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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 23 BV 06.3248
Rechtsgebiete: ElektroG, ElektroGKostV, Erste Verordnung zur Änderung der Kostenverordnung zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz, VwKostG
Vorschriften:
ElektroG § 22 Abs. 2 | |
ElektroGKostV vom 6. Juli 2005 | |
Erste Verordnung zur Änderung der Kostenverordnung zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz vom 19. Dezember 2006 | |
VwKostG § 10 Abs. 1 Nr. 7 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Im Namen des Volkes
Verkündet am 22. März 2007
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Elektrogesetz (Mehrwertsteuer auf Gebührengesamtbeträge);
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Oktober 2006,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 23. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Friedl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Beuntner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Reinthaler
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. März 2007 am 22. März 2007 folgendes
Urteil:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Herstellerin von Elektrogeräten, wandte sich gegen 104 von der Beklagten verfügte Bereitstellungs- und Abholungsanordnungen sowie gegen die entsprechenden Kostenbescheide.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2006 hob das Verwaltungsgericht die angefochtenen Kostenbescheide der Beklagten insoweit auf, als dort eine Mehrwertssteuer von jeweils 16,00 € festgesetzt wurde, und wies die Klagen im Übrigen ab.
Soweit es den Klagen stattgab, führte das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung aus, für eine gesonderte Festsetzung der Mehrwertsteuer für den Gebührengesamtbeitrag bestehe keine Rechtsgrundlage. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ElektroGKostV vom 6. Juli 2005 ergäben sich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren aus dem Gebührenverzeichnis zu dieser Verordnung. Dort seien verschiedene Gebührentatbestände aufgeführt. Im Übrigen könne nach allgemeinen Grundsätzen auf die Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes des Bundes (VwKostG) zurückgegriffen werden. Wegen des in diesem Bereich strikten Gesetzesvorbehaltes dürften dort nicht genannte Kosten nicht erhoben werden. Die Festsetzung einer Mehrwertsteuer für die entsprechenden Amtshandlungen nach dem Elektrogesetz bzw. der Elektrogesetzkostenverordnung sei aber weder in der speziellen Kostenverordnung noch im allgemeinen Kostengesetz vorgesehen. Für Kosten in diesem Sinne werde Umsatzsteuer grundsätzlich nicht erhoben, weil es sich bei diesen Kosten um Einnahmen aus öffentlich-rechtlicher Gewalt handle. Hierfür sei eine gebührenrechtliche Grundlage erforderlich. Im Verhältnis Kostenschuldner zur Behörde sei die Festsetzung einer Umsatzsteuer wegen der Natur der Amtshandlung schon ausgeschlossen. Da allerdings die Umsatzsteuer zu den Kostenfaktoren gehöre, die den Wert der Amtshandlung beeinflussten, könnte sie im Rahmen der Gebührenkalkulation beim Aufwand berücksichtigt werden. Davon zu trennen sei aber die nur im Verhältnis der Beliehenen zur Finanzverwaltung relevante Frage, ob die Gebühreneinnahme einen steuerbaren Umsatz im Sinn des § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen und von ihr eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, die angefochtenen Kostenbescheide seien in vollem Umfange rechtmäßig. Die Beklagte unterliege der Umsatzsteuer, auch wenn sie als beliehene Unternehmerin hoheitliche Aufgaben wahrnehme. Der Bundesfinanzhof gehe in ständiger Rechtsprechung von der Unternehmereigenschaft Beliehener aus. § 1 Abs. 2 ElektroGKostV i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG sei eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG würden vom Gebührenschuldner die Beträge, die anderen Behörden zustünden, als Auslagen erhoben. Derartige Beträge seien u. a. auch die an die Finanzbehörden als andere Behörden abzuführende Umsatzsteuer. Die Beklagte leite die Umsatzsteuer auch nicht bereits durch die Erhebung der Gebühren auf die Klägerin über. Bei den im Gebührenverzeichnis als Anhang zu § 1 Abs. 1 ElektroGKostV genannten Gebührensätzen handele es sich um Nettosätze. Die gesetzliche Umsatzsteuer habe bei der Kalkulation der Gebührensätze durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit keine Berücksichtigung gefunden. Außerdem stelle die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Klägerin auch keinen Nachteil dar, weil sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sein dürfte, so dass die in den angefochtenen Kostenbescheiden festgesetzte Umsatzsteuer lediglich einen durchlaufenden Rechnungsposten darstelle.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die von den Beteiligten übergebenen Unterlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die angefochtenen 104 Kostenbescheide, die die Beklagte in den Monaten April bis August 2006 gegenüber der Klägerin erlassen hatte, sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, soweit mit ihnen eine Mehrwertsteuer auf den jeweiligen Gebührengesamtbetrag von 100,-- € gesondert in Höhe von jeweils 16,-- € festgesetzt wurde.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass hierfür keine Rechtsgrundlage besteht. Insoweit wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und auf die entsprechende Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 18. Oktober 2006 Bezug genommen (§ 130 b Satz 2 VwGO).
