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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: 24 B 02.322
Rechtsgebiete: VwGO, LStVG, JÖSchG, JuSchG
Vorschriften:
VwGO § 43 | |
LStVG Art. 7 Abs. 2 | |
JÖSchG § 7 Abs. 4 | |
JuSchG § 12 Abs. 4 |
24 B 02.322 AN 5 K 00.2002
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen
Betrieb einer Videothek;
hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. Dezember 2001,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. Januar 2003
am 28. Januar 2003
folgendes
Urteil:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt in der Stadt F**** zwei Videotheken, in denen rund um die Uhr zugängliche Automaten mit Videos aufgestellt sind. Diese sind wie folgt gesichert: Der Zugang zu den Automaten ist nur für Mitglieder möglich, die eine Chipkarte erhalten. Mitglied des Videoclubs kann jeder Erwachsene werden, der Interesse am Beitritt hat. Diese Chipkarte wird mit einem bestimmten Geldbetrag aufgeladen und dient als Zahlungsmittel. Ein Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben. Zur Chipkarte wird eine persönliche PIN-Nummer vergeben; darüber hinaus wird von jedem Mitglied ein Fingerabdruck genommen. Die Bedienung des Automaten erfolgt durch Einschieben der Chipkarte, Eingeben der PIN-Nummer sowie elektronische Erfassung des Fingerabdrucks an einem Sensor. Nach eigenen Angaben der Klägerin sind etwa 20 % der angebotenen Videos indizierte bzw. nicht jugendfreie Filme.
Im Herbst 2000 wandte sich die Klägerin an die Stadt F**** um abzuklären, ob das Aufstellen der Automaten mit den geschilderten Zugangssicherungen rechtlich zulässig ist.
Nachdem die Beklagte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit jugendschutzrechtlichen Bestimmungen geäußert hatte, erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach mit dem Ziel festzustellen, dass die Beklagte den Vertrieb und Verleih bespielter Bildträger über die in den Geschäftsräumen in der H****straße ** und in der S********** Straße ** in F**** aufgestellten Automaten nicht auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 LStVG verbieten kann. Im Hinblick auf die vorhandenen technischen Sicherheitsvorkehrungen liege kein Verstoß gegen § 7 Abs. 4 JÖSchG vor. § 7 Abs. 4 JÖSchG verbiete zwar das Aufstellen von Automaten mit Bildträgern in der Öffentlichkeit. Vorliegend sei jedoch das Tatbestandsmerkmal der "Öffentlichkeit" nicht erfüllt. Ein Blick auf verwandte Rechtsgebiete wie Gaststättenrecht, Vergnügungssteuerrecht oder § 284 StGB (Glücksspiel) zeige, dass die Öffentlichkeit dann nicht gegeben sei, wenn die Einrichtungen nur einem eingeschränkten Kreis von Personen zugänglich sei. Jede wirksame Einschränkung bei der Zugangsberechtigung lasse die Öffentlichkeit entfallen. Diese Voraussetzungen seien bei den Videoautomaten erfüllt. Eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch die Videos sei nur dann zu bejahen, wenn sie unkontrolliert Zugang zu den Automaten hätten und vom Inhalt der Videos Kenntnis nehmen könnten. Bei der Auslegung des § 7 Abs. 4 JÖSchG müsse berücksichtigt werden, dass es 1985 bei Erlass des Gesetzes technische Sicherungen, die den Zugriff von Kindern und Jugendlichen sicher ausgeschlossen hätten, noch nicht gegeben habe. Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung berief sich die Klägerin auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Juli 2001 sowie auf den dazu ergangenen Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 6. September 2001. Beide Gerichte hätten sinngemäß die Auffassung vertreten, dass wegen der technischen Sicherheitsvorkehrungen von keiner Beeinträchtigung des Jugendschutzes auszugehen und ein Missbrauch praktisch ausgeschlossen sei.