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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 07.3428
Rechtsgebiete: GastG, GG


Vorschriften:

GastG § 5 Abs. 1 Nr. 1
GastG § 21 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.3428

In der Verwaltungsstreitsache

Wegen gaststättenrechtlicher Auflage;

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. Oktober 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 27. Mai 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens je zur Hälfte.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben ohne Erfolg, weil unter Zugrundelegung der Darlegungen der Kläger die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot des Klägers zu 2 in der Gaststätte der Klägerin zu 1 gemäß § 21 Abs. 1 GastG vorliegen. Das Verwaltungsgericht verweist insoweit zu Recht auf die vier rechtskräftigen Verurteilungen, die im Führungszeugnis des Klägers zu 2 vom 1. Februar 2007 enthalten sind. Jedenfalls die drei Verurteilungen aus den Jahren 1998, 2000 und 2005 jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung rechtfertigen die von den Verwaltungsbehörden und vom Verwaltungsgericht angestellte Prognose, dass der Kläger zu 2 nach dem Gesamtbild seines Verhaltens gerade im Hinblick auf die Art der von der Klägerin zu 1 betriebenen Gaststätte und deren Gäste nicht die für eine berufliche Tätigkeit in dieser Gaststätte erforderliche Zuverlässigkeit i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 GastG besitzt (vgl. BVerwG vom 17.12.1974, GewArch 1975, 132). Die von den Strafgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen können insoweit bei der gewerberechtlichen Beurteilung zulasten des Betroffenen zu Grunde gelegt werden (vgl. BVerwG vom 26.2.1997, GewArch 1997, 242). Gerade die wiederholte Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zeigt, dass beim Kläger zu 2 ein erhebliches Risiko besteht, sich in kritischen Situationen nicht zu beherrschen und mit Gewalttätigkeiten zu reagieren. Selbst wenn man die erste Tat noch als "Jugendsünde" entschuldigen wollte, hat sich der Kläger zu 2 bereits eineinhalb Jahre später mit dem gleichen Delikt erneut strafbar gemacht. Wie zudem dem Urteil des Amtsgerichts *******, Zweigstelle *********, vom 12. Juli 2007 (Bl. 38 ff d. Verwaltungsakten), der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ******* (Allgäu) vom 1. Februar 2005 (Bl. 41 ff d. Verwaltungsakten) und den polizeilichen Ermittlungen (Bl. 20 ff d. Verwaltungsakten) entnommen werden kann, hat der Kläger zu 2 die letzte gefährliche Körperverletzung im Rahmen seiner Tätigkeit als Türsteher der Table-Dance-Bar in **********, ** ********* ** - und damit in einem der Gaststätte der Klägerin zu 1 vergleichbaren Betrieb - begangen.

Entgegen dem Zulassungsvorbringen reicht der Zeitablauf seit der letzten Verurteilung des Klägers zu 2 und seine - nach seinen Angaben - beanstandungsfreie Tätigkeit als Betriebsleiter der Show-Girls-Bars "*** ** *" in ********** und "*** ** *" in ******** für eine positive Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers zu 2 für eine Beschäftigung in der Gaststätte der Klägerin zu 1 nicht aus. Dies gilt nicht nur für den Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsbescheide, sondern auch für den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über den Berufungszulassungsantrag der Kläger. Wie dem Führungszeugnis vom 1. Februar 2007 entnommen werden kann, liegt die letzte Verurteilung des Klägers zu 2 wegen gefährlicher Körperverletzung zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht einmal drei Jahre zurück; seit Begehung der Tat am 13. Oktober 2004 sind erst knapp über dreieinhalb Jahre vergangen. Was die im Führungszeugnis enthaltenen Straftaten des Klägers zu 2 angeht, sind vorliegend die Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG auch derzeit offensichtlich nicht gegeben. Selbst wenn die zuständige Behörde nicht gehindert sein mag, die Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden schon vor Ablauf der Tilgungsfrist wieder anzunehmen, lässt sich die Frage, wie viel Jahre zwischen einer die Unzuverlässigkeit begründenden Straftat und dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem der Gewerbetreibende wieder als zuverlässig angesehen werden kann, nicht generell beantworten. Ob und inwieweit länger zurückliegendes Verhalten die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigt, ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG vom 9.7.1993, GewArch 1993, 414 und vom 23.5.1995, GewArch 1995, 377). Insoweit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die Taten kontinuierlich über einen Zeitraum von sieben Jahren erstreckten. Insbesondere wird aus der dreimaligen Verurteilung des Klägers zu 2 wegen gefährlicher Körperverletzung nicht nur dessen erheblicher Hang zur Gewalttätigkeit und zur rücksichtslosen Durchsetzung seiner Interessen ersichtlich, sondern auch seine Bereitschaft, bei der Gewaltausübung ein Werkzeug einzusetzen, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., 2007, RdNr. 9 zu § 224). Es kommt hinzu, dass die letzte gefährliche Körperverletzung - wie bereits oben ausgeführt - im Rahmen einer Tätigkeit als Türsteher der Table-Dance-Bar in **********, ** ********* **, begangen wurde. Dadurch wird auch der Hinweis des Klägers zu 2 auf seine - nach seinen Angaben -spätere beanstandungsfreie Tätigkeit als Geschäftsführer dieser Gaststätte relativiert. Diesbezüglich verweist der Beklagte zudem zu Recht darauf, dass eine nicht sonderlich lange Tätigkeit als Geschäftsführer eines Show-Night-Clubs unter Aufsicht des Betriebsinhabers wegen der erhöhten Problemträchtigkeit dieser besonderen Betriebsart nicht ohne weiteres vergleichbar ist mit einer Tätigkeit in einer vergleichbaren Gaststätte der Ehefrau.

