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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.07.2008
Aktenzeichen: 22 N 06.1407
Rechtsgebiete: BayWG, BayVwVfG


Vorschriften:

BayWG Art. 85 Abs. 3 Satz 1
BayVwVfG Art. 73 Abs. 6 Satz 1
BayVwVfG Art. 68 Abs. 2
1. Im obligatorischen Erörterungstermin im Verfahren für den Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung muss eine substantielle Erörterung der Einwendungen der Betroffenen stattfinden; die Erörterung muss nach der öffentlichen Auslegung vorgelegte fachliche Gutachen jedenfalls dann umfassen, wenn diese maßgebliche Entscheidungsgrundlagen darstellen.

2. Die gebotene substantielle Erörterung kann nicht durch den Verweis auf die Möglichkeit einer schriftlichen Äußerung ersetzt werden.

3. Ein Verstoß gegen das Gebot substantieller Erörterung führt in der Regel zur Unwirksamkeit der Wasserschutzgebietsverordnung.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

22 N 06.1407

In der Normenkontrollsache

wegen Wasserschutzgebietsverordnung;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. Juli 2008

am 4. August 2008

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Verordnung des Landratsamts T********* über das Wasserschutzgebiet für den Brunnen III "Aumühle" des Wasserbeschaffungsverbands Ü****** in der Gemeinde Ü****** und im Markt G****** für die öffentliche Wasserversorgung in der Gemeinde Ü******, Landkreis T*********, vom 25. November 2005, bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis T********* vom 9. Dezember 2005, wird für unwirksam erklärt.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Verordnung des Landratsamts T********* über das Wasserschutzgebiet für den Brunnen III "Aumühle" des beigeladenen Wasserbeschaffungsverbands Ü****** in der Gemeinde Ü****** und im Markt G****** für die öffentliche Wasserversorgung in der Gemeinde Ü******, Landkreis T*********, vom 25. November 2005, bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis T********* vom 9. Dezember 2005, S. 208. Die Verordnung ist nach ihrem § 10 am 10. Dezember 2005 in Kraft getreten.

Das Schutzgebiet besteht aus dem Fassungsbereich für den Brunnen (W I), einer engeren Schutzzone (W II), einer weiteren Schutzzone A (W III A) und einer weiteren Schutzzone B (W III B). Die Grenzen des Schutzgebiets und der einzelnen Schutzzonen sind in den im Anhang als Bestandteil der Verordnung veröffentlichten Lageplänen eingetragen. Für die genaue Grenzziehung sind die vom Landratsamt zu dieser Verordnung ausgefertigten Lagepläne im Maßstab 1:5000 maßgebend, die im Landratsamt und in den Geschäftsstellen des Beigeladenen, der Gemeinde Ü****** und des Marktes G****** niedergelegt wurden.

Die Verordnung löst die durch Zeitablauf außer Kraft getretene (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 16.2.2001 Az. 22 CS 00.2660) Kreisverordnung über die Reinhaltung des Wassers für die vom Beigeladenen versorgten Gebiete im Landkreis T********* vom 14. Juli 1969 zum Schutz von drei Brunnen beim Gemeindeteil Aumühle ab.

2. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2001 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zum Zutagefördern von Grundwasser aus dem Brunnen III für die Sicherstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgung, befristet bis 31. Dezember 2004, im Umfang von 360.000 m³ im Jahr. Mit Bescheid vom 8. Mai 2003 wurde die Entnahmemenge auf 473.000 m³ im Jahr angehoben, mit Bescheid vom 23. November 2004 wurde die Erlaubnis bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 befristet. Mit Bescheid vom 24. April 2006 wurde die Erlaubnis auf eine Entnahmemenge von 360.000 m³ im Jahr reduziert.

3. Mit Schreiben vom 12. August 1997 beantragte der Beigeladene die Neuausweisung des Trinkwasserschutzgebiets für den Brunnen III Aumühle unter Vorlage eines Schutzgebietsvorschlags des Umweltgeologen ************.

