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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.07.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 06.2639
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 12
BauNVO § 4 Abs. 1
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 06.2639

In der Verwaltungsstreitsache

Wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 3. August 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung

am 14. Juli 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Nach den Darlegungen des Klägers liegt ein Zulassungsgrund nicht vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche ernstlichen Zweifel sind anzunehmen, wenn ein in der Entscheidung enthaltener einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163). Dies ist hier nicht der Fall.

Der Kläger macht einen auf die Bewahrung der Gebietsart gerichteten Schutzanspruch geltend, den das Verwaltungsgericht zu Unrecht verneint habe. Die Änderung des Bebauungsplans Am B*******, bekannt gemacht am 30. August 1965, durch das Bebauungsplandeckblatt Nr. 26, bekannt gemacht am 19. Januar 2004, auf dessen Festsetzungen sich nach Auffassung des Beklagten die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Biomasseheizkraftwerks stütze, sei unwirksam. Damit sei für die planungsrechtliche Zulässigkeit des angegriffenen Vorhabens nicht von der geänderten Festsetzung "Gemeinbedarfsfläche Biomasseheizwerk", sondern von der ursprünglichen Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets auszugehen. Die Zulassung des Heizkraftwerks im allgemeinen Wohngebiet, in dem auch das Grundstück des Klägers liege, verletze dessen Gebietserhaltungsanspruch.

Dem kann nicht gefolgt werden. Ein Gebietserhaltungsanspruch gegenüber dem zugelassenen Heizkraftwerk scheitert schon daran, dass klägerisches Grundstück und das bereits errichtete Vorhaben in unterschiedlichen Baugebieten liegen. Damit braucht sämtlichen Einwendungen gegen die Gültigkeit des Bebauungsplandeckblatts Nr. 26 nicht weiter nachgegangen zu werden. Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgt und die Bebauungsplanänderung durch Deckblatt Nr. 26 als unwirksam ansieht, wird die Fläche, die dieses Deckblatt umfasst, nicht zu einer Teilfläche des Baugebiets, für welches der Kläger eine Gebietsunverträglichkeit rügen könnte.

1.1 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Planbetroffenen hat. Das bedeutet, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, bzw. wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (BVerwG vom 16.9.1993 BVerwGE 94, 151; vom 2.2.2000 NVwZ 2000, 679; vom 21.3.2002 BVerwGE 116, 155). Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können.

1.2 Wo die räumliche Grenze eines Baugebiets liegt, ist dabei eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Nicht zum Baugebiet gehören Gebiete mit einer anderen Nutzungsart, auch wenn diese in demselben Bebauungsplan ausgewiesen sind.

1.2.1 Soweit man die Gültigkeit der Bebauungsplanänderung zu Grunde legt, durch die u.a. das angegriffene Heizkraftwerk in einer Gemeinbedarfsfläche liegt, endet das Baugebiet, in dem die Nutzungsart allgemeines Wohngebiet für das klägerische Grundstück gilt, am Geltungsbereich des Änderungsdeckblatts. Damit setzt der Bebauungsplan unterschiedliche Baugebiete fest.

1.2.2 Wenn man die Unwirksamkeit der Bebauungsplanänderung durch Deckblatt Nr. 26 annimmt, liegen ebenfalls unterschiedliche Baugebiete vor. Nach Auffassung des Klägers ist zumindest die Fläche, auf welcher das Biomasseheizkraftwerk errichtet wurde, bei einem Hinwegdenken des Änderungsbebauungsplans Deckblatt Nr. 26 Teil des allgemeinen Wohngebiets, in welchem das Grundstück des Klägers liegt. Dies trifft jedoch nicht zu. Zwar ist im ursprünglichen Bebauungsplan Am B*******, bekannt gemacht am 30. August 1965, die Fläche des heutigen Heizkraftwerks wie auch die nördlich und westlich davon gelegene Fläche des Kolpingwerks und des dazu gehörigen Wohnheims ebenso wie die östlich angrenzende und mittlerweile als Schulsportplatz genutzte Fläche als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Das nördlich dieses beschriebenen allgemeinen Wohngebiets gelegene Gebiet, in dem sich das Grundstück des Klägers befindet, war ursprünglich in diesem Bebauungsplan als reines Wohngebiet festgesetzt; es wurde zwischenzeitlich mit dem Änderungsbebauungsplan Deckblatt Nr. 18, bekannt gemacht am 17. August 1984, ebenfalls als allgemeines Wohngebiet festgesetzt.

Die Flächen östlich, südlich und westlich angrenzend an das frühere allgemeine Wohngebiet waren mit einer überlagernden Schraffur als Gemeinbedarfsflächen, bestehend und geplant, festgesetzt.

Schon vor Erlass des Änderungsbebauungsplans im Jahr 2004 war die ehemals als allgemeines Wohngebiet festgesetzte Fläche im Umgriff des Deckblatts Nr. 26 ausschließlich mit Anlagen bzw. Einrichtungen für den Gemeinbedarf bebaut. Die ursprüngliche Festsetzung als allgemeines Wohngebiet werde durch die tatsächliche bauliche Entwicklung funktionslos.

