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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.03.2007
Aktenzeichen: 24 B 06.1894
Rechtsgebiete: VersG, StGB, GG


Vorschriften:

VersG § 15 Abs. 1
StGB § 130 Abs. 4
GG Art. 3
GG Art. 4
GG Art. 5
GG Art. 8
GG Art. 19 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 103 Abs. 2
1. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 130 Abs. 4 StGB.

2. Das Verbot einer rechtsextremen Versammlung zum "Gedenken an Rudolf Heß" in Wunsiedel 2005 war rechtmäßig, da eine Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des § 130 Abs. 4 StGB konkret drohte.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

24 B 06.1894

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Versammlungsrechts;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 09. Mai 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

ohne mündliche Verhandlung am 26. März 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 19.08.2001 meldete der Kläger beim Landratsamt Wunsiedel i. F. eine Veranstaltung unter freiem Himmel in Wunsiedel für den 20. August 2005 in der Zeit von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr mit dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" an. Die Veranstaltung sollte als Marsch durch die Innenstadt von Wunsiedel ohne Mitführen von Fanfaren oder Trommeln mit Ansprachen auf dem Festplatz sowie einem Rahmenprogramm mit Musikdarbietungen durchgeführt werden.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 verbot das Landratsamt Wunsiedel i. F. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Veranstaltung sowie jede Form von Ersatzveranstaltung am 20. August 2005 sowohl unter freiem Himmel als auch in geschlossenen Räumen im Bereich des Stadtgebiets Wunsiedel.

Bei der Durchführung einer Heß-Gedenkkundgebung in Wunsiedel bestehe die konkrete Gefahr der Verwirklichung von Straftaten gemäß § 130 Abs. 4 StGB. Sowohl der Versammlungsleiter selbst als auch der zu erwartende Teilnehmerkreis ließen angesichts des Versammlungsthemas unmittelbar den Schluss zu, dass im Rahmen dieser Versammlung eine Verherrlichung oder Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erfolgen werde. Es sei in der Regel davon auszugehen, dass das Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen den Achtungsanspruch sowie die Menschenwürde der Opfer verletze. Die Verherrlichung und Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft lasse eine Störung des öffentlichen Friedens erwarten. Auf die Begründung des Bescheids im einzelnen wird verwiesen.

Der Kläger erhob gegen den Bescheid am 11. Juli 2005 Widerspruch. Sein Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, blieb erfolglos (VG Bayreuth vom 25.7.2005 Az. B 1 S 05.634; BayVGH vom 10. August 2005 BayVBl. 2005, 755; BVerfG vom 16. August 2005 NJW 2005, 3204).