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2001 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Klage sei, da ein hinreichend konkretes und streitiges Rechtsverhältnis vorliege, zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Trotz der geschilderten Sicherheitsvorkehrungen liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 4 JÖSchG vor. Ein öffentliches Anbieten von Bildträgern sei zu bejahen, wenn diese einer Mehrzahl von Personen zugänglich seien, es sei denn, dass diese Personen durch bestimmte Beziehungen miteinander verbunden seien. Diese Voraussetzung sei bei den "Clubmitgliedern" nicht erfüllt, denn jeder Erwachsene könne Mitglied werden. Eine Verbindung der Mitglieder untereinander oder mit dem Anbieter liege nicht vor; das Interesse an Videos reiche hierfür nicht aus. Die besonderen technischen Vorkehrungen schlössen die Öffentlichkeit nicht aus. Das ergebe sich zum einen aus der Definition des Begriffs Öffentlichkeit sowie aus einem Vergleich mit § 5 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM). § 5 Abs. 2 GjSM verbiete zwar das öffentliche Anbieten jugendgefährdender Schriften, allerdings werde dieses Verbot eingeschränkt, wenn durch technische Einrichtungen die Kenntnisnahme durch Kinder und Jugendliche ausgeschlossen sei (§ 5 Abs. 3 GjSM). Diese ausdrückliche gesetzliche Regelung aus dem Jahre 1997 zeige, dass der Gesetzgeber auch bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen von einem öffentlichen Anbieten ausgehe, dieses aber unter bestimmten Umständen als zulässig einstufe. Auch das Verwaltungsgericht Karlsruhe, auf das die Klägerin sich berufe, bejahe ebenso die Öffentlichkeit wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 2. Januar 1987. Durch die Neufassung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte habe der Gesetzgeber gezeigt, dass er besonderen technischen Möglichkeiten, die den Zugang beschränkten, Rechnung tragen könne; gleichwohl habe er aber bei § 7 Abs. 4 JÖSchG auf eine entsprechende Regelung verzichtet. Die Möglichkeit, dass ein junger Erwachsener, der Mitglied des Videoclubs sei, jugendliche Freunde in die Videothek mitnehme, sei durchaus gegeben. Gerade die aktuellen Bemühungen des Gesetzgebers, den Zugang zu Darstellungen mit jugendgefährdendem Inhalt im Internet zu erschweren, sprächen für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene restriktive Auslegung des § 7 Abs. 4 JÖSchG.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie macht geltend, dass § 7 Abs. 4 JÖSchG, so wie er vom Verwaltungsgericht ausgelegt werde, in ihre Berufsfreiheit eingreife. Das Bundesverfassungsgericht habe in der erwähnten Entscheidung noch gar nicht auf die biometrische Sicherung von Automaten eingehen können. Der tatsächliche Wandel müsse bei der Auslegung der Norm berücksichtigt werden. Das individuelle biometrische Merkmal stelle ein unüberwindbares Hindernis dar und schließe Missbrauch aus. Auch dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass ein 100 %iger Schutz nie möglich sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche heutzutage nicht mehr darauf angewiesen seien, sich in Videotheken "einzuschmuggeln"; der leichte Zugang zum Internet habe dazu geführt, dass das von Videotheken möglicherweise ausgehende Gefährdungspotential reduziert werde.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und nimmt zur Begründung im wesentlichen auf das angefochtene Urteil Bezug. Sie betont, dass die vom Internet ausgehende Gefährdung von Kindern und Jugendlichen auch nicht zu einer anderen Auslegung des § 7 Abs. 4 JÖSchG führen müssten.
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses betont, dass der derzeitige technische Stand bei biometrischen Zugangssicherungen nicht geeignet sei, Kindern und Jugendlichen den Zugang effektiv zu verwehren. Dies hätten neueste einschlägige Tests ergeben. Von einer Fachzeitschrift seien mehrere entsprechende Sicherungen getestet worden und keines der getesteten Systeme habe den Test bestanden. Insgesamt sei eine sehr große Fehlertoleranz festgestellt worden. Anders als bei Eingangskontrollen durch Personen würden technische Sicherungen die Mitnahme unbefugter Begleitpersonen nicht verhindern können.
