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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 07.613
Rechtsgebiete: BImSchG


Vorschriften:

BImSchG § 22 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 07.613

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Unterlassung von Lärmeinwirkungen;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Januar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Januar 2007 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig. Die Zulassungsbegründung ist zwar nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils am 5. Februar 2007 (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), sondern erst am 13. April 2007 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Jedoch ist dem Kläger antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumnis unverschuldet war (§ 60 Abs. 1 VwGO). Der Klägerbevollmächtigte hat durch Vorlage von Bestätigungen der von ihm eingeschalteten privaten Postzustelldienste glaubhaft gemacht, dass er den Begründungsschriftsatz vom 28. März 2007 spätestens am Folgetag dem Zustellunternehmen *** ********** GmbH übergeben hatte, welches die Sendung spätestens am 30. März 2007 dem weiteren Zustellunternehmen ******** in München zugeleitet hatte. Die in München für den 31. März 2007 beabsichtigte Zustellung konnte aufgrund eines Sortierfehlers bei der Firma ******** nicht erfolgen, weshalb sich der Eingang beim Verwaltungsgerichtshof wesentlich verzögerte. Damit hat der Klägerbevollmächtigte die Fristversäumnis nicht zu vertreten. Er hatte den Brief so frühzeitig vor Fristende am 5. April 2007 versandt, dass er von einem fristgerechten Zugang ausgehen durfte. Er hat glaubhaft gemacht, dass er sich seit September 2006 des privaten Zustelldienstes *** bislang ohne Beanstandungen bedient hatte.

Zwar hatten die weiteren Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten, die der Verwaltungsgerichtshof durch die genannten Zustelldienste erhalten hat, zum Teil wesentlich über die üblichen Laufzeiten hinausgehende Beförderungszeiten. Ein Schreiben vom 18. Juli 2007 erreichte den Verwaltungsgerichtshof am 23. Juli 2007, ein Schriftsatz vom 21. Mai 2007 ging am 30. Mai 2007 und ein Schriftsatz vom 16. April 2007 ging erst am 30. April 2007 bei Gericht ein. Soweit sich der Klägerbevollmächtigte dieser Zustellunternehmen bedient, kann er daher künftig wohl nicht mehr mit einer zeitgerechten Übermittlung von Schriftstücken rechnen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er schon bei Stellung des Zulassungsantrags von einer derart überlangen Übermittlungsdauer ausgehen musste.

2. Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass einer der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO) vorliegt.

2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich die Lärmbelastung des Klägers während der Öffnungszeiten des Schulhofs innerhalb der Grenzen des Zumutbaren hält (§ 22 Abs. 1 BImSchG), die sich insbesondere aus der durch Gebietsart und tatsächliche Verhältnisse der Umgebung bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit ergeben, wobei eine Vorbelastung des Gebiets und die Frage der Sozialadäquanz miteinzubeziehen sind (vgl. hierzu auch BayVGH vom 31.3.2006 NVwZ-RR 2007, 462).

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht vom Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets aus, da der Bebauungsplan für das Grundstück des Klägers ein reines Wohngebiet festsetze. Auch die Beurteilung, der Pausenhof sei bei der gegenwärtigen Nutzung eher als Spielplatz denn als Bolzplatz anzusehen, sei widersprüchlich. Selbst wenn man für die Schutzbedürftigkeit des Klägers aber auf ein allgemeines Wohngebiet abstelle, werde durch die zugelassene Pausenhofnutzung der Immissionsrichtwert von 55 dB(A) überschritten. Das Verwaltungsgericht könne kein in einem früheren Streitverfahren eingeholtes Lärmgutachten zu Grunde legen, da sich mittlerweile die tatsächlichen Verhältnisse durch Aufstellung eines Klettergerüsts und einer Tischtennisplatte wesentlich verändert hätten. Auch die ausgeweiteten Benutzungszeiten führten zu einer Verschlechterung der Lärmsituation für den Kläger. Ohne wirksame Kontrolle und Absperrung des Pausenhofs würden die festgesetzten Nutzungszeiten nicht eingehalten.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Kläger hat die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu erschüttern vermocht, dass die Festsetzung "WR" im Bebauungsplan lediglich ein Redaktionsversehen darstellt. Diese Rechtsauffassung entspricht der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts (Urteil vom 12.7.2001 - Az. B 2 K 98.5). Hierzu führt das Verwaltungsgericht aus, in den textlichen Festsetzungen und in der Begründung des Bebauungsplans sei ausschließlich von einem allgemeinen Wohngebiet die Rede. Hiergegen trägt der Kläger keine substantiierten Einwendungen vor. Auch die Feststellung, der Pausenhof mit seiner außerschulischen Nutzung sei als Spielplatz, nicht aber als Bolzplatz anzusehen, wird vom Kläger nicht erschüttert. Der Pausenhof steht aufgrund seiner Zweckbestimmung, seines Benutzerkreises (Altersgrenze 15 Jahre) und seiner Ausstattung mit Geräten (Klettergerüst, Tischtennisplatte) einem Kinderspielplatz näher als einem Bolzplatz, der auch älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen Gelegenheit zur spielerischen und sportlichen Betätigung bietet. Ballspielplätze und ähnliche Spieleinrichtungen für Kinder bis 14 Jahren müssen wegen ihrer sozialen Funktion ebenso wie Kinderspielplätze regelmäßig wohngebietsnah errichtet werden (BVerwG vom 11.2.2003, BayVBl 2003, 377). Die Beklagte hat diese Altersgrenze nicht ganz, aber doch annäherungsweise eingehalten. Das gelegentliche Fußballspielen von Kindern auf mit Schultaschen dargestellte Tore begründet keine Einstufung als Bolzplatz. Das Klettergerüst für Kinder ab drei Jahren unterstützt die Zuordnung zu Kinderspielplätzen, die zusätzlich aufgestellte Tischtennisplatte führt zu keiner anderen Bewertung.

