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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.12.2009
Aktenzeichen: 22 ZB 08.3274
Rechtsgebiete: AbwAG, BayAbwAG


Vorschriften:

AbwAG § 4 Abs. 1 Satz 1
AbwAG § 4 Abs. 1 Satz 2
BayAbwAG Art. 12 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 08.3274

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abwasserabgabe;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Oktober 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat, durch

den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Hösch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch

ohne mündliche Verhandlung

am 8. Dezember 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Klägerin (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) ergibt sich nicht, dass die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegen.

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die im Bescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 16. Januar 2007 der Abwasserabgabe der Klägerin für die Jahre 2004 und 2005 zugrunde gelegten Jahresschmutzwassermengen (jeweils 290.953 m³) rechtmäßig sind. Dabei stellt das Zulassungsvorbringen den rechtlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, Messungen der Klägerin am Zulauf zur Kläranlage könnten dann nicht zu einer vom Bescheidwert (§ 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AbwAG) abweichenden Feststellung der Jahresschmutzwassermenge gemäß Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BayAbwAG führen, wenn sich deren Ergebnisse nur mit dem Austritt von Abwasser (Exfiltration) im Leitungssystem erklären ließen (S. 8 f. des Urteils des Verwaltungsgerichts). Der Verwaltungsgerichtshof hat demgemäß davon auszugehen, dass auch der über schadhafte Kanäle in den Untergrund versickernde Anteil der Schmutzwassermenge im Sinne von § 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 AbwAG eingeleitet wird und abgabepflichtig ist, etwa weil insoweit ein (bewusstes) pflichtwidriges Unterlassen der Klägerin in Bezug auf die Instandhaltung des Kanalsystems vorlag (vgl. hierzu OVG MV vom 23.5.2007 - Az. 1 L 100/05; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG und AbwAG, RdNr. 15 zu § 2 AbwAG; Köhler/Meyer, AbwAG, 2. Aufl. 2006, RdNr. 61 zu § 2). Das Zulassungsvorbringen leitet die Unrichtigkeit des Urteils daraus ab, dass das Verwaltungsgericht nicht mit der gebotenen Sicherheit davon hätte ausgehen dürfen, die für die Jahre 2004 und 2005 gemessenen, gegenüber den Vorjahren niedrigeren Werte ließen sich nur mit dem Austritt von Schmutzwasser aus dem Kanalsystem erklären (1.); im Übrigen hätte das Verwaltungsgericht auch bei unterstellter Richtigkeit dieser Annahme nicht billigen dürfen, dass statt eines über die Jahre gemittelten Durchschnittswerts willkürlich die im Jahr 2003 gemessene Schmutzwassermenge von 290.953 m³ der Abgabe zugrunde gelegt worden sei (2.).

1. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Bewertung des Verwaltungsgerichts, die in den Jahren 2004 und 2005 am Zulauf der Kläranlage gemessenen Schmutzwassermengen von 71.156 m³ bzw. 216.114 m³ ließen sich (nur) mit dem Austritt von Abwasser im Leitungssystem erklären, nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht stützt sich bei dieser Beurteilung auf die sachverständigen Aussagen des zuständigen Wasserwirtschaftsamts, dem aufgrund seiner Stellung als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayWG) und aufgrund seiner Erfahrungen nach einer jahrzehntelangen Bearbeitung eines bestimmten Gebiets auch im Gerichtsverfahren besondere Bedeutung zukommt; dessen fachliche Beurteilungen haben in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. z.B. BayVGH vom 7.10.2002 ZfW 2004, 54). Die Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg, Servicestelle Würzburg, sind nachvollziehbar und werden durch das Zulassungsvorbringen der Klägerin, auch soweit sie sich auf die Stellungnahme des Diplom-Ingenieurs ***** vom 15. Dezember 2008 stützt, nicht erschüttert.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Klägerin vorbringt - allein die bei der Eigenüberwachung gemessenen niedrigen Zuflusskonzentrationen als mögliche Zufallswerte nicht ohne weiteres den Schluss auf die Unrichtigkeit der für 2004 ermittelten Jahresschmutzwassermenge zuließen. Denn das Verwaltungsgericht bezieht bei seiner Beurteilung - basierend auf den Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts (vgl. S. 3 f. des Urteils) - nicht nur diesen Faktor ein, sondern stellt eine Gesamtschau mehrerer Faktoren an. Es berücksichtigt zunächst die beträchtliche Schwankung der Werte der gemessenen Jahresschmutzwassermengen (für 2003: 290.953 m³, für 2004: 71.156 m³, für 2005; 216.114 m³), die sich nicht mehr mit natürlichen Ursachen erklären lassen (S. 9 des Urteils). Zusätzlich gestützt wird dieses Ergebnis durch die - von der Klägerin allein angesprochenen - deutlich zu geringen Zulaufkonzentrationen für den festgestellten Fremdwasseranteil hinsichtlich der Parameter BSB5 und CSB sowie die zum Teil deutlich unter dem zu erwartenden Trinkwasserverbrauch liegenden Tagesdurchflüsse bei Trockenwetter (S. 10 f. des Urteils). Im Übrigen wurde durch die im Jahre 2005 durchgeführte Videobefahrung belegt, dass Leckstellen im Kanalnetz vorhanden sind, über die Abwasser austreten kann (S. 9 des Urteils).