Zur Auslegung des noch geltenden Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit könne auch das neue Jugendschutzgesetz herangezogen werden. Nach § 12 Abs. 4 JuSchG n.F. dürften Bildträger in Automaten nur abgegeben werden, wenn sie für bestimmte Altersstufen im Kinder- und Jugendalter zugelassen seien und sichergestellt sei, dass durch technische Vorkehrungen gesichert sei, dass Kinder und Jugendliche auf Programme, die für ihre Altersgruppe nicht zugelassen seien, keinen Zugriff haben. Daraus folge, dass nicht "jugendfreie Filme" auch weiterhin nicht in Automaten angeboten werden dürften.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den vorliegenden Behördenvorgang und die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das Verwaltungsgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat.
Die Klage ist auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagte den Vertrieb und Verleih bespielter Bildträger in Automaten, die in den Geschäftsräumen der Klägerin aufgestellt sind, nicht auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 LStVG verbieten kann. Da derzeit weder ein entsprechendes Verbot noch eine andere mögliche Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG vorliegt, ist das Klagebegehren auf eine vorbeugende Feststellung gerichtet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles die Zulässigkeit einer solchen vorbeugenden Feststellungsklage und das dafür erforderliche besondere berechtigte Interesse an dieser Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO bejaht. Da die Videoautomaten bereits betrieben werden und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Vertrieb und Verleih der in den Automaten angebotenen bespielten Bildträgern insbesondere mit jugendschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar ist, dient die begehrte vorbeugende Feststellung der Rechtssicherheit. Mit der angestrebten gerichtlichen Feststellung wird die Klägerin in die Lage versetzt, ihr Geschäftsverhalten hierauf auszurichten - sei es durch Aufgabe des Automatenbetriebes oder durch Fortführung und ggf. Ausweiten des Angebots. Da die Klägerin auch bereits eine Anfrage an die Beklagte zur Rechtmäßigkeit des Automatenbetriebs gerichtet hat und die Beklagte mit einem konkreten Sachverhalt konfrontiert worden ist, der möglicherweise ein behördliches Einschreiten veranlasst, geht es um die Klärung eines konkreten Rechtsverhältnisses und nicht nur um abstrakte Rechtsfragen (siehe dazu Sodan/Kluckert, VerwArch 2003, 3/7). Aus diesem Grund ist sie auch nicht auf den nachträglichen Rechtsschutz im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGO durch Anfechtung einer etwaigen Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 LStVG zu verweisen. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage sieht der Senat von einer weiteren Darstellung ab und folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 130 b VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) grundsätzlich auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 2 LStVG den Vertrieb und Verleih bespielter Bildträger auf Automaten verbieten kann. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG kann die Sicherheitsbehörde Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Da nach § 12 Abs. 1 Nr. 9 des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit ( JÖSchG) das Anbieten bespielter Bildträger entgegen § 7 Abs. 4 JÖSchG eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die nach Maßgabe von § 12 Abs. 4 JÖSchG sogar eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann, ist grundsätzlich Raum für eine Anordnung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG.
