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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.10.2008
Aktenzeichen: 22 ZB 08.816
Rechtsgebiete: SchfG


Vorschriften:

SchfG § 10
SchfG § 11 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

22 ZB 08.816

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Widerrufs der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister und vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2008,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 22. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Eder

ohne mündliche Verhandlung am 2. Oktober 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1994 als Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk N********* **** ** bestellt. Eine aufgrund von Beschwerden von Bürgern aus diesem Kehrbezirk am 21. Juni 2006 vorgenommene Kehrbezirksüberprüfung ergab zahlreiche Beanstandungen. Die Regierung von M************ legte dem Kläger insbesondere zur Last, dass er in zahlreichen Fällen seinen Kunden überhöhte Gebühren abverlangt habe; er habe dabei vorsätzlich und zielgerichtet gehandelt.

Mit Schreiben vom 24. August 2006 hörte die Regierung den Kläger zum beabsichtigten Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister an.

Mit Schreiben vom 19./22. September 2006, bei der Regierung eingegangen am 22. September 2006, beantragte der Kläger seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen.

Mit Bescheid vom 25. September 2006 widerrief die Regierung die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk N********* **** ** mit Wirkung vom 1. November 2006. Der Antrag des Klägers auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wurde abgelehnt.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts H******** vom 31. August 2007 wurde der Kläger im Hinblick auf die von ihm abgerechneten überhöhten Gebühren wegen Betrugs in 33 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Der Kläger legte hiergegen keinen Einspruch ein.

Der Kläger hat beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach den Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister angefochten und die Verpflichtung des Beklagten beantragt, ihn vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Der Kläger machte in tatsächlicher Hinsicht insbesondere geltend, die im angefochtenen Bescheid aufgeführten Pflichtverletzungen beruhten auf seinen Krankheiten. Ein Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister scheide daher aus.

Die Klage blieb erfolglos (Urteil vom 27.2.2008).

Der Kläger hat die Zulassung der Berufung beantragt.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die insoweit maßgeblichen, innerhalb der gesetzlichen Zweimonatsfrist erfolgten Darlegungen des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) lassen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hervortreten.

1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der Kläger hält folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig und im Berufungsverfahren klärungsfähig: "Stellt die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG (Widerruf der Bestellung) gegenüber der Bestimmung des § 10 SchfG (Ruhestandsversetzung) eine Sonderregelung dar mit der Folge, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Widerrufs der Bestellung nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG eine Ruhestandsversetzung nicht mehr in Betracht kommt?" Wie die weiteren Ausführungen des Klägers zeigen (Bezugnahme auf das Urteil des VGH BW vom 19.9.2002 - Az. 14 S 1429/02 und die Kommentierung von Musielak/Schira/Manke, SchfG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 7 zu § 10), bezieht sich der Kläger dabei auf die Fallkonstellation, bei der die für den Widerruf maßgeblichen Gründe gerade auf gesundheitliche Probleme und die so begründete Berufsuntauglichkeit zurückzuführen sind.

Diese Darlegungen des Klägers führen nicht zur Zulassung der Berufung, da die Klärung der dargelegten Rechtsfrage in einem eventuellen Berufungsverfahren nicht zu erwarten wäre (mangelnde Klärungsfähigkeit). Die Erörterung dieser Rechtsfrage gehört in dem angefochtenen Urteil nicht zum entscheidungserheblichen Begründungsteil (vgl. zu diesem Erfordernis Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 152 zu § 124). Nach den tatsächlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind im Falle des Klägers die maßgeblichen Widerrufsgründe nicht krankheitsbedingt. Der Kläger hat hiergegen im Zulassungsverfahren zwar verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Einwendungen erhoben; diese Einwendungen vermögen die Zulassung der Berufung indes nicht zu rechtfertigen (s. dazu unten).

