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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 22.05.2006
Aktenzeichen: 24 B 05.3099
Rechtsgebiete: VwGO, VesG, GG


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
VersG § 15 Abs. 1
GG Art. 8
Ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Versammlungsverbots kann nicht (mehr) aus einer drohenden Wiederholungsgefahr abgeleitet werden, wenn die zuständige Behörde verbindlich erklärt hat, an der dem Verbot zu Grunde liegenden tragenden Argumentation bzw. Rechtsauffassung zukünftig nicht mehr festzuhalten.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

24 B 05.3099

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Versammlungsrechts;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Oktober 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

ohne mündliche Verhandlung am 22. Mai 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Versammlungsverbots aus dem Jahr 2003.

Er meldete bereits im August 2001 für den 16. August 2003 eine Versammlung zum Thema "Gedenken an Rudolf Hess" in Wunsiedel an. An einem Kooperationsgespräch nahm er nicht teil. Das Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge hörte den Kläger zur beabsichtigten Untersagung seiner Versammlung an.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2003 wurde die Veranstaltung vom Landratsamt verboten. Als Rechtsgrundlage hierfür wurde § 15 Versammlungsgesetz (VersG) angegeben. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, eine Heß-Gedenkkundgebung am 16. August 2003 in Wunsiedel stelle eine konkrete Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung, insbesondere der freiheitlich demokratischen Grundordnung als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG dar. Sie diene nicht lediglich dazu, der verstorbenen Person Rudolf Heß zu gedenken, vielmehr solle Rudolf Heß verherrlicht und glorifiziert werden. Entscheidendes Ziel der Versammlung und generell einschlägiger rechtsextremistischer Aktivitäten sei die Verherrlichung des Nationalsozialismus und damit auch die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Es sei hierbei konkret zu erwarten, dass der Kläger und die Versammlungsteilnehmer in einer besonderen, provokativen und aggressiv-kämpferischen, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Art und Weise vorgehen würden. Nach all dem sei eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit konkret zu erwarten. Gegenstand der Versammlung sei letztlich die Verherrlichung des Nationalsozialismus und damit auch ein offensives Verfolgen nationalsozialistischer Ideen und Ziele. Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sei auch dadurch zu erwarten, dass seitens der Teilnehmer im Rahmen der geplanten Heß-Gedenkkundgebung rechtsextremistische Straftaten begangen würden. Die sofortige Vollziehung des Verbots wurde angeordnet.

Den hiergegen vom Kläger eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2003 zurück. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse auch den Schutz der Verfassungsordnung, insbesondere der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Der Zweck des Aufzuges des Klägers bestehe darin, die wesentlichen Ideen des Nationalsozialismus in unsere Zeit und in die Öffentlichkeit zu tragen. Bei objektiver Betrachtung des geplanten Aufzuges stelle dieser auch eine unmittelbare Störung der öffentlichen Ordnung als der Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln dar.

Der Kläger beantragte zunächst, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 24. Juli 2003 ab (Az. B 1 S 03.845). Die hiergegen eingelegte Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 7.8.2003, 24 CS 03.1963). Auf Antrag des Klägers hin stellte dann jedoch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14. August 2003, 1 BvQ 30/03, NJW 2003, 3689) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Wunsiedel im Fichtelgebirge vom 10. Juli 2003 wieder her. In den Gründen dieser Entscheidung ist ausgeführt, ein gemäß Art. 8 Abs. 2 GG i.V.m. einem dazu ermächtigenden Gesetz ergehendes Versammlungsverbot komme im Wesentlichen nur zur Abwehr von Gefahren für elementare Rechtsgüter in Betracht, deren Schutz regelmäßig in der positiven Rechtsordnung und damit im Rahmen der öffentlichen Sicherheit verwirklicht werde. Das Verwaltungsgericht Bayreuth habe festgestellt, Bestrebungen, den Nationalsozialismus zu verharmlosen, seien geeignet, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik, ihr Ansehen im Ausland und das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung zu gefährden. Ob und inwieweit diese Argumentation ein Versammlungsverbot auch dann rechtfertigen könne, wenn das Verhalten nicht vom Gesetzgeber verboten sei, lasse sich im Zuge des Eilrechtsschutzes nicht klären (BVerfG a.a.O.). Die Versammlung des Klägers in Wunsiedel konnte daraufhin wie beabsichtigt stattfinden.

Am 8. August 2003 erhob der Kläger zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage mit dem Antrag, den Verbotsbescheid vom 10. Juli 2003 sowie den Widerspruchsbescheid vom 1. August 2003 aufzuheben. Nach Durchführung seiner Versammlung beantragte er dann festzustellen, dass der Verbotsbescheid des Landratsamtes Wunsiedel vom 10.7.2003 sowie der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1.8.2003 rechtswidrig gewesen sind. Er machte geltend, das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzungsfeststellungsklage sei gegeben, da er auch für die folgenden Jahre jeweils um den 17. August herum Versammlungen in Wunsiedel angemeldet habe und zu erwarten sei, dass wie in den Vorjahren das Landratsamt Wunsiedel die Veranstaltungen verbieten werde. Das Verbot sei rechtswidrig gewesen, da Rechtsgüter durch die Versammlung nicht gefährdet worden seien. Lediglich dann, wenn konkrete Strafgesetze verletzt worden wären, wäre ein Verbotsgrund gegeben gewesen; es seien aber keinerlei Strafgesetze in Wunsiedel verletzt worden. Das Feststellungsinteresse sei auch durch die Änderung des Versammlungsgesetzes im März 2005 nicht entfallen.

Nach mehrfacher Aufforderung durch das Gericht nahm das Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge im August 2005 zur Klage Stellung. Es brachte im Wesentlichen vor, das Feststellungsinteresse des Klägers sei entfallen.

Mit Urteil vom 4. Oktober 2005 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Klage sei unzulässig geworden. Das ursprüngliche Klagebegehren habe sich erledigt, nachdem die Veranstaltung stattgefunden habe. Ein Interesse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbots sei im Fall des Klägers nicht zu bejahen. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht mehr, da sowohl nach Auffassung des Beklagten als auch der des Gerichts mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches vom 24. März 2005 zum 1. April 2005 eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Im Verbotsbescheid vom August 2005 sei das Landratsamt von seiner bisherigen Begründung abgerückt und habe den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Versammlung gegen den neu geschaffenen § 130 Abs. 4 StGB verstoße. Es sei aufgrund dieses neu geschaffenen Straftatbestandes nicht zu erwarten, dass das Landratsamt künftige Verbotsbescheide mit einer an die Bescheide aus den Jahren vor 2003 angelehnten Begründung erlassen werde. Auch das Verwaltungsgericht Bayreuth habe seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Damit bestehe keine Wiederholungsgefahr mehr und damit auch kein Feststellungsinteresse für den Kläger.

Der Kläger stellte hiergegen am 21. November 2005 Antrag auf Zulassung der Berufung, welchem der Senat mit Beschluss vom 16. Januar 2006 entsprach. Am 16. Februar 2006 legte der Kläger Berufung ein. Er meint, die Klage sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht unzulässig geworden. Die Behauptung, durch die Neufassung des § 130 StGB habe sich eine Änderung ergeben, sei unzutreffend. Es sei darauf zu verweisen, dass sich das Verwaltungsgericht Bayreuth weitgehend resistent gegenüber den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs verhalten habe. Hinzu komme, dass die Gesetzesneuregelung keine Änderung der Rechtslage für die Heß-Kundgebung bedeute. Weiter sei die Neufassung des Gesetzes verfassungswidrig. Zudem sei sie nicht einschlägig. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch aus finanziellen Gründen gerechtfertigt. Die Kosten der einstweiligen Anordnungsverfahren seien dem Kläger auferlegt worden.

Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Oktober 2005 festzustellen, dass der Verbotsbescheid des Landratsamtes Wunsiedel vom 10.7.2003 sowie der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1.8.2003 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern trug für den Beklagten vor, der Kläger habe keine sachdienlichen Anträge im Berufungsverfahren gestellt. Im Übrigen sei die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Recht ergangen. Das Landratsamt Wunsiedel habe eindeutig zu erkennen gegeben, dass es in Zukunft von einem Versammlungsverbot unter Verwendung der im Bescheid vom 10. Juli 2003 gegebenen Begründung absehe. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr und somit auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers mehr. Die Landesanwaltschaft legte ein Schreiben des Landratsamts Wunsiedel im Fichtelgebirge vom 16. März 2006 vor. Darin ist ausgeführt: "Im Hinblick auf diese Gesetzesänderung wird seitens des Landratsamts Wunsiedel im Fichtelgebirge an der ursprünglichen Argumentation, wonach eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bereits ohne drohende Verwirklichung eines Straftatbestandes - hier insbesondere § 130 Abs. 4 StGB - den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 VersammlG eröffne, nicht mehr festgehalten."

Der Kläger teilte auf Anfrage des Gerichts mit, dass er gleichwohl an seiner Klage festhalte. Er verzichtete ebenso wie die Landesanwaltschaft Bayern auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg, da die Klage unzulässig ist.

I.

Gegenstand der Berufung ist das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. Oktober 2005, mit welchem die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide des Landratsamts Wunsiedel im Fichtelgebirge vom 10. Juli 2003 sowie der Regierung von Oberfranken vom 1. August 2003 gerichtete Klage abgewiesen wurde.

Der Kläger verfolgt dieses Rechtsschutzziel im Berufungsverfahren weiter. Dies ist bereits dem Berufungsschriftsatz vom 16. Februar 2006 bei sachgerechter Auslegung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 88 VwGO) eindeutig zu entnehmen, auch wenn darin zunächst zu Unrecht beantragt wurde, die Bescheide aufzuheben. Die Ausführungen des Klägers haben zum Inhalt, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter verfolgt werden soll. Im Schriftsatz vom 13. April 2006 wird dann auch der richtige Antrag gestellt. Die zunächst formal fehlerhafte Antragstellung im Berufungsverfahren bleibt damit ohne Folgen.

Der Senat konnte über die Klage mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Nach § 128 Satz 1 VwGO prüft der Verwaltungsgerichtshof den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags in gleichem Umfang wie das Verwaltungsgericht. Er berücksichtigt dabei auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel (§ 128 Satz 2 VwGO).

Ausgehend hiervon ist festzustellen, dass die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots unzulässig ist. Maßgebend ist hierbei auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen (siehe hierzu BVerwG vom 27.3.1998, BVerwGE 106, 295/299).

1. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

2. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist grundsätzlich eröffnet. Der Verbotsbescheid vom 10. Juli 2003 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 1. August 2003 hat sich durch Zeitablauf bzw. infolge der Durchführung der Veranstaltung erledigt.

Die mit dem Verbot verbundene Beschwer ist spätestens mit dem Ende der streitigen Veranstaltung entfallen (siehe hierzu Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2005, RdNr. 102 ff zu § 113 VwGO).

Unerheblich ist es hierbei, dass die Erledigung bereits vor Klageerhebung erfolgte. In diesen Fällen ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog anwendbar (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 99).

3. Die Zulässigkeit der Klage scheidet aber deswegen aus, weil das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes fehlt.

Für das berechtigte Interesse genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falls anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und auch ideeller Art. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet sein muss, die Position des Klägers in einem der genannten Bereiche zu verbessern (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 129 f. m.w.N.). Als Hauptfälle, in denen ein Feststellungsinteresse als gegeben anzusehen ist, wurden in der Rechtsprechung die nachfolgenden entwickelt: Präjudizialität für Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche, das Vorliegen einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr, die Rehabilitation oder Genugtuung, Fälle typischerweise kurzfristiger Erledigung oder das Vorliegen bestimmter Grundrechtseingriffe (siehe hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 136 bis 146).

In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten sind diese Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) anzuwenden, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 3. März 2004, BVerfGE 110, 77 = DVBl 2004, 822) entwickelt hat: "In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden. Indessen begründet nicht jeder Eingriff in die Versammlungsfreiheit ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches Interesse besteht allerdings dann, wenn die angegriffene Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht oder wenn aus Gründen der Rehabilitierung ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit angenommen werden kann."

Ausgehend hiervon ist im Fall des Klägers unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots vom Juli 2003 erkennbar. Keine der von der Rechtssprechung entwickelten Fallkonstellationen, bei denen ein Feststellungsinteresse angenommen werden könnte, ist einschlägig.

a) Eine wesentliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit liegt nicht vor.

Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., RdNr. 37) führt hierzu aus: "Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes, wenn die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit."

Hiervon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden, da der Kläger die geplante und angemeldete Versammlung letztlich doch wie beabsichtigt durchführen konnte.

Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., RdNr. 39) geht davon aus, dass ein auf das Verbot der Versammlung gestütztes Feststellungsinteresse entfällt, wenn die Versammlung trotz des Verbotes stattfinden konnte: "Konnte die verbotene Versammlung aufgrund einer im Eilrechtsschutzverfahren wieder hergestellten aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wie geplant (...) durchgeführt werden, besteht insofern kein Feststellungsinteresse."

So liegt der Fall hier: Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. August 2003 (NJW 2003, 3689), mit welchem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Wunsiedel im Fichtelgebirge vom 10. Juli 2003 wieder hergestellt wurde, konnte die Veranstaltung des Klägers am 16. August 2003 in Wunsiedel stattfinden. Sie wurde auch im Wesentlichen so durchgeführt, wie sie vom Kläger geplant war. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit fand somit faktisch nicht statt.

b) Auf ein mögliches Rehabilitierungsinteresse kann das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche besondere Interesse an der Feststellung vorliegend nicht gestützt werden.

Hierzu führt das Bundesverfassungsgericht aus (a.a.O., RdNr. 47): "In der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ein Rehabilitierungsinteresse im Fall der Erledigung einer Maßnahme bejaht, wenn die begehrte Feststellung, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig war, als "Genugtuung" oder zur Rehabilitierung erforderlich ist. Dies wird insbesondere angenommen, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigte. Auch in versammlungsrechtlichen Streitigkeiten sind Begründungen für beschränkende Maßnahmen vorstellbar, die diskriminierend wirken können, insbesondere Ausführungen über die Persönlichkeit des Veranstalters oder zu seinem erwarteten kriminellen Verhalten auf Versammlungen."

Dem hier streitgegenständlichen Bescheid kommt eine diskriminierende Wirkung nicht zu, so dass ein besonderes Interesse an der Rehabilitierung des Klägers insoweit ausscheidet.

Der Kläger selbst geht nämlich erkennbar nicht davon aus, dass das mit Bescheid vom 10. Juli 2003 ausgesprochene Verbot diskriminierende Wirkung hat. Weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren wird entsprechendes vorgetragen. Auch sonst rechtfertigt bei objektiver Betrachtungsweise nichts die Annahme einer solchen Wirkung der behördlichen Entscheidung.

Soweit dem Kläger auf Seite 6 des Bescheids unterstellt wird, er als Versammlungsleiter lasse den "Schluss zu, dass hier im Rahmen der Versammlung eine Verherrlichung des Nationalsozialismus und ein offensives Verfolgen nationalsozialistischer Ideen und Ziele erfolgen" werde, liegt hierin keine die Persönlichkeit des Klägers herabwürdigende Aussage. In gleicher Weise gilt dies für die Aussage auf Seite 7 des Bescheides, der Kläger sei eine "führende Person der rechtsextremen Szene". Diese Aussagen werden nämlich vom Kläger letztlich nicht bestritten. Er selbst zählt sich zu dieser Szene, als langjähriger Veranstalter und Anmelder der Veranstaltung in Wunsiedel ist er einschlägig bekannt. Der Vorwurf, er wäre der rechtsextremen Szene zuzuordnen, hat gerade in der Person des Klägers also keine diskriminierende Wirkung. Auszugehen ist hierbei nämlich von der Wirkung, wie sie der Betroffene selbst empfindet und zum Ausdruck bringt. Nur dieser selbst kann primär die ihn treffende Wirkung einzelner Aussagen feststellen und bewerten. Dem Gericht ist es nicht möglich festzustellen, welche Werturteile vom Kläger als diskriminierend empfunden werden und welche nicht.

In gleicher Weise nicht diskriminierend sind die Ausführungen auf Seite 13 des Bescheides zu der am 7. April 2003 vom Landgericht Hamburg ausgesprochenen Verurteilung des Klägers wegen Volksverhetzung. Hier wird letztlich im Wesentlichen eine strafrechtliche Verurteilung wiedergegeben, ohne dass sie zusätzlich bewertet oder interpretiert wird. Es wird insbesondere nicht unterstellt, dass der Kläger zukünftig erneut in einschlägiger Weise strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Die Verurteilung des Klägers wird letztlich nur als Hilfserwägung herangezogen, um die beabsichtigte Verherrlichung des Nationalsozialismus durch die Versammlung zu begründen.

Dem Bescheid ist auch sonst nichts zu entnehmen, was ausgehend von der Person des Klägers eine diskriminierende oder persönlichkeitsverletzende Wirkung haben könnte. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage von Amts wegen zu ermitteln, ob eine bestimmte Aussage vom Kläger als diskriminierend empfunden wird, wenn der Kläger selbst eine solche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts in keiner Weise vorträgt.

c) Auch eine das Feststellungsinteresse begründende Wiederholungsgefahr ist nicht anzunehmen.

Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus (a.a.O., RdNrn. 40 f.): "Stets, also auch bei der durch einstweiligen Rechtsschutz ermöglichten Durchführung der Versammlung, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr anzunehmen. (...) Das Erfordernis der Wiederholungsgefahr setzt zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Veranstalter nicht auf die Alternative zukünftig möglichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden."

Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers bzw. in Bezug auf die verbotene Versammlung vom August 2003 und die weiter vom Kläger geplanten Veranstaltungen nicht gegeben.

(1) Unstreitig ist der Kläger zwar gewillt, in Zukunft Versammlungen abzuhalten, welche der vom August 2003 weitgehend entsprechen.

Mit seinem Schreiben vom 19. August 2001 an das Landratsamt Wunsiedel hat er identische Veranstaltungen bis zum Jahr 2010 jeweils etwa Mitte August des jeweiligen Jahres angemeldet. Die Versammlungen sollen sogar weitgehend unter gleichen Umständen, mit identischem Motto und am selben Ort durchgeführt werden wie die mit Bescheid vom 10. Juli 2003 verbotene Veranstaltung.

(2) Das auf eine Wiederholungsgefahr gegründete Rechtsschutzinteresse entfällt nicht etwa deshalb, weil der Kläger in zukünftigen Fällen erneut Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen kann.

Der im Eilverfahren erreichbare Schutz entspricht nämlich nicht dem Rechtsschutz, der im Hauptsacheverfahren erlangt werden kann. Erst dieses kann Rechtssicherheit herstellen. Dies verdeutlicht schon die Begrenzung der im Eilverfahren erfolgenden Prüfung der in der behördlichen Verfügung zu erfüllenden Rechtmäßigkeitsanforderungen (BVerfG a.a.O., RdNr. 45; siehe hierzu auch BVerwG vom 23. März 1999 NVwZ 1999, 991/992).

Der Kläger kann damit auch nicht darauf verwiesen werden, dass das Verwaltungsgericht Bayreuth seine frühere Rechtsprechung in diesem Bereich aufgegeben hat.

(3) Die Wiederholungsgefahr entfällt auch nicht deshalb, weil die Behörde in den Folgejahren 2004 und 2005 auch andere Aspekte zur Rechtfertigung der erneut ausgesprochenen Verbote der vom Kläger geplanten Versammlungen herangezogen hat.

Das Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge hat nämlich in beiden Jahren im Widerspruch zu den insoweit eindeutigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie der Fachgerichte darauf abgestellt, dass bereits allein die Verherrlichung des Nationalsozialismus durch den Kläger geeignet wäre, ein Versammlungsverbot auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 VersG zu rechtfertigen.

So ist im Bescheid vom 30. Juli 2004 ausgeführt, dass sich aus dem zu erwartenden Teilnehmerkreis eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung ergäbe. Eine Heß-Gedenkkundgebung am 21. August 2004 in Wunsiedel stelle eine konkrete Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung, insbesondere der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG dar. Die Verherrlichung des Nationalsozialismus stelle nicht lediglich eine "politisch missliebige" Meinung dar, sondern enthalte Aussagen, denen das Grundgesetz selbst eine Absage erteilt habe; unabhängig davon, ob durch die entsprechende Meinungsäußerung die Strafbarkeitsschwelle überschritte werde oder nicht. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 10. August 2004 (B 1 S 04.858) wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen diesen Bescheid wieder hergestellt. Mit Beschluss vom 17. August 2004 (24 CS 04.2254) wies der Senat die von der Landesanwaltschaft Bayern hiergegen eingelegte Beschwerde zurück. Darin ist ausgeführt: "Im vorliegenden Fall kommt wegen bestimmter von der Versammlungsbehörde erwarteter Meinungsäußerungen (...) ein Verbot - bzw. eine entsprechende Verbots-Auflage - daher nur in Betracht, wenn eine an Tatsachen orientierte Prognose ergeben würde, dass bei der Versammlung und Kundgebung Äußerungen strafbaren Inhalts verbreitet würden. Im Beschwerdeschriftsatz werden Tatsachen, die eine solche Bewertung zuließen, nicht dargelegt."

Im Verbotsbescheid vom 29. Juni 2005 ist wiederum (ergänzend) auf Seite 14 ausgeführt: "Des Weiteren würde eine Heß-Gedenkkundgebung am 20. August 2005 in Wunsiedel eine konkrete Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung, insbesondere der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG darstellen. Durch entsprechende Glorifizierung der Ereignisse des Dritten Reiches und eines seiner Repräsentanten auf der einen Seite und Verharmlosung der damaligen Gräueltaten auf der anderen Seite soll der Weg bereitet werden, nationalsozialistisches Gedankengut weiter verbreiten zu können. Darin liegt aber gerade aufgrund der bereits dargelegten Ziele des Nationalsozialismus eine Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung." Im Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 25. Juli 2005 (B 1 S 05.614) ist hierzu ausgeführt: "Ein Versammlungsverbot lässt sich auch nicht allein damit rechtfertigen, dass die Behörde Befürchtungen hegt, der Veranstalter und die voraussichtlichen Teilnehmer würden nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten."

Legt man diese Ausführungen in den zeitlich nach dem hier streitgegenständlichen Verbot ergangenen Behördenentscheidungen zugrunde, so lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, die beklagte Behörde werde auch weiterhin an der Entscheidungspraxis festhalten, die zentral für das Verbot vom Juli 2003 herangezogen wurde. Jedenfalls hat sich das Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge in den Jahren 2004 und 2005 nicht durch die Entscheidungen mehrerer Gerichte davon abhalten lassen, das Verbot (auch bzw. ausschließlich oder zentral) auf eine drohende Verherrlichung des Nationalsozialismus zu stützen, ohne die Frage der Begehung von Straftaten in diesem Zusammenhang zu prüfen. Aus dieser Entscheidungspraxis kann keinesfalls abgeleitet werden, das Landratsamt habe seine im Juli 2003 vertretene Auffassung endgültig und abschließend aufgegeben. Ein Wegfall der Wiederholungsgefahr könnte damit nicht begründet werden.

(4) Eine Wiederholungsgefahr ist aber endgültig durch die Erklärung des Landrats des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge vom 16. März 2006 entfallen.

Ein Feststellungsinteresse ist dann nämlich nicht mehr zu bejahen, wenn die konkret betroffene Behörde eindeutig erkennen hat lassen, in Zukunft von einer Wiederholung der Beschränkung unter Verwendung der von ihr ursprünglich gegebenen Begründung absehen zu wollen (BVerfG vom 3. März 2004, a.a.O. RdNr. 44, siehe hierzu auch BVerwG vom 21. Oktober 1999, Az. 1 B 37/99).

Eine solche die Wiederholungsgefahr ausschließende Erklärung der zuständigen Behörde liegt hier vor. Im Schreiben vom 16. März 2006 erklärte der Landrat des Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge, das Landratsamt werde an der ursprünglichen Argumentation, wonach eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bereits ohne Verwirklichung eines Straftatbestandes den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 VersG eröffne, nicht mehr festhalten. Legt man diese Erklärung nach objektiven Kriterien aus, so ist ihr folgendes zu entnehmen:

- Das Landratsamt erkennt an, dass die Entscheidung vom 10. Juli 2003 in ihrer zentralen Argumentation nicht mit den versammlungsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt wurden.

- Das Landratsamt geht nunmehr davon aus, dass ein Versammlungsverbot nicht allein auf eine drohende Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gestützt werden kann, wenn hierbei nicht auch die Verwirklichung eines Straftatbestandes droht.

- Das Landratsamt wird bei zukünftigen Entscheidungen über ein evtl. Verbot einer vom Kläger geplanten Versammlung nicht mehr an der dem Bescheid vom 10. Juli 2003 zugrunde liegenden Begründung festhalten. Es wird diese Argumentation nicht wiederholen.

- Zukünftige Entscheidungen werden sich in Übereinstimmung mit den Vorgaben der verfassungsrechtlichen und fachgerichtlichen Rechtsprechung zentral an der Frage orientieren, ob die Begehung von Handlungen zu erwarten ist, welche insbesondere unter die Strafnorm des (neuen) § 130 Abs. 4 StGB fallen.

Das Landratsamt hat damit letztlich die Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung vom Juli 2003 - ausgehend von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - eingeräumt, sich weitgehend in die Rolle des Unterlegenen begeben und eine Wiederholung eines Verbots mit der damals tragenden Begründung ausgeschlossen.

Die Erklärung des Landratsamts ist dem Kläger auch (im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Berufungserfahrens) zugegangen. Es bestehen keine Zweifel an ihrer Wirksamkeit. Selbst wenn man hinsichtlich der Wirksamkeit der Erklärung die strengen Kriterien des Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG zugrunde legt, sind diese eingehalten. Das Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge hat als zuständige Versammlungsbehörde gehandelt (§ 15 Abs. 1 VersG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des Ausführungsgesetzes zum Versammlungsgesetz sowie Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG). Die Schriftform wurde gewahrt.

Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, das Landratsamt werde diese Erklärung zukünftig nicht beachten und strikt einhalten.

Zunächst ist dabei davon auszugehen, dass eine von einer staatlichen Behörde abgegebene Erklärung diese auch bindet und für zukünftige Verfahrenshandlungen Beachtung finden wird. Dem Landratsamt kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, es werde sich an eine einmal abgegebene Erklärung oder Zusage nicht dauerhaft halten.

Unterstützt wird dies durch die Aussagen der Landesanwaltschaft Bayern im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Darin wird nochmals bekräftigt, dass das Landratsamt in Zukunft von einem Versammlungsverbot unter Verwendung der im Bescheid vom 10. Juli 2003 gegebenen Begründung absehen wird (Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 20. März 2006) und dass sich der Berufungskläger auf diese vom Behördenleiter unterzeichnete Erklärung verlassen darf (Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 27. April 2006).

Ein weiterer Beleg für die Abkehr des Landratsamts von seiner bisherigen Rechtsauffassung ist auch darin zu sehen, dass zum 1. April 2005 die Änderung des Versammlungsrechts in Kraft getreten ist, welche in ganz wesentlichen Teilen auch auf eine Initiative des Landratsamtes Wunsiedel zurückgeht. Hierauf nimmt das Landratsamt in seiner Erklärung ausdrücklich Bezug. Am 1. April 2005 ist das Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs vom 24.3.2005 (BGBl I S. 969) in Kraft getreten. Mit der Rechtsänderung soll insbesondere das Verbot von Versammlungen an Orten erleichtert werden, die an die Opfer organisierter menschenunwürdiger Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnern. Aber auch außerhalb solcher Orte wird ein behördliches Vorgehen gegen Versammlungen rechtsextremistischer Gruppierungen erleichtert (siehe hierzu Scheidler, Das Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuchs - ein Vergleich mit der bisherigen Rechtslage in BayVBl 2005, 453). Auf diese neue Regelung wurde auch bereits zentral der Verbotsbescheid im Jahr 2005 gestützt (vgl. BVerfG vom 16.8.2005 BayVBl. 2005, 755; BayVGH vom 10.8.2005 BayVBl. 2005, 755; vgl. a. BVerfG vom 16.4.2005 BayVBl 2005, 594).

Das Landratsamt zitiert in seinem Schreiben ausdrücklich die versammlungsrechtliche Rechtsprechung, wonach die im Juli 2003 gegebene Begründung für das Versammlungsverbot nicht den verfassungsrechtlichen bzw. versammlungsrechtlichen Vorgaben entsprach (siehe hierzu zuletzt die Entscheidung des Senats vom 17. August 2004 (24 CS 04.2254). Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, dass Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung ihre Rechtfertigung ausschließlich in den in Art. 5 Abs. 2 GG aufgeführten Schranken auch dann finden, wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt (siehe etwa BVerfG vom 23.6.2004 DVBl 2004, 1230). Bereits im Beschluss vom 5. September 2003 (NVwZ 2004, 90) hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht rechtfertigte, die Fachgerichte gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG binde. Erkennbar ist das Landratsamt gewillt, diese Rechtsprechung zu beachten.

Zusammenfassend bestehen deshalb keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, das Landratsamt werde zukünftig von der im Verfahren vor dem Senat abgegebenen Erklärung abweichen.

Letztlich geht auch der Kläger selbst davon aus, dass ein Verbotsgrund dann gegeben ist, wenn konkrete Strafgesetze verletzt werden (Schriftsatz vom 17. September 2003 an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth). Insoweit stimmen die rechtlichen Ansatzpunkte des Klägers und der Beklagtenseite mittlerweile überein.

Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang die vom Kläger geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 130 Abs. 4 StGB (neu). Selbst wenn man - wie der Kläger - von der Verfassungswidrigkeit dieser Strafnorm ausgehen würde, so hätte dies für das zukünftige Verhalten des Landratsamtes keine grundlegenden Folgen. Das Landratsamt hat nämlich erklärt, das Verbot einer Versammlung zukünftig nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn strafbare Handlungen vorliegen. Sollte eine solche strafbare Handlung angesichts einer Verfassungswidrigkeit der in Frage kommenden Strafnorm nicht gegeben sein, so scheidet ein Verbot der Versammlung eben aus.

(5) Eine Wiederholungsgefahr folgt auch nicht aus der Tatsache, dass der Bescheid vom 10. Juli 2003 weitere (Hilfs-)Begründungen enthält.

Das Verbot vom Juli 2003 wurde ganz zentral damit begründet, dass eine konkrete Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung gegeben ist, weil der Nationalsozialismus verherrlicht werde. Auf den Seiten 5 bis 13 des Bescheides wird dies ausgeführt. Auf Seite 5 wird ausdrücklich herausgestellt: "Die Verherrlichung des Nationalsozialismus stellt nicht lediglich eine "politisch missliebige" Meinung dar, sondern enthält Aussagen, denen das Grundgesetz selbst eine Absage erteilt hat; unabhängig davon, ob durch die entsprechende Meinungsäußerung die Strafbarkeitsschwelle überschritten wird oder nicht." In der Begründung des Verbots wird herausgearbeitet, dass - auch ohne dass dabei strafbare Handlungen begangen werden - die Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde, weil sie der Verherrlichung des Nationalsozialismus diene. An genau dieser Argumentation hält das Landratsamt nicht mehr fest.

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 13. April 2006 an den Verwaltungsgerichtshof (Bl. 62 der VGH-Akte) einzelne in diesem Zusammenhang getroffene Aussagen anspricht, vermag dies an der Beurteilung nichts zu ändern. Zwar wird auf Seite 5 des Bescheids von der "Gefährdung zentraler Rechtsgüter" gesprochen, es handelt sich hier allerdings um einen lediglich abstrakten Einleitungssatz. Weiter wird auf Seite 6 die "Verherrlichung des Nationalsozialismus" angesprochen, auf Seite 7 die Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied eines Vereins, auf Seite 10 erneut die "Verherrlichung des Nationalsozialismus" und auf Seite 13 die Verurteilung des Klägers im April 2003 vom Landgericht Hamburg. All diese Punkte werden allerdings nur herangezogen, um zu belegen, dass die Versammlung der Verherrlichung des Nationalsozialismus diene. Es wird damit nicht begründet, dass die Gefahr von Straftaten bestehe. Alle vom Kläger angesprochenen Punkte sind damit darauf ausgerichtet, das Verbot der Versammlung ohne die Gefahr der Begehung von Straftaten zu ermöglichen. Gerade hieran will das Landratsamt nicht mehr festhalten.

Lediglich ergänzend wird dann auf Seite 14 des Bescheides darauf abgestellt, eine unmittelbare Gefährdung sei auch dadurch zu erwarten, dass rechtsextremistische Straftaten begangen würden. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um eine eigenständige, tragfähige Begründung, da wiederum ganz wesentlich auf den "Zusammenhang mit der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts" abgestellt wird. Das Landratsamt hebt auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten ab. Es führt aus, im Zusammenhang mit der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts würden "häufig Straftaten begangen". Auch stelle "die rechtsextremistische Ideologie darauf ab, dass es eine Gleichbehandlung aller Menschen nicht geben könne". An dieser Vorgehensweise hält es ausdrücklich nicht mehr fest, da zukünftig ein Verbot nur bei der "drohenden Verwirklichung einer Straftat" in Erwägung gezogen werden soll (so das Schreiben vom 16. März 2006).

Soweit weiter auf eine Störung des öffentlichen Friedens oder den Straftatbestand der Volksverhetzung abgestellt wird, die "zu befürchten sind", kann nichts anderes gelten. Das Landratsamt will und wird zukünftig prüfen, ob die Begehung von Straftaten droht. Dass dies hinsichtlich des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB durch das Vorbeiziehen am Friedhof nicht gegeben war, bedarf keiner weiteren Erörterung. Auch dem Landratsamt Wunsiedel im Fichtelgebirge ist klar, dass es sich hier mangels Verwirklichung eines Straftatbestandes um keine sachgerechten Verbotserwägungen handele. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann auf diese Punkte offensichtlich nicht gestützt werden.

Gleiches gilt zuletzt für den Ansatz auf Seite 15 des Verbotsbescheides, bestimmte Straftaten stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit Rechtsextremisten. Auch insoweit ist dem Landratsamt erkennbar bewusst, dass hierauf ein Versammlungsverbot keineswegs gestützt werden kann, so dass auch insoweit eine Wiederholungsgefahr ausscheidet.

Weiter ist hier auszuführen, dass sich aus den Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberfranken vom 1. August 2003 eindeutig ergibt, dass Verbotsgrund im Jahr 2003 allein die mit der Verherrlichung des Nationalsozialismus verbundene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung war. Dies wird ausdrücklich auf Seite 4 des Widerspruchsbescheids herausgestellt. Auf möglicherweise zu erwartende Straftaten wird hier gar nicht mehr eingegangen.

Zudem ist der Senat der Auffassung, dass bei der Frage einer möglichen Wiederholungsgefahr zur Begründung des nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen Feststellungsinteresses wesentlich darauf abzustellen ist, was Schwerpunkt der Begründung der Behördenentscheidung war. Lediglich ergänzende oder ausschmückende Argumente sind nicht geeignet, eine Wiederholungsgefahr zu begründen, wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie an ihrer zentralen Argumentation nicht mehr festhalten möchte.

(6) Zusammenfassend ist das für die nachträgliche Feststellung des Verbots der Versammlung vom Juli 2003 erforderliche Feststellungsinteresse dadurch entfallen, dass die zuständige Behörde verbindlich erklärt hat, an der dem Verbot maßgeblich zu Grunde liegenden Rechtsauffassung nicht mehr festhalten zu wollen. Durch diese Erklärung ist eine Wiederholung des Verbots auf dieser Grundlage nicht mehr zu erwarten.

d) Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für den Kläger kann auch nicht mit einer noch bestehenden Kostenbelastung für ihn geltend gemacht werden.

Der Kläger hat hierzu zunächst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Schriftsatz vom 22. August 2005) vorgetragen, ihm seien im Falle eines Obsiegens Gebühren zu erstatten. Im Verfahren vor dem Senat wird dann geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei aus finanziellen Gründen gerechtfertigt, weil die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens dem Kläger auferlegt worden seien. Trotz der gewonnenen Verfassungsgerichtsentscheidung habe er die Gerichtskosten tragen müssen (zuletzt Schriftsatz vom 13. April 2006).

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verbotsbescheides kann auch im Hinblick auf diese Argumentation nicht angenommen werden. Selbst wenn im vorliegenden Verfahren nämlich festgestellt würde, dass der Verbotsbescheid zu Unrecht ergangen ist, so würde dies an der rechtskräftigen Kostenentscheidung im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren nichts ändern. Die Kosten des erfolglos gestellten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurden dem Kläger ausweislich der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 154 Abs. 1 VwGO auferlegt. Die Beschwerdekosten hatte er nach § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen. Entscheidend hierfür war, dass er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor den Fachgerichten unterlegen ist. Diese Tatsache besteht nach wie vor fort. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. August 2003 (NJW 2003, 3689), ändert hieran nichts, weil sie den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August 2003 weder ausdrücklich aufhob noch für unwirksam erklärte. Dies hat der Senat im Beschluss vom 3. Juni 2004 (24 CE 03.1962 und 24 CS 03.1963) ausführlich dargelegt. Hierauf kann Bezug genommen werden. In gleicher Weise führt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2004 (1 BvR 1450/04) aus: "Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend festgestellt, dass vom Bundesverfassungsgericht über die Beschlüsse des Ausgangsgerichts in der Sache selbst nicht erkannt worden ist."

III.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglos eingelegten Berufung zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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