§ 7 Abs. 4 JÖSchG in der geltenden Fassung legt ohne Einschränkung fest, dass in der Öffentlichkeit bespielte Bildträger nicht in Automaten angeboten werden dürfen. Entscheidungserheblich kommt es mithin darauf an, ob der Verleih und Vertrieb von Videos aus den Automaten, die in den Geschäfträumen der Klägerin aufgestellt und rund um die Uhr zugänglich sind, als "Anbieten in der Öffentlichkeit" im Sinne des § 7 JÖSchG einzustufen ist. Bei dem Begriff der Öffentlichkeit handelt es sich um einen zentralen Begriff des Jugendschutzgesetzes, der jedoch im Gesetz selbst nicht definiert ist. Ob zum Beispiel eine Veranstaltung oder eine Örtlichkeit öffentlich ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine Örtlichkeit, die allgemein zugänglich ist, zu der also jedermann Zutritt hat, ist öffentlich (Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Anm. 3 zu § 4 JÖSchG); mithin entfällt die Öffentlichkeit, wenn eine bestimmte Örtlichkeit nur einen begrenzten, durch bestimmte persönliche Merkmale beschränkten Teilnehmerkreis eröffnet ist (Steindorf, Anm. 3 zu § 5 JÖSchG). Das Angebot von Videos in den Geschäftsräumen der Klägerin ist an jedermann gerichtet. Es entspricht dem Geschäftsinteresse der Klägerin, eine möglichst große Zahl von Personen anzusprechen, um bei ihr Videos anzumieten. Weder der Umstand, dass gemäß dem Hinweis auf der Eingangstür der Zutritt von Kindern unter 8 Jahren auch in Begleitung Erwachsener ausgeschlossen ist noch das gewählte "Clubmodell" schließen die Öffentlichkeit aus. Mitglied des Clubs kann ausnahmslos jeder Erwachsene werden, ohne dass besondere Merkmale hinzutreten müssen, die die Mitglieder untereinander oder mit dem Anbieter verbinden. Allein die altersmäßige Beschränkung auf Erwachsene führt nicht zur Bildung einer geschlossenen Gruppe, von der andere, am Anmieten von Videos interessierte Erwachsene ausgeschlossen sind, weil sie bestimmte Merkmale, die für die Zugangsberechtigung erforderlich wären, nicht erfüllen (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26. Aufl. 2001, RdNr. 30 zu § 184). Mithin liegt bei den von der Klägerin betriebenen Automaten ein öffentliches Anbieten bespielter Bildträger vor, so dass objektiv der Tatbestand des § 7 Abs. 4 JÖSchG erfüllt ist.
Das Merkmal des öffentlichen Anbietens bespielter Bildträger im Automaten ist durch die im konkreten Fall bestehenden Zugangsmodalitäten nicht ausgeschlossen. Durch die Chipkarte nebst PIN-Nummer, die zugleich Zahlungsmittel ist, und durch die Abnahme des Fingerabdrucks am Sensor soll der Zugang zwar nur den berechtigten Clubmitgliedern vorbehalten bleiben, dadurch wird indes das öffentliche Anbieten der Videos im Automaten nicht zu einem privaten, nur an einen geschlossenen Benutzerkreis gerichtetes Angebot. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass technische Sicherheitsvorkehrungen, die den Zugang zum Automaten durch Unberechtigte erschweren oder gar ausschließen sollen, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers das Merkmal des öffentlichen Anbietens unberührt lassen. Insoweit hat es auf das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM) vom 12. Juli 1985, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2001, verwiesen, das ebenso den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor nicht altersgerechten Medien bezweckt. Das in § 3 Abs. 1 Nr. 4 GjSM enthaltene Verbot, jugendgefährdende Schriften durch elektronische Informations- und Kommunikationsdienste zu verbreiten, freizuhalten oder sonst zugänglich zu machen, gilt nach § 3 Abs. 2 Satz 2 GjSM nicht, wenn durch technische Sicherheitsvorkehrungen Vorsorge getroffen ist, dass das Angebot oder die Verbreitung im Inland auf volljährige Nutzer beschränkt werden kann. Eine entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber für das in § 5 Abs. 2 GjSM enthaltene öffentliche Werbeverbot für jugendgefährdende Schriften in § 5 Abs. 3 Nr. 2 GjSM getroffen. Hiernach gilt das Verbot, öffentlich für derartige Schriften zu werben, ebenfalls nicht, wenn durch technische Vorkehrungen oder in sonstiger Weise eine Übermittlung an oder Kenntnisnahme durch Kinder oder Jugendliche ausgeschlossen ist. Diese aus dem Jahre 1997 stammende Modifizierung durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) vom 22. Juli 1997 (BGBl 1997 I, 1870) zeigt, dass der Gesetzgeber sehr wohl die technische Entwicklung zur Kenntnis genommen und dies zum Anlass genommen hat, das grundsätzliche Verbot des Verbreitens jugendgefährdender Schriften in elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten, die jedermann zugänglich sind oder die öffentliche Werbung hierfür in der dargelegten Weise einzuschränken. Die angesprochenen Einschränkungen der Verbote belegen, dass die technischen Sicherungsvorkehrungen, die den Zugang erschweren, prinzipiell das Merkmal der Öffentlichkeit nicht ausschließen. Demnach liegt auch bei Automaten mit bestimmten technischen Sicherheitsvorkehrungen, die den Zugang kontrollieren sollen, ein öffentliches Anbieten nach § 7 Abs. 4 JÖSchG vor.
