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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 22 ZB 06.1636
Rechtsgebiete: BImSchG, 1. BImSchV, BayVwVfG, VwGO


Vorschriften:

BImSchG § 24
1. BImSchV § 9 Abs. 1 Nr. 3
1. BImSchV § 11 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35
BayVwVfG Art. 40
VwGO § 86 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 06.1636

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Anordnung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Mai 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Konrad, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung am 8. August 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger und seine Ehefrau sind nach Angaben des Klägers Miteigentümer des Wohnhauses J***straße ** in Z****** und der in diesem Anwesen betriebenen Heizungsanlage. Es handelt sich um eine Feuerungsanlage des Baujahrs 1962 mit einer Nennwärmeleistung von 20,80 Kilowatt. Nach Mitteilung des Klägers besteht sie aus einer Ölfeuerungsanlage und einer Feuerungsanlage für naturbelassenes Holz. Die Ölfeuerungsanlage wird in den Wintermonaten genutzt, die Feuerungsanlage für naturbelassenes Holz während der übrigen Jahreszeiten. Der zuständige Bezirksschornsteinfegermeister stellte am 4. Dezember 2004 einen Abgasverlust von 16 % fest. Er bescheinigte daraufhin dem Kläger, dass dies nicht § 11 Abs. 1 der 1. BImSchV entspreche, da der Abgasverlust mehr als 11 % betrage. Nach Angaben des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters hat der Kläger die Instandsetzung der Heizungsanlage ihm gegenüber mit der Begründung verweigert, er plane die Errichtung einer neuen Heizungsanlage. Ferner hat der Kläger nach dessen Angaben die Durchführung einer Nachmessung mit der Begründung verweigert, dies sei nur Geldmacherei.

Das Landratsamt R**** wandte sich mit Schreiben vom 13. April und vom 29. Juli 2005 in dieser Angelegenheit an den Kläger; der Kläger äußerte sich nicht. Daraufhin verpflichtete das Landratsamt den Kläger mit Bescheid vom 26. September 2005, spätestens bis zum 1. November 2005 die Feuerungsanlage in seinem Anwesen in Z******, J***straße **, durch eine Fachfirma so zu sanieren bzw. durch eine Neuanlage zu ersetzen, dass der Betrieb der Feuerungsanlage den Bestimmungen der 1. BImSchV entspricht. Des Weiteren wurde der Kläger verpflichtet, als Nachweis für den ordnungsgemäßen Betrieb der Feuerungsanlage bis spätestens 15. November 2005 eine Bescheinigung des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder nicht vollständigen Erfüllung dieser Verpflichtungen wurden Zwangsgelder in Höhe von 200 Euro bzw. 50 Euro angedroht. Die sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet.

Der Bevollmächtigte des Klägers legte entsprechend der dem Bescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung für den Kläger Widerspruch ein. "Die Heizungsanlage meines Mandanten" könne nicht saniert oder ersetzt werden, weil der Kläger derzeit nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfüge. Seine Bemühungen um eine kostengünstige und für ihn finanzierbare Instandsetzung seien bisher erfolglos verlaufen. Außerdem sei der Kläger 70 Jahre alt und befinde sich seit März 2005 wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung in ärztlicher Behandlung. Aus diesen Gründen sei der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2006, zugestellt am 11. Januar 2006, änderte das Landratsamt die dem Bescheid vom 26. September 2005 beigefügte Rechtsmittelbelehrung entsprechend Art. 15 Nr. 2 BayAGVwGO.

Daraufhin erhob der Bevollmächtigte des Klägers für diesen am 11. Februar 2006 Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg und verwies dazu zunächst auf die Widerspruchsbegründung.

Mit Schreiben vom 31. März 2006 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass sich sein Mandant bei der Inbetriebnahme der Feuerungsanlage für feste Brennstoffe im Frühjahr um eine Überprüfung derselben durch den zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister und zudem um eine Erneuerung der Ölfeuerungsanlage bemühen werde.

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2006 wies der Bevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Ehefrau des Klägers mit dem Kläger zusammen die tatsächliche Sachherrschaft über die Heizungsanlage ausübe und vom Landratsamt auch als Betreiberin der Heizungsanlage geführt werde.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab (Urteil vom 5.5.2006).

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4 und 5) liegen nicht vor.

Die Rechtsvoraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Anordnung des Landratsamts nach § 24 BImSchG liegen vor, da diese Anordnung zur Durchführung der 1. BImSchV erforderlich ist. Der Kläger zieht nicht in Zweifel, dass die strittige Feuerungsanlage in den Anwendungsbereich der 1. BImSchV fällt (§ 1 Abs. 1). Der Kläger bestreitet auch nicht, dass sie den Anforderungen der §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 1 dieser Verordnung, nämlich der Begrenzung der Abgasverluste bei einer Nennwärmeleistung von über vier bis 25 Kilowatt auf 11 %, nicht entspricht. Die vom zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister am 4. Dezember 2004 durchgeführte wiederkehrende Messung (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 der 1. BImSchV) ergab einen Abgasverlust von 16 %.