Nach dem Erläuterungsbericht betreibt der Beigeladene seit 1954 in Aumühle eine öffentliche Trinkwasserversorgung. Durch die Neuausweisung solle das gesamte Einzugsgebiet erfasst und durch strengere Vorgaben im Schutzgebietskatalog sollen Minderungen der Belastungsintensität erzielt werden. Durch das Verbot der Ausbringung organischer Dünger und der Beweidung in Zone II solle ein Beitrag zur Verbesserung der hygienischen Sicherheit geleistet werden. Der Fassungsbereich stehe im Eigentum des Beigeladenen. Die vorhandene Schutzzone II werde östlich des Ü******r Bachs erweitert und erfasse den gesamten Absenkungsbereich bis 100 m. Die bisherige Zone III werde als Zone III A in ihren Umrissen beibehalten, wobei im Westen die Grenze aufgrund veränderter Flurgrenzen an die Kreisstraße verlegt werde. Der Fließzeitabstand für die Zone III A betrage im Süden etwa 110 Tage. Die Zone III B erfasse das Einzugsgebiet bis zu einem Fließzeitabstand von ca. 250 Tagen und reiche bis zur T****** Ache bzw. bis zum Schutzgebiet des Versorgungsgebiets B******.

Die geplante Schutzgebietsneuausweisung und die Auslegung der Unterlagen wurden in den Amtsblättern der Gemeinde Ü****** und des Marktes G****** vom 30. April 1998 öffentlich bekannt gemacht. Der Verordnungsentwurf mit Schutzgebietsvorschlag lag mit den Antragsunterlagen vom 11. Mai 1998 für die Dauer eines Monats in den Gemeindeverwaltungen auf.

Gegen die geplante Verordnung erhoben zahlreiche Betroffene fristgerecht Einwendungen.

Mit Schreiben vom 16. April 1999 forderte das Wasserwirtschaftsamt T********* (WWA) vom Beigeladenen weitere Angaben und Unterlagen nach. Das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft (LfW) empfahl mit Schreiben vom 22. Juli 1999 ebenfalls weitere Untersuchungen.

Mit Schreiben vom 12. April 2001 legte das WWA dem Landratsamt sein Gutachten zum geplanten Wasserschutzgebiet vor. Für eine endgültige Beurteilung der Schutzgebietsgrenzen wurden weitere Messungen und Grundwassergleichenpläne gefordert.

In der Folge reichte der Beigeladene verschiedene weitere Gutachten und Berichte des Ingenieurbüros *** ******** *** ******** GmbH nach. Das Gutachten vom 13. August 2003 machte einen modifizierten Schutzgebietsvorschlag mit gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag teilweise zurückgenommenen Schutzgebietsgrenzen. Insbesondere östlich des Brunnens Aumühle ergebe sich ein deutlich reduzierter Flächenbedarf.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2004 nahm das WWA ergänzend Stellung. Die vorgeschlagene Schutzgebietsverordnung sei trotz eingeschränkter Wirksamkeit aus wasserwirtschaftlicher Sicht notwendig und geeignet, die wesentlichen Gefahrenquellen aus dem Einzugsgebiet des Brunnens fernzuhalten. Sonstige sinnvolle Alternativen seien nicht erkennbar.

Das Gesundheitsamt T********* nahm mit Schreiben vom 14. Juli 2004 zum beabsichtigten Wasserschutzgebiet Stellung. Der Brunnen III sei für die Versorgungssicherheit der Gemeinde Ü****** unabdingbar, die Ausweisung eines Wasserschutzgebiets aus trinkwasserhygienischer Sicht erforderlich. Auch bei extremsten Witterungsverhältnissen hätten Untersuchungen keine Beanstandungen ergeben. Die zweite Trinkwassererschließung des Beigeladenen im Ortsteil B****** weise wegen der Lage unmittelbar an der Kreisstraße ** ** ein konkretes Gefährdungspotential auf. Das dortige Wasserschutzgebiet entspreche nicht mehr heutigen Anforderungen.

Mit Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde Ü****** vom 30. Juni 2005 und des Marktes G****** vom 1. Juli 2005 lud das Landratsamt zur Erörterung der erhobenen Einwendungen am 14. Juli 2005 ein. Im Erörterungstermin beantragte der Bevollmächtigte der Antragsteller, die Auslegung der Verfahrensunterlagen zu wiederholen, weil die seinerzeit ausgelegten Unterlagen nicht geeignet und ausreichend zur Darstellung der Betroffenheit der Antragsteller gewesen seien. Der mittlerweile überarbeitete Verordnungsentwurf verändere die Schutzgebietsgrenzen, zudem seien die im Verfahren erst später nachgereichten Gutachten nicht ausgelegt gewesen. Diesem Antrag wurde nicht entsprochen. Die Frage, ob die später nachgereichten Gutachten Gegenstand der Erörterung sein könnten, wurde unterschiedlich beurteilt. Die fachliche Erörterung dieser Gutachten wurde abgebrochen und den Antragstellern eine Zweiwochenfrist zur schriftlichen Äußerung eingeräumt.

Nach einer Überarbeitung insbesondere des Verbotskatalogs in § 3 des Verordnungsentwurfs wurde die Verordnung im Amtsblatt für den Landkreis T********* vom 9. Dezember 2005 bekannt gemacht.

4. Gemäß Schriftsatz vom 24. Mai 2006 beantragen die Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, die Verordnung des Landratsamts T********* über das Wasserschutzgebiet für den Brunnen III "Aumühle" für unwirksam zu erklären.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragsteller seien Eigentümer von in der engeren und der weiteren Schutzzone gelegenen Grundstücken. Die angegriffene Verordnung sei bereits aus formellen Gründen unwirksam. Das Landratsamt habe es versäumt, die Verfahrensunterlagen nach Vorlage der weiteren Gutachten des Ingenieurbüros *** ******** *** ******** GmbH erneut öffentlich auszulegen. Es stehe fest, dass alle für die Entscheidung über die Festsetzung des Schutzgebiets erforderlichen Erkundungen und Untersuchungen erst nach der öffentlichen Auslegung durchgeführt worden seien. Auch nach Auffassung der Behörden sei das zunächst vom Beigeladenen vorgelegte Gutachten ************ ungenügend gewesen. Die Antragsteller hätten deshalb im Verfahren nicht die entscheidungserheblichen Informationen erhalten und hierzu Stellung nehmen können. Zweck des Erörterungstermins sei ein Eingehen auf alle wesentlichen Gesichtspunkte und Materialien, insbesondere entscheidungserhebliche Gutachten, um dadurch auch eine Planungsoptimierung zu erreichen. Dem sei die durchgeführte Erörterung nicht gerecht geworden. Das Landratsamt habe die Antragsteller darauf beschränkt, die im Rahmen der öffentlichen Auslegung vorgetragenen Einwendungen zu erörtern. Eine Erörterung der erst nach der Auslegung vorgelegten Gutachten sei abgeschnitten worden mit dem Hinweis, dass sich der Termin alleine auf die tatsächlich ausgelegenen Unterlagen und die hierzu erhobenen Einwendungen zu beschränken habe.

