Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.03.2005
Aktenzeichen: 22 ZB 05.58
Rechtsgebiete: VwGO, HwO


Vorschriften:

VwGO § 75
HwO § 58 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 05.58

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Innungsmitgliedschaft;

hier: Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. November 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 24. März 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert im Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung (§ 124 VwGO) gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. November 2004 hat keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass die Beklagte in der Antragsbegründung vom 26. Januar 2005, die mit der Klageerwiderung vom 24. November 2003 nahezu identisch ist, eine substanzielle Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung vermissen lässt (zu diesem Erfordernis Kopp/Schenke, VwGO, RdNr. 49 zu § 124a), liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, den Kläger, der als selbstständiger Handwerker das Dachdeckerhandwerk ausübt und seit dem 13. Mai 2002 in die Handwerksrolle eingetragen ist, als Innungsmitglied aufzunehmen.

Die am 16. Juli 2003 erhobene Verpflichtungsklage war entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht deshalb unzulässig, weil zuvor kein Widerspruch gemäß § 68 Abs. 2 VwGO eingelegt worden war, über den die Beklagte nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO in eigener Zuständigkeit zu entscheiden gehabt hätte. Eines solchen Vorverfahrens bedurfte es hier nicht, da die Beklagte über den Aufnahmeantrag des Klägers vom 25. Juni 2002 noch keine förmliche Ablehnungsentscheidung getroffen hatte. Ihre an den Kläger gerichteten formlosen Schreiben vom 25. Juli, 2. September und 19. November 2002, in denen die Aufnahme in die Dachdecker-Innung an eine noch zu erfüllende Bedingung geknüpft wurde (Leistung einer Bankbürgschaft für künftige Mitgliedsbeiträge in Höhe von zuletzt 2.500 Euro), enthielten nur unverbindliche Erklärungen und Ankündigungen und noch keine verfahrensbeendende Entscheidung im Sinne des Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG; dies ergab sich aus dem Inhalt der genannten Schreiben und auch aus dem Fehlen der äußeren Merkmale eines (Ablehnungs-) Bescheids (Tenor, Kostenentscheidung, Rechtsbehelfsbelehrung, Zustellung). Nachdem für das weitere Hinauszögern der Sachentscheidung kein zureichender Grund vorlag und seit der Antragstellung bereits mehr als drei Monate vergangen waren, durfte der Kläger die Verpflichtungsklage in Form einer Untätigkeitsklage nach § 75 Sätze 1 und 2 VwGO abweichend von § 68 VwGO erheben.

Seine zulässige Klage ist auch begründet, da ihm ein zwingender Rechtsanspruch auf Aufnahme in die Dachdecker-Innung zusteht. Nach der gesetzlichen Grundnorm des § 58 Abs. 3 HwO darf dem Inhaber eines Betriebs eines Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes, das den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften entspricht, der Eintritt in die Handwerksinnung nicht versagt werden. Die derzeit geltende Innungssatzung der Beklagten vom 24. Juni 1995 sieht in der dazu ergangenen Ausführungsbestimmung des § 6 Abs. 2 vor, dass selbstständigen Handwerkern/innen, die den Voraussetzungen des Abs. 1 entsprechen, der Eintritt in die Handwerksinnung nicht versagt werden darf, es sei denn, dass Gründe vorhanden sind, die gemäß § 11 der Satzung einen Ausschluss aus der Handwerksinnung rechtfertigen würden. Solche Gründe sind gegeben, wenn ein Mitglied entweder gegen die Satzung wiederholt gröblich verstößt oder satzungsgemäße Beschlüsse oder Anordnungen der Organe der Handwerksinnung trotz Abmahnung nicht befolgt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1) oder mit seinen Beiträgen trotz wiederholter Aufforderung länger als ein Jahr im Rückstand geblieben ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 2).

Inwieweit diese abschließend aufgezählten Ausschlussgründe, die ersichtlich an das Fehlverhalten eines bereits der Satzungsgewalt der Innung unterstehenden Mitglieds anknüpfen, im hier vorliegenden Fall eines Antrags auf erstmalige Aufnahme in die Dachdecker-Innung überhaupt anwendbar sind und eine Ablehnung rechtfertigen können, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Es kann jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass die Weigerung des Klägers, eine Bankbürgschaft in Höhe von 2.500 Euro für die künftig anfallenden Innungsbeiträge vorzulegen, dem Aufnahmegesuch nicht entgegengehalten werden kann. Die diesbezügliche Forderung beruht zwar auf einem - speziell den klägerischen Antrag betreffenden - Beschluss des Vorstands der Beklagten (Protokoll der Sitzung vom 23. 9. 2002, TOP 9). Es handelt sich jedoch um keinen "satzungsgemäßen" Organbeschluss im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 der Innungssatzung. Der Beschluss verstößt gegen die zwingende Vorschrift des § 58 Abs. 3 HwO und damit auch gegen den darauf verweisenden § 6 Abs. 2 der Satzung, weil er die Aufnahme in die Dachdecker-Innung nicht allein vom Vorliegen der "gesetzlich und satzungsmäßig", d.h. normativ festgelegten Voraussetzungen abhängig macht, sondern darüber hinaus von einer für den konkreten Einzelfall aufgestellten individuellen Anforderung. Damit nimmt der Vorstand der Beklagten eine Regelungs- und Entscheidungskompetenz für sich in Anspruch, die ihm nach geltendem Recht nicht zusteht. Die einer Aufnahme entgegenstehenden Gründe im Sinne des § 58 Abs. 3 HwO darf - neben dem Gesetzgeber - nur die nach § 61 Abs. 2 Nr. 8 HwO zuständige Innungsversammlung durch ergänzende Satzungsbestimmungen auf der Grundlage des § 55 Abs. 2 Nr. 3 HwO festlegen (vgl. BVerwG vom 30.9.1987, NVwZ 1988, 151/152; Musielak/Detterbeck, Das Recht des Handwerks, 3. Aufl. 1995, RdNr. 4 zu § 58); eine Zuständigkeit des Innungsvorstands für die Bestimmung weiterer Ausschlussgründe sieht die Handwerksordnung nicht vor.

Nachdem das von der Beklagten angenommene Hindernis somit schon wegen der fehlenden normativen Grundlage unbeachtlich ist, kommt es hier nicht mehr auf die weitere Frage an, ob die allein gegenüber dem Kläger als künftigem Innungsmitglied erhobene Forderung nach Beibringung einer Bankbürgschaft zur Sicherung künftiger Beitragsansprüche nicht auch wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern materiell rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG n.F.

Ende der Entscheidung

Zurück