Am 23. August 2005 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag festzustellen, dass der Verbotsbescheid des Landratsamts Wunsiedel vom 29. Juni 2005 rechtswidrig war. Die Regierung von Oberfranken hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2005 zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Feststellungsklage des Klägers mit Urteil vom 9. Mai 2006 abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die mit Beschluss des Senats vom 1. September 2006 zugelassene Berufung. Der Kläger macht geltend, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gegen Art. 3, 4, 5 und 8 GG verstoße. Wenn irgendeine Person im Dritten Reich wie Rudolf Heß geehrt werden solle, erfülle dies nicht den Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB. Eine andere Auffassung führte dazu, dass letztlich jede billigende Äußerung zu irgendwelchen Maßnahmen des Dritten Reichs strafbar wäre. Eine so weitgehende Auslegung sei weder mit dem Grundgesetz noch mit der Europäischen Konvention der Menschenrechte vereinbar. § 130 Abs. 4 StGB sei verfassungswidrig. Er verstoße gegen Art. 3 GG, weil die kommunistische Gewalt- und Willkürherrschaft nicht unter Strafe gestellt sei. Es handele sich mithin um ein Maßnahmegesetz aus politischen Gründen. Unter Verweis auf die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung wurde vorgetragen, dass eine Störung des öffentlichen Friedens nicht vorliege, wenn anders Denkende sich berührt fühlten. Ob und wie viele Gegendemonstrationen angemeldet worden seien, sei gleichgültig. Einen belagerungsähnlichen Zustand habe es in Wunsiedel nie gegeben. Dass es irgendeine "beängstigende und einschüchternde" Stimmung nie gegeben habe, werde schon daraus ersichtlich, dass sich 2004 der Bürgermeister und einige andere Wunsiedler vor den marschierenden Demonstrationszug von ca. 5.000 Personen gesetzt hätten. Wenn sie so "verängstigt und eingeschüchtert" gewesen wären, hätten sie nicht diese Nötigung und diesen Verstoß gegen das Versammlungsrecht begangen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbegründung enthalte trotz der Belehrung im Beschluss des Senats vom 1. September 2006 entgegen § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht den erforderlichen Antrag. Die angefochtene Entscheidung gehe zu Recht davon aus, dass das auf § 15 Abs. 1 VersG i.V.m. § 130 Abs. 4 StGB gestützte Versammlungsverbot nicht zu beanstanden sei. § 130 Abs. 4 StGB sei formell und materiell verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe öffentliche positive Werturteile zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft in der in § 130 Abs. 4 StGB beschriebenen Weise unterbinden und zu strafwürdigem Unrecht erklären wollen. Dabei habe er die Heß-Aufmärsche als besonderen Beispielsfall betrachtet. Der Bundesgerichtshof habe im Urteil vom 10.4.2002 (BGHSt 47, 278), das die Verurteilung des Klägers wegen Leugnung des Völkermords an den Juden in einem Beweisantrag zum Gegenstand gehabt habe, zu § 130 Abs. 3 StGB ausgeführt, vor dem Hintergrund der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands erscheine als Reaktion auf jenes nach Begehungsweise, Motivation und Ausmaß alle historischen Dimensionen sprengende Verbrechensgeschehen allein die Einsicht und der unbedingte Wille angemessen, jegliche Gefahr eines Wiederaufkeimens seiner Ursachen zu bannen. Jede - zumal öffentliche - Kundgabe einer Einstellung, die im diametralen Gegensatz hierzu stehe, könne weiterhin nicht nur berechtigte Empörung auslösen, sondern auch verständliche Angst vor gefährlicher Ausbreitung solcher Uneinsichtigkeit, die zudem eine nachhaltige Beschädigung eines nur mühsam wiederherstellbaren internationalen Ansehens zur Folge haben könne. Diese Erwägungen gälten für § 130 Abs. 4 StGB in gleichem Maße und rechtfertigten insbesondere im Hinblick auf die Einmaligkeit und die Dimension des unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft geschehenen Unrechts den Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Der Tatbestand der Verherrlichung bzw. Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft sei erfüllt, weil die Person Heß, die geehrt oder derer gedacht werden solle, nicht aus ihrem historischen Kontext und ihrer besonderen historischen Bedeutung herausgelöst werden könne. Auf die Ausführungen zur Person von Rudolf Heß wird Bezug genommen. Bei der Beurteilung der Frage, ob im Falle der Durchführung der Veranstaltung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder zumindest gebilligt worden wäre, komme auch der Person des Klägers als Anmelder der Versammlung entscheidende Bedeutung zu. Insoweit werde eine Zusammenfassung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz vorgelegt. Insbesondere sei der kürzlich in die NPD eingetretene Kläger seit langem Leiter der Gruppierung "Die Artgemeinschaft - Germanische - Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Gestaltung e.V.", die völkisch-rassistisches und antisemitisches Gedankengut vertrete. Des weiteren habe er 2005 in einem Interview Adolf Hitler als "größten deutschen Staatsmann" bezeichnet. Der Kläger, der einen rassistisch motivierten Anschlag Rechtsradikaler auf einen Bürger in Brandenburg in einer Fernsehsendung am 10. August 2006 verharmlost habe, sei außer wegen Volksverhetzung zuletzt am 12. Oktober 2006 wegen Bedrohung eines Journalisten zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Soweit der Kläger darzustellen versuche, dass Heß nur in Einzelaspekten geehrt werden solle, sein übriges Verhalten jedoch völlig ausgeblendet werde, sei eine solche künstliche Aufspaltung rabulistisch, zumal sich der Kläger in keiner Weise kritisch zur Mitverantwortung von Heß an den durch die NS-Diktatur begangenen Menschenrechtsverletzungen geäußert oder sich hiervon gar distanziert habe. Für die Frage des Versammlungsverbots sei auch auf die besondere Symbolkraft des Heß-Gedenkmarsches hinzuweisen. Der öffentliche Friede sei gestört, weil der Umstand, dass die Veranstaltung bis 2004 nicht habe unterbunden werden können, stets erheblichen Unmut und Empörung insbesondere in der betroffenen Region wie auch bei Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ihren Nachkommen hervorgerufen habe. Gerade in einer Zeit, in der rechtsextremistische Straftaten zunähmen und in der rechtsextremistische Parteien in einigen Bundesländern erschreckende Wahlerfolge erzielten, fühlten sich die Opfer und ihre Nachfahren erneut verunsichert, wenn Gesinnungsnachfolger der für die Schreckenstaten Verantwortlichen wie in Wunsiedel bis 2004 unbehelligt aufmarschieren könnten, um zu Tausenden einen führenden Repräsentanten des nationalsozialistischen Unrechtsstaates zu ehren und hierdurch das Dritte Reich zu glorifizieren. Durch die Veranstaltung wäre die Würde der Opfer des Nationalsozialismus verletzt worden. Zu diesen zählten in erster Linie die Opfer des Holocaust, die Opfer des Zweiten Weltkriegs im In- und Ausland, politisch Andersdenkende und Oppositionelle, ethnische und religiöse Minderheiten sowie Opfer von Euthanasie in Deutschland und den besetzten Gebieten. Ihre Würde bestehe in ihrem Ansehen als Opfer der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Sie verlange Schutz gegen Herabsetzung und Entehrung ihres Ansehens. Die vorgesehene Gedenkveranstaltung diene dazu, Heß als Opfer und nicht als Täter darzustellen. Durch die Ehrung eines hohen Repräsentanten und Hauptverantwortlichen für die Verbrechen des Nationalsozialismus werde das Täter-Opfer-Verhältnis auf den Kopf gestellt.