Trotz der Reaktion des Gesetzgebers auf den technischen Fortschritt bei Automatensicherungen hat er darauf verzichtet, das generelle Verbot des öffentlichen Anbietens bespielter Bildträger in Automaten analog den Regelungen im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medien in § 7 Abs. 4 JÖSchG zu lockern. Für eine Regelungslücke, nämlich dass der Gesetzgeber das in § 7 Abs. 4 JÖSchG enthaltene Verbot übersehen hätte, besteht kein Anhaltspunkt; vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Änderung des Jugendschutzgesetzes in diesem Punkt verzichtet hat. Hierfür ist auch ein sachlicher Differenzierungsgrund gegeben, denn der Gesetzgeber sah gerade in der Flut von Videos mit gewaltverherrlichendem oder pornographischem Inhalt eine besonders jugendgefährdende Erscheinung, auf die er unter anderem mit der Neuregelung des § 184 StGB und § 131 StGB reagiert hat (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 49. Aufl. 1999, RdNr. 20 d zu § 184 und RdNr. 1 zu § 131; Schönke/Schröder, RdNr. 1 zu § 131; RdNr. 25 zu § 184). Er trug damit dem Umstand Rechnung, dass eine Darstellung in bewegten Bildern und Ton bei Kindern und Jugendlichen regelmäßig eine stärkere und nachhaltigere Beeinflussung bewirkt als die schriftliche Darstellung mit unbeweglichen Bildern.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die am eindeutigen Wortlaut orientierte Auslegung des § 7 Abs. 4 JÖSchG nicht mit ihrem Recht auf freie Berufsausübung vereinbar ist. Zutreffend ist, dass das in § 7 Abs. 4 JÖSchG normierte Verbot, Videos in Automaten anzubieten, den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt. Die Freiheit der Berufsausübung umfasst grundsätzlich die Freiheit, das anzubietende Sortiment (hier: Videos mit unterschiedlichem Inhalt und für unterschiedliche Altersgruppen) auszuwählen und auch die Art und Weise, wie dieses Angebot dargestellt werden soll, festzulegen. Mithin wird auch die unternehmerische Entscheidung, das ausgewählte Videosortiment rund um die Uhr per Automat anzubieten, von der Freiheit der Berufsausübung umfasst. Nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bedürfen Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung einer gesetzlichen Grundlage. Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit durch Gesetze müssen im Übrigen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls beruhen und die Berufsausübung nicht unverhältnismäßig einschränken (vgl. BVerfGE 98, 265/298; 99, 202/211).
Gemessen an diesen Grundsätzen schränkt das in § 7 Abs. 4 JÖSchG enthaltene Verbot, Videos öffentlich in Automaten anzubieten, die Freiheit der Berufsausübung in zulässiger Weise ein. In seiner Entscheidung vom 20. Januar 1987 (GewArch 1988, 369) hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Kollision von Jugendschutz und Schutz der Berufsausübungsfreiheit befasst. Es kam dabei zu dem Ergebnis, dass die in § 7 Abs. 4 JÖSchG enthaltene Regelung der Berufsausübung im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gedeckt ist. Es hebt ausdrücklich hervor, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Videos mit jugendgefährdendem Inhalt nicht darauf beschränkt gewesen sei, nur jugendgefährdende Bildträger dem Automatenangebot zu entziehen. In der genannten Entscheidung ging es um einen Videoautomaten, der nur mittels Chipkarte nebst PIN-Nummer bedient werden konnte. Das Bundesverfassungsgericht stufte diese Automatenart als einen untypischen Sonderfall ein, der auch nach Einlassung des dortigen Betreibers nicht jede Jugendgefährdung ausschloss. Das Bundesverfassungsgericht hebt hervor, dass der Gesetzgeber bei dieser Sachlage eine generalisierende Regelung habe treffen dürfen, die sich auf die typischerweise bestehende Erscheinungsform von Warenautomaten und ihren Gefahren für den Jugendschutz beschränkt (BVerfG, a.a.O., S. 370). Der Umstand, dass die von der Klägerin betriebenen Automaten zusätzlich zur Chipkarte und PIN-Nummer erst nach Abgabe des Fingerabdrucks bedient werden können, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit gilt nichts anderes als bei den mit Chipkarte und PIN-Nummer zu bedienenden Automaten. Derart gesicherte Automaten stellen nicht den Prototyp von Warenautomaten dar und der Gesetzgeber durfte sich auch insoweit in seiner Regelung auf eine generalisierende Betrachtung beschränken. Die Regelung des § 7 Abs. 4 JÖSchG bewirkt auch keine unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit der Berufsausübung, da die Vorschrift nicht generell das Anbieten jugendgefährdender Videos ausschließt. Diese können grundsätzlich in Ladengeschäften, die für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich sind, durch Geschäftspersonal an Erwachsene abgegeben werden.
Der Senat folgt nicht den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (GewArch 2002, 120) und des OVG Nordrhein-Westfalen (GewArch 2002, 303), die beide davon ausgehen, dass sich im Vergleich zu 1985, dem Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und des Gesetzes zur Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medien, die Technik bei der Bedienung von Automaten so weit entwickelt hat, dass eine unbefugte Bedienung der durch Chipkarte, PIN-Nummer und Fingerprintsystem gesicherten Automaten "sicher" ausgeschlossen ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass vorliegend die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses den angeblich sicheren Ausschluss der missbräuchlichen Bedienung des so gesicherten Automaten bestritten und insoweit auf Veröffentlichungen in Fachzeitschriften verwiesen haben, die die biometrischen Zugangssicherungen wegen großer Fehlertoleranzen als nicht wirksamen Schutz vor der Bedienung durch Unbefugte eingestuft haben (vgl. Talheim/Krissler, c't 2002, 214). Dieser Gesichtspunkt bedarf indes keiner Vertiefung, insbesondere keiner Abklärung durch ein Sachverständigengutachten oder durch gerichtlichen Augenschein, da der Senat seine Auslegung des (noch geltenden) § 7 Abs. 4 JÖSchG durch das am 23. Juli 2002 erlassene, aber derzeit noch nicht in Kraft getretene Jugendschutzgesetz (JuSchG, BGBl I S. 2730) bestätigt sieht. Mit diesem neuen Jugendschutzgesetz sollte nach dem Willen des Gesetzgebers das bisherige Jugendschutzrecht den technischen Entwicklungen angepasst und die Erfahrungen mit den durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz geschaffenen Möglichkeiten berücksichtigt werden (BT-Drs. 14/9013 unter A).