Die Orientierung des Verwaltungsgerichts an einem nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwert von 55 dB(A) tagsüber für allgemeine Wohngebiete ist nicht zu beanstanden. Diesen Richtwert hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht als absoluten Grenzwert angesehen, sondern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ausgeführt, dass von derartigen Spielplätzen ausgehende Geräusche grundsätzlich als sozialadäquat anzusehen sind (vgl. auch BVerwG vom 12.12.1991 BayVBl 1992, 410; VGH BW vom 3.3.2008 BauR 2008, 1576). Danach sind derartige Spielplätze mit üblicher Ausstattung sowohl in reinen wie auch allgemeinen Wohngebieten zulässig; die mit einer bestimmungsgemäßen Nutzung eines solchen Spielplatzes verbundenen Beeinträchtigungen sind von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen. Eine atypische oder besonders belastende Situation hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargetan. Die Ausstattung mit einem Klettergerüst und einer Tischtennisplatte entsprechen einer üblichen Spielplatzausstattung. Der Lärm durch die Nutzung beider Geräte wurde zu Recht als grundsätzlich sozialadäquat bewertet. Auch die Situierung beider Geräte führt zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Lageplan betragen die maßgeblichen Entfernungen beider Geräte zum Wohnhaus des Klägers mehr als 50 m.

Ob gegenüber der früheren Situation, die dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 12. Juli 2001 zu Grunde lag, eine Verschlechterung für den Kläger erfolgte, ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist allein, ob die durch den jetzigen Betrieb des Pausenhofs hervorgerufenen Lärmimmissionen dem Kläger als sozialadäquat zugemutet werden können. Der Kläger hat keine Umstände dargelegt, die dies für den konkreten Fall infrage stellen könnten. Die derzeitigen Benutzungsbedingungen lassen nicht erkennen, dass dem Kläger Belastungen zugemutet werden, die vermeidbar gewesen wären, ohne die Erfüllung des Zwecks der Einrichtung zu gefährden. Zwar steht der Pausenhof nunmehr auch in der Zeit vom September bis März für eine außerschulische Nutzung bis 19.00 Uhr zur Verfügung, in der übrigen Zeit ist eine Nutzung bis 20.00 Uhr zugelassen worden. Dem steht aber gegenüber, dass das zulässige Nutzungsalter von 16 auf 15 Jahre verringert wurde, und die Öffnung an Samstagen, Sonn- und Feiertagen nun nicht mehr zulässig ist. Zudem weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass mittlerweile der Pausenhof von der Beklagten eingezäunt und mit verschließbaren Toren versehen wurde, und der in der Nähe wohnende Hausmeister die Einhaltung der Nutzungsdauer und der Altersbeschränkung zu überwachen hat. Eventuelle gelegentliche Verstöße gegen die Benutzungsbedingungen, die nie völlig ausgeschlossen werden können, sind vom Kläger hinzunehmen, da ansonsten die Beklagte alles unternommen hat, die Nutzung des Pausenhofs für die Nachbarschaft angemessen einzugrenzen (BayVGH vom 31.3.2006 a.a.O.). Zumindest hat der Kläger keine angemessenen zusätzlichen Überwachungsmaßnahmen dargelegt, die der Beklagten noch auferlegt werden könnten. Die Beklagte hat insbesondere darauf hingewiesen, dass der unmittelbar neben der Schule wohnende Hausmeister ohnehin schon angewiesen ist, den Hof nach Ende der Öffnungszeiten abzusperren. 2.2 Ein beachtlicher Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann ein anwaltlich Vertretener grundsätzlich nicht geltend machen, wenn er in der mündlichen Verhandlung von einem Beweisantrag abgesehen hat. Anders wäre es nur dann, wenn sich dem Gericht eine Beweisaufnahme offensichtlich aufdrängen musste (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 13 zu § 124 m.w.N.). Dies ist hier nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht musste zudem auch deshalb kein Lärmgutachten einholen (§ 86 Abs. 1 VwGO), da es aufgrund seiner materiell-rechtlichen Beurteilung hierauf nicht entscheidungserheblich ankam (BVerwG vom 23.1.1996 NVwZ-RR 1996, 369). Es ist - zu Recht - davon ausgegangen, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für die Beurteilung der Zumutbarkeit des von einem derartigen Spielplatz ausgehenden Lärms nur als Orientierungsmaßstab heranzuziehen sind, weshalb es auf eine exakte Messung oder Berechnung der Lärmimmissionen nicht ankam. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG, Nrn. 19.2 und 2.2.2 Streitwertkatalog 2004, § 63 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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