Soweit der Kläger zu 2 auf seine - vom Landratsamt im Hinblick auf die behauptete Erkrankung der Klägerin zu 1 hingenommene - Tätigkeit vom 1. Dezember 2006 bis 10. März 2007 verweist, lassen sich daraus aufgrund der Kürze der Zeit und der Besonderheit der Situation noch keine Rückschlüsse auf einen nachhaltigen Gesinnungswandel im Hinblick auf seinen Hang zur Gewalttätigkeit ziehen.

Da auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot des Klägers zu 2 in der Gaststätte der Klägerin zu 1 auszugehen ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Anspruch auf Widerruf des Beschäftigungsverbots bei Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 GastG im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wäre oder der Kläger zu 2 darauf zu verweisen wäre, beim Landratsamt die Wiedergestattung seiner Beschäftigung zu beantragen (vgl. VGH BW vom 25.6.1993, GewArch 1993, 388). Im Hinblick darauf, dass ein Anspruch auf Widerruf der Untersagung der Beschäftigung besteht, wenn die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht mehr durch Tatsachen gerechtfertigt ist (vgl. BVerwG vom 17.12.1974, GewArch 1975, 132) und eine dem § 35 Abs. 6 GewO entsprechende Regelung für die Wiedergestattung der Beschäftigung im Gaststättengesetz fehlt, muss die Gaststättenbehörde allerdings ihre Entscheidung unter Kontrolle halten und die weitere Entwicklung des Klägers zu 2 von Amts wegen beobachten (vgl. BVerwG vom 2.2.1982, BVerwGE 65, 1/3).

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt der angefochtene Bescheid insbesondere in der Gestalt der Widerspruchsbescheide Ermessensfehler (§ 114 VwGO) nicht erkennen. Die Gaststättenbehörde handelt regelmäßig im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens, wenn sie anstelle des möglichen Widerrufs der Gaststättenerlaubnis zunächst als milderes Mittel ein Beschäftigungsverbot erlässt (vgl. VGH BW vom 25.6.1993, GewArch 1993, 388). Das Verwaltungsgericht hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Ermessensbindung auch nicht dadurch eingetreten ist, dass das Landratsamt vom 1. Dezember 2006 bis zum 10. März 2007 die Tätigkeit des Klägers zu 2 in dem Lokal der Klägerin zu 1 hingenommen hat. Insoweit kann zusätzlich nicht außer Betracht bleiben, dass die vorläufige Erlaubnis für die Klägerin zu 1 zum Fortbetrieb eines Gaststättenbetriebs vom 22. November 2006 nur mit der Auflage erteilt wurde, das fehlende Führungszeugnis des Klägers zu 2 bis spätestens 8. Januar 2007 beim Landratsamt einzureichen, was allerdings von Seiten der Klägerin zu 1 unterblieben ist.