Nach § 12 Abs. 4 JuSchG dürfen Automaten auf Kindern oder Jugendlichen zugänglichen öffentlichen Verkehrsflächen (1), außerhalb von gewerblich oder in sonstiger Weise beruflich oder geschäftlich genutzten Räumen (2) oder in deren unbeaufsichtigten Zugängen, Vorräumen oder Fluren nur aufgestellt werden, wenn ausschließlich nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 JuSchG gekennzeichnete Bildträger angeboten werden und durch technische Vorkehrungen gesichert ist, dass die von Kindern und Jugendlichen für deren Altersgruppe die Programme nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 freigegeben sind, nicht bedient werden können. § 12 Abs. 4 JuSchG lockert damit das noch geltende generelle Verbot des öffentlichen Anbietens von Videos aus Automaten dahingehend auf, dass nur jugendfreie Bildträger, das sind jene nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 JuSchG eingestuft sind, in Automaten mit technischen Sicherheitsvorkehrungen angeboten werden dürfen. Aus der Verwendung des Wortes nur und dem Ausschluss von Bildträgern, die nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG mit "keine Jugendfreigabe" gekennzeichnet sind, folgt, dass nicht jugendfreie Filme, Filmspiele- und Spielprogramme generell nicht per Automat ohne Aufsicht angeboten werden dürfen. Wenn der Gesetzgeber schon für nicht jugendgefährdende Filme, Film- und Spielprogramme Sicherungsmöglichkeiten fordert, die die Abgabe der Bildträger an die jeweilige Altersstufe sichern sollen, so ergibt sich daraus, dass eine nicht von Personen kontrollierte Abgabe von nicht jugendfreien Medien nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG nicht stattfinden soll. Dies entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/9013 S. 21 Begründung zu § 12 Abs. 4). Dieser entsprechende Wille lässt sich auch der Regelung des § 15 Abs. 1, 2 und 3 JuSchG entnehmen.
Die nicht durch Geschäftspersonal kontrollierte Abgabe jugendgefährdender Videos mittels Automat ermöglicht trotz bestehender technischer Sicherungsvorkehrungen Missbrauch in der Weise, dass ein zugangsberechtigtes Clubmitglied einen Jugendlichen mit in die Geschäftsräume nimmt und der Jugendliche Gelegenheit erhält, von den Covern der Videos Kenntnis zu nehmen. Der Hinweis der Klägerin, dass Missbrauch nie ausgeschlossen werden könne und ein solches Verhalten des Zugangsberechtigten gegen die Mitgliedsbestimmungen und gegen Strafgesetze verstoße, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Dabei geht der Senat davon aus, dass eine Zugangskontrolle durch Personen im Geschäftslokal eine höhere Hemmschwelle für den Missbrauch darstellt als das anonyme Angebot in einem Automaten. Dieser stellt einen größeren Anreiz zum Missbrauch dar und erleichtert ihn. Dieser Gesichtspunkt hat auch in § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG und in § 184 Abs. 1 StGB seinen Niederschlag gefunden. Auch wenn der Zugangsberechtigte sich mit einem solchen missbräuchlichen Verhalten strafbar macht, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Angebot im Automat eine wesentliche Ursache für den Missbrauch darstellt. Dem hohen Wert des Jugendschutzes entspricht es daher, Missbrauchsursachen möglichst zu unterbinden, wie dies beim gesetzlichen Verbot des Angebots mittels Automaten der Fall ist.
Unbehelflich ist der weitere Hinweis der Klägerseite, gegen die restriktive Auslegung des § 7 Abs. 4 JÖSchG spreche, dass die Gefahren durch jugendgefährdende Darstellungen im Internet wegen des leichten Zugangs deutlich höher einzuschätzen seien als diejenigen, die von technisch gesicherten Automaten mit nicht jugendfreien Bildträgern ausgingen. Allein der Umstand, dass im Internet unbestreitbar gewaltverherrlichende und pornographische Beiträge abgerufen werden können - eine Tatsache, der ebenfalls mit dem neuen Jugendschutzgesetz begegnet werden soll - rechtfertigt es jedoch nicht, andere Gefahrenpotentiale, wie eben das Angebot jugendgefährdender Bildträger in Automaten, weniger restriktiv zu beurteilen. Insoweit geht es darum, Gefahrenquellen möglichst zu eliminieren.
Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000 Euro festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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