Soweit die Klägerin vorbringt, es sei eine allen Erfahrungswerten widersprechende Vermutung, die gesamte "fehlende" Abwassermenge (ca. 200.000 m³ für das Jahr 2004) auf Exfiltrationen zurückzuführen, verkennt dies die Argumentation des Verwaltungsgerichts. Hiervon geht das Verwaltungsgericht nicht aus. Vielmehr nimmt es - ebenso wie das Wasserwirtschaftsamt (vgl. Gutachten vom 22. Juni 2005) - an, dass die gemessenen niedrigen Werte teilweise auch auf natürlichen Ursachen wie wechselnden Fremdwasserzuflüssen bei niedrigen Grundwasserständen in Trockenperioden beruhen können (S. 9 und 11 des Urteils). Basierend auf der eingangs erwähnten Rechtsauffassung führt der Umstand, dass solche natürlichen Ursachen keinesfalls die einzige Ursache für die niedrigen Werte, insbesondere den des Jahres 2004, sein können, für das Verwaltungsgericht folgerichtig zu Zweifeln an der Richtigkeit der gemessenen Werte. Die daraus von ihm abgeleitete, nachvollziehbare und vom Zulassungsvorbringen wiederum nicht in Frage gestellte Konsequenz ist, dass solche verfälschten Werte keine verlässliche Grundlage für eine abweichende Feststellung nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BayAbwAG darstellen können (vgl. S. 12 des Urteils sowie S. 4 des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 14.3.2008, auf den das Verwaltungsgericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verweist).

Soweit im Zulassungsvorbringen angeführt wird, jedenfalls der für das Jahr 2005 gemessene Wert der Jahresschmutzwassermenge (216.114 m³) weiche nicht wesentlich von anderen Werten, insbesondere von dem aus dem Jahr 2003, ab, wird dies auch vom Verwaltungsgericht nicht verkannt. Seine Beurteilung, dass auch hier Abwasserverluste im Leitungssystem eine nicht nur untergeordnete Rolle spielen können und deshalb der gemessene Wert keine geeignete Grundlage für eine abweichende Feststellung gemäß Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BayAbwAG bilden kann, stützt sich auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 7. Januar 2006, wonach dies aus den geringen Tagesdurchflüssen bei Trockenwetter zu folgern sei. Dem tritt die Klägerin nicht substantiiert entgegen. Ihr Hinweis, mangels zwischenzeitlicher Instandsetzung der Leckstellen im Kanalnetz hätte der Wert für das Jahr 2005, soweit er auf Exfiltration zurückzuführen sei, genauso niedrig wie im Jahr 2004 sein müssen, trägt nicht. Wie das Verwaltungsgericht an anderer Stelle ausgeführt hat, hängen die Abwasserverluste durch Exfiltrationen vom Grundwasserstand ab; bei hohem Grundwasserstand sinken somit die Abwasserverluste, bei niedrigem Grundwasserstand steigen sie (S. 9 des Urteils; vgl. auch die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 13.12.2005). Insoweit ergibt sich aus den Entscheidungsgründen auch die von der Klägerin vermisste Antwort auf die Frage, weshalb nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im Jahr 2005 erheblich weniger Abwasser durch die festgestellten Leckstellen ausgetreten sein kann als im Jahr 2004.

2. Ernstliche Zweifel folgen auch nicht aus dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte auch bei berechtigten Zweifeln an der Richtigkeit der für die Jahre 2004 und 2005 gemessenen Werte jedenfalls nicht billigen dürfen, dass das Landratsamt willkürlich einen Einzelwert eines anderen Jahres - hier die im Jahr 2003 gemessene Jahresschmutzwassermenge von 290.953 m³ - herausgreift und der Abwasserabgabe für die Jahre 2004 und 2005 zugrunde legt. Insoweit ist schon nicht dargelegt, inwieweit die Klägerin durch die Heranziehung des Wertes aus dem Jahr 2003 in eigenen Rechten verletzt sein könnte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass es rechtlich möglich gewesen wäre, mangels einer hinreichend verlässlichen Grundlage für eine abweichende Feststellung nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 BayAbwAG auf den (höheren) Bescheidwert nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AbwAG (360.000 m³) zurückzugreifen (S. 12 des Urteils). Dies wird vom Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht, ohne dass das Zulassungsvorbringen dies angreift, ergänzend darauf hingewiesen, dass auch bei der von der Klägerin geforderten Zugrundelegung von Durchschnittswerten aus längeren Zeitperioden der Vergangenheit sich kein für die Klägerin günstigerer Wert für die Jahresschmutzwassermenge als der im Abwasserabgabenbescheid zugrunde gelegte ergeben hätte.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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