Es bestehe Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Der Kläger hat sich zur Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 18. Januar 2007 geäußert und sich ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf den Inhalt des Schriftsatzes im übrigen wird verwiesen, ebenso auf die Schriftsätze des Beklagten vom 25.1., 29.1., 5.2., 12.2. und 19.3.2007 und des Klägers vom 30.1.2007 und 15.3.2007.

Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten, der Gerichtsakten beider Instanzen sowie des Verfahrens 24 CS 05.2053.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Die Berufung ist zulässig. Nach § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Hier hat der Kläger keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt. Daraus ergibt sich indes nicht die Unzulässigkeit der Berufung. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt nicht, dass zwingend ein ausdrücklicher Antrag gestellt wird. Dem Antragserfordernis wird regelmäßig auch entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will (BVerwG vom 9.3.2005 NVwZ 2005, 821 m.w.N.). Es genügt, wenn das Ziel des Rechtsmittels aus der Tatsache seiner Einlegung allein oder in Verbindung mit den während der Begründungsfrist abgegebenen Erklärungen erkennbar ist. So wird, wenn die vollständige Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils beantragt wird, meist auch mit Blick auf die Gründe hinreichend deutlich sein, dass der vom Verwaltungsgericht abgewiesene Sachantrag in vollem Umfang weiterverfolgt wird (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, RdNr. 25 zu § 124a; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, RdNr. 94 zu § 124a).

In der Berufungsbegründung bezeichnet der Kläger das angefochtene Urteil als verfassungswidrig, begehrt also dessen uneingeschränkte Aufhebung. Er führt aus, dass das Versammlungsverbot nicht auf § 130 Abs. 4 StGB gestützt werden könne, hält demnach an seinem Klageantrag aus der ersten Instanz in vollem Umfang fest. Danach begehrt der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots vom 29. Juni 2005.

2. Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots zu Recht als zwar - wegen Wiederholungsgefahr - zulässig, aber nicht begründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage des Versammlungsverbots ist § 15 Abs. 1 VersG. Danach kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf ein Versammlungsverbot nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter, die der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG zumindest gleichwertig sind, und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen. Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung, d.h. von ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird, rechtfertigt demgegenüber im allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht (BVerfG vom 26.1.2001 NJW 2001, 1409/1410; BVerfG vom 14.5.1985 = BVerfGE 69, 315/352 f.). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wird in der Regel angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfGE 69, 315/352).

Der Beklagte hat das Versammlungsverbot darauf gestützt, dass bei der Durchführung einer Heß-Gedenkkundgebung am 20. August 2005 die konkrete Gefahr der Verwirklichung von Straftaten nach § 130 Abs. 4 StGB bestehe. Nach § 130 Abs. 4 StGB macht sich strafbar, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

a) Der Senat hegt gegen § 130 Abs. 4 StGB keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) § 130 Abs. 4 StGB ist mit Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 GG vereinbar.

Die Bestimmung knüpft an eine Meinungsäußerung an, weil die Tathandlung des Billigens, Verherrlichens oder Rechtfertigens regelmäßig über das Aufstellen bloßer (bewusst oder erwiesen unwahrer) Tatsachenbehauptungen hinausgehen wird (vgl. BVerfG vom 13.4.1994 BVerfGE 90, 241/247 sowie BVerfG vom 11.1.1994 BVerfGE 90, 1/15). Staatliche Beschränkungen des Inhalts und der Form einer Meinungsäußerung betreffen den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Ihre Rechtfertigung finden sie, auch wenn die Äußerung in einer oder durch eine Versammlung erfolgt, in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG. Demgegenüber schützt Art. 8 Abs. 1 GG die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammenzukommen. Der Schutzbereich dieser Grundrechtsnorm ist betroffen, wenn eine Versammlung verboten oder aufgelöst oder die Art und Weise ihrer Durchführung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird. Die in den Absätzen 2 von Art. 5 und Art. 8 GG enthaltenen Schranken sind auf die jeweiligen Schutzbereiche der betroffenen Grundrechtsnorm bezogen. Der Inhalt einer Meinungsäußerung, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann daher auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken (vgl. zum Ganzen BVerfG vom 23.6.2004 BVerfGE 111, 147/154 f. m.w.N.).

Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen kommt zum einen im Rahmen der allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht. Dies sind Gesetze, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann. Soweit Rechtsnormen auslegungsbedürftig sind, darf die Auslegung nicht zur Außerachtlassung des Schutzgehalts von Art. 5 Abs. 1 GG führen (vgl. BVerfGE 111, 147/155 m.w.N.).