Soweit der Kläger meint, dass er zu Unrecht als Betreiber der strittigen Heizungsanlage herangezogen worden sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat den Kläger in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 1998 (BVerwGE 107, 299/301) als Anlagenbetreiber angesehen. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts darauf, dass der Kläger bisher nach außen hin als Betreiber der Anlage aufgetreten sei, stellt in diesem Zusammenhang ein zutreffendes Argument dar. Denn bei der Feststellung der Betreibereigenschaft kommt entsprechenden Erklärungen und schlüssigem Verhalten eines Betroffenen Indizwirkung zu (vgl. dazu auch BVerwG vom 25.8.2005, DVBl 2005, 1588/1589, zur Frage des Erlöschens einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wegen Nichtbetreibens der Anlage). Dass die Ehefrau des Klägers die Rechnungsbeträge des Öllieferanten und des Bezirksschornsteinfegermeisters überwiesen haben soll, besagt für die Führung der Anlage in eigener Verantwortung nichts Entscheidendes. Dasselbe gilt für die Erteilung von einzelnen Auskünften zum Betrieb der Anlage durch die Ehefrau des Klägers.

Der Kläger sieht einen vollständigen Ermessensausfall darin, dass das Landratsamt im angefochtenen Bescheid formulierte, wie folgt: "Da Herr ******* trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht bereit war, die zum ordnungsgemäßen Betrieb der Feuerungsanlage erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen durch eine Heizungsbaufirma durchführen zu lassen, musste Herr ******* als Betreiber der Anlage dazu verpflichtet werden (§ 24 BImSchG)". Entgegen der Auffassung des Klägers kann das missverständliche Wort "musste" unter den gegebenen Umständen nicht als Aussage verstanden werden, es bestehe von vornherein kein Ermessensspielraum. Grundsätzlich kann sich auch aus dem Gesamtzusammenhang ergeben, dass eine Ermessensentscheidung getroffen werden sollte und welche Erwägungen ihr zugrunde lagen (BVerwG vom 15.1.1988, NVwZ 1988, 525/526). Hier liegt der Verwendung des Worts "musste" erkennbar die zutreffende Erkenntnis des Landratsamts zugrunde, dass angesichts der erheblichen Überschreitung des Grenzwerts für Abgasverluste nach § 11 Abs. 1 der 1. BImSchV und angesichts des Schweigens des Klägers eine dem Zweck der Ermächtigung entsprechende Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG) nur zum Erlass einer Anordnung nach § 24 BImSchG führen konnte.

Es ist rechtlich ebenso wenig zu beanstanden, dass die zuständige Behörde im angefochtenen Bescheid auf die besondere finanzielle und gesundheitliche Situation des Klägers nicht eingegangen ist. Die zuständige Behörde braucht besondere Situationen nicht zu berücksichtigen, die ihr nicht bekannt sind und die sich ihr auch nicht aufdrängen müssen, und auf die hinzuweisen Sache der Beteiligten gewesen wäre (vgl. z.B. BayVGH vom 16.10.1981, NJW 1982, 786/787; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, RdNr. 52 zu § 26; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 12 zu § 114, Fußnote 25). Ein solcher Fall ist hier gegeben; der Kläger hat trotz der Schreiben des Landratsamts vom 13. April und vom 29. Juli 2005 an ihn persönlich keine Äußerungen abgegeben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht dem Landratsamt zutreffend darin Recht gegeben, dass die individuelle finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers für die Frage, ob immissionsschutzrechtliche Betreiberpflichten einzuhalten sind, keine ausschlaggebende Bedeutung hat. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger durch seine Krebserkrankung nicht gehindert war, die Sanierung seiner Heizungsanlage durch einen beauftragten Unternehmer vornehmen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Kläger von seiner Ehefrau dabei hätte helfen lassen können. Der Kläger hat diesen Überlegungen in seinem Zulassungsantrag kein substantiiertes Gegenvorbringen entgegen gesetzt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch insofern keinen Erfolg, als das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage gegen das Schreiben der Behörde vom 13. April 2005 als unzulässig abgewiesen hat. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich hierbei nicht um eine Anordnung (Art. 35 BayVwVfG) handelt, sondern um einen Appell, das rechtlich Gebotene freiwillig zu tun. Der für die Auslegung maßgebliche erklärte Wille der Behörde, wie ihn bei objektiver Würdigung der Empfänger verstehen konnte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Rdnr. 18 zu § 35), war hier gerade nicht auf den Erlass einer kostenpflichtigen vollstreckungfähigen Anordnung gerichtet. Vor deren eventuellem Erlass sollte der Kläger vielmehr noch Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Dem Antrag auf Zulassung der Berufung kann auch insofern nicht stattgegeben werden, als das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohungen als unzulässig abgewiesen hat. Der Kläger wendet sich in seinem Zulassungsantrag nicht dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Zwangsgeldandrohungen als gegenstandslos angesehen hat. Inwieweit diese rechtliche Beurteilung für den durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger überraschend sein konnte, so dass es insofern eines gerichtlichen Hinweises (§ 86 Abs. 3 VwGO) bedurft hätte, ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag nicht (vgl. zur eingeschränkten Hinweispflicht gegenüber einem anwaltschaftlich vertretenen Kläger Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rdnr. 47 zu § 86).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 3 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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