Ergänzend ist zum Vorbringen der Beklagten im Berufungsrechtszug noch anzumerken:
Insbesondere § 1 Abs. 2 der Kostenverordnung zum Elektro- und Elektronikgerätegesetz (Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung - ElektroGKostV) vom 6. Juli 2005 (BGBl I, S. 2020) i.V.m. § 10 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) des Bundes vom 23. Juni 1970 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.5.2004 BGBl I, S. 718) bietet keine Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG werden vom Gebührenschuldner, soweit die Auslagen nicht bereits in die Gebühr einbezogen sind und die Erstattung von Auslagen vorgesehen ist, als Auslagen die Beträge erhoben, die anderen in- und ausländischen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder Beamten zustehen, und zwar auch dann, wenn aus Gründen der Gegenseitigkeit, der Verwaltungsvereinfachung und dergleichen an die Behörden, Einrichtungen oder Beamten keine Zahlungen zu leisten sind.
Unter Beträge und Auslagen auch im Sinn des § 10 VwKostG werden unter anderem die bei einem behördlichen Verfahren entstandenen (baren) Kosten, wie Schreib-, Post-, Reise-, Zeugen- und Sachverständigenkosten verstanden (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 1987, Bd. 2 "Auslagen"; Deutsches Rechtslexikon 1992, Bd. 1, Stichworte "Auslagen" und "Bare Auslagen"). Es handelt sich dabei um Kosten, die entweder als Aufwand pauschal abgegolten werden oder die tatsächlich im Einzelfall entstanden und abzugelten sind (vgl. Deutsches Rechtslexikon a.a.O. Stichwort "Bare Auslagen").
Darunter fällt jedoch nicht die Umsatzsteuer, eine Steuer, die einen steuerbaren Umsatz abschöpft (vgl. §§ 1 ff. UStG) und die - unabhängig von behördlichen, kostenaufwendigen Tätigkeiten - als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO).
Dem bundesrechtlichen Kostenrecht kann als Grundsatz entnommen werden, dass eine Umsatzsteuer für behördliche Tätigkeiten nur dann weitergegeben werden kann, soweit dies gesetzlich festgeschrieben ist. Während in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) unter den Nrn. 9000 bis 9018 verschiedene Auslagentatbestände ohne ausdrückliche Erwähnung der Umsatzsteuer aufgeführt sind, findet die Erhebung der Umsatzsteuer auf die Vergütung des Rechtsanwaltes ihren Niederschlag im Auslagenverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (vgl. Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG unter Nrn. 7000 bis 7008, dort die Nr. 7008 mit dem Hinweis, dass dies nicht gilt, wenn die Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt). Diesem bundesgesetzlichen Prinzip trug der Verordnungsgeber (vgl. § 22 Abs. 2 ElektroG) Rechnung, als er am 19. Dezember 2006 die ElektroGKostV mit Wirkung zum 1. Januar 2007 änderte (BGBl I, S. 3277) und § 1 Abs. 1 folgenden Satz 3 anfügte: "Soweit die im Anhang 1 genannten Amtshandlungen der Umsatzsteuer unterliegen, werden die Gebühren nach dieser Verordnung zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer erhoben". Damit hat der Verordnungsgeber für den Vollzug des Elektrogesetzes erstmals geregelt, dass nunmehr auch die gesetzliche Umsatzsteuer auf die Gebühren vom Gebührenschuldner verlangt werden kann, weil die Beklagte als beliehene Unternehmerin der Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 UStG unterliegt.
Soweit die Beklagte ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. Dezember 2002 (Az. 25 K 9738/00) bemüht, nach dem die Umsatzsteuer zusätzlich zu den Gebühren als Auslage im Sinn des § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG erhoben werden kann, greift dieses Urteil mit der pauschalen Anwendung vorgenannter Vorschrift zu kurz. Anders gelagerte Fälle betrafen die von der Beklagten bzw. vom Verwaltungsgericht Köln erwähnten Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen vom 4. März 1996 NVwZ-RR 1997, 734 zu § 10 Abs. 1 Satz 1 NWGebG und des 19. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 12. April 2000 Az. 19 N 98.3739 zu den §§ 7 und 11 GebOVerm. Hier wurden nicht bundesrechtliche, sondern landesrechtliche Kostenvorschriften für die Erhebung der Umsatzsteuer als "Auslage" herangezogen.
Nach alledem verletzen die angefochtenen Kostenbescheide der Beklagten, soweit mit ihnen auf die Gebührenschuld die entstandene Umsatzsteuer weitergegeben wurde, die Klägerin in ihren Rechten. Die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels hat daher die Beklagte zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.664,-- € festgesetzt (104 x 16,-- € Umsatzsteuer; § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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