Zwar wird der Begriff des allgemeinen Gesetzes von Hoffmann-Riem (in: AK-GG, RdNr. 48 zu Art. 5) auf alle Rechtsnormen bezogen, die dem Schutz eines Grundrechts oder eines sonstigen in der Verfassungsordnung anerkennensfähigen Rechtsguts dienen. Dieses Rechtsgut müsse in der Rechtsordnung unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungen oder auf andere Weise gefährdet werde. Die von diesem Gesetz ausgehenden Folgen für die Kommunikationsfreiheit würden erst im Zuge der Rechtmäßigkeitsprüfung besehen und anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bewertet. Danach könnten allgemeine Gesetze auch solche sein, die Meinungen beschränken oder gar bestimmte Meinungen untersagen.

Unter Respektierung des auf die Meinungsneutralität abstellenden ersten Teils der oben zitierten Rechtsprechungsformel, die die auf formale Kriterien abstellende Sonderrechtslehre mit der eher nach materialen Kriterien argumentierenden Ansicht kombiniert (Schulze-Fielitz in Dreier [Hrsg.], Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 1996, RdNr. 108 ff. zu Art. 5), wird man § 130 Abs. 4 StGB nicht als allgemeines Gesetz im Sinn des Art. 5 Abs. 2 GG ansehen können (ebenso Poscher, Innenausschuss A-Drs. 15(4)194 A, S. 3; Enders/Lange JZ 2006,105/109; a.A. Schulz in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 21).

Anders als die Schranke des allgemeinen Gesetzes erlaubt die Schranke der persönlichen Ehre ehrbeeinträchtigende Äußerungen wegen ihres Inhalts zu verbieten (Poscher NJW 2005, 1316 sowie in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 17; vgl. auch S. 36). Der Bezug zum Ehrschutz als Schranke auch der kollektiven Meinungsfreiheit wird durch das Tatbestandsmerkmal "in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise" hergestellt (Poscher NJW 2005, 1316/1318). Diese Qualifizierung verdeutlicht, dass nur eine Handlung tatbestandsmäßig ist, die den Achtungsanspruch der Opfer der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft angreift (BT-Drucks. 15/5051 S. 5). Mit Opfer sind dabei mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und entgegen der Auffassung der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drucks. 15/5051 S. 6) und Enders/Lange (JZ 2006, 105/109) nicht nur Verstorbene gemeint (vgl. § 1 Opferentschädigungsgesetz). Das Recht der persönlichen Ehre der lebenden Verfolgten der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1. Abs. 1 GG ist eines der Schutzgüter des § 130 Abs. 4 StGB (vgl. Enders/Lange JZ 2006, 105/108). Die sich aus diesem ehrschützenden Gesetz ergebende Grenze der Meinungsfreiheit muss ihrerseits im Licht dieses Grundrechts gesehen werden, um der Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit im freiheitlich demokratischen Staat gerecht zu werden (vgl. BVerfG vom 3.12.1985 BVerfGE 71, 206/214; vom 15.1.1958 BVerfGE 7, 198/208). Das Recht der persönlichen Ehre der lebenden Verfolgten der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft setzt der Meinungsäußerungsfreiheit indes auch unter Beachtung ihrer Wechselwirkung eine verhältnismäßige Schranke, weil der Gesetzgeber mit dem zugleich geschützten Rechtsgut des öffentlichen Friedens an die verfassungsrechtlich anerkannten Beschränkungen der Versammlungsfreiheit anknüpft. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in der Entscheidung vom 23. Juni 2004 (BVerfGE 111, 147/157 m.w.N.) ausgeführt, dass Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich sind, "die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann auch verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert." Dass § 130 Abs. 4 StGB als Straftat gegen die öffentliche Ordnung verschiedenartige Rechtsgüter, Individualrechtsgüter und überindividuelle Rechtsgüter, schützt, ist für den siebten Abschnitt des Strafgesetzbuchs insgesamt kennzeichnend (vgl. Lenckner in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, Vorbemerkung zu den §§ 123 ff.).

Schranken der Meinungsfreiheit können sich auch aus kollidierenden Grundrechten und damit aus der Verfassung selbst ergeben. Soweit verfassungsunmittelbare Schranken von Grundrechten anzuerkennen sind, ermöglichen sie zwar Freiheitsbeschränkungen; ihre Konkretisierung aber unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie bedürfen daher einer gesetzlichen Grundlage (BVerfGE 111, 147/157 f. m.w.N.). Im Anschluss hieran hat Höfling (in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 40) eine an einer Würdeverletzung von Opfern ansetzenden strafrechtliche und/oder versammlungsrechtliche Regelung für unproblematisch gehalten. Die Konkordanzentscheidung, die der Gesetzgeber mit § 130 Abs. 4 StGB zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitenden Ehrenschutz der lebenden Opfer des Nationalsozialismus sowie dem den verstorbenen Opfern aus Art. 1 Abs. 1 GG zukommenden Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts (BVerfG vom 24.2.1971 BVerfGE 30, 173/194; vom 5.4.2001 NJW 2001, 2957/2958 f.) getroffen hat, indem er zugrunde gelegt hat, dass die unwürdige Behandlung dieser Personengruppen die Rechte ihrer einzelnen Mitglieder verletzt, ist nicht zu beanstanden.