Von der Sache her sei der Grenzverlauf der Wasserschutzgebietsverordnung unplausibel. Aus einem vorgelegten Plan zu Grundwasserisolinien ergebe sich, dass große Bereiche außerhalb des Anstrombereichs des Brunnens in das verfahrensgegenständliche Schutzgebiet einbezogen worden seien. Die Schutzanordnungen seien zu wenig an die lokalen Verhältnisse angepasst worden.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Es wird ausgeführt, die zunächst ungenügenden Unterlagen des Büros ************ seien durch Einholung weiterer Gutachten des Ingenieurbüros **. ******** *** ******** GmbH nachgebessert worden. Eine nochmalige Auslegung sei im Verfahren zwar nicht erfolgt, jedoch seien den Betroffenen die neuen Gutachten über den "Bund *** ************************ ***.", dem die Antragsteller alle angehörten, zugeleitet worden. Aufgrund dieser Gutachten sei das Wasserschutzgebiet verkleinert worden, so dass sich die Rechtsposition der Antragsteller hierdurch nicht verschlechtert habe. Bereits Art. 73 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG sehe einen Verzicht auf eine Auslegung vor, wenn der Kreis der Betroffenen bekannt sei und ihnen innerhalb angemessener Frist Gelegenheit gegeben werde, den Plan einzusehen. Nicht erkennbar sei, welche weiteren Erkenntnisse tatsächlicher oder rechtlicher Art aus einer erneuten Auslegung hätten gezogen werden können. Nach Art. 73 Abs. 6 Satz 1 BayVwVfG würden nur Gesichtspunkte im Erörterungstermin behandelt, die innerhalb der Einwendungsfrist vorgebracht worden seien. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 75, 214, 225) seien nach dieser Vorschrift eingeholte Stellungnahmen der im Verfahren beteiligten Behörden zu erörtern; dabei sei aber offen gelassen worden, ob damit auch im Verfahren eingeholte Gutachten gemeint seien. So werde die in Art. 66 Abs. 2 BayVwVfG normierte Verpflichtung, schriftliche Gutachten zugänglich zu machen, in Art. 72 ff. BayVwVfG nicht wiederholt. Bei den neuen Gutachten handle es sich nicht um Stellungnahmen der am Vorhaben beteiligten Behörden. Zudem seien die Planungen nicht wesentlich geändert worden, insbesondere nicht zulasten der Antragsteller.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag, hält aber die Ablehnung der Normenkontrollanträge für rechtens.

Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2008 legten die Antragsteller auf Nachfrage des Gerichts eine Stellungnahme des Geowissenschaftlichen Büros **. ********** GmbH zur Ausweisung eines Wasserschutzgebiets für den Brunnen III Aumühle vom 8. Juni 2008 vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Juli 2008 sowie die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Normenkontrollanträge sind begründet. Das Normsetzungsverfahren leidet an einem Verfahrensfehler. Die nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 BayWG i.V. mit Art. 73 Abs. 6 Satz 1 und Satz 6, Art. 68 Abs. 2 BayVwVfG durchzuführende Erörterung mit den Betroffenen und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, wurde nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend durchgeführt. Dieser Verfahrensfehler führt zur Unwirksamkeit der Verordnung.

1. Im gesetzlich vorgeschriebenen Erörterungstermin wurde der Schutzgebietsvorschlag mit den von ihm betroffenen Antragstellern nicht hinreichend substantiell erörtert.

1.1. Nach Art. 73 Abs. 6 Satz 1 und Art. 68 Abs. 2 BayVwVfG hat die Anhörungsbehörde - hier das für den Verordnungserlass zuständige Landratsamt T********* - die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan - hier die Verordnung - und die Stellungnahmen der Behörden hierzu mit dem Träger des Vorhabens, den Behörden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zu erörtern. Nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG hat der Verhandlungsleiter dabei darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

Nach ständiger Rechtsprechung bezieht sich das Anhörungs- und Erörterungsverfahren nicht nur auf die ausgelegten Planungsunterlagen und die dagegen erhobenen Einwendungen. Nach Art. 73 Abs. 6 Satz 1 BayVwVfG sind auch die eingeholten Stellungnahmen der am Vorhaben beteiligten Behörden zu erörtern (BVerwG vom 5.12.1986 BVerwGE 75, 214, 225). In dieser Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht allerdings offen gelassen, ob die Erörterungspflicht stets auch die von der Planfeststellungsbehörde eingeholten Gutachten einschließt. Hierauf stützt der Antragsgegner seine Auffassung, die vom Beigeladenen erst nach der Auslegung der Verfahrensunterlagen ergänzend vorgelegten Gutachten des Ingenieurbüros *** ******** *** ******** GmbH seien nicht mit zu erörtern gewesen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der genannten Entscheidung im Weiteren klargestellt, dass sich die Erörterung auf die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen zu beziehen hat. Für eine zweckbezogene Auslegung des Art. 73 Abs. 6 Satz 1 BayVwVfG ist auch die grundrechtsschützende Funktion des Verfahrensrechts zu beachten. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher insbesondere die Möglichkeit einer substantiellen Einflussnahme für die Betroffenen und daher die hinreichende Problembezogenheit der Erörterung verlangt.

