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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 22 N 05.1462
Rechtsgebiete: VwGO, WVG, WVVO


Vorschriften:

VwGO § 47
WVG § 58 Abs. 1
WVG § 78 Abs. 1
WVG § 79 Abs. 1
WVG § 79 Abs. 2
WVVO § 56 Abs. 1 Satz 2
WVVO § 62 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 N 05.1462 In der Normenkontrollsache

wegen Verbandssatzung;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 4. April 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Neufassung des § 18 der Satzung des Wasserverbandes Brucker Wehr in Bad Aibling vom 24. August 2004, bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis Rosenheim vom 27. August 2004, wird für unwirksam erklärt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist die Neufassung des § 18 der Verbandssatzung des Antragsgegners, bekannt gemacht als Anlage 1 zum Amtsblatt für den Landkreis Rosenheim vom 27. August 2004, wonach in Ergänzung der bisherigen Fassung bei Beschlüssen in der Verbandsversammlung jedes Verbandsmitglied eine Stimme hat.

Zwischen dem Antragsteller und den übrigen Verbandsmitgliedern war strittig, ob jedes Mitglied eine Stimme hat oder ob das Stimmrecht dem Beitragsverhältnis entspricht.

1. Der heutige Wasserverband wurde ursprünglich im Jahr 1914 als Brucker Wehrgenossenschaft gegründet (Satzung der Brucker Wehrgenossenschaft, genehmigt durch Entschließung der k. Regierung, K. d. I., von Oberbayern, vom 2.3.1914, No. 13745). In § 9 Abs. 10 der Satzung von 1914 ist für die Genossenschaftsversammlung geregelt, dass bei der Beschlussfassung und Abstimmung nach § 8 Ziff. 2 (Beschlussfassung über die Deckung der Genossenschaftslasten) je 50 angefangene PS eine Stimme geben, jedoch kein Genosse mehr als zwei Fünfteile der Stimmen führen darf, wohingegen in allen sonstigen Angelegenheiten jeder Genosse eine Stimme hat. Spätere Änderungen der Satzung der Brucker Wehrgenossenschaft ließen diese Regelung unberührt.

2. Mit der "Satzung des Wasserverbandes Brucker Wehr in Bad Aibling" vom 31. August 1954, bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis Bad Aibling vom 11. September 1954, wurde die Wehrgenossenschaft gemäß der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937 (Erste Wasserverbandsverordnung - WVVO) umgebildet in den Wasserverband Brucker Wehr.

Wegen verschiedener inhaltlicher Änderungen, die jedoch nicht die Beschlussfassung in der Verbandsversammlung betrafen, wurde die geänderte Verbandssatzung als Anlage zum Amtsblatt für den Landkreis Rosenheim vom 2. Juni 1978 neu bekannt gemacht. Der unveränderte § 18 der Satzung von 1954/1978 lautet, soweit für vorliegendes Verfahren von Bedeutung:

"Beschlussfassung in der Verbandsversammlung.

Die Verbandsversammlung bildet ihren Willen mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Verbandsmitglieder. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung. Bei entsprechendem Beschluss der Verbandsversammlung kann auch mündlich durch Namensaufruf abgestimmt werden. Jedes Verbandsmitglied, das Beiträge an den Verband zu leisten hat, ist berechtigt, selbst ober durch einen Vertreter mitzustimmen. Der Vorsitzende kann vom Vertreter eine schriftliche Vollmacht fordern.

Die Verbandsversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte aller Stimmen vertreten ist. Ohne Rücksicht auf die Anzahl der Erschienenen ist sie beschlussfähig, wenn bei der Ladung mitgeteilt wurde, dass ohne Rücksicht auf die Anzahl der Erschienenen beschlossen werden wird. Ohne Rücksicht auf Form und Frist der Ladung ist sie beschlussfähig, wenn die Mitglieder mit zwei Drittel aller Stimmen zustimmen.

[Im weiteren nicht verfahrensrelevante Regelungen zur Niederschrift]".

3. Mit Schreiben vom 4. März 2004 lud der Verbandsvorsitzende die Mitglieder zu einer ordentlichen Verbandsversammlung für den 25. März 2004. Die beigefügte Tagesordnung führte keine beabsichtigte Satzungsänderung auf.