Ein Bebauungsplan wird dann funktionslos, wenn zum einen die Verhältnisse, auf die er sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließt, und zum zweiten die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzungen gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (BVerwG vom 29.4.1977 BVerwGE 54, 5). Dies ist hier erfolgt. Das Gebiet südlich des Grundstücks des Klägers ist nach seiner tatsächlichen Nutzung ausschließlich und nahezu vollständig mit Anlagen bzw. Einrichtungen des Gemeinbedarfs bebaut. Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Darstellungen in den verschiedenen Bauleitplänen sowie dem vom Kläger übergebenen Luftbild. Auf der strittigen Fläche des Umgriffs des Deckblatts Nr. 26 befindet sich östlich ein Schulsportplatz, welcher zur noch weiter östlich gelegenen Realschule und der dortigen Turnhalle gehört. Eine Schule ist eine Gemeinbedarfseinrichtung, ein (Schul-)Sportplatz ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB den Gemeinbedarfsanlagen gleichgestellt (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Dezember 2007, RdNr. 26 zu § 5). Das westlich des streitgegenständlichen Heizkraftwerks gelegene Kolpinghaus mit dem zugehörigen Jugendwohnheim ist eine kulturelle und soziale, damit öffentlichen Zwecken dienende Einrichtung. Das Kolping-Jugendwohnheim ist, auch wenn eine Wohnnutzung stattfindet, wegen seiner Zweckbindung (vgl. www.Kolpinghaeuser.de/Kolping_wohnheime.html) für in der Regel in der Schule oder in der Ausbildung befindliche Jugendliche als Annex zum eigentlichen Kolpinghaus eine soziale Einrichtung (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., Rd.Nr. 26 zu § 5 zu Schwesternwohnheimen). Insoweit wird nicht ein allgemeines Wohnbedürfnis erfüllt, sondern einem eingeschränkten Nutzerkreis spezielle Betreuung und Gemeinschaft geboten.

Die um diesen Umgriff des Deckblatts Nr. 26 herum gelegenen Flächen südlich des Grundstücks des Klägers sind, wie ausgeführt, bereits im ursprünglichen Bebauungsplan von 1965 als Gemeinbedarfsflächen festgesetzt. Sie werden auch als solche tatsächlich genutzt. Im östlichen Bereich liegt die bereits genannte Realschule mit Turnhalle und Sportplatz; unmittelbar südlich liegt ebenfalls ein Sportplatz. Ein weiterer großer Bereich im Süden ist Friedhof und öffentliche Grünfläche. Südwestlich befindet sich die neue Volksschule und noch weiter südwestlich hiervon die alte Volksschule und die katholische Kirche. Westlich des Kolpinghauses befindet sich eine öffentliche Grünfläche und daran anschließend das B***********. Auch wenn man mitbedenkt, dass Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO regelhaft in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 1 BauNVO zulässig sind, fehlt es doch an der maßgeblichen allgemeinen Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets, dem vorwiegenden Wohnen (vgl. BVerwG vom 21.3.2002 a.a.O.).

Auch wenn die Festsetzung oder tatsächliche Nutzung als "Gemeinbedarfsfläche" selbst kein Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung darstellt (Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., RdNr. 56 zu § 9), kann das fragliche Gebiet nicht als Teil des für das klägerische Grundstück festgesetzten allgemeinen Wohngebiets angesehen werden. Zu der nördlich der Gemeinbedarfsnutzung festgesetzten und teils vorhandenen Wohnbebauung lässt sich eine klare Grenze entlang der M****-****-Straße und der nördlichen Grundstücksgrenze des Sportplatz- und Schulgrundstücks ziehen. Ohne Belang ist, dass der im Jahr 2003 geänderte Flächennutzungsplan zwischenzeitlich bis zur Änderung durch Deckblatt 2, genehmigt am 23. Juni 2005, für das Kolpingwohnheim und südlich anschließend für den heutigen Standort des Heizkraftwerks eine fingerartige Erstreckung des nördlich gelegenen allgemeinen Wohngebiets vorsah. Diese Darstellung hatte mangels Außenwirkung keine Bedeutung für den Gebietserhaltungsanspruch.

Die südlich des klägerischen Grundstücks tatsächlich vorhandene Bebauung und ihre gegenwärtige Nutzung sind auch hinreichend verfestigt, Entgegenstehendes ist nicht vorgetragen. Der Kläger konnte demgemäß auch erkennen, dass die südlich seines Grundstücks vorhandene Bebauung mit ihrer jetzigen Nutzung jedenfalls nicht einem allgemeinen Wohnen zu dienen bestimmt war und ist.

Damit scheitert ein Gebietserhaltungsanspruch.

1.3. Ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung begründet der Einwand, das genehmigte Biomasseheizkraftwerk sei - die Wirksamkeit des Bebauungsplans Deckblatt Nr. 26 nunmehr angenommen - unzulässig, da es sich um eine Einrichtung handle, die nicht auf Gemeinbedarfsflächen, sondern nur auf Versorgungsflächen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 12 BauGB zulässig sei. Der Kläger kann als drittbetroffener Nachbar nur die Verletzung ihn schützender subjektiv-öffentlicher Rechte rügen. Eine mögliche Verletzung objektiven Rechts wie der Festsetzungen des Bebauungsplans, die wie hier erkennbar nicht seinem Schutz dienen, kann er dagegen nicht rügen.

2. Nach den vorstehenden Ausführungen sind auch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu verneinen, ebenso eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Insbesondere die Frage, ob das genehmigte Biomasseheizkraftwerk als untergeordnete Nebenanlage und Einrichtung i.S. von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sein kann, ist nicht entscheidungserheblich.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1, 2. Halbsatz GKG i.V.m. Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2004.

Ende der Entscheidung

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