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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: 23 N 07.1678
Rechtsgebiete: VwGO, KAG


Vorschriften:

VwGO § 47
KAG Art. 5 Abs. 1
KAG Art. 5 Abs. 2
KAG Art. 19 Abs. 4
Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung des Marktes Thierhaupten
vom 14./15. November 2006
1. Mit der Einfügung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 KAG durch Änderungsgesetz vom 9. Juni 1998 (GVBl S. 293) wollte der Gesetzgeber bewusst eine Maßstabserweiterung auf den Vollgeschossmaßstab, der nicht nur auf Orte mit einer homogenen Siedlungsstruktur beschränkt werden sollte.

Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BayVGH vom 22.10.1998 BayVBl 1999, 272 = GK 1999 Nr. 140).

2. Mit der Einfügung des Satzes 5 in Art. 5 Abs. 2 KAG durch Änderungsgesetz vom 25. Juli 2002 (GVBl S. 322) soll bei Satzungen mit einem Beitragsmaßstab, der nicht auf die vorhandene Bebauung abstellt, bestimmt werden, dass auch hier Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile ohne Anschluss oder Anschlussbedarf als Abzugsposten Berücksichtigung finden. Dies gilt auch für den Vollgeschossmaßstab.

Diese gesetzliche Regelverpflichtung schränkt das weite Handlungsermessen der Gemeinden nicht in verfassungswidriger Weise ein.

3. Bei einem Maßstab, der nicht auf die vorhandene Bebauung abstellt, bedarf es für bebaute Außenbereichsgrundstücke eigenständiger Satzungsregelungen, die sich am Maß des Vorteils für die vorhandene Bebauung zu orientieren haben.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

23 N 07.1472 23 N 07.1678

Verkündet am 22. November 2007

In den Normenkontrollsachen

wegen Nichtigerklärung einer Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung;

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 23. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Friedl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Beuntner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Reinthaler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. November 2007

am 22. November 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung des Marktes Thierhaupten vom 14./15. November 2006 ist nichtig.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken, die im Entsorgungsgebiet der vom Antragsgegner betriebenen öffentlichen Entwässerungseinrichtung liegen. Zu deren Finanzierung wurden die Antragsteller mit im Februar 2007 erlassenen Bescheiden zu Herstellungsbeiträgen herangezogen. Über die hiergegen erhobenen Widersprüche ist noch nicht entschieden.

Die Antragsteller beantragen im Normenkontrollverfahren sinngemäß,

die Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung (BS/EWS) des Marktes Thierhaupten vom 15. November 2006 für nichtig zu erklären.

§ 5 dieser Satzung enthält folgende Maßstabsregelung:

(1) Der Beitrag wird bemessen nach der Grundstücksfläche sowie der mit dem Nutzungsfaktor vervielfältigten Grundstücksfläche.

(3) Der Nutzungsfaktor bestimmt sich nach der zulässigen Ausnutzbarkeit des Grundstückes. Die zulässige Ausnutzbarkeit ergibt sich aus der zulässigen Zahl der Vollgeschosse, die auf dem beitragspflichtigen Grundstück verwirklicht werden können.

Der Nutzungsfaktor beträgt im Einzelnen:

a) bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,0

b) bei mehrgeschossiger Bebaubarkeit

zuzüglich je weiteres Vollgeschoss 0,3

c) Grundstücke, die ohne bauliche Nutzungsmöglichkeit oder die mit einer untergeordneten baulichen Nutzungsmöglichkeit genutzt werden oder genutzt werden dürfen, werden mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 herangezogen.

Zur Begründung der Normenkontrolle wird gerügt, dass der in § 5 Abs. 1 und 3 der Satzung bestimmte Vollgeschossmaßstab, der auf einer Kombination von Grundstücksfläche und einem an der Anzahl der Vollgeschosse orientierten Nutzungsfaktor beruhe, erheblichen rechtlichen Bedenken unterliege. Dabei werde nicht verkannt, dass durch die Gesetzesänderung vom 9. Juni 1998 in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 KAG in Anlehnung an das Erschließungsbeitragsrecht (§ 131 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 BauGB) ermöglicht werden sollte, den Vollgeschossmaßstab (Geschosszahlmaßstab), bei dem die Grundstücksfläche mit einem nach der Zahl der Vollgeschosse gestaffelten Nutzungsfaktor multipliziert werde, auch für leitungsgebundene Einrichtungen vorzusehen. Wenn vor diesem Hintergrund entgegen der früheren Rechtsprechung des Senats der Vollgeschossmaßstab nunmehr grundsätzlich als zulässiger Maßstab angesehen werden müsse, entbinde dies die Gemeinde jedoch nicht davon, die Besonderheiten und Auswirkungen eines derartigen Maßstabs innerhalb des Gemeindegebiets an den Grundsätzen der Vorteilsgerechtigkeit und des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen. Das werde auch in Ziffer 2.1 der Vollzugshinweise zur genannten Änderung des Kommunalabgabengesetzes empfohlen. Die angegriffene Satzung werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Es müsse bezweifelt werden, ob der Antragsgegner sowohl die unterschiedliche Siedlungsstruktur als auch die differierende Ausnutzung der Grundstücke in Thierhaupten, wo ein Nebeneinander von Wohnbebauung, Gewerbe und Landwirtschaft herrsche, berücksichtigt und eine Abwägung vorgenommen habe. Vom Antragsgegner sei der Vollgeschossmaßstab ohne konkrete Überlegungen zu diesen Gesichtspunkten aus der früheren Satzung übernommen worden.

Zwar sei im Erschließungsbeitragsrecht die Geschosszahl als Nutzungsfaktor generell anerkannt und in der Satzungspraxis üblich. Ob der Grad der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks mit der Zahl der tatsächlichen oder zulässigen Geschosse, was jedenfalls für den Vorteil einer Straßenerschließung hinreichend möglich sei, auch das Maß der Inanspruchnahme einer Entwässerungseinrichtung vorteilsgerecht bestimmen könne, sei jedoch fraglich, wenn das Satzungsgebiet keine homogene Bebauung aufweise. Eine im Erschließungsbeitragsrecht vertretbare Verteilungsregelung könne wegen der Unterschiede zum kommunalen Abgabenrecht ohnehin nicht unbesehen auf das Beitragsrecht für leitungsgebundene Einrichtungen übertragen werden. Denn während bei Erschließungsanlagen nach dem Baugesetzbuch die nicht gedeckten Investitionskosten jeweils nur auf die Anlieger umgelegt würden, allenfalls auf diejenigen eines eng umgrenzten Abrechnungsgebiets, handle es sich bei Entwässerungs- oder Wasserversorgungseinrichtungen um großflächige Anlagen, die sich häufig auf das gesamte Gemeindegebiet oder sogar das Gebiet mehrerer Gemeinden erstreckten. Bei diesen großflächigen Einrichtungen bestehe besondere Veranlassung, an die Genauigkeit der Differenzierungsmerkmale höhere Anforderungen zu stellen, weil das erschlossene Gebiet meist unterschiedlicher bebaut und genutzt sei als das Abrechnungsgebiet einer Erschließungseinheit.

Beiträge dienten dazu, die Vorteile auszugleichen, die dem Grundstückseigentümer aus der öffentlichen Einrichtung erwachsen. Dies erfolge anhand eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs, der jedoch gewährleisten müsse, dass die geschuldeten Beiträge den aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen in etwa entsprechen. Der vom Antragsgegner gewählte Beitragsmaßstab werde dem Grundsatz des sachgerechten Vorteilsausgleichs nicht gerecht. Denn er berücksichtige weder die Gemeindestruktur Thierhauptens mit unterschiedlichen Grundstücksgrößen und Nutzungsarten noch beachte er, dass sich im Gebiet des Antragsgegners, das die Ortsteile Neukirchen und Ötz umfasse, sowohl landwirtschaftlich als auch gewerblich genutzte Flächen sowie reine Wohnbebauung finde. Es gebe historisch, gewerblich, industriell und landwirtschaftlich geprägte Gebiete mit offener und/oder geschlossener Bauweise. Angesichts dieser unterschiedlichen Gemeindestruktur sei der grobe Verteilungsmaßstab des Vollgeschossmaßstabs, der das Ausmaß der Bebauung und damit des differenzierten Vorteils ignoriere, hier nicht geeignet, dem Vorteilsprinzip gerecht zu werden, sondern führe zu unverhältnismäßigen Belastungen. Zudem zeige die Satzung in keiner Weise auf, wie für unzuträgliche Einzelfälle eine vorteilsgerechte Umlegung der Investitionskosten zu erreichen sei.

Außerdem verstoße die angefochtene Beitragssatzung gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG, demzufolge in Satzungen, in denen der Beitragsmaßstab nicht auf die vorhandene Geschossfläche abstelle, bestimmt werden soll, dass der auf Gebäude oder Gebäudeteile ohne Anschluss bzw. Anschlussbedarf entfallende Beitragsteil als Abzugsposten Berücksichtigung finde. Diese am 1. August 2002 in Kraft getretene Neuregelung hätte der Antragsgegner bei Erlass seiner BS-EWS vom 15. November 2006 berücksichtigen und umsetzen müssen. Weil er diesem Erfordernis nicht nachgekommen sei, verstoße der Beitragsmaßstab des § 5 gegen höherrangiges Recht, was zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Seine Bevollmächtigten entgegnen, dass sich der in § 5 BS-EWS normierte Nutzungsfaktor im Rahmen des dem Satzungsgeber bei der Ausgestaltung von Beitragsregelungen weiten Ermessensspielraums halte. Allgemeine Grenzen ergäben sich aus dem Gleichheitssatz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem gelte der Grundsatz der Typengerechtigkeit, der es dem Satzungsgeber gestatte zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität könne es gerechtfertigt sein, mit Blick auf den Gleichheitssatz auf wünschenswerte Differenzierungen zu verzichten; lediglich willkürliche Regelungen seien verboten. Demnach begegne der in der BS-EWS vorgesehene Vollgeschossmaßstab keinen rechtlichen Bedenken. Er gebe Aufschluss über die bauliche Ausnutzbarkeit eines Grundstücks und damit über den beitragsrechtlichen Vorteil, der dem Eigentümer aus der Möglichkeit der Schmutzwasserableitung erwachse. Zwar möge es Konstellationen geben, in denen der Vollgeschossmaßstab gewisse Pauschalierungen mit sich bringen könne. Diese seien aber der vom Gesetzgeber für zulässig angesehenen Beitragsregelung immanent und durch sachliche Gesichtspunkte gerechtfertigt. Insbesondere sprächen gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität für den Vollgeschossmaßstab. Bekanntlich bereite es im unbeplanten Innenbereich erhebliche Schwierigkeiten, die baurechtlich zulässige Geschossfläche zu ermitteln, zumal wenn der baulichen Nutzung nur untergeordnete Bedeutung zukomme.

Zu der vom Senat judizierten Unzulässigkeit des Vollgeschossmaßstabs (Urteil vom 8.3.1985 BayVBl 1986, 470) sei zu bemerken, dass die Rechtsprechung die vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 1999 in Art. 5 Abs. 2 KAG gestattete Maßstabsregelung einer Kombination aus Grundstücksfläche und Geschosszahl nicht länger in Frage stellen sollte. Dessen ungeachtet liege im anhängigen Verfahren ein anderer Sachverhalt vor. Die damals relevante Bebauung der Stadt Tittmoning sei durch eine äußerst dichte Bauweise im Zentrum und ansonsten locker bebaute Grundstücke geprägt gewesen. Demgegenüber stelle sich die Bauweise im Gebiet des Antragsgegners als typisch für ländlich geprägte Gemeinden dar. Das Vorhandensein landwirtschaftlicher Betriebe, gewerblich genutzter Flächen und reiner Wohnbebauung in Thierhaupten, wo ca. 3.700 Einwohner leben würden, bedeute keine Besonderheit für eine derartige Gemeinde, so dass die Bauweise insgesamt als homogen bezeichnet werden könne. Ansonsten gäbe es in der Praxis kaum Anwendungsfälle für diesen Beitragsmaßstab.

Im Erschließungsbeitragsrecht sei der Vollgeschossmaßstab seit jeher als zulässige Vorteilsregelung anerkannt. Die rechtliche Problematik könne mit dem Beitragsrecht für leitungsgebundene Einrichtungen durchaus verglichen werden. Auch im Straßenausbaubeitragsrecht werde der Geschosszahlmaßstab als geeignet betrachtet. Bei Straßenerneuerungen würden oftmals lange Straßenzüge (Ortsdurchfahrten) abgerechnet, entlang derer sich typischerweise sowohl hinsichtlich der Bebauung als auch der Art der Baukörper und der Nutzungsart erhebliche Unterschiede fänden. Das zeige, dass die einheitliche Abrechnung leitungsgebundener Einrichtungen keine differenzierende Behandlung erfordere.

Der Antragsgegner sei auch nicht gehalten gewesen, eine Regelung für Gebäude oder Gebäudeteile ohne Anschlussbedarf im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG in die Satzung aufzunehmen. Diese Regelung sei ersichtlich auf den Geschossflächenmaßstab zugeschnitten und komme beim Vollgeschossmaßstab nicht zur Anwendung. Das ergebe sich bereits aus ihrem Sinn und Zweck. Die Bestimmung solle ein vorteilsgerechtes Ergebnis für solche Gebäude oder Gebäudeteile gewährleisten, die von der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung nicht profitierten. Beim Vollgeschossmaßstab lasse sich durch weitere Differenzierungen ein sachgerechteres Ergebnis nicht erzielen. Dem Geschosszahlmaßstab seien gewisse Unebenheiten eigen. So sei es denkbar, dass Grundstücke beitragsmäßig gleich belastet würden, obwohl trotz identischer Grundstücksgröße und gleicher Geschosszahl eines der Grundstücke aufgrund eines größeren Bauraums intensiver baulich genutzt werden könne. Das sei im Interesse der Praktikabilität hinzunehmen. Eine höhere Beitragsgerechtigkeit könne nicht dadurch erreicht werden, dass wiederum gewisse Gebäude oder Gebäudeteile beitragsmindernd berücksichtigt würden. Ein solches Vorgehen könnte auch dazu führen, dass etwaige hinzunehmende beitragsrechtliche Benachteiligungen noch vergrößert würden. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn bei einem schon intensiver baulich genutzten Grundstück der Beitrag zusätzlich gemindert würde, weil für bestimmte Gebäudeteile kein Anschlussbedarf besteht. Somit würde eine Übernahme der Anschlussbedarfsregelung in die Satzung kein Mehr an Beitragsgerechtigkeit bewirken. Hinzu komme, dass sich bei der Umsetzung der Abzugsbestimmung neue rechtliche Probleme ergäben, weil fraglich sei, wie über eine Abzugsregelung das Vorhandensein von Gebäudeteilen ohne Anschlussbedarf beitragsmindernd berücksichtigt werden soll. Da sich der insoweit maßgebliche Faktor der Geschossfläche in der Verteilungsregelung nicht wieder finde, müsste eine Fiktion erfolgen, die zur weiteren Ungleichbehandlungen führen könne. Außerdem wäre angesichts der Vielzahl denkbarer Einzelfälle eine Regelung, die zwangsläufig weitere Differenzierungen enthalten müsste, nicht mehr praktikabel. Schließlich handle es sich bei Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG nur um eine Sollvorschrift.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. November 2007 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die im Hinblick auf den gleichen Gegenstand zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Normenkontrollen (§ 93 VwGO) mit dem Ziel, die Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung (BS-EWS) des Marktes Thierhaupten vom 14./15. November 2006 für nichtig zu erklären, sind zulässig.

Die angegriffene Abgabesatzung stellt eine Rechtsvorschrift dar, die einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Normenkontrolle zugänglich ist (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Abs. 1 AGVwGO). Die Antragsteller sind auch antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie als Eigentümer von im Satzungsgebiet gelegenen und von der Entwässerungsanlage des Antragsgegners erschlossenen Grundstücken geltend machen können, durch die auf der Grundlage der BS-EWS im Februar 2007 ergangenen, noch nicht bestandskräftigen Herstellungsbeitragsbescheide in ihren Rechten verletzt zu sein. Die zweijährige Antragsfrist nach Bekanntgabe der angefochtenen Satzung, die hier noch gilt (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO), ist gewahrt.

Die Normenkontrollklagen sind auch begründet.

Nach Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 284, BayRS 2024-1-I) einschließlich der nachfolgenden Änderungsgesetze bis 25. Juli 2002 (GVBl S. 322) können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungsanlagen.

Der Antragsgegner hat von dieser Ermächtigung durch den Erlass der streitgegenständlichen Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung Gebrauch gemacht. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen (Gemeinderatsbeschluss vom 14.11.2006, Ausfertigung und Bekanntmachung vom jeweils 15.11.2006) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die BS-EWS vom 14./15. November 2006 ist jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen nichtig, weil die Maßstabsregelungen in § 5 insgesamt als unzulässig zu beurteilen sind.

Ausgangspunkt aller Überlegungen zum Beitragsmaßstab ist die Grundstücksbezogenheit des Vorteils, nach dessen Ausmaß wiederum sich die jeweilige Beitragshöhe zu bemessen hat. Sowohl das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz als auch der im Beitragsrecht besonders bedeutsame Grundsatz des Vorteilsausgleichs finden im Beitragsmaßstab ihren Niederschlag (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, RdNr. 739 zu § 8; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nr. 4.2.2.3). Da aber dieser Vorteil sich nicht der Wirklichkeit entsprechend bemessen lässt, darf ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet werden, der nur gewährleisten muss, dass die geschuldeten Beiträge den aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen annähernd entsprechen. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe sind daher nur darauf überprüfbar, ob sie offenbar ungeeignet sind, den Vorteil zu bestimmen. Dagegen ist es dem Satzungsgeber nach seinem Ermessen überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den zulässigen auswählt. Grundsätzlich bestehen auch keine Bedenken dagegen, mehrere zulässige Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zu kombinieren, wobei jedoch zu beachten ist, dass stets nur solche Maßstäbe gewählt werden dürfen, die einen einigermaßen sicheren Schluss auf das Ausmaß des Vorteils zulassen. Der Einrichtungsträger muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr ist es ihm nach dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet, zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabs darf der Einrichtungsträger insbesondere Praktikabilitätserwägungen anstellen, wobei gewisse Ungenauigkeiten hinzunehmen sind. Nur im Falle der Überschreitung der äußersten Grenzen des gemeindlichen Ermessens, was dann vorliegt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt (BayVGH st. Rspr., vgl. vom 8.3.1985 VGH n.F. 38, 55; vom 7.11.1989 Az. 23 N 88.454; vom 22.10.1998 BayVBl 1999, 272).

Gemäß § 5 Abs. 1 BS-EWS ist der Beitrag nach der Grundstücksfläche sowie der mit dem Nutzungsfaktor vervielfältigten Grundstücksfläche zu bemessen. Gemäß Abs. 3 dieser Regelung bestimmt sich der Nutzungsfaktor aus der zulässigen Ausnutzbarkeit des Grundstücks, welches sich aus der zulässigen Zahl der Vollgeschosse ergibt, die auf dem beitragspflichtigen Grundstück verwirklicht werden können. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den 80er Jahren wiederholt einen Maßstab, der die Beitragsermittlung nach der mit einem aus der zulässigen Anzahl der Vollgeschosse ermittelten Nutzungsfaktor vervielfachten Grundstücksfläche vorsieht, zur Abgeltung des aus der öffentlichen Einrichtung erwachsenden Vorteils als ungeeignet und deshalb nichtig erachtet. Wegen der aus einem Vollgeschossmaßstab resultierenden denkbaren Ungleichbehandlungen könne eine Kombination aus Grundstücksfläche und Vollgeschosszahl ohne genauere Berücksichtigung der Nutzungsart und des Nutzungsmaßes eines Grundstückes allenfalls bei kleinen Gemeinden mit verhältnismäßig einheitlicher Bebauung gerade noch als sachgerecht hingenommen werden. Eine solche Situation dürfte in der Praxis aber nicht anzutreffen sein (vgl. BayVGH vom 8.3.1985 BayVBl 1986, 470; vom 24.7.1985 Nr. 23 B 83 A.573; vom 28.11.1986 Nr. 23 B 84 A.2782).

Mit Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 9. Juni 1998 (GVBl S. 293) normierte der Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 2 Satz 2, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen als Beitragsmaßstab "1. die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung, 2. die Grundstücksflächen, sowie Kombinationen hieraus" in Betracht kommen. Ziel dieser Neuregelung war die Erweiterung des Spektrums der zulässigen Beitragsmaßstäbe und insbesondere - in Anlehnung an das Erschließungsbeitragsrecht (vgl. § 131 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BauGB) - die Zulassung des so genannten Vollgeschossmaßstabs, der auf einer Kombination von Grundstücksfläche und einem an der Anzahl der Vollgeschosse orientierten Nutzungsfaktor beruht (vgl. LT-Drs. 13/8030 vom 28.4.1997; Vollzugshinweise des BayStMdI vom 30.5.2000 Nr. 2 AllMBl Nr. 11/2000, S. 415/416).

In der Folgezeit rückte der Senat von seiner früheren Rechtsprechung ab und sah sich nicht veranlasst, den durch die Änderungsgesetzgebung zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen in seiner Auswirkung durch verfassungsrechtliche Bedenken in Frage zu stellen. Vielmehr sah er sich, wie die kommunalen Satzungsgeber auch, an die Vorgaben des Gesetzgebers im Kommunalabgabengesetz gebunden (vgl. BayVGH vom 22.10.1998 a.a.O.).

An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Mit der Einfügung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 KAG wollte der Gesetzgeber bewusst eine Maßstabserweiterung, wobei der Vollgeschossmaßstab nicht auf Orte mit einer homogenen Siedlungsstruktur beschränkt werden sollte. Zwar bestimmt sich beim Vollgeschossmaßstab der Grad der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks nach Zahl der zulässigen Geschosse, was ungenauer ist als eine Berücksichtigung der jeweils zulässigen Geschossflächen. Damit werden die Unterschiede im Maß der baulichen Nutzung aber nicht sachwidrig erfasst. Vielmehr sind die einem solchen Maßstab anhaftenden Ungenauigkeiten aus Gründen der Praktikabilität und Überschaubarkeit hinzunehmen. Die Bemessungsfaktoren Grundstücksfläche und Vollgeschosszahl lassen sich ohne weiteres ermitteln und sind auch für die Abgabepflichtigen relativ leicht nachvollziehbar. Der Satzungsgeber muss abwägen, ob er einer größeren Verwaltungspraktikabilität oder einer höheren Beitragsgerechtigkeit im Einzelfall mehr Gewicht beimisst. Für einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV, Art. 15 GO) und das Vorteilsprinzip ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Gleichheitssatz verlangt keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind. Er verbietet Willkür. Es bleibt dem Ermessen des Satzungsgebers überlassen, in welcher Weise dem Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist (vgl. BayVerfGH vom 17.7.2006 BayVBl 2000, 697/699). Demnach ist der in Rede stehende Verteilungsmaßstab für die Bemessung des Vorteils, der dem Grundstückseigentümer durch die Anschlussmöglichkeit entsteht, jedenfalls geeignet und ausreichend (vgl. auch BVerwG vom 26.1.1979 BVerwGE 57, 240; vom 12.12.1986 NVwZ 1987, 420; VGH BW vom 23.7.1984 - 2 S 1690/82; OVG NW vom 21.8.1979 - 2 A 188/78).

Die streitgegenständliche Beitragssatzung ist jedoch deshalb unwirksam, weil sie in § 5 keine Abzugsregelung für Gebäude und selbstständige Gebäudeteile im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG enthält. Dies hat bereits die Nichtigkeit der gesamten Satzung zur Folge.

Nach dem zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Art. 5 Abs. 2 Satz 3 KAG (jetzt Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG i.d.F. des Gesetzes vom 9.6.1998) soll in der Beitragssatzung für leitungsgebundene Einrichtungen bestimmt werden, dass Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die gemeindliche Einrichtung auslösen oder nicht angeschlossen werden dürfen, nicht zum Beitrag herangezogen werden; das gilt nicht für Gebäude oder Gebäudeteile, die tatsächlich angeschlossen sind. Diese Regelung bezieht sich auch ohne ausdrücklichen gesetzlichen Hinweis nur auf Satzungen mit dem Beitragsmaßstab tatsächlich Geschossfläche, findet aber keine Anwendung bei Satzungen, deren Beitragstatbestand auf der baurechtlich zulässigen Geschossfläche aufbaut (vgl. BayVGH vom 15.4.1999 BayVBl 2000, 51). Durch das Änderungsgesetz des Kommunalabgabengesetzes vom 25. Juli 2002 (a.a.O.) wurde ein neuer Satz 5 in Art. 5 Abs. 2 eingefügt, demzufolge bei Satzungen mit einem Beitragsmaßstab, der nicht auf die vorhandene Bebauung abstellt, bestimmt werden soll, dass der auf solche Gebäude oder Gebäudeteile entfallende Beitragsteil als Abzugsposten Berücksichtigung findet. Wie aus der amtlichen Begründung hervorgeht, soll mit dieser Gesetzesänderung die Privilegierung von Gebäuden oder selbstständigen Gebäudeteilen ohne Anschlussbedarf nun auch für Beitragssatzungen mit anderen Maßstäben als die tatsächliche/vorhandene Bebauung gelten. § 5 Abs. 2 Satz 5 KAG erfasst somit Beitragssatzungen, die im Maßstab auf die zulässige Geschossfläche oder die Zahl der zulässigen Vollgeschosse abstellen (amtliche Begründung, LT-Drs. 14/9151 vom 9.4.2002 S. 9 f.).

Die Verpflichtung des Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG gilt gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 4 Satz 2 KAG für Satzungen, die nach dem 31. Juli 2002 erlassen oder hinsichtlich des Beitragsmaßstabs geändert werden. Folglich hätte grundsätzlich eine den Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG entsprechende Regelung in die am 14./15. November 2006 erlassene Abgabesatzung aufgenommen werden müssen, was der Antragsgegner unterließ.

An der gesetzlichen Verpflichtung als Regel ändert hier auch nichts der Umstand, dass Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG als Sollvorschrift ausgestaltet ist. Damit wird das weite Handlungsermessen der Gemeinden nicht in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, weil es ihnen unbenommen bleibt, als Beitragsmaßstab die vorhandene Geschossfläche zu wählen, bei der Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG keine Anwendung findet. Zwar mag es Fälle geben, in denen eine Abweichung von der gesetzlichen Regelverpflichtung des Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Äquivalenzprinzips gerechtfertigt sein kann. Ob ein derartiger Ausnahmefall etwa bei einer einheitlichen Nutzung im Satzungsgebiet oder beim Vorhandensein von Gebäuden ohne Anschlussbedarf nur in ganz untergeordneter Zahl und geringem Umfang in Betracht kommen könnte, bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn eine solche besondere Situation für einen Ausnahmefall ist weder im Einzelnen dargelegt noch sonst ersichtlich. Abgesehen davon, dass eine weitgehend homogene Siedlungsstruktur heutzutage selbst bei kleineren Gemeinden kaum anzutreffen sein wird, liegt eine derartige Siedlungsstruktur im Entwässerungsgebiet des Antragsgegners erkennbar nicht vor. Schon im Hinblick auf das mannigfache Nebeneinander von reiner Wohnbebauung, von landwirtschaftlichen Anwesen sowie gewerblich genutzten Flächen in Thierhaupten (s. Internet, Google Earth) ist eine insgesamt homogene Bebauung mit nur einzelnen aus dem Rahmen fallenden Sonderfällen zu verneinen. Demzufolge war der Antragsgegner verpflichtet, von der Ermächtigung des Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG Gebrauch zu machen.

Der Antragsgegner kann nicht durchgreifend einwenden, dass beim Vollzug der Abzugsbestimmung unüberwindliche rechtliche Probleme auftreten würden. Sowohl die amtliche Begründung (a.a.O.) als auch die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 15. September 2003 (AllMBl Nr. 15/2003 S. 803 f.) enthalten Vorschläge, wie die Kommune bei Beitragsveranlagungen unter Berücksichtigung des Vollgeschossmaßstabes verfahren könnte. Dem Antragsgegner als örtlichen Satzungsgeber, der sich für einen solchen Maßstab entschieden hat, obliegt es, die sich bei Beitragsberechnungen mit Umsetzung der Abzugsregelung ergebenden Schwierigkeiten zu bewältigen. Sich daraus ergebende unterschiedliche Belastungen der Anschlussnehmer entsprechen dem Willen des Gesetzgebers. Wie Veranlagungen im Einzelfall durchzuführen sind, bedarf hier keiner näheren abstrakten Ausführungen.

Nachdem es der Antragsgegner unterlassen hat, die in Art. 19 Abs. 4 Satz 2 KAG normierte Verpflichtung hinsichtlich Art. 5 Abs. 2 Satz 5 KAG in seine Satzung aufzunehmen, sind die Maßstabsregelungen in § 5 BS-EWS bereits nichtig. Diese Nichtigkeit schlägt angesichts ihrer weit reichenden Bedeutung auf das gesamt Beitragsgefüge durch und bewirkt damit die Nichtigkeit der gesamten Beitragssatzung (vgl. BayVGH vom 15.4.1999 a.a.O.).