Mit Schreiben vom 25. März 2004 ließ der Antragsteller beim Verbandsvorsitzenden für die Verbandsversammlung beantragen, festzustellen, dass entgegen der bisherigen Beschlusspraxis künftig nach § 18 der Verbandssatzung die Mehrheit der Stimmen nicht nach den Kopfteilprinzip, sondern nach dem Vorteilsprinzip ermittelt werde, wobei sich der für die Stimmgewichtung zu ermittelnde Vorteil nach der jeweilig erzeugten Leistung des Mitglieds bemesse. Unter TOP 11. der Niederschrift über die Versammlung vom 25. März 2004 ist ausgeführt:

"Antrag Elektrizitätswerke Pfisterer - Änderung der Beschlusspraxis.

In der letzten Mitgliederversammlung 2003 wurde bereits über diesen Punkt abgestimmt. Das LA Rosenheim erklärt, dass die Stimmenverteilung rechtens ist und auch daran nichts zu beanstanden ist.

Die ********** stellt den Antrag, die Satzung zu ändern, damit der § 18 eindeutig formuliert wird und jedes Mitglied nur eine Stimme hat.

Die Mitglieder stimmen dem Antrag mit fünf Jastimmen und zwei Neinstimmen zu ...". Nach der beigefügten Teilnehmerliste war für eines der Verbandsmitglieder kein Vertreter anwesend.

Die Änderung wurde am 24. August 2004 durch das Landratsamt Rosenheim als Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt und als Anlage zum Amtsblatt für den Landkreis Rosenheim vom 27. August 2004 bekannt gemacht. Gegenüber der bisherigen Fassung enthält die Neufassung des § 18 den nach dem ersten Absatz eingefügten Satz: "Jedes Verbandsmitglied hat eine Stimme".

4. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2005 hat der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragt,

die Änderung der Verbandssatzung (§ 18) des Wasserverbands Brucker Wehr, bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis Rosenheim am 27. August 2004, für ungültig (nichtig) zu erklären.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Änderung sei formell rechtswidrig, nachdem auf der Tagesordnung zur Verbandsversammlung am 25. März 2004 das Thema Satzungsänderung nicht genannt gewesen sei. Nach der Satzung sei die Versammlung vom Vorsitzenden unter Beifügung der Tagesordnung zu laden; im Hinblick auf die Satzungsänderung sei hiergegen verstoßen worden. Der Beschluss sei auch inhaltlich rechtswidrig. Nach der gesetzlichen Regelung im Wasserverbandsgesetz und der Wasserverbandsverordnung von 1937 habe für Abstimmungen in der Verbandsversammlung - soweit nicht anders geregelt - das Vorteilsprinzip gegolten. Danach habe das Stimmenverhältnis dem Beitragsverhältnis entsprochen. Die Verbandssatzung von 1978 bestimme, dass die Versammlung mit Mehrheit der Stimmen der anwesenden Verbandsmitglieder entscheide. Eine Stimmengewichtung werde bis zur Änderung im Jahr 2004 nicht vorgenommen. Somit habe das Vorteilsprinzip mangels anderweitiger Regelung gegolten.

Aus der Zeit des Satzungserlasses im Jahr 1953 sei Schriftverkehr des damaligen Verbandsvorsitzenden mit seinem Rechtsberater vorhanden. Dem könne entnommen werden, dass seinerzeit davon ausgegangen worden sei, das Stimmrecht solle weiterhin so gehandhabt werden, dass jede Mitgliedsfirma eine Stimme habe. Dies habe aber weder in die Satzung von 1954 noch von 1978 Eingang gefunden. Vielmehr habe nach der Verbandssatzung von 1914 das Vorteilsprinzip gegolten. Auch eine evt. anderweitige Handhabungspraxis könne hieran nichts ändern. Nachdem mit der Satzungsänderung 2004 die Verbandsmitglieder keine Änderung, sondern nur eine Klarstellung der bisherigen Stimmgewichtung hätten regeln wollen, erweise sich die Satzungsänderung als rechtswidrig und damit unwirksam.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er führt aus, der Verband bestehe aus derzeit sieben Triebwerksbesitzern, die das ausgeleitete Wasser in dreizehn Wasserkraftwerken mit unterschiedlicher installierter Leistung nutzten. Eine Kostenaufteilung erfolge nach der installierten Leistung. Das Stimmrecht werde mit einer Stimme für jedes Mitglied gehandhabt. Insgesamt ergäben sich acht Stimmen, da der Antragsteller für zwei Elektrizitätswerke je eine Stimme habe. Schon im Jahr 2003 habe der Antragsteller eine Änderung der Beschlusspraxis hin zu einer Stimmengewichtung nach installierter Leistung erreichen wollen, was jedoch abgelehnt worden sei. Auf Wunsch des Antragstellers sei die Stimmhandhabung in der Sitzung vom 25. März 2004 erneut aufgegriffen worden. Dabei sei dann in der Sitzung von einem Mitglied der Antrag gestellt worden, die Satzung zur Klarstellung zu ändern. Der Verband gehe davon aus, dass die Satzung eine kopfteilige Stimmenverteilung vorsehe. Die Änderung sei zur Klarstellung der bisherigen Beschlusspraxis erfolgt. Der Schriftwechsel aus dem Jahr 1953 zeige den damaligen Willen, die Stimmen nach Kopfteilen zu bewerten.

Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, sich zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu äußern. Auf die Gerichts- und vorgelegten Verfahrensakten des Antragsgegners wird ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Das Gericht entscheidet nach § 47 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative VwGO durch Beschluss, da eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Der Sach- und Streitstand ist durch die vorbereitenden Schriftsätze abschließend geklärt. Die Beteiligten haben eine mündliche Verhandlung ebenfalls nicht für erforderlich gehalten. Zu entscheiden ist eine Rechtsfrage, zu der die Beteiligten ihre Auffassung vorgetragen haben.

2. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller kann geltend machen, durch die angegriffene Satzungsänderung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Für ihn ergibt sich eine unterschiedliche Berücksichtigung seiner Stimme oder Stimmanteile je nachdem, ob eine Beschlussfassung in der Verbandsversammlung nach Kopfteilen oder nach Vorteilsprinzip gemäß seinem Anteil an der Gesamtleistung der Triebwerke gewertet wird. Ohne Belang ist insoweit, dass der Antragsgegner die Satzungsänderung lediglich als Klarstellung der bisherigen Handhabung bzw. der bisherigen Satzungsregelung ansieht. Denn gerade hierüber herrscht zwischen den Beteiligten Streit.

3. Der Antrag ist begründet. Die angegriffene Satzungsänderung ist ungültig und deshalb für unwirksam zu erklären (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Änderung von § 18 der Satzung des Antragsgegners in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1978 durch Ergänzung mit der Regelung "jedes Verbandsmitglied hat eine Stimme" ist formell fehlerhaft unter Verstoß gegen gesetzliche und satzungsgemäße Regelungen erfolgt.

3.1 Das Gesetz über Wasser- und Bodenverbände - Wasserverbandsgesetz (WVG) - vom 12. Februar 1991 trifft in § 47 Abs. 1 Nr. 2, § 48 Abs. 2 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, § 58 Regelungen u.a. zur Zuständigkeit und Durchführung von Satzungsänderungen durch die Verbandsversammlung. Nach § 79 WVG wird die Rechtsstellung bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehender Verbände (Altverbände), hier also des Antragsgegners, durch die Aufhebung des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände vom 10. Februar 1937 und der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände vom 3. September 1937 in der jeweils veröffentlichten bereinigten Fassung in § 78 Abs. 1 WVG nicht berührt. Allerdings sind Satzung und innere Organisation von Altverbänden nach § 79 Abs. 2 Satz 1 WVG anzupassen, was aber nicht für die Aufgaben des Verbands, die Bestimmungen darüber, wer Verbandsmitglied ist, den Beitragsmaßstab sowie das Stimmenverhältnis in der Verbandsversammlung gilt (§ 79 Abs. 2 Satz 2 WVG).

Für den Beschluss zur Satzungsänderung findet damit das geltende Wasserverbandsgesetz Anwendung mit der Modifikation der Beurteilung des Stimmenverhältnisses nach der früheren Ersten Wasserverbandsverordnung.

3.2 Der Beschluss zur Satzungsänderung entspricht nicht den danach maßgeblichen Bestimmungen über eine formgerechte Ladung. Für die Beschlussfähigkeit verweist § 48 Abs. 2 WVG auf die Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder über die Ausschüsse - hier Art. 90 BayVwVfG -, soweit das Gesetz oder die Satzung nichts anderes bestimmt. Entsprechend Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ist die Verbandsversammlung dann beschlussfähig, wenn alle Mitglieder geladen und mehr als die Hälfte, mindestens aber drei der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Dazu erfolgt in § 17 der Satzung des Antragsgegners von 1978 eine weitere Konkretisierung, wonach der Vorsitzende die Verbandsmitglieder mit mindestens dreitägiger Frist zu den Sitzungen unter Beifügung der Tagesordnung lädt. Sinn und Zweck der Regelung, der Ladung eine Tagesordnung beizufügen, ist, den Mitgliedern ausreichend Möglichkeit zu geben, sich auf die Behandlung der jeweiligen Gegenstände vorzubereiten. Damit sind die einzelnen Beratungsgegenstände bzw. Tagesordnungspunkte in der Ladung konkret zu benennen. Eine Ergänzung der Tagesordnung ist jederzeit möglich, soweit die festgelegte Ladungsfrist noch gewahrt bleibt (vgl. zur entsprechenden Regelung in Art. 46 Abs. 2 Gemeindeordnung (GO): Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Januar 2007, RdNr. 7 zu Art. 46 GO; Widtmann/Grasser, GO, Stand: Oktober 2007, RdNrn. 12 und 13 zu Art. 46).

Für die Satzungsänderung gemäß Tagesordnungspunkt Nr. 11 der Sitzung vom 25. März 2004 lag damit keine form- und fristgemäße Ladung vor; dieser Tagesordnungspunkt wurde unter Verstoß gegen die dreitägige Ladungsfrist auf den Antrag eines anderen Verbandsmitglieds erst in der Sitzung selbst aufgenommen. Die Beschlussfähigkeit war nach § 17 der Satzung von 1974 zu diesem Tagesordnungspunkt damit nicht gegeben, auch wenn entsprechend § 18 Abs. 2 Satz 1 der Satzung mindestens die Hälfte aller Stimmen vertreten war.

3.3 Die Verbandsversammlung ist zwar ohne Rücksicht auf Form und Frist der Ladung beschlussfähig, wenn die Mitglieder mit zwei Drittel aller Stimmen zustimmen (§ 18 Abs. 2 Satz 3 der Satzung des Antragsgegners von 1974), wobei es nicht nur auf die anwesenden Mitglieder ankommt. Dieser satzungsautonome Verzicht auf die zuvor genannte form- und fristgerechte Ladung bei Erfüllung eines bestimmten Quorums von zwei Drittel aller Stimmen ist wohl mit geltendem Recht vereinbar. Insbesondere liegt kein Widerspruch zu Art. 48 Abs. 2 WVG i.V.m. Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vor, da diese Regelungen keine Anforderungen an Form und Frist einer Ladung stellen, dies somit einer internen Geschäftsordnung bzw. einer Verbandssatzung überlassen. Auch hiernach war aber keine rechtmäßige Beschlussfassung zur angegriffenen Satzungsänderung möglich. Denn nur die für die Satzungsergänzung abgegebenen Stimmen können als konkludente Zustimmung zu einem Verzicht auf eine formgerechte Ladung gewertet werden. Aufgrund der Gegenstimmen und der Abwesenheit eines Mitglieds lag keine Mehrheit von zwei Dritteln aller Stimmen vor.

