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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.05.2005
Aktenzeichen: 24 B 04.2037
Rechtsgebiete: AuslG, GG, EMRK


Vorschriften:

AuslG § 47 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 48 Abs. 1 Nr. 4
GG Art. 6
EMRK Art. 8
Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verbieten nicht grundsätzlich die Ausweisung eines Familienvaters. Maßgebend sind die tatsächlich gelebten familiären Verhältnisse.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

24 B 04.2037

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juni 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. Mai 2005

am 3. Mai 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste im November 1992 ins Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Am ... 1993 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Im März 1994 wurde die Tochter ... geboren. 1999 wurde ein Sohn geboren, dessen Ehelichkeit der Kläger mit Erfolg angefochten hat.

Seit dem 25. Juni 2002 besitzt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Den Akten ist zu entnehmen, dass es seit 1997 immer wieder zu Trennungen der Eheleute und nachfolgenden Versöhnungen kam. Die Ehefrau flüchtete mehrfach ins Frauenhaus und kündigte wiederholt das Einreichen von Scheidungsanträgen an. Gewalttätigkeit im ehelichen Zusammenleben war keine Seltenheit. Der Kläger unterhielt mehrere außereheliche Beziehungen, aus denen auch Kinder hervorgegangen sind.

Der Kläger ist in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Auf die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 4. Juni 2002, das elf Eintragungen enthält, wird verwiesen (Bl. 456 der Behördenakte). Gegen den Kläger wurden mehrfach Freiheitsstrafen verhängt, die jedoch noch zur Bewährung ausgesetzt worden waren.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Oktober 2003 wurde der Kläger unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Seit dem 23. April 2003 befand ersieh in Untersuchungshaft, die nach Erlass des Strafurteils in Strafhaft übergeleitet wurde. Reguläres Haftende ist der 22. Dezember 2007.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2004 wies das Landratsamt Neu-Ulm den Kläger aus dem Bundesgebiet aus. Er erfülle aufgrund der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe die Voraussetzungen für eine Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, die aufgrund des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zur Regelausweisung herabgestuft werde. Die familiären Bindungen des Klägers stünden der Ausweisung nicht entgegen. Nach Auskunft des Jugendamtes habe sich der Kläger nie um die Kinder gekümmert. Diese seien sogar ruhiger geworden, seit er inhaftiert sei. Art. 8 EMRK stehe der Ausweisung nicht entgegen.

Der Kläger hat Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erhoben mit dem Ziel, den Bescheid des Landratsamtes Neu-Ulm in den Ziffern 1, 3 und 4 aufzuheben.

Mit Urteil vom 15. Juni 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Angesichts der erheblichen Straffälligkeit des Klägers sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Der besondere Schutz von Ehe und Familie könne einen Ausnahmefall nicht begründen. An der Richtigkeit der Darstellung des sozialen Dienstes vom 8. November 2003 über die familiären Verhältnisse bestünden keine Zweifel. Der Umstand, dass die Ehefrau den Kläger in der Haft mit den Kindern besuche, habe zur Herabstufung der Ist-Ausweisung zur Regelausweisung geführt. Art. 8 EMRK sei durch die Ausweisungsverfügung nicht verletzt. Diese Vorschrift stehe nicht generell einer Ausweisung entgegen. Dies gelte vor allem dann, wenn eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei einem weiteren Verbleib des Ausländern im Bundesgebiet zu erwarten sei. Diese Voraussetzung läge beim Kläger vor.

Der Senat hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg zugelassen. Im Berufungsverfahren macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ein Ausnahmefall vorliege und die Ausweisung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 8 EMRK verstoße. Der Kläger habe in der Haft erkannt, dass die Rückkehr zu seiner Familie die letzte Chance biete, um wieder Fuß zu fassen. Er werde regelmäßig von seiner Familie in der JVA besucht. Ferner nehme er in der JVA an einem sozialen Kompetenztraining teil. Auch sei beabsichtigt, gemeinsam mit der Familie ein Ehe- und Familienseminar in Augsburg zu besuchen.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juni 2004 und Nrn. 1, 2 und 4 des Bescheides des Landratsamtes Neu-Ulm vom 26. Januar 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei zutreffend. Auch wenn die Ehefrau und der Kläger bekundet hätten, nach der Haftentlassung wieder zusammen leben zu wollen, bestünden erhebliche Zweifel daran, ob dies gelingen werde. Es sei verfrüht, aus den regelmäßigen Besuchen in der Haft auf die Stabilität der zukünftigen familiären Beziehungen zu schließen. Das Vorbringen der Ehefrau sei wohl vom Wunschdenken geprägt. Der Beklagte legte eine Stellungnahme des Sozialen Dienstes beim Landratsamt Neu-Ulm vom 7. Juni 2004 und vom 14. September 2004 vor, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2005 wurde die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Hinsichtlich ihrer Bekundungen und des sonstigen Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt nicht zum Erfolg, da der Ausweisungsbescheid des Landratsamts Neu-Ulm rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Der Ausweisungsbescheid ist zu Recht auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gestützt, da der Kläger wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten den Ausweisungstatbestand nach dieser Bestimmung erfüllt. Ebenso wurde berücksichtigt, dass der Kläger erhöhten Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG genießt. Dies hat zur Folge, dass die Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG zur Regelausweisung herabgestuft wird und seine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verfügt werden kann (§ 48 Abs. 1 AuslG).

Der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bei ihm wegen der familiären Beziehungen ein vom Regelfall abweichender Ausnahmefall vorliegt, greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung sind Regelfälle solche Fälle, die sich nicht von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Dagegen sind Ausnahmefälle durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigt. "Bei der voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegenden Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände der strafgerichtlichen Verurteilung und die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen, namentlich die in § 45 Abs. 2 AuslG näher umschriebenen ... . Zu diesen Umständen gehören also auch die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben. Daraus folgt, dass auch bei dem bereits aus Gründen des familiären Zusammenlebens nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG gegebenen besonderen Ausweisungsschutz die konkrete familiäre Situation bei der Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, berücksichtigt werden muss. Außerdem ist ein Ausnahmefall gegeben, wenn der Ausweisung auch unter Berücksichtigung des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 AuslG höherrangiges Recht entgegensteht, diese insbesondere mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (z.B. Art. 6 GG) nicht vereinbar ist. ... In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass bei schwerwiegender Straffälligkeit ... der Schutz der Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG der Ausweisung grundsätzlich nicht entgegensteht" (BVerwG vom 27.6.1997 Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 15).

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung steht mit den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen in Einklang. Zutreffend hat es im Einzelnen dargelegt, dass der Kläger in der Vergangenheit wiederholt und erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dies gilt bereits für die mehrfache Straffälligkeit des Klägers vor den letzten Straftaten, die zur Verurteilung zu der mehrjährigen Freiheitsstrafe geführt haben. Nur am Rand sei darauf hingewiesen, dass bereits am 30. Dezember 1998 wegen einer Reihe von Straftaten seine Ausweisung verfügt worden war. Dieser Bescheid wurde nur deshalb aufgehoben, weil die Ehefrau seinerzeit das zweite Kind erwartete, das - wie sich später herausstellte - nicht sein leibliches Kind ist. Auch diese Ausweisungsverfügung, die trotz ihrer Aufhebung Warncharakter hatte, hat ihn aber nicht davon abgehalten, erneut in erheblicher Weise straffällig zu werden. Auch trug die Rücknahme des Ausweisungsbescheids, die gerade im Hinblick auf die familiäre Situation verfügt worden war, nicht dazu bei, dass er nunmehr seine familiäre Pflichten ernst nahm, denn schon zwei Monate nach der Geburt des Sohnes, gab er an, dauernd von seiner Ehefrau getrennt zu leben (Behördenakte Bl. 384). Besonderes Gewicht kommt der zuletzt abgeurteilten Tat wegen gefährlicher Körperverletzung zu, die durch besondere Brutalität gekennzeichnet ist. Nachdem er das Opfer bereits mit dem Messer in den Bauch gestochen und diesem dadurch eine erhebliche Verletzung zugefügt hatte, ließ er von diesem nicht ab, sondern versuchte, nachdem er sich bereits zehn Meter entfernt hatte, mit mindestens fünf bis sechs gezielt auf den Oberkörper gerichteten Stößen auf das gerade wieder auf die Beine gekommenen Opfer mit dem Messer einzustechen. Der Umstand, dass das Opfer nicht an den Folgen der Tat starb, war nicht auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen, sondern dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass eine sofortige Operation eingeleitet wurde. Noch heute ist das Opfer in psychotherapeutischer Behandlung, um die Folgen dieser Tat zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund kommt auch der Bedrohung der Zeugin ..., seiner früheren Lebensgefährtin, mit den Worten "ich steche dich und deine Kinder ab" besonderes Gewicht zu. Auch die übrigen Taten zeigen, dass der Kläger in erheblichem Maße zu Gewalttätigkeit neigt, die er auch im familiären Bereich angewendet hat. Die Vielzahl und die Schwere seiner Straftaten stützen die Prognose, dass auch in Zukunft mit erneuten Straftaten zu rechnen ist und von ihm eine erhebliche Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen wird.

Der Senat teilt auch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die familiäre Situation des Klägers keinen Ausnahmefall begründen kann. Hier ist von wesentlicher Bedeutung, dass der Kläger durch die Ausweisung nicht aus einer intakten und stabilen familiären Lebensgemeinschaft herausgerissen wird. Vor Erlass der Ausweisungsverfügung hat die Ausländerbehörde eine Stellungnahme des Sachgebiets Jugend und Familie eingeholt. In der Stellungnahme vom 18. November 2003 werden die familiären Verhältnisse, die dem Sozialdienst bereits seit 1996 bekannt sind, geschildert. Danach trennten und versöhnten sich die Eheleute mehrmals. Die Gewalttätigkeiten und Drohungen des Klägers gegenüber seiner Frau führten dazu, dass diese mehrmals ins Frauenhaus flüchtete. Die Ehefrau selber bekundete wiederholt, dass der Kläger sich nie um die Kinder gekümmert habe, und die Betreuung der Kinder allein bei ihr gelegen habe. Nach der Einschätzung des sozialen Dienstes war der Kläger durch seine Drogenabhängigkeit, die damit verbundene Beschaffungskriminalität und den geführten Lebensstil nicht in der Lage gewesen, seine elterliche Sorge verantwortungsbewusst auszuüben. Die Kinder hätten den Kläger oft gewalttätig und unter Drogeneinfluss erlebt und seien massiven Konflikten ihrer Eltern ausgesetzt gewesen. Durch die Abwesenheit des Vaters habe sich ihre Situation eher gebessert. Ebenso wie das Verwaltungsgericht hat der Senat keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser fachlichen Stellungnahme. Die Richtigkeit dieser Stellungnahme wurde letztlich auch nicht substanziiert bestritten, auch wenn die Ehefrau in ihrer an das Verwaltungsgericht gerichteten Stellungnahme vom 19. Februar 2004 erklärt: "Die Behauptung, durch die Abwesenheit des Herrn ... habe sich die familiäre Situation gebessert, ist nicht richtig" (VG-Akt Bl. 47). Dass das Familienleben durch ein ständiges Trennen und wieder Zusammenleben gekennzeichnet war und die Ehefrau mehrfach das Frauenhaus aufgesucht hat, lässt sich dem Akteninhalt entnehmen; insoweit wird beispielhaft auf die Seiten 218, 246, 250, 262 und 391 der Behördenakte verwiesen. Letztmals zog der Kläger im Januar 2003 aus der Familienwohnung aus und lebte vor seiner Inhaftierung gerade knapp zwei Wochen wieder mit der Familie zusammen. Die als Zeugin vernommene Ehefrau in der mündlichen Verhandlung hat bekundet, dass vor dieser Trennung ein Zusammenleben der Kinder mit dem Vater nicht mehr zu verantworten war, da in der ganzen Wohnung Spritzen herumgelegen hätten. Es liegt auf der Hand, dass das ständige Auf und Ab in der familiären Beziehung, die erhebliche Drogenproblematik beim Kläger und dessen ausgeprägte Droh- und Gewaltbereitschaft, die auch seine Straftaten dominieren, nachhaltig negativ beeinflusst, so dass keine Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung durch den sozialen Dienst bestehen. Aus alledem folgt, dass die besonderen familiären Verhältnisse nicht geeignet sind, einen Ausnahmefall zu begründen. Sie standen daher der Regelausweisung nicht entgegen.

Die Ausweisung erweist sich auch zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung (vgl. hierzu BayVGH vom 15.3.2005 Az. 24 B 04.2005; vom 23.2.2005 Az. 24 ZB 04.2197) nicht als unverhältnismäßig.

Nach Art. 8 EMRK, dessen Schutzgehalt nicht über Art. 6 EG hinausgeht, hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist geklärt, dass Art. 8 EMRK die Ausweisung oder Abschiebung von Familienangehörigen nicht schlechthin untersagt, sondern - bei einem engen und tatsächlichen Familienleben - lediglich an die Voraussetzung knüpft, dass diese nur zu einem der in Art. 8 Abs. 2 EMRK zugelassenen Ziele und nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf. Art. 8 EMRK beinhaltet sonach kein absolutes Ausweisungsverbot, sondern normiert nur besondere Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung. Dabei ist die familiäre Situation und die Dauer des Aufenthalts in Deutschland zu untersuchen, daneben die Schwere der begangenen Vergehen zu prüfen und schließlich ein gerechtes Gleichgewicht der unterschiedlichen Interessen herzustellen (s. dazu Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 31.10.2002 InfAuslR 2003, 126). Der Senat sieht die Ausweisung des Klägers zum gegenwärtigen Zeitpunkt als mit Art. 8 EMRK vereinbar an. Der Kläger ist wiederholt und zuletzt in gravierender Weise straffällig geworden. Er wurde unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Er hat wiederholt gezeigt, dass Gewaltanwendung für ihn zum Handlungsspektrum gehört und die körperliche, aber auch psychische Unversehrtheit anderer für ihn keinen Stellenwert besitzt. Schon die Strafhöhe indiziert die Schwere seiner Vergehen. Dabei wurde sogar zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er nach Einschätzung des Strafgerichts mit seiner Ausweisung und Trennung von seiner Familie rechnen musste. Die Schwere seiner Straftaten erscheint auch nicht deshalb in einem milderen Licht, weil er massive Drogenprobleme hatte.

Beachtliche familiäre Belange stehen der Ausweisung nicht entgegen. Wie bereits dargelegt wurde, wird durch die Ausweisung des Klägers kein intaktes Familienleben nachhaltig beeinträchtigt. Auch im Hinblick auf die Entwicklung der familiären Beziehungen nach seiner Inhaftierung erweist sich die Ausweisung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als unverhältnismäßig. Die Ehefrau des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass sie den Kläger regelmäßig alle 14 Tage in der JVA besucht und dass die gemeinsame Tochter sie alle zwei Monate einmal bei diesen Besuchen begleitet. Bestand vor der Inhaftierung ein intaktes Familienleben, so sind regelmäßige Besuche in der JVA geeignet, die Familieneinheit zu wahren und zu fördern. Bei der Familie ... ist jedoch zu berücksichtigen, dass es an einer entsprechenden Basis fehlt. Die Ehefrau hat als Zeugin glaubhaft bekundet, dass sie nach der Entlassung des Klägers aus der Haft wieder mit ihm zusammenleben möchte. Angesichts der zahlreichen Vorfälle in der Vergangenheit, die durch erhebliche und auch tätliche Auseinandersetzungen geprägt waren, teilt der Senat die Auffassung des sozialen Dienstes in seiner Stellungnahme vom 14. September 2004, dass die angestrebte Führung eines harmonischen Familienlebens "im Alltag" mit aller größter Skepsis zu betrachten ist. Insoweit kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger in der JVA Schranken unterliegt, die im Alltagsleben, in dem er bislang versagt hat, gerade nicht bestehen. Auch wenn die Eheleute seit Februar 2005 in der JVA einmal im Monat ein Eheseminar besuchten, kann hierauf noch nicht die Erwartung gestützt werden, das Familienleben werde sich künftig im Alltag bewähren. Es handelt sich hierbei um erst vier Gruppentermine, die noch keine solide Grundlage für eine positive Prognose bilden können, auch wenn der gewählte Weg uneingeschränkt zu begrüßen ist. Hinzu kommt die nach wie vor ungeklärte Drogenproblematik.

Hinsichtlich der Bekundung der Ehefrau, nach der Haftentlassung wieder mit dem Ehemann zusammenleben zu wollen, drängt sich auch dem Senat der Eindruck auf, dass die Erklärungen von Wunschdenken geprägt sind und die doch sehr massiven Vorfälle in der Vergangenheit einfach verdrängt werden. Die reguläre Inhaftierung des Klägers endet im Dezember 2007. Sollte die Ehefrau weiterhin die Beziehung zum Kläger pflegen, die Ehetherapie intensiv betrieben werden und darüber hinaus die Drogenproblematik bewältigt sein, so lägen Gesichtspunkte vor, denen bei einer Entscheidung über eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung Gewicht zukommt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erweist sich jedoch die Ausweisung des Klägers aus den dargelegten Gründen als verhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Ihre vorläufige Vollstreckbarkeit bemisst sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Satz 2 VwGO vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2, § 47 GKG).

Ende der Entscheidung

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