Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: 22 ZB 02.2084
Rechtsgebiete: GastG, GastV, GG


Vorschriften:

GastG § 18
GastV § 8
GastV § 11
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 8 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 28 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 02.2084

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Aufhebung der Sperrzeit;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. Juli 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 26. September 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger betreibt in der Innenstadt von Nürnberg eine Diskothek. Die Beklagte gewährt ihm bislang für diesen Betrieb Sperrzeitverkürzungen derart, dass die Sperrzeit donnerstags um 4.00 Uhr, freitags und samstags hingegen um 5.00 Uhr beginnt. Mit Schreiben vom 2. Januar 2001 beantragte der Kläger die Aufhebung der Sperrzeit an Samstagen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 19.4.2001). Widerspruch und Verpflichtungsklage hatten keinen Erfolg.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), und es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

1. Es bedarf nicht der Zulassung der Berufung zur Klärung der Frage, ob Entscheidungen der Gemeinden über die Zulassung von Ausnahmen von der Sperrzeit für einzelne Betriebe Angelegenheiten des eigenen oder des übertragenen Wirkungskreises sind. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist nämlich geklärt, dass die Zulassung von Ausnahmen von der Sperrzeit für einzelne Betriebe gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 GastG i.V.m. § 11 GastV zum übertragenen Wirkungskreis der Gemeinden nach Art. 8 GO gehört (vgl. Bay.VGH vom 31.5.1990, BayVBl 1990, 568; BayVGH vom 14.4.1987, BayVBl 1988, 117). Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag lässt keinen erneuten Klärungsbedarf hervortreten.

2. Es bedarf auch nicht der Zulassung der Berufung zur Klärung der Frage, ob § 18 GastG sowie § 8 und § 11 GastV verfassungsmäßig sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass die Sperrzeitvorschriften nicht verfassungswidrig sind (vgl. BVerwG vom 23.9.1976, GewArch 1977, 24/25; BVerwG vom 15.12.1994, GewArch 1995, 155, m.w.N.). Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag lässt keinen erneuten Klärungsbedarf hervortreten. Insbesondere verstoßen die genannten Vorschriften nicht gegen das Homogenitätsgebot in Art. 28 Abs. 1 GG. Das Homogenitätsgebot will dasjenige Maß an struktureller Homogenität zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten gewährleisten, das für das Funktionieren eines Bundesstaats unerlässlich ist. Es ist auf die in Art. 28 Abs. 1 GG genannten Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen und innerhalb dieser wiederum auf deren Grundsätze beschränkt. Das Homogenitätsgebot will dagegen nicht für Uniformität sorgen (BVerfGE 90, 60/84 f.). Von daher bestehen keine Bedenken gegen die Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 1 GastG, die unterschiedliche Festsetzungen der allgemeinen Sperrzeit durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen ermöglicht. Soweit der Kläger Art. 8 Abs. 1 GG als verletzt ansieht, lässt sich dem Vorbringen im Zulassungsantrag nicht entnehmen, inwiefern in Gaststätten bzw. Diskotheken nach dem Beginn der allgemeinen Sperrzeit Versammlungen im Sinn des Art. 8 Abs. 1 GG abgehalten werden sollen, denen durch die Handhabung der genannten Ausnahmevorschriften nicht im gebotenen Umfang Rechnung getragen werden könnte. Wie der Kläger zutreffend ausführt, wird die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) durch die Sperrzeitvorschriften eingeschränkt; seine Ausführungen lassen indes nicht erkennen, weshalb die Einschränkung nicht durch den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, den Schutz der Nachtruhe, den Schutz der Volksgesundheit oder die Bekämpfung des Alkohol- und Drogenmissbrauchs zu rechtfertigen sein sollte (vgl. zu diesen Schutzgütern BVerwG vom 17.7.1995, NVwZ-RR 1996, 260). Zum gleichen Ergebnis führt die Betrachtung unter den Gesichtspunkten des Art. 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG sowie des Schutzes des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Der Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 GG bedarf es nach alledem nicht. Dem Kläger ist lediglich darin zuzustimmen, dass die Sperrzeitvorschriften verfassungskonform auszulegen sind und die Bedeutung der Grundrechte und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten ist (vgl. Metzner, GastG, 6. Auflage 2002, RdNrn. 19 ff. zu § 18).

3. Die Kritik des Klägers an den Ausführungen im angefochtenen Urteil zu der von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde getroffenen Ermessensentscheidung rechtfertigt die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht, weil sich aus ihr nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Sperrzeitvorschriften zu dem Schluss nötigen, dass eine Aufhebung der normativ geregelten Sperrzeit nur ausnahmsweise, in atypischen Fällen, zulässig ist und rechtsdogmatisch ein sogenanntes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt vorliegt. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG vom 23.9.1976, GewArch 1977, 24; vgl. auch Metzner, a.a.O., RdNrn. 17 f. zu § 18, m.w.N.). Auch in diesem Rahmen sind die Grundrechte des Klägers nach Art 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zu beachten. Ihnen sind bei der Ermessensausübung aber die öffentlichen Belange entgegenzuhalten, die durch das Gaststättengesetz geschützt werden, vor allem die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Nachtruhe, der Volksgesundheit und der Bekämpfung des Alkohol- und Drogenmissbrauchs (vgl. BVerwG vom 17.7.1995, NVwZ-RR 1996, 260). Dass sich die Beklagte und die Widerspruchsbehörde bei der Ermessensausübung Erwägungen der obersten Sicherheitsbehörde, des Bayer. Staatsministeriums des Innern, (teilweise) zu eigen machen durften, kann hierbei nicht ernstlich bezweifelt werden. Das Konzept der Beklagten, für Diskotheken in Nürnberg generell keine Sperrzeitaufhebung zu erteilen, um dadurch das "Durchfeiern" zu verhindern, dem ein Anreiz zum Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie zum Diskothekenwechsel nach durchzechter Nacht und entsprechenden Straßenverkehrsgefährdungen zugeschrieben wird, begegnet, gemessen an diesen Maßstäben, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Dass die bezeichneten Gefahren in Wirklichkeit bestehen, wird durch das Vorbringen des Klägers nicht in Frage gestellt. Die Prognose, mit dem genannten Konzept diesen Missständen entgegenwirken zu können, begegnet keinen ernstlichen rechtlichen Zweifeln. Dabei ist zu beachten, dass sich Prognosen naturgemäß einer exakten Feststellung entziehen - im Unterschied zu Tatsachen, die bereits eingetreten sind -, und eine Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte nur beschränkt möglich ist, insbesondere lediglich die Richtigkeit der zu Grunde gelegten Ausgangstatsachen und die Vertretbarkeit der angewendeten Methoden zum Gegenstand hat (BVerwGE 62, 86/107 f.). Dass die Diskothek des Klägers bislang nur für ein lokales Publikum bedeutsam gewesen sein soll, entzieht der Prognose der Beklagten und der Widerspruchsbehörde nicht die Grundlage. Gerade dies könnte sich durch die Aufhebung der Sperrzeit ändern. Inwieweit die Ablehnung der Sperrzeitaufhebung bei gleichzeitiger Gewährung von Sperrzeitverkürzungen mit Sperrzeitbeginn um 4.00 Uhr an Donnerstagen sowie um 5.00 Uhr an Freitagen und Samstagen und bei bestehender Bereitschaft der Beklagten, die Sperrzeit in begründeten Einzelfällen aufzuheben, unverhältnismäßig im engeren Sinn, also unzumutbar sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe nicht erkannt, dass die Beklagte und die Widerspruchsbehörde Art. 3 Abs. 1 GG verletzt hätten, greift nicht durch. Die Beklagte und die Widerspruchsbehörde verletzen bei der Anwendung des Sperrzeitrechts den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dadurch, dass beispielsweise die Landeshauptstadt München in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich (möglicherweise) noch keine gleichartigen Schritte vollzogen hat. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt lediglich die Gleichbehandlung der Bürger durch den nämlichen - zuständigen -, nicht aber auch ihre Gleichbehandlung durch mehrere voneinander unabhängige Verwaltungsträger (BVerfGE 79, 127/158). Es würde sich hier um Disparitäten handeln, die notwendige Folge des Staatsaufbaus von unten nach oben sind (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, RdNr. 243 zu Art. 3; vgl. auch BayVGH vom 15.4.1999, BayVBl 1999, 630/631). Ferner durften die Beklagte und die Widerspruchsbehörde bei den Gaststätten innerhalb des räumlichen Zuständigkeitsbereichs der Beklagten nach unterschiedlichen gaststättenrechtlichen Betriebsarten differenzieren und insbesondere für die Betriebsart der Diskothek eigenständige Lösungen entwickeln.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück