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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 23 ZB 07.1941
Rechtsgebiete: VwGO, KAG, InsO


Vorschriften:

VwGO § 124
VwGO § 124 a
KAG Art. 2 Abs. 1
KAG Art. 5
InsO § 38
InsO § 55
InsO § 174 Abs. 1 Satz 1
Eine Beitragsforderung ist erst dann ein begründeter Vermögensanspruch i.S.d. § 38 InsO, wenn eine Beitragspflicht auf der Grundlage einer wirksamen Abgabesatzung entstanden ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

23 ZB 07.1941

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Entwässerung/Herstellungsbeitrag;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 23. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Friedl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Beuntner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Reinthaler

ohne mündliche Verhandlung am 25. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 115,49 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Mai 2007 ist zulässig (§ 124 a Abs. 4 VwGO), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 124 Abs. 1 VwGO steht den Beteiligten die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts nur zu, wenn sie vom Verwaltungsgericht oder vom Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Eine Zulassung durch das Verwaltungsgericht erfolgte nicht. Auch der Senat sieht hierfür keinen Anlass. Er hält den Antrag auf Zulassung der Berufung für unbegründet, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Der Kläger hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dargelegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Nach der Rechtsprechung des Senats sind ernstliche Zweifel am Ergebnis der Entscheidung zu fordern (vgl. zuletzt BayVGH vom 31.7.2007 Az. 23 ZB 07.860; vom 22.5.2007 Az. 23 ZB 07.834; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., RdNr. 7 a zu § 124; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., RdNrn. 54 ff. zu § 124). Ernstliche Zweifel an einer Gerichtsentscheidung bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG vom 26.3.2007 BayVBl 2007, 624; vom 23.6.2000 DVBl 2000, 1458).

Der Kläger vermochte die vom Verwaltungsgericht ermittelten und festgestellten Tatsachen samt den daraus gezogenen Rechtsfolgen nicht durchgreifend in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Beitragsforderung nicht um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO, sondern um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO handelt, die gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter der Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 400/31.0 der Gemarkung ******** mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 festgesetzt werden konnte.

Gemäß § 87 InsO können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach Maßgabe der Insolvenzordnung verfolgen. Das gilt auch für Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichen Abgabenschuldverhältnis, da die Vorschriften der Insolvenzordnung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KAG i.V.m. § 251 Abs. 2 AO in kommunalabgabenrechtlichen Verfahren unberührt bleiben. Infolgedessen ist die Festsetzung eines Herstellungsbeitrags für die Entwässerungsanlage gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 38 InsO begründet wurde. Dies setzt voraus, dass das Schuldverhältnis schon vor Verfahrenseröffnung bestanden hat oder dass der zugrunde liegende Tatbestand, der zur Entstehung des Anspruchs führt, bereits vor Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist (vgl. Braun, Insolvenzordnung, 2. Aufl., RdNr. 6 zu § 38; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, RdNr. 54 f. zu § 251 m.w.N.). Somit verlangt das Insolvenzrecht nicht zwingend, dass die Forderung schon entstanden und fällig ist, sondern lässt in § 38 InsO einen "begründeten Vermögensanspruch" genügen.

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 5. April 2004 keine das streitbefangene Grundstück treffende Beitragsschuld für die Herstellung der Entwässerungsanlage entstanden war. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setzt die Entstehung einer Beitragspflicht (hier für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit einer vergrößerten Geschossfläche) neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung zwingend das Vorliegen einer gültigen Abgabesatzung voraus (st. Rspr., vgl. BayVGH vom 8.5.2006 Az. 23 B 06.294; vom 20.12.2004 Az. 23 CS 04.3051; vom 6.8.2001 Az. 23 ZB 01.293; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Nrn. 4.1.3.9 und 4.2.3.2; Wuttig/Hürholz/Thimet/Nöth, Gemeindliches Satzungsrecht, Teil III Frage 3 c Nrn: 1.2, 2 und 3; Schieder/Happ, KAG, RdNrn. 52 und 55 zu Art. 5). Eine solche wirksame Abgabesatzung lag damals nicht vor, weil die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) des Beklagten vom 5. Juli 1993 nichtig war. Außer der vom Verwaltungsgericht beanstandeten unzulässigen Nebengebäuderegelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 ergab sich eine Unwirksamkeit der Satzung auch daraus, dass nach einer Erweiterung des Einrichtungs- und Erhebungsgebietes die neu hinzugekommenen Gebietsteile nicht dem geltenden Abgabenrecht unterstellt worden waren (vgl. BayVGH vom 12.5.2004 Az. 23 BV 04.151). Erst mit Erlass der BGS/EWS vom 21. Juli 2005, in Kraft getreten am 4. August 2005 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, hat die Beklagte neues Satzungsrecht geschaffen, dessen Gültigkeit der Verwaltungsgerichtshof mangels entsprechender Rügen nicht zu prüfen hat.

Vor Insolvenzeröffnung war auch kein Tatbestand, der zur Entstehung eines Abgabenanspruchs führt, verwirklicht worden. Denn der für die Beitragsschuld relevante Tatbestand wird nicht allein mit der Herstellung der Entwässerungsanlage und dem Anschluss des Grundstücks an diese erfüllt. Vielmehr kann eine Beitragsforderung erst dann einen begründeten Vermögensanspruch im Sinne des § 38 InsO darstellen, wenn eine Beitragspflicht auf der Grundlage einer wirksamen Abgabesatzung entstanden ist. Erst zu diesen Zeitpunkt steht fest, ob überhaupt und in welcher Höhe ein Beitrag erhoben und wer persönlich Beitragsschuldner sein wird (vgl. Art. 2 Abs. 1 KAG). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG enthält für das dort geregelte Beitragserhebungsrecht lediglich die Bestimmung, dass Beiträge zur Deckung des Investitionsaufwands für die öffentliche Einrichtung erhoben werden können. Dabei steht es grundsätzlich im Ermessen der erhebungsberechtigten Körperschaft, ob sie die öffentliche Einrichtung über Beiträge und/oder Benutzungsgebühren finanzieren möchte, da beide Abgaben dem selben Ziel dienen, gemeindliche Aufwendungen für spezielle Leistungen sachgerecht zu finanzieren (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt BayVGH vom 15.5.2003 Az. 23 B 02.3259; vom 17.12.2001 Az. 23 ZB 01.1535; vom 27.1.2000 BayVBl 2000, 405; vom 28.10.1999 Az. 23 N 99.1351; Ecker, a.a.O., Nr. 4.1.3.1; Wuttig, a.a.O., Teil IV Frage 27; Hölzl/Hien, Gemeindeordnung, Exkurs F 1.1 zu Art. 22). Ungeachtet der mit einer Änderung des Finanzierungssystems verbundenen Schwierigkeiten steht es demzufolge der erhebungsberechtigten Körperschaft grundsätzlich frei, unter den Möglichkeiten zur Deckung des Investitionsaufwandes nur über Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten, teils über Beiträge und teils über Benutzungsgebühren oder nur über Benutzungsgebühren von den Grundstückseigentümern, ähnlich zur Nutzung des Grundstücks dinglich Berechtigten oder Inhabern eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebs (vgl. § 13 BGS/EWS) zu wählen. Ohne Beitragssatzung wird demnach kein zurechenbarer Beitragstatbestand verwirklicht. Erst eine wirksam erlassene Satzung bestimmt, ob eine sachliche Beitragspflicht entsteht und wer persönlicher Beitragsschuldner in welcher Höhe sein wird. Da eine Forderung nur dann zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann, wenn neben den durch § 174 Abs. 2 InsO notwendigen Angaben feststeht, wer Schuldner einer Beitragsforderung sein wird, hätte ein Abgabeanspruch nur dann "begründet" und anmeldefähig konkretisiert sein können im Sinne des § 38 InsO, wenn zurzeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 5. April 2004 auf Grund wirksamer satzungsrechtlicher Grundlage eine persönliche Beitragspflicht entstanden gewesen wäre (vgl. ThürOVG vom 27.9.2006 Az. 4 EO 1283/04; OVG NRW vom 20.12.1984 KStZ 1985, 158; OVG LSA vom 11.3.2003 NVwZ-RR 2004, 135/136; Vehslage, NVwZ 2003, 776/777). Dies war jedoch erst mit Erlass der BGS/EWS vom 21. Juli 2005 der Fall.

Zusammenfassend ist der Senat mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, seinen Anspruch auf Bezahlung eines Herstellungsbeitrags zur Insolvenztabelle anzumelden, sondern er konnte ihn als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter der betroffenen Grundstückseigentümerin mittels Bescheid geltend machen.

Nur am Rande sei erwähnt, dass bei Unterstellung einer begründeten Beitragsforderung vor Insolvenzeröffnung diese gemäß Art. 5 Abs. 7 Satz 1 KAG als öffentliche Last (dingliches Verwertungsrecht) auf dem Grundstück bzw. dem Wohnungs- oder Teileigentum ruhen würde und deshalb den Beitragsgläubiger zu einer abgesonderten Befriedigung nach § 49 InsO ermächtigt hätte (vgl. Wuttig, u. a. a.a.O., Teil III Frage 14 a Nr. 7).

Für die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) fehlt es ebenfalls an der Darlegung entsprechender Zulassungsgründe. Eine solche ist nur dann anzunehmen, wenn eine höchstrichterlich bisher nicht geklärte Tatsachen- oder Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mit Auswirkung auf den Einzelfall aufgeworfen wird, welche für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne einer einheitlichen Anwendung und Auslegung oder für die Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. BayVGH vom 8.11.2006 Az. 23 ZB 06.2592; vom 15.7.1996 GK 1997 Nr. 30; Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 10 zu § 124). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der Kläger mit dem allgemein angesprochenen Verhältnis zwischen Abgabenrecht und Insolvenzrecht konkret eine für den Einzelfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen hat. Auch die angesprochene Problematik, ob es für die Qualifizierung einer Beitragsschuld als Insolvenzforderung oder als Masseforderung auf den Erlass einer wirksamen Beitragssatzung oder auf das Verwirklichen des der Beitragsschuld zugrunde liegenden Tatbestands ankomme, lässt sich aufgrund einer einfachen Rechtsanwendung mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten und indiziert daher keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf.

Nach alledem ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags, die gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 3 VwGO keiner weiteren Begründung bedarf, wird das Urteil vom 24. Mai 2007 rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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