Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 07.2051 (1)
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.2051

In der Verwaltungsstreitsache

wegen immissionsschutzrechtlicher Genehmigung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 5. Juli 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung

am 31. Juli 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die insofern maßgeblichen rechtzeitigen Darlegungen des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

1. Der Kläger sieht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zunächst darin, dass das Verwaltungsgericht die Festsetzungen des Bebauungsplans, in dessen Geltungsbereich das Holzwerk der Beigeladenen gelegen ist, nicht berücksichtigt habe; nach diesen Festsetzungen dürften bei den nächstangrenzenden Wohnhäusern die Immissionswerte von tags 60 dB(A) und nachts 42 dB(A) nicht überschritten und außerdem nachts bzw. außerhalb von Werktagen nicht gearbeitet werden. Dem widerspreche die Auflage Nr. 3.1.8.1 der der Beigeladenen erteilten streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für das Biomasse-Heizkraftwerk vom 28. April 2005, worin festgelegt sei, dass von der Gesamtanlage des Holzwerks an den nächstangrenzenden Wohnhäusern im Außenbereich auf den FlNrn. 739 und 566 die Immissionswerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschritten werden dürfen.

Dieser Vortrag kann schon deshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht begründen, weil sich im Bebauungsplan weder eine Beschränkung der Betriebszeit findet noch dort einzuhaltende Immissionsgrenzwerte für die angrenzenden Wohnhäuser festgelegt sind; die vom Kläger angesprochenen Werte beziehen sich auf sog. flächenbezogene immissionswirksame Schallleistungspegel, die für einzelne Planquadrate im Bebauungsplan festgelegt sind (Nr. 1.1.3 der textlichen Festsetzungen). Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass diese flächenbezogenen Schallleistungspegel sich nur auf die zulässigen Emissionen auf bestimmten Flächen des Bebauungsplans beziehen und für das Biomasseheizkraftwerk, das sich im Planquadrat 12 befindet, nicht die vom Kläger genannten Werte, sondern Werte von 60 dB(A) pro m² tags und 50 dB(A) pro m² nachts vorgesehen sind, die so auch in Nr. 3.1.8.2 des Genehmigungsbescheids beauflagt sind. Die vom Kläger genannte Nr. 3.1.8.1 des Genehmigungsbescheids bezieht sich hingegen nicht auf die Festsetzungen des Bebauungsplans, sondern soll die Lärmschutzansprüche der Nachbarschaft nach Maßgabe von Bundes-Immissionsschutzgesetz und Technischer Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) konkretisieren. Der Schutzanspruch des Klägers gegen Immissionen an seinem Grundstück richtet sich dabei nur nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sowie den diese Normen konkretisierenden Bestimmungen der TA Lärm; es ist nämlich nichts dafür dargelegt oder sonst ersichtlich, dass der Bebauungsplan im Hinblick auf Lärmimmissionen im Vergleich zu den Anforderungen der TA Lärm für die umliegende Bebauung einen höheren Schutzanspruch einräumen will.

Soweit der Kläger gegen die Richtigkeit des Urteils weiterhin einwendet, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht an der Einhaltung der höchstzulässigen Immissionsrichtwerte nach TA Lärm orientiert und Besonderheiten der vorliegenden Lärmbeeinträchtigung nicht berücksichtigt, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Abgesehen davon, dass nach den im Verfahren vorgelegten Messberichten die maßgeblichen Immissionsrichtwerte schon an den nächstgelegenen Immissonsorten weit unterschritten sind (vgl. Urteilsabdruck S. 5 und 8), ist ein Anlagenbetreiber gegenüber Nachbarn nur gehalten, Immissionen zu vermeiden, die das nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß überschreiten; soweit dies der Fall ist, können Immissionen auch bei Ausschöpfung des Grenzwerts entgegen der Meinung des Klägers zu keinem schweren und unerträglichen Eingriff in das Eigentum oder zu einer sonstigen Rechtsverletzung führen (vgl. BVerwG vom 9.4.2008 - Az. 7 B 2/08, juris). Die vom Kläger darüber hinaus geltend gemachte immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) entfaltet dagegen grundsätzlich keine Schutzwirkung zu Gunsten Drittbetroffener, weil sie nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen generell und auch dort vorzubeugen, wo sie keinem bestimmten Emittenten zuzuordnen sind (BVerwG vom 11.12.2003 BVerwGE 119, 329 m.w.N.).

Soweit der Kläger auf Besonderheiten des Lärms aus dem Biomasseheizkraftwerk, wie Knallgeräusche etc., verweist, ist nichts dafür dargelegt, dass die von der Anlage der Beigeladenen ausgehenden Lärmimmissionen nicht ordnungsgemäß nach dem Verfahren der TA Lärm ermittelt und bewertet worden sind. Entgegen der Ansicht des Klägers kann es nur auf die richtige Ermittlung der Lärmimmissionen aufgrund des in der TA Lärm festgelegten Mess- und Beurteilungsverfahrens ankommen, da Grenzwerte nur in Verbindung mit dem für sie festgelegten Ermittlungsverfahren Anwendung finden können (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, RdNr. 50 zu § 48 m.w.N.). Insoweit kann es auf die zusätzlichen Faktoren, die nach Meinung des Klägers zu berücksichtigen gewesen wären, nicht ankommen, zumal der Kläger in keiner Weise dargelegt hat oder sonst ersichtlich ist, dass die in der TA Lärm enthaltene sachverständige Aussage durch Besonderheiten vor Ort oder gesicherte neue Erkenntnisse in Zweifel zu ziehen wäre (vgl. Jarass a.a.O. RdNr. 51 ff. zu § 48). Auch soweit der Kläger bezweifelt, ob die gemäß Nr. 2.3 der TA Lärm maßgeblichen Immissionsorte richtig ermittelt worden sind, geschieht dies nur mit pauschalen Behauptungen, die die Einschätzungen in den schalltechnischen Stellungnahmen und insbesondere die Aussagen des Umweltingenieurs des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht erschüttern können; dies gilt auch deshalb, weil das nordöstlich des genehmigten Vorhabens gelegene klägerische Wohnhaus etwa doppelt so weit von dem genehmigten Vorhaben entfernt liegt wie das ebenfalls nordöstlich gelegene Wohnhaus auf FlNr. 738 (bisher 739), das als nächstgelegener Immissionsort angesehen wurde. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich auch nicht, dass die Lärmimmissionen in einer Gesamtschau von Lärm und Geruch als unzumutbar anzusehen wären, dazu fehlt es zumindest an der Darlegung relevanter Geruchsimmissionen.