Sollte der Kläger auch die Frage, ob dann, wenn die für den Widerruf maßgeblichen Gründe nicht auf bestehende gesundheitliche Probleme zurückzuführen sind, ein durch Antragstellung auszuübendes Wahlrecht des Betroffenen zwischen Widerruf der Bestellung und vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand besteht, als grundsätzlich bedeutsam geltend machen wollen, so würde dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen. Insofern besteht kein Klärungsbedarf, weil ein solches Wahlrecht nach den gesetzlichen Regelungen nicht besteht. Insbesondere ist die Entscheidung über die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand in § 10 Abs. 1 SchfG ebenso wenig antragsabhängig, wie die Entscheidung über den Widerruf der Bestellung. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur antragsabhängigen Aufhebung der Bestellung (§ 11 Abs. 5 SchfG). Soweit der Kläger insoweit besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten geltend macht (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), trifft dies aus den genannten Gründen ebenfalls nicht zu.

2. Die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Beweisantrags stellt unter den vom Kläger dargelegten Aspekten keinen Verfahrensmangel i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar.

Der Kläger hat Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten zu folgendem Thema beantragt: "Die im Bescheid vom 25. September 2006 aufgeführten Pflichtverletzungen beruhten auf Krankheiten des Klägers. Es handelte sich um eine chronische Psychosomatose im Sinn einer somatoformen autonomen Störung mit Begleiterscheinungen: Tinnitus und rezidivierende depressive Episode. Der Kläger war subjektiv überfordert. Es lag eine Überforderungs-, Überlagerungs- und/oder Konfliktsituation vor, die zu einer Erkrankung führte. Der Kläger litt außerdem bereits zur Zeit der Pflichtverletzungen an einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom, an den Folgen eines Hörsturzes mit unregelmäßig wiederkehrenden, überfallartig auftretenden Migräneanfällen. Beim Kläger lagen vor und während der Pflichtverletzungen eine Angsterkrankung und Höhenangst sowie eine Depression vor. Die Folgen dieser Erkrankungen lagen auch im Auftreten erheblicher Tagesmüdigkeit sowie Konzentrationsproblemen und Einschlafzwang bei monotonen Tätigkeiten. Die Pflichtverletzungen des Klägers beruhten auf Krankheiten".

Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit folgender Begründung abgelehnt: "Der Beweisantrag gemäß Schriftsatz des Klägervertreters vom 14. Januar 2008 wird abgelehnt, weil die unter Beweis gestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen beim Kläger als wahr unterstellt werden können und weil die Frage der Kausalität zwischen diesen festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den festgestellten Pflichtverletzungen in Anwendung der allgemeinen Denkgesetze vom Gericht selbst beantwortet werden kann".

Die Darlegungen des Klägers ergeben nicht, dass diese Begründung des Verwaltungsgerichts im Prozessrecht keine Stütze finden könnte. Die Begründung des Verwaltungsgerichts beruht ersichtlich darauf, dass der Beweisantrag zwar einen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und Verstößen im Bereich von Buchführung und Abrechnung behauptet, dass diese Behauptung aber nur bei Verstößen ohne Vorsatz und Bereicherungsabsicht als schlüssig angesehen werden könnte. Subjektive Überforderung, Konzentrationsprobleme und Einschlafzwang bei monotonen Tätigkeiten können zwar möglicherweise die Ursache für ohne Vorsatz und Bereicherungsabsicht erfolgte Rechtsverletzungen sein - zumindest könnte ein Gericht dies wohl nicht ohne Hilfe eines medizinischen Sachverständigen ausschließen -, sie lassen aber keinen Bezug zu vorsätzlicher Täuschung von Kunden in Bereicherungsabsicht erkennen. Es fehlt insofern an greifbaren Anhaltspunkten (vgl. BVerwG vom 18.5.1995, NVwZ 1996, 379). Aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt sich nicht, warum diese rechtliche Beurteilung unzutreffend sein sollte. In Wirklichkeit wendet sich der Kläger gegen die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht, nämlich gegen die Würdigung der vom Kläger begangenen Rechtsverletzungen als vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht erfolgt (vgl. dazu unten).