Was den Vorbehalt eines Widerrufs der Untersagung der Beschäftigung des Klägers zu 2 als milderes Mittel angeht, wird im Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 zu Recht darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den Schutz der Gäste und der Vorgeschichte des Klägers zu 2 ein bloßes Abwarten nicht vertretbar erscheint, ob vom Kläger zu 2 bei einer Beschäftigung im Lokal der Klägerin zu 1 erneut Gewalttaten ausgehen.

Auch aus dem Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass es dem Kläger zu 2 möglich sei, in anderen, auch vergleichbaren Gaststätten tätig zu sein, ergeben sich - jedenfalls im Ergebnis - keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Vorliegend gilt das strittige Verbot ausdrücklich nur für die Beschäftigung des Klägers zu 2 im Lokal der Klägerin zu 1, nicht aber auch für die Tätigkeit in anderen Gaststättenbetrieben (vgl. BVerwG vom 17.12.1974, GewArch 1975, 132). Insbesondere kann aus diesem Beschäftigungsverbot nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, dass für den Kläger zu 2 eine Tätigkeit in vergleichbaren Gaststätten von vornherein nicht in Betracht kommen kann. Vielmehr hängt die Beurteilung der Frage, ob eine Person die für ihre Tätigkeit in einem Gaststättenbetrieb erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerwG, a.a.O.). Insoweit erscheint es nicht ausgeschlossen, dass einer Beschäftigung des Klägers zu 2 in abhängiger Position unter der Aufsicht eines präsenten, durchsetzungsfähigen Betriebsinhabers im Gegensatz zu einer Tätigkeit im Lokal der Ehefrau, die dort im Hinblick auf die Betreuung ihres kleinen Kindes nicht ständig anwesend sein kann, keine durchgreifenden Bedenken entgegenstehen. In diesem Zusammenhang kann vor allem auch die Dominanz im Verhältnis zur Klägerin zu 1 als Antragstellerin im Erlaubnisverfahren nicht außer Betracht bleiben, mit der der Kläger zu 2 nach den vom Zulassungsvorbringen nicht erschütterten Feststellungen des Verwaltungsgerichts nach Aktenlage gegenüber dem Landratsamt aufgetreten ist. Von einem Sonderrecht für Ehegatten kann damit nicht die Rede sein.

Soweit die Auflage in Ziff. II 1 des Bescheids des Landratsamts vom 2. Februar 2007 über das Beschäftigungsverbot hinaus auch ein Zutrittsverbot des Klägers zu 2 für das Lokal der Klägerin zu 1 enthält, ist dies - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine solche Auflage kommt nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG auch zur Verhinderung einer Umgehung des gleichzeitig nach § 21 Abs. 1 GastG ausgesprochenen Beschäftigungsverbots in Betracht (vgl. VGH BW vom 25.6.1993, GewArch 1993, 388). Nach den vom Zulassungsvorbringen nicht erschütterten Feststellungen des Verwaltungsgerichts bestehen auch konkrete Anhaltspunkte für die Befürchtung, dass sich der Kläger zu 2 - auch ohne beschäftigt zu sein - konkret und vor Ort in die Betriebsführung der Gaststätte der Klägerin zu 1 einmischt und diese maßgebend bestimmt. Das Verwaltungsgericht verweist hierzu zutreffend auf die Dominanz des Klägers zu 2 gegenüber der Klägerin zu 1 als Betreiberin der Gaststätte, die im Erlaubnisverfahren zu Tage getreten ist, sowie sein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Gaststättenbetrieb.

Schließlich ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass in der Regelung der Ziff. II Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts vom 2. Februar 2007 auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gesehen werden kann. Zwar hat Art. 6 Abs. 1 GG auch zum Ziel, den wirtschaftlichen Zusammenhalt der Familie zu fördern (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, RdNr. 10 zu Art. 6). Jedoch geht die grundsätzliche Pflicht des Staates zur materiellen Förderung der Familie nicht so weit, dass er gehalten wäre, jede Belastung auszugleichen. Vielmehr kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe verwirklichen will (vgl. BVerfG vom 21.10.1980, BVerfGE 55, 114/127). Nach diesen Grundsätzen ist offensichtlich, dass aus Art. 6 Abs. 1 GG kein Anspruch eines Ehegatten auf Mitarbeit im Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten abgeleitet werden kann.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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