Ob § 130 Abs. 4 StGB als Recht der persönlichen Ehre im Sinn des Art. 5 Abs. 2 GG oder als durch den Gesetzgeber ausgestaltete verfassungsimmanente Schranke der Meinungsfreiheit anzusehen ist, kann dahinstehen.

bb) Allein die vom Kläger nicht begründete Behauptung, das angefochtene Urteil und damit wohl auch die zugrunde gelegte Norm des § 130 Abs. 4 StGB verstoße gegen Art. 4 GG, eröffnet nicht den Schutzbereich dieses Grundrechts (BVerfGE 83, 341/353; Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, RdNr. 13 zu Art. 4). Dem Senat ist auch nicht ersichtlich, worin die behauptete "Behinderung weltanschaulicher Bekenntnisse" (S. 2 des Berufungszulassungsantrags) liegen soll. Religion und Weltanschauung liegt eine Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft bzw. zum Ziel menschlichen Lebens zugrunde. Sie bestimmen die Ziele des Menschen, sprechen in ihrem Kern seine Persönlichkeit an und erklären auf eine umfassende Weise den Sinn der Welt und des menschlichen Lebens. Neben weiterem liegt sowohl der Religion wie der Weltanschauung eine Gewissensentscheidung zugrunde. Aus einer Weltanschauung ergeben sich für ihren Anhänger bindende Verpflichtungen, von denen er nicht ohne ernste Gewissensnot abweichen kann (vgl. Jarass/Pieroth, a.a.O, RdNr. 8 zu Art. 4). Äußerungen, die sich auf geschichtliche Vorgänge während der Zeit des Dritten Reichs und die Inhaftierung von Rudolf Heß beziehen, beinhalten weder eine Sinndeutung von Mensch und Welt noch subjektiv bindende Verpflichtungen.

Jedenfalls durfte der Gesetzgeber die Konkurrenz zwischen der "rechten, nationalen und sozialistischen" Gesinnung, wie sie unter anderem der Kläger vertritt, und den Grundrechten Dritter (dem Recht der persönlichen Ehre der lebenden Opfer des Nationalsozialismus als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie der den verstorbenen Opfern aus Art. 1 Abs. 1 GG zukommende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts) zugunsten letzterer entscheiden.

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 130 Abs. 4 StGB nicht gegen Art. 3 Abs. 1, 3 GG. Der Gesetzgeber durfte den Tatbestand auf die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft beschränken. Als sachlicher Differenzierungsgrund kann angeführt werden, dass nicht bei jeder als Völkermord erachteten Verfolgungsmaßnahme ein so enger Zusammenhang mit der kollektiven Identitätsbildung und der persönlichen Ehre der Betroffenen angenommen werden kann wie der, der als Rechtfertigung der Kriminalisierung des Leugnens oder Verharmlosens der nationalsozialistischen Völkermorde in der Rechtsprechung anerkannt ist (Poscher NJW 2005, 1316/1317 unter Hinweis auf BVerfG NJW 1993, 916/917, BVerfGE 90, 241/251 und BGHZ 75, 160/163; derselbe in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 37). Einwände gegen die gesetzgeberische Prärogative, dass die Gefahr einer öffentlichen Friedensstörung, die zugleich die Würde der Opfer verletzt, nur von derartigen Versammlungen ausgeht, sind nicht ersichtlich. Leist (NVwZ 2005, 500/502) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Opfer des DDR-Systems zwar nicht so behandelt würden, wie sie es erwarteten oder verdienten, eine systematische öffentliche Missachtung ihrer Würde erfolge jedoch nicht durch ihre Gegner. Zum anderen könne man auch mit dem Ausmaß des jeweils ausgeübten Terrors argumentieren.

dd) Es liegt kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG vor. Die Vorschrift verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestands nicht absehen lässt, auf wieviele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist. Dass der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln. Die abstrakt-generelle Formulierung darf mithin nicht zur Verschleierung einer einzelfallbezogenen Regelung dienen (vgl. zum Ganzen BVerfG vom 2.3.1999 BVerfGE 99, 367/400 m.w.N.).

Dies ist indes nicht der Fall. Es lässt sich eine Vielzahl von Anwendungsfällen des § 130 Abs. 4 StGB denken. Die Rudolf-Heß-Gedenkveranstaltung in Wunsiedel ist schon gegenwärtig nicht der einzige Anwendungsfall der Vorschrift (vgl. z.B. VG Karlsruhe vom 22.3.2006 Az. 11 K 632/06 - JURIS; VG Köln vom 9.11.2005 Az. 20 L 1794/05 - JURIS). Maßnahmegesetze, die einen konkreten Fall zum Anlass haben, sind durchaus zulässig.

ee) Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht verletzt. Diese Bestimmung verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten im voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt gefällt wird. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt. Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maß der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar (vgl. zum Ganzen BVerfG vom 10.1.1995 BVerfGE 92, 1/11 f. und vom 20.10.1992 BVerfGE 87, 209/223 f.).

Die Tathandlungen müssen sich auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft beziehen, wodurch der Gesetzgeber die Wortwahl des § 194 StGB aufgegriffen hat. Eine Gewalt- und Willkürherrschaft ist ein Herrschaftssystem, das sich über elementare Menschenrechte hinwegsetzt. Die Tathandlung muss sich nicht auf die Gewalt- und Willkürherrschaft insgesamt beziehen, eine entsprechende Bezugnahme auf Einzelmaßnahmen wie etwa KZ-Inhaftierung, Deportation oder Diskriminierung auf Grund von Rasse oder Weltanschauung oder Ausbeutung bis hin zur Vernichtung durch Arbeit genügt, mögen diese auch unter dem Deckmantel der Legalität (z.B. der "Nürnberger Gesetze") erfolgt sein (Lenkner in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage 2006, RdNr. 22b zu § 130 und RdNr. 5 zu § 194).

Die Frage, ob eine Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft darüber hinausgehend schon darin gesehen werden kann, dass einzelne Verantwortungsträger als Symbolfiguren hervorgehoben werden, ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu bejahen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/5051 S. 5) wird hierzu ausgeführt, dass sich der Begriff des Verherrlichens bereits in § 131 Abs. 1 StGB finde. Er erfasse daher das Berühmen der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft als etwas Großartiges, Imponierendes oder Heldenhaftes. Darunter sei nicht nur die direkte Glorifizierung der Unrechtshandlungen der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft zu verstehen, sondern es reiche aus, wenn das Dargestellte in einen positiven Bewertungszusammenhang gestellt werde oder in der Schilderung der Unrechtshandlungen und ihrer Verantwortungsträger entsprechende positive Wertakzente gesetzt würden. Dies könne sich zum Beispiel darin ausdrücken, dass ein Verantwortungsträger oder eine Symbolfigur des NS-Regimes angepriesen oder in besonderer Weise hervorgehoben werde. Dieser Wille des historischen Gesetzgebers (sog. subjektiv-historische Methode) ist angesichts des bislang nur kurzen Zeitablaufs mit der objektiv-teleologischen Auslegungsmethode identisch. Auch der grammatikalisch mögliche Wortsinn wird damit nicht überstrapaziert (a.A. wohl Graf in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 11), weil Herrschaft stets von Menschen getragen und Diktatur stets in besonderer Weise personal geprägt ist. Die Abgrenzung zwischen der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft und sonstigen staatlichen Maßnahmen dieser Zeit mag im einzelnen schwer zu bestimmen sein (Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage 2007, RdNr. 34 zu § 130); das Merkmal wird indes auf einen dem Bestimmtheitsgrundsatz genügenden Kern reduziert, wenn eine Symbolfigur an einer der Gewalt- und Willkürherrschaft zuzurechnenden Maßnahme beteiligt war. Diese muss dann in der Versammlung nicht ausdrücklich angesprochen werden. Anders wäre es unter systematischen Gesichtspunkten kaum zu verstehen, dass trotz tatsächlich eingetretener Friedensstörung die Strafandrohung des § 130 Abs. 4 StGB deutlich hinter § 130 Abs. 3 StGB zurückbleibt, der demgegenüber nur die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens verlangt.

Gerade die auf Anregung von Nack (in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses, Protokoll Nr. 15/56 S. 16 sowie Innenausschuss A-Drs. 15(4)194 B S. 3) erfolgte Ausgestaltung als Erfolgsdelikt wirkt der befürchteten uferlosen Ausdehnung des Tatbestands entgegen (a.A. Bertrams , NJW 2005, 1476/1478: "Die Bundesjustizministerin selbst nämlich hat den Willen des Gesetzgebers mit ihren oben zitierten und anderen Auslegungshinweisen zu Protokoll gegeben, die fast beliebige Reisen ins Blaue legitimieren würden."). Der öffentliche Friede ist gestört, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird (BGH vom 2.4.1987 BGHSt 34, 329 zu § 126 Abs. 1 StGB sowie vom 22.12.2004 NJW 2005, 689/691 zu § 130 StGB a.F.), die Äußerung "auf die Betroffenen als Ausdruck unerträglicher Missachtung wirkt (BT-Dr. 9/2090, S. 8)" (BGH NJW 2005, 689/691) oder wenn potenzielle Täter durch Schaffung eines "psychischen Klimas" aufgehetzt werden (BGHSt 34, 329). Eine strafrechtliche Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 130 Abs. 4 StGB setzt auf den Fall bezogene Feststellungen dazu voraus, dass eine Störung des öffentlichen Friedens tatsächlich eingetreten ist. (BVerfG vom 16.4.2005 BayVBl. 2005, 594/595). Damit ist klargestellt, dass dem Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Friedensstörung effektive strafrechtsbegrenzende Wirkung zukommt; es genügt ersichtlich nicht, ohne Abgrenzung zwischen Gefährdung und Verletzung des Rechtsguts sich darauf zu beschränken, in bisher festgestellten Gefährdungen nun vollendete Störungen des öffentlichen Friedens zu erblicken (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., RdNr. 14a zu § 130 StGB).

