein, und zwar zwischen dem Bestreben, den Verwaltungsgerichtshof so weitgehend zu informieren, dass er seine Kontrollfunktion erfüllen konnte, und dem Bestreben, Geheimhaltungserfordernissen aus Sicherheitsgründen hinreichend Rechnung zu tragen. Es ist aber zum einen nicht deutlich geworden, dass es gerade hierbei des Einsatzes der Herren Dr. ********* und Dr. ***** bedurft hat und dass insofern nicht der Sachverstand eigener Sicherheitsbehörden der Beklagten ausgereicht hätte. Entscheidend ist jedoch, dass der Grund für diese Schwierigkeiten der Beklagten nicht in der Rechtsverteidigung gegen die Angriffe der Kläger lag, sondern in Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, die ihre Ursache nicht in dem Rechtsschutzbegehren der Kläger haben. Eine Überwälzung der hierdurch ausgelösten Kosten auf die Kläger kommt daher nicht in Betracht.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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