3. Aus den Darlegungen des Klägers ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

a) Entscheidungserheblich sind hier lediglich nachgewiesene Verstöße gegen geltendes Recht, nicht etwa allgemeine Charakterisierungen wie "Profit-Orientierung" oder "unkollegiales Verhalten". Dass der Kläger die ihm zur Last gelegten Verstöße gegen geltendes Recht zumindest überwiegend vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht begangen hat, wird durch die Begründung seines Zulassungsantrags nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich den Strafbefehl des Amtsgerichts H******** vom 31. August 2007 als Bestätigung gewertet, in welchem dem Kläger vorsätzliches Handeln in Bereicherungsabsicht zur Last gelegt wird (vgl. § 263 StGB), ferner auch die Tatsache, dass der Kläger diesen Strafbefehl akzeptiert hat. Der Kläger hat hiergegen in der Begründung seines Zulassungsantrags keine Bedenken erhoben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht insofern auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Hiergegen wendet sich der Kläger ohne Erfolg. Dass die von ihm begangenen Verstöße gegen geltendes Recht überwiegend den Bereich der Gebührenerhebung betreffen, könnte zwar mit der von ihm vorgetragenen Tagesmüdigkeit und mit den von ihm vorgetragenen Konzentrationsproblemen noch erklärt werden. Dass sich diese Verstöße aber jedenfalls weit überwiegend zu Gunsten des Klägers ausgewirkt haben, hingegen nicht. Die Einzelkritik des Klägers an den gegenüber ihm erhobenen Vorwürfen ist nicht innerhalb der Zweimonatsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt, sondern erst nach deren Ablauf als Replik auf eine Stellungnahme des Beklagten, und damit verspätet. Abgesehen davon vermögen die dort geltend gemachten Bedenken nicht zu überzeugen. Der angefochtene Bescheid bezeichnet zahlreiche Fälle, in denen der Kläger aus einer eigentlich alle zwei Jahre vorzunehmenden Überprüfung eine jährliche Überprüfung gemacht hat, was nur durch aktives Tun, durch Eingabe zusätzlicher Schlüsselziffern möglich war (S. 2 des Bescheids). Eine Verdoppelung der Gebührensätze gegenüber dem normativ festgelegten Satz (S. 4 des angefochtenen Bescheids) lässt sich ebenfalls nur mit einer Manipulation des Programms erklären. Umstände, die gegen Vorsatz und Bereicherungsabsicht sprechen könnten (z.B. Ablehnung einer Erweiterung des Kehrbezirks oder eigene Bitte an die Aufsichtsbehörde um Überprüfung einer Abrechnung [vgl. VGHBW vom 19.8.2003, GewArch 2003, 489/491]), liegen nicht vor. Die Ausführungen des Klägers, dass er sich mit dem Überspielen von Kehrbezirksdaten auf ein Notebook nicht ausgekannt habe, kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Indiz für seine Arglosigkeit gewertet werden.

b) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ebenfalls nicht. Zum einen hat der Kläger in seinen diesbezüglichen Darlegungen einen Sachverhalt zu Grunde gelegt, der sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils gerade nicht ergibt (Kausalzusammenhang zwischen seinen gesundheitlichen Problemen und seinem Fehlverhalten, Leugnung von Vorsatz und Bereicherungsabsicht). Zum andern ist die Rechtsauffassung im angefochtenen Bescheid, die sich das Verwaltungsgericht zu eigen gemacht hat, nämlich dass die Vielzahl der betrügerischen Abrechnungen so schwer wiegt, dass ein Warnungsgeld nicht mehr angemessen ist, nicht ernstlich zu bezweifeln. Der Sachverhalt stellt sich hier so dar, dass der Kläger nicht nur einmal oder nur einige Male betrügerisch abgerechnet hat, sondern in einer Vielzahl von Fällen über einen längeren Zeitraum hinweg.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG; wie Vorinstanz.

Ende der Entscheidung

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