Dem folgend hat der Verwaltungsgerichtshof in Normsetzungsverfahren mit dem Ziel des Erlasses von Wasserschutzgebietsverordnungen einen Anspruch aus Art. 73 Abs. 6 BayVwVfG auf eine substantielle Erörterung aufgrund der insoweit grundrechtsschützenden Funktion des Verfahrensrechts bejaht (BayVGH vom 18.12.1996 BayVBl 1997, 467; vom 27.10.2006 Az. 22 N 04.2609 in juris). Eine Verletzung des Rechts auf substantielle Erörterung wurde in der Entscheidung vom 18. Dezember 1996 nur deshalb verneint, weil im Erörterungstermin ein Vertreter des Wasserwirtschaftsamts die (aktualisierten) gutachtlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros der Gemeinde als Trägerin der örtlichen Wasserversorgung sowie deren Bewertung durch das Wasserwirtschaftsamt erläutert hatte und der Bevollmächtigte der dortigen Einwendungsführerin hierzu Stellung nehmen konnte.

1.2. Im streitgegenständlichen Erörterungstermin vom 14. Juli 2005 fehlte es nach den Aussagen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2008 und ausweislich der Niederschrift vom 14. November 2005 an einer hinreichend substantiellen Erörterung der verschiedenen hydrogeologischen Gutachten des Ingenieurbüros *** ******** *** ******** GmbH, welche der Beigeladene im Laufe des Verfahrens ergänzend zu den ursprünglichen Unterlagen für eine Wasserschutzgebietsverordnung vorgelegt hatte und die die Erforderlichkeit des Wasserschutzgebiets maßgeblich stützen sollten.

Aus der Niederschrift wie auch aus dem Vortrag der Beteiligten im anhängigen Normenkontrollverfahren ergibt sich, dass der Antragsgegner die Auffassung vertrat, es seien nur die nach der Auslegung im Jahr 1998 zum Verordnungsentwurf rechtzeitig eingegangenen Bedenken, Anregungen und Einwendungen zu erörtern, nicht aber die zwischenzeitlich vom Beigeladenen nachgereichten Gutachten, welche zur Grundlage des Verordnungserlasses gemacht werden sollten. Die Antragsteller wurden im Erörterungstermin ausdrücklich auf die zu den ausgelegten Unterlagen vorgebrachten Bedenken und Anregungen beschränkt.

Der Fachbeistand der Antragsteller durfte zwar mit mündlichen Einwendungen gegen die neueren Gutachten beginnen und es wurde insofern auch eine kurze fachliche Diskussion zugelassen. Diese wurde allerdings dann mit dem Hinweis abgebrochen, dass offenbar ein Gegengutachten und neue, bisher nicht vorliegende Bedenken und Anregungen vorgetragen und vertieft werden sollten, die sich nicht unmittelbar auf den ausgelegten Verordnungsentwurf und Schutzgebietsvorschlag bezögen und deshalb nicht Gegenstand der Erörterung in diesem Termin sein könnten. Dem Fachbeistand werde jedoch Gelegenheit gegeben, seine Ausführungen schriftlich zu konkretisieren und binnen zwei Wochen nachzureichen, damit geprüft werden könne, inwieweit diese für die beantragte Schutzgebietsausweisung von Bedeutung sein und welche verfahrensrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben könnten. Hiervon machten die Antragsteller keinen Gebrauch. Zu der gesetzlich vorgesehenen substantiellen Erörterung der Einwendungen der Antragsteller im Hinblick auf die Erforderlichkeit von Eingriffen in die von ihnen geltend gemachten Rechtsgüter kam es bei diesem Geschehensablauf nicht.