Außerdem ist die angefochtene Abgabesatzung deshalb nichtig, weil sie in § 5 Abs. 4 Nr. 3 für Außenbereichsgrundstücke eine unzulässige Regelung für die Bestimmung der heranziehbaren Vollgeschosse enthält. Danach gilt für den zugrunde zu legenden Nutzungsfaktor die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Weil diese Regelung laut ihrem Wortlaut auch unausgebaute Dachgeschosse als Vollgeschosse erfasst, verstößt sie gegen die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach Dachgeschossflächen nur dann zu einem Beitrag herangezogen werden dürfen, soweit sie ausgebaut sind, weil erst der konkrete Ausbauzustand eines Dachgeschosses gewährleistet, dass eine über die typische Dachbodennutzung (Speichernutzung) hinausgehende Nutzung möglich ist (vgl. BayVGH vom 8.3.2006 BayVBl 2007, 88; vom 5.11.2007 Az. 23 CS 07.2380; vom 13.11.2007 Az. 23 ZB 07.2302). Da sich bei Grundstücken im Außenbereich die zulässige Geschossfläche bzw. die zulässige Zahl der Vollgeschosse eines Grundstückes abgabenrechtlich ausschließlich nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung bestimmt, d. h. zulässige Bebauung und vorhandene Bebauung ist in diesem Fall identisch (vgl. BayVGH vom 26.2.1988 Az. 23 B 87.1807; vom 21.12.1989 GK 1990 Nr. 208; vom 25.10. 2001 BayVBl 2002, 244; vom 8.3.2006 GK 2007 Nr. 120), ist eine Regelung, die Dachgeschosse von Gebäuden im Außenbereich unabhängig von deren Ausbauzustand heranzieht, rechtlich nicht zulässig.

Schließlich fehlt für bebaute Grundstücke im Außenbereich auch eine Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, die Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile ohne Anschluss bzw. ohne Anschlussbedarf an die öffentliche Entwässerungsanlage von einer Beitragspflicht freistellt; auf die entsprechenden obigen Ausführungen wird verwiesen.

Der Antragsgegner hätte aus Gründen der Gleichbehandlung auch für Außenbereichsgrundstücke eine tragfähige abstrakte Regelung schaffen müssen, aufgrund derer die Eigentümer solcher Grundstücke im Falle einer Bebauung zu Herstellungsbeiträgen herangezogen werden können, wie auch die Eigentümer von im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans oder im bauplanungsrechtlichen Innenbereich gelegenen Grundstücken. Dass der Antragsgegner von einer solchen Regelung etwa deswegen hätte absehen können, weil es keine (bebauten) Außenbereichsgrundstücke gegeben habe und in Zukunft nicht geben würde, kann nicht angenommen werden. Vielmehr belegt der in die Satzung aufgenommene § 5 Abs. 4 Nr. 3, dass es im Einrichtungsgebiet auch Außenbereichsgrundstücke gibt, bei denen bereits eine Bebauung erfolgt war oder bei denen eine Bebauung nicht ausgeschlossen werden kann. Mithin stellt eine gültige Außenbereichsregelung einen notwendigen Satzungsbestandteil dar, dessen Fehlen die Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils nach sich zieht.

Die unwirksame Regelung des § 5 Abs. 4 Nr. 3 BS-EWS ist im Hinblick auf ihren eindeutigen Wortlaut nicht einer Auslegung zugänglich, die eine Heranziehung von Grundstücken im Außenbereich gemäß dem erkennbar gewordenen Willen des Satzungsgebers nach einem gesetzeskonformen Maßstab zuließe. Insbesondere bieten die übrigen Regelungen in § 5 der Satzung keine Anhaltspunkte dafür, wie das Maß des Vorteils im Außenbereich zu ermitteln sei, bedenkt man das dem Satzungsgeber eingeräumte Ermessen bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Geschossfläche (vgl. BayVGH vom 8.3.2006 a.a.O.).

Demnach ist der Normenkontrollklage stattzugeben und die Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung des Marktes Thierhaupten vom 14./15. November 2006 für nichtig zu erklären.

Die Entscheidung über die Nichtigkeit ist allgemein verbindlich; die Entscheidungsformel ist vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen war (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird bis zur Verbindung im Verfahren 23 N 07.1472 auf 60.000,-- € und im Verfahren 23 N 07.1678 auf 30.000,-- € festgesetzt, ab Verbindung auf 90.000,-- €.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG. Bei ihr ist einerseits das Interesse der Antragsteller am Prozess, andererseits die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eines Normenkontrollverfahrens zu berücksichtigen sowie die Tatsache, dass es sich um neun Antragsteller handelt (st. Rspr., vgl. BayVGH vom 31.3.1971 BayVBl 1971, 355; vom 17.7.1997 Az. 23 N 93.2923; vom 24.2.2005 Az. 23 N 04.1291; vgl. auch Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 Nr. 3.3).

Ende der Entscheidung

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