Auch soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe die Schutzbedürftigkeit seines Wohngrundstücks nicht richtig eingestuft, weil es dieses dem Außenbereich zugerechnet und nicht als sog. Siedlungsform eigener Art mit dem Schutzanspruch eines (faktischen) allgemeinen Wohngebiets oder Kleinsiedlungsgebiets behandelt habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Kläger trägt insoweit nichts vor, was die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das Anwesen im Außenbereich liege, erschüttern könnte. Sein Einwand, bei der Kolonie T****** handle es sich um eine historische Siedlung mit etwa 70 bis 80 Häusern mit denkmalschützerischer Bedeutung und eigener Erschließung, die historisch bedingt zur Grenzsicherung und Urbarmachung des vorhandenen Waldes als Siedlung gegründet worden sei und als solche ein höheres Schutzbedürfnis als vereinzelte Anwesen im Außenbereich habe, ist nicht durchgreifend. Das Gesetz kennt derartige Siedlungsformen eigener Art, die wegen ihrer historischen Entwicklung im Hinblick auf Immissionen besonders schutzwürdig sein sollen, nicht. Nach den maßgeblichen Bestimmungen der TA Lärm (Nrn. 6.1 und 6.6) und den Vorschriften des Baugesetzbuches richtet sich die Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Grundstücks zunächst nach seiner Zugehörigkeit zu den planungsrechtlichen Bereichen der §§ 30 ff. BauGB. Soweit wie hier Festsetzungen durch einen Bebauungsplan fehlen, ist zu untersuchen, ob ein Grundstück dem Innen- oder Außenbereich zugehörig ist. Nur soweit ein Grundstück dem Innenbereich nach § 34 BauGB zuzurechnen ist, kann es seiner Eigenart nach einem der Baugebiete nach der Baunutzungsverordnung - einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO oder einem Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO - entsprechen und einen dementsprechenden Schutz nach Nr. 6.1 Buchst. d der TA Lärm beanspruchen. Das Verwaltungsgericht hat die Zuordnung des klägerischen Grundstücks zum Außenbereich gemäß § 35 BauGB richtigerweise damit begründet, dass das Gebiet, in dem sich das Grundstück befindet, keine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung von städtebaulichem Gewicht aufweist, die nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und der Zusammengehörigkeit vermittelt (Urteilsabdruck S. 6). Die diesbezüglichen nachvollziehbaren Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die zudem durch die in den Akten des Verwaltungsgerichts befindlichen Lichtbildaufnahmen gestützt werden, hat der Kläger nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit er von 70 bis 80 Häusern spricht, zeigen die Lichtbildaufnahmen, dass diese weit verstreut liegen und gerade das klägerische Grundstück derart von der übrigen Bebauung abgesetzt ist, dass ein Bebauungszusammenhang, der Grundvoraussetzung für die Annahme eines Ortsteils und damit für einen Innenbereich ist, nicht ersichtlich ist.

2. Wie die o.g. Ausführungen belegen, weist die Rechtssache auch nicht die vom Kläger behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Soweit der Kläger teilweise die Bewertungen der Messergebnisse angreift, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an; entscheidend im Hinblick auf den von ihm gestellten Klageantrag ist vielmehr, dass er keinen höheren Schutzanspruch hat als auf die Einhaltung der im Genehmigungsbescheid beauflagten Immissionsgrenzwerte. Soweit der Kläger anführt, sein Grundstück sei durch das genehmigte Vorhaben stark im Wert gemindert und er sei in seinem Eigentumsrecht verletzt, kann ihm dies keine Rechtsposition verschaffen. Denn hoheitlich bewirkte Minderungen des Marktwertes eines Vermögensgutes berühren in der Regel nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Wertverluste an einem Grundstück, die durch die behördliche Zulassung eines Vorhabens in der Nachbarschaft eintreten (vgl. BVerfG vom 24.1.2007 NVwZ 2007, 805 m.w.N.).

Soweit der Kläger ergänzend auf Ausführungen in einem Schriftsatz vom 4. Juli 2007 verweist, genügt dies nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung (vgl. BayVGH vom 18.1.2008 - Az. 22 ZB 07.15 m.w.N.).

3. Auch die Rüge des Klägers, es liege ein Verfahrensmangel insoweit vor, als das Verwaltungsgericht von ihm angeregte Beweise nicht erhoben habe (§ 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), kann nicht zur Zulassung der Berufung führen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt. Die Beweisangebote in den vorbereitenden Schriftsätzen stellen nur Anregungen dar, die die Beweiserhebung in das Ermessen des Gerichts stellen. Somit kommt es darauf an, ob sich dem Gericht die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung aufdrängen musste (vgl. z.B. BVerwG vom 3.7.1998 - Az. 6 B 67/98; vom 24.9.1996 NVwZ 1997, 501). Dafür trägt der Kläger nichts vor; dies ist nach den obigen Ausführungen auch sonst nicht ersichtlich.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

Zurück