Die Verbandssatzung von 1978 selbst trifft keine ausdrückliche Regelung für die Gewichtung der Stimmen der Verbandsmitglieder bei Beschlussfassung in der Verbandsversammlung. Auf die Regelungen des § 10 (Wahl der Mitglieder des Vorstands durch die Verbandsversammlung, wobei jedes Verbandsmitglied eine Stimme hat) oder des § 15 (der Vorstand bildet seinen Willen mit der Mehrheit der Stimmen seiner anwesenden Mitglieder, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat) kann nicht zurückgegriffen werden, da diese Sonderregelungen für eine bestimmte Abstimmung (Bildung des Vorstands) bzw. für ein anderes Organ (des Vorstands) darstellen. Auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Verbandssatzung hilft nicht weiter. Zwar verweist der Antragsgegner auf ein Schreiben vom 10. März 1953 des damaligen Verbandsvorsitzenden wegen der Umgestaltung der früheren Verbandssatzung von 1914; danach solle das Stimmrecht weiterhin so gehandhabt werden, dass jede Mitgliedsfirma eine Stimme habe. Der Antragsteller weist aber zu Recht darauf hin, dass nach der Verbandssatzung von 1914 (§ 9 Abs. 10) jedenfalls für die Beschlussfassung über die Deckung der Genossenschaftslasten eine Stimmgewichtung je 50 angefangene PS, also nach Leistung der Triebwerke, vorgesehen war, wenn auch in allen sonstigen Angelegenheiten jeder Genosse eine Stimme hatte. Insoweit fehlt es an einer Eindeutigkeit der in Bezug genommenen bisherigen Handhabung. Eine konkretisierende Regelung wurde auch in den Satzungstext von 1954 nicht explizit aufgenommen. Da eine eindeutige satzungsautonome Regelung der Stimmabgabe in der Verbandsversammlung fehlt, ist auf die Regelung der Ersten Wasserverbandsverordnung zurückzugreifen (§ 8 Satz 1, § 9 Abs. 1 und 2 WVVO). § 46 Abs. 1 WVVO sieht als gesetzliche Organe des Verbands den Vorstand (Vorsteher) und einen Ausschuss vor; durch Satzungsregelung kann bestimmt werden, dass der Verband an Stelle des Ausschusses die Verbandversammlung hat. Dies hat die Verbandssatzung 1954/1978 jeweils in § 8 bestimmt (der Verband hat eine Verbandsversammlung und einen Vorstand). Damit obliegen die Aufgaben des Ausschusses nach § 62 Abs. 1 WVVO der Versammlung der Mitglieder des Verbands. Abweichend von der Regelung für Ausschüsse (§ 61 Abs. 1 Satz 2 WVVO: Jedes Mitglied hat eine Stimme) sieht § 62 Abs. 2 Satz 2 mit dem Verweis auf § 56 WVVO für das Stimmrecht der Mitglieder in der Verbandsversammlung für die sonst dem Ausschuss zustehenden Aufgaben vor, dass das Stimmverhältnis dem Beitragsverhältnis entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 2 unter Verweis auf §§ 81, 82 WVVO), also nach dem Verhältnis der Vorteile, die die Mitglieder von der Aufgabe des Verbands haben. Das Beitragsverhältnis ist wiederum in § 27 der Verbandssatzung 1954/1978 im wesentlichen unter Zugrundelegung der anteiligen Leistung der Triebwerke der Mitglieder festgelegt. Dieses Beitragsverhältnis, das auch bereits der Regelung in § 3 Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 7 der Wehrgenossenschaftssatzung von 1914 zu Grunde lag (vgl. § 82 Abs. 1 WVVO), konkretisiert lediglich den in § 81 WVVO genannten Vorteil (vgl. Rapsch, WVVO, 1. Aufl. 1989, RdNrn. 13 ff zu § 81, RdNr. 1 zu § 82).

Für die Abstimmung in der Verbandsversammlung beim Antragsgegner waren die Stimmen damit entsprechend vorgenannter Regelungen nach dem Beitragsverhältnis der Mitglieder zu gewichten (Rapsch, a.a.O., RdNr. 33 zu § 46).

Nach der insoweit vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogenen Stellungnahme des Antragsgegners vom 22. Juni 2005 ergibt sich eine gesamte installierte Leistung der Triebwerke von 6.249 PS. Auf den Antragsteller entfallen hiervon 2.591 PS. Aus der Niederschrift ergibt sich zwar nicht unmittelbar, dass der Antragsteller gegen den neu aufgenommenen Änderungsantrag zur Satzungsergänzung gestimmt hatte. Dies hat er jedoch unwidersprochen mit seinem Schreiben vom 3. März 2008 vorgetragen und ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zweifelhaft.

Für eine Zweidrittelmehrheit ausgehend vom Vorteilsprinzip wären für einen wirksamen Beschluss unter Verzicht auf Frist und Form der Ladung Zustimmungen, die gewichtet 4.166 PS (zwei Drittel der gesamtinstallierten Leistung) repräsentieren, erforderlich gewesen. Da der Antragsteller mit mehr als einem Drittel der gewichteten Stimmen (ein Drittel entspricht 2.083 PS installierte Leistung), dagegen stimmte, konnte auf eine form- und fristgerechte Ladung nicht wirksam verzichtet werden.

Im Übrigen würde eine wirksame Beschlussfassung auch bei einem unterstellten Kopfteil-Stimmverhältnis scheitern. Denn bei der vom Antragsgegner für richtig gehaltenen Gesamtstimmenzahl von 8 Kopfteilen hätte er für eine Zweidrittelmehrheit 5,33, also 6 Kopfstimmen gebraucht, während ausweislich der Niederschrift nur fünf Jastimmen für die beantragte Satzungsänderung abgegeben worden waren (ein Verbandsmitglied war nicht anwesend).

Damit ist die Änderungssatzung für unwirksam zu erklären, die Entscheidungsformel ist vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Streitwertfestsetzung: § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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