Das Abschneiden der weiteren fachlichen Erörterung der Ergänzungsgutachten führte zu einer mangelhaften Erörterung der maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die beabsichtigte Schutzgebietsausweisung. Die zum Normerlass berufene Behörde ist zur Gewinnung einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage verpflichtet, derartige neue Gutachten einzubeziehen (BVerwG vom 5.12.1986 BVerwGE 75, 214; vom 9.7.2003 Az. 9 VR 1.03 in juris). Soweit diese Gutachten vor dem Erörterungstermin bekannt sind - sie waren hier gerade auch den Antragstellern über den "Bund *** ************************ ***." zur Kenntnis gegeben worden -, sind diese auch als Entscheidungsgrundlage im Erörterungstermin zu erörtern. Das bedeutet, den Antragstellern bzw. Einwendungsführern ist Gelegenheit zu geben, sich mit den im Termin anwesenden Fachleuten der Wasserwirtschaftsverwaltung wie auch dem für den Beigeladenen tätig gewordenen Ingenieurbüro über die gewonnenen Erkenntnisse und die Folgerungen hieraus für das beabsichtigte Vorhaben und für die von ihnen geltend gemachten Rechtsgüter auseinander zu setzen. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Antragsteller bzw. Einwendungsführer hierzu noch nicht von sich aus schriftlich Stellung genommen haben. Hierzu waren sie nämlich rechtlich nicht verpflichtet.

2. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass die Möglichkeit zu einer nachträglichen schriftlichen Äußerung eingeräumt wurde. Möglicherweise kann der Verhandlungsleiter bei komplexen fachlichen Ausführungen eines Einwenders, zu denen bisher keine schriftliche Äußerung vorliegt, die Nachreichung einer schriftlichen Stellungnahme verlangen, auch wenn er damit die aktuelle Erörterung abschneidet, um mit Hilfe einer schriftlichen Grundlage letztlich doch eine substantielle Erörterung zu erreichen. Dann muss aber klar sein, dass auf der Grundlage der nachzureichenden schriftlichen Äußerung erneut in eine Erörterung eingetreten wird. Die Einwendungsführer brauchen sich zumutbarer Weise auf eine solche, für sie unter Umständen kostenträchtige Verfahrensweise nur einzulassen, wenn für sie transparent ist, dass sie damit keine Mitwirkungsrechte einbüßen und insbesondere ihr Recht auf substantielle Erörterung gewahrt bleibt.

Vorliegend hatte der Verhandlungsleiter die Nachreichung einer Stellungnahme binnen zwei Wochen angeboten, um damit die von ihm als nicht notwendig angesehene Erörterung der neuen Gutachten mit den Einwendern abzubrechen. Dies reicht zur Vermeidung des Verstoßes gegen das Gebot der substantiellen Erörterung nicht aus. Mit diesem Angebot wurde gerade nicht klargestellt, dass eine fachliche Äußerung der Antragsteller inhaltlich bewertet und diesbezüglich dann tatsächlich erneut in eine Erörterung eingetreten werden würde. Insbesondere die vom Verhandlungsleiter wiederholt vorgetragene fehlerhafte Rechtsansicht, die nach der öffentlichen Auslegung gefertigten Gutachten seien nicht erörterungsbedürftig, führte zu einer für die Antragsteller unklaren Situation. Insoweit liegt eine andere Situation vor als in dem Fall, in dem bei objektiver Betrachtung sämtliche Gesichtspunkte erörtert wurden, der Verhandlungsleiter deshalb zur straffen Durchführung der Erörterung insoweit wiederholende Äußerungen unterbricht, aber statt dessen nochmals die Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung einräumt.

3. Der vorliegende Verfahrensverstoß zieht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der angegriffenen Wasserschutzgebietsverordnung nach sich. Dem berechtigten Anliegen einer Normerhaltung kann vorliegend nicht Rechnung getragen werden.

Hierzu hat das erkennende Gericht bereits in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 11.4.2000 BayVBl 2000, 531) ausgeführt:

"Spezielle Vorschriften für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern existieren für Wasserschutzgebietsverordnungen nicht. Es kann auch nicht ohne besondere Rechtfertigung auf die für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften zurückgegriffen werden, etwa auf Art. 46 BayVwVfG. Zieht man Regelungen orientierungshalber heran, die der Gesetzgeber dort erlassen hat, wo ihm die Normerhaltung ein besonderes Anliegen war, insbesondere §§ 214 ff. BauGB, so zeigt sich, dass die Verletzung von Vorschriften über die Bürgerbeteiligung ... grundsätzlich als "beachtlich" anzusehen ist (§ 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Insoweit gibt es auch keine zusätzlichen Anforderungen, etwa die konkrete Möglichkeit einer anderen Normsetzungsentscheidung (keine Entsprechung zu § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Dieser Rechtsgedanke muss erst recht in Rechtsbereichen gelten, in denen der Gesetzgeber nicht eigens im Interesse der Normerhaltung tätig geworden ist. Die grundsätzliche Beachtlichkeit von Verstößen gegen Beteiligungsregelungen ist hier deshalb gerechtfertigt, weil es beim Erlass von Wasserschutzgebietsverordnungen mit Nutzungsbeschränkungen um unmittelbare und gegenwärtige Eingriffe in das Eigentumsrecht der Grundstückseigentümer geht und der Grundrechtsschutz durch Verfahren es verlangt, dass unmittelbar Normbetroffene in das Normsetzungsverfahren einbezogen werden... Der Eigentumsschutz durch verwaltungsgerichtliche materiellrechtliche Überprüfung der vom Normgeber vorgenommenen Abwägung könnte diese Schutzfunktion nicht ersetzen; angesichts des hohen Rangs des Belangs der öffentlichen Trinkwasserversorgung und der fachlichen Autorität der Wasserwirtschaftsämter als wasserwirtschaftlicher Fachbehörden (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayWG) sind die Erfolgschancen für betroffene Grundstückseigentümer diesbezüglich eher gering."

Dennoch hat der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Wasserschutzgebietsverordnung die Berechtigung des Anliegens der Normerhaltung anerkannt (BayVGH vom 25.1.2008 - Az. 22 N 04.3471). Allerdings bestehen hierfür Grenzen.

Die Verletzung von Beteiligungsregelungen im Normsetzungsverfahren führt nur dann nicht zur Nichtigkeit der angegriffenen Norm, wenn ausgeschlossen werden kann, dass die Norm ohne den Verfahrensfehler einen anderen Inhalt erhalten hätte. Gerade dies kann hier nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist der Inhalt von Wasserschutzgebietsverordnungen durch § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WHG determiniert. Wasserschutzgebiete können danach festgesetzt werden, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen. In den Wasserschutzgebieten können bestimmte Handlungen verboten werden, falls das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert. Dieses eröffnet aber einen Handlungsspielraum sowohl hinsichtlich der Grenzen des Wasserschutzgebiets als auch hinsichtlich der Anordnung von Nutzungsbeschränkungen (BayVGH vom 13.6.1996, BayVBl 1997, 111, 112). Die Wasserrechtsbehörde entscheidet insofern nach Ermessen, inwieweit sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 WHG ein Wasserschutzgebiet festsetzt oder dies im Hinblick auf anderweitige Möglichkeiten eines wirksamen Schutzes des Grundwassers unterlässt (BVerwG vom 30.9.1996 NVwZ 1997, 887). Zumindest diese Ermessensausübung kann durch eine substantielle Erörterung beeinflusst werden. Darüber hinaus reichen die möglichen Auswirkungen der substantiellen Erörterung schon vom Gesetzeszweck her, der die Möglichkeit einer substantiellen Einflussnahme der Betroffenen bezweckt, auch in den Bereich des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit hinein.

Auch im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landratsamt bei Kenntnis des Vorbringens des Fachbeistands der Antragsteller und Einbeziehung dieses Vorbringens in die Erörterung die angegriffene Wasserschutzgebietsverordnung mit (teilweise) anderem Inhalt erlassen hätte. Denn die nunmehr im Normenkontrollverfahren vorgelegte fachliche Stellungnahme des Gutachters der Antragsteller wirft Fragen auf, die nicht von vornherein als nicht diskussionswürdig abgetan werden können, etwa hinsichtlich der genauen Grenzen der engeren Schutzzone und an ihren seitlichen Rändern auch der weiteren Schutzzone, ferner hinsichtlich einzelner Schutzanordnungen.

Damit ist die streitgegenständliche Wasserschutzgebietsverordnung für unwirksam zu erklären.

Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 105.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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