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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.06.2006
Aktenzeichen: 22 ZB 05.1184
Rechtsgebiete: BImSchG, 4. BImSchV, UVPG, BauGB


Vorschriften:

BImSchG § 10
BImSchG § 19
4. BImSchV § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c
4. BImSchV Nr. 1.6 des Anhangs
UVPG § 3 c Abs. 1 Satz 1
UVPG Nr. 1.6.2 des Anhangs
BauGB § 2 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 05.1184

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. März 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

ohne mündliche Verhandlung am 9. Juni 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. März 2005 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 4 VwGO) vorliegt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin im Hinblick auf ihr Vorbringen zur Nichtvereinbarkeit der angefochtenen Genehmigung mit öffentlichen Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der Raumordnung und Landesplanung keine wehrfähige Rechtsposition zukommt. Raumordnungsverfahren werden im Übrigen nach dem hier maßgeblichen Art. 23 Abs. 2 Satz 2 BayLPlG a.F. ausschließlich im öffentlichen Interesse durchgeführt; ein Rechtsanspruch auf die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens besteht nicht (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 BayLPlG a.F.).Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch eine Verletzung der Planungshoheit der Klägerin verneint. Was den ungeschriebenen öffentlichen Belang des Planungserfordernisses angeht, auf den sich eine benachbarte Gemeinde berufen kann, geht der Gesetzgeber davon aus, dass im Grundsatz bei privilegierten Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB - und damit auch bei Windenergieanlagen - das Konditionalprogramm des § 35 BauGB die Zulässigkeit von derartigen Anlagen ausreichend zu steuern vermag (vgl. BVerwG vom 11.8.2004 Az. 4 B 55.04). Abgesehen davon lassen sich dem Zulassungsvorbringen keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf das Gemeindegebiet der Klägerin und damit kein qualifizierter Abstimmungsbedarf i.S. des § 2 Abs. 2 BauGB entnehmen, auf den sich die Klägerin berufen könnte. Der Hinweis auf eine Veränderung des Landschaftsbildes durch das Vorhaben sowie auf erhebliche wirtschaftliche Nachteile durch Einbußen beim Tourismus reichen hierfür nicht aus. Angesichts des Abstands des Vorhabens zu den Ortsteilen R********* (ca. 700 m) und V*********** (ca. 1,2 km) der Klägerin wird auch nicht hinreichend dargelegt, dass von dem Vorhaben eine grundlegende Veränderung des örtlichen Gepräges oder der städtebaulichen Struktur der Klägerin ausgehen kann.

Die Rüge der Klägerin, die angefochtene Genehmigung sei zu Unrecht in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt worden, vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel am verwaltungsgerichtlichen Urteil zu begründen. Insoweit kann dahinstehen, ob bei europarechtskonformer Auslegung von einer drittschützenden Wirkung des immissionsschutzrechtlichen Verfahrensrechts auszugehen ist (vgl. OVG Koblenz vom 25.1.2005, NVwZ 2005, 1208; OVG NW vom 15.9.2005, NuR 2006, 251). Entsprechendes gilt für die damit im Zusammenhang stehende weitere Frage, ob unter Berücksichtigung der am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Änderung von Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV ein zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erheblicher Verfahrensfehler vorliegt. Denn jedenfalls kommt ein Aufhebungsanspruch der Klägerin bereits deswegen nicht in Betracht, weil nach einer gerichtlichen Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen eines diesbezüglichen Verfahrensfehlers für die Erteilung einer neuen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wiederum "nur" ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG durchzuführen wäre. Die zum 1. Juli 2005 in Kraft getretenen und im Zulassungsverfahren von den Beteiligten erörterten Rechtsänderungen der 4. BImSchV zugunsten der Beigeladenen sind auch im Rahmen einer immissionsschutzrechtlichen Nachbarklage zu berücksichtigen (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 119 zu § 113). Danach ist über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m grundsätzlich in einem vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG zu entscheiden, sofern nicht zur Genehmigung der Anlage nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ein Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV). Für Windfarmen - wie im vorliegenden Fall - mit 6 bis weniger als 20 Windkraftanlagen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur erforderlich, wenn eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls eine UVP-Pflicht ergibt (Nr. 1.6.2 Spalte 2 der Anlage 1 UVPG i.V. mit § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG). Im vorliegenden Fall hat das Landratsamt als zuständige Behörde bereits eine solche allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt und die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung verneint (vgl. Vermerk vom 5.3.2003). Substantiierte Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der hier maßgeblichen behördlichen Einschätzung hat die Klägerin nicht vorgetragen.

2. Aus den Darlegungen der Klägerin lassen sich auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache entnehmen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, lassen sich die aufgeworfenen Fragen ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 9 zu § 124).

3. Hinsichtlich der geltend gemachten Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) fehlt es bereits an der Darlegung i.S. von § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO eines bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Abgesehen davon wäre die Frage des richtigen Verfahrens für die angefochtene Genehmigung in einem Berufungsverfahren - wie sich obigen Ausführungen entnehmen lässt - nicht entscheidungserheblich (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 44 zu § 124).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; Nrn. 1.3, 16.3 Streitwertkatalog 1996.

Ende der Entscheidung

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