Nach Auffassung des Senats ist das Risiko einer Bestrafung für Veranstalter derartiger Demonstrationen jedenfalls erkennbar.

b) Eine auf den Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB bezogene Gefahr für die öffentliche Sicherheit lag vor, weil eine Störung des öffentlichen Friedens in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise, die dadurch erfolgt, dass die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt wird, konkret drohte. Die Strafnorm des § 130 Abs. 4 StGB ist als sogenanntes Erfolgsdelikt mit drei Tatbestandsmerkmalen ausgestaltet; eine Strafbarkeit entfällt schon dann, wenn eines dieser Merkmale nicht erfüllt ist (BVerfG vom 16.4.2005 BayVBl. 2005, 594/595). Die Versammlungsbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Erfüllung aller drei Tatbestandsmerkmale zu rechnen war, falls die Heß-Gedenkveranstaltung 2005 abgehalten worden wäre.

aa) Das Tatbestandsmerkmal der Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft sieht der Senat als erfüllt an, da das Gedenken an Rudolf Heß bei der angemeldeten Versammlung erkennbar nur ein Vorwand ist, um in Wirklichkeit das Gedankengut des Nationalsozialismus zu verbreiten (Scheidler, KommunalPraxis BY 2005, 204/206; ders. BayVBl 2005, 453/457 f.; a.A. Leist, NVwZ 2005, 500/503, BayVBl 2005, 234). Das ergibt sich auch daraus, dass nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Jahr 2005 direkt unter dem Internetaufruf zur "Gedenkveranstaltung am 20. August in Wunsiedel" unter http://www.widerstandnord.com/wunsiedel als "aktuelles Thema" von "Initiative ergreifen für ein nationales und sozialistisches Deutschland" die Rede gewesen ist. Wie sich auch aus den Schriftsätzen des Klägers immer wieder ergibt, soll letztendlich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - in sublimer Art und Weise das Unrecht des Dritten Reichs insgesamt verharmlost und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft gebilligt werden. Rudolf Heß dient sozusagen als "Aufhänger", um über seine Person die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft in ein positives Licht zu rücken und die damaligen Hauptbeteiligten - neben Rudolf Heß vor allem auch Adolf Hitler - als harmlos und auf Friedensstiftung bedacht anzusehen (vgl. hierzu Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung S. 4, Bl. 29 der VGH-Gerichtsakte sowie den Hinweis des Beklagten, dass Hitler sein "Friedensangebot" bereits in einer Rede vor dem Berliner Sportpalast am 4.9.1940 als erledigt bezeichnete, Bl. 51 der VGH-Gerichtsakte). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht insoweit hervorgehoben, dass Hess seinen Flug nach Großbritannien in Kenntnis des bevorstehenden Angriffs auf die Sowjetunion unternommen hat und nur Frieden mit England geschlossen werden sollte, um durch Vermeidung eines Zweifrontenkriegs diesen Angriff auf die Sowjetunion abzusichern.

Rudolf Heß war seit 1921 Mitglied der NSDAP, nahm 1923 am Hitlerputsch teil und half in der Festungshaft in Landsberg bei der Abfassung von "Mein Kampf". Als "Stellvertreter des Führers" in der Parteiführung, Minister ohne Geschäftsbereich, Mitglied des geheimen Kabinettsrates und Ministerrats für Reichsverteidigung war er am Aufbau des nationalsozialistischen Führerstaats und an der Entwicklung seiner aggressiven Außenpolitik in führender Stellung beteiligt. Am 1. September 1939 bestimmte ihn Hitler zu seinem - in der Rangfolge - zweiten Nachfolger (dtv-lexikon, 1995, Bd. 8, S. 90). Es handelt sich bei Heß nicht wie vom Kläger behauptet um "irgendeine Person im Dritten Reich", sondern um einen führenden Repräsentanten des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, der an der Gewalt- und Willkürherrschaft zuzurechnenden Maßnahmen beteiligt war. Über ihn fanden die geopolitischen Thesen seines Lehrers Haushofer vom "Lebensraum im Osten" Eingang in den außenpolitischen Teil von "Mein Kampf" (Knopp, Hitlers Helfer, München 1996, S. 205 f., 213 f.), er war überzeugter Antisemit und Mitunterzeichner des "Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre", das auf dem Reichsparteitag in Nürnberg am 15. September 1935 verabschiedet wurde (RGBl I S. 1146) und dessen Ausführungsbestimmungen von seiner Zustimmung abhängig waren (vgl. § 6). Mit seinem Stab war er organisatorisch an Aktionen der Judenverfolgung und an der rechtsförmigen Ausgestaltung ihrer Diskriminierung und Verfolgung beteiligt. Nach der Besetzung und Aufteilung Polens war er mit der Einführung des Zivil- und Strafrechts in den neu geschaffenen Reichsgauen Danzig-Westpreußen und Wartheland befasst. Dabei verfolgte seine Dienststelle das Ziel einer möglichst weitgehenden Trennung von Polen und Deutschen sowie die Schaffung eines rassistischen Sonderrechts. Heß protestierte mit Erfolg gegen die Einführung des deutschen Strafrechts in den eingegliederten Ostgebieten. Als Resultat des Einspruchs vom November 1940, bei der Festlegung der Strafmittel müsse "die Unempfindlichkeit des Polen gegenüber Gefängnisstrafen in der gegenwärtigen Form beachtet werden" und deshalb neben der Todesstrafe auch die Prügelstrafe vorgeschlagen worden war, wurde 1941 die Verordnung über die "Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten" erlassen. Sie sah unter anderem die Todesstrafe vor, wenn Polen oder Juden eine Gewalttat gegen einen Deutschen "wegen seiner Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum" begehen. Damit konnte die Ohrfeige für einen deutschen Polizeibeamten mit dem Todesurteil geahndet werden (Kohlstruck, Fundamentaloppositionelle Geschichtspolitik. Rechtsextreme als Akteure und Rezipienten der Mythologisierung von Rudolf Heß, Vorabdruck in der Behördenakte, S. 2 unter Berufung auf Bundesminister der Justiz [Hrsg.]: Im Namen des Volkes. Justiz und Nationalsozialismus, Köln 1989 S. 225 - 227). Er hatte auch Kenntnis vom systematischen Mord an geistig kranken Patienten im Rahmen des "Euthanasieprogramms" (Knopp, a.a.O., S. 232).

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass bereits das Motto der geplanten Veranstaltung im Jahr 2005 "Seine Ehre galt ihm mehr als die Freiheit" eindeutig auf die starre, uneinsichtige Haltung von Rudolf Heß hinwies, der in seinem Schlusswort im Nürnberger Prozess erklärte, dass er nichts bereue, dass er stolz sei, "viele Jahre unter dem größten Sohne zu wirken, den mein Volk in seiner tausendjährigen Geschichte hervorgebracht hat" und der in Kenntnis der Gräueltaten bis zu seinem Tod keine Einsicht gezeigt habe. Wer Heß, der vom nationalsozialistischen Gedankengut nicht abgerückt ist, im Zusammenhang mit seinem Todestag und seiner Begräbnisstätte verehren will, ihn als "Friedensflieger" und "Märtyrer" glorifiziert, billigt oder verherrlicht die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft.

bb) Wäre die verbotene Versammlung abgehalten worden, wäre auch das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Würde der Opfer erfüllt worden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 15/5051 S. 5) kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen der die NS-Gewalt- und Willkürherrschaft kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen den Achtungsanspruch sowie die Menschenwürde der Opfer verletzt. Dies gilt auch dann, wenn die Menschenrechtsverletzungen in der Versammlung nicht ausdrücklich in Bezug genommen werden (ebenso Tröndle/Fischer, a.a.O., § 130 RdNr. 38). Im konkreten Fall stellt es eine regelrechte Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus dar, wenn - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Kläger Rudolf XX als Opfer hinstellt, der rechtswidrig festgehalten, verurteilt und ermordet worden sei, obwohl er wegen seiner Verdienste um den Frieden "den Friedensnobelpreis viel mehr als sämtliche anderen Preisträger verdient gehabt hätte" (S. 8 des Schriftsatzes vom 8.7.2005). In der Antragsschrift vom 17. Juli 2006 (S. 7) an das Verwaltungsgericht wurde ausgeführt: "In der Tat hat Heß sehr viel mehr riskiert und sehr viel stärker gelitten als alle Personen, die den Friedensnobelpreis sonst bekommen haben. Ich betrachte ihn deshalb in der Tat auch als Helden" (vgl. BayVGH vom 10.8.2006 BayVBl. 2006, 760/761). In der Berufungsbegründung (VGH-Akte Bl. 42) heißt es: "...diese beispielslose Verhöhnung des Menschenrechtes, die an Heß vorgenommen wurde, weswegen er verschiedentlich zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, rechtfertigt seine Ehrung". Einen hohen Repräsentanten der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, dessen Handeln keinerlei friedensstiftende Wirkung hatte, auch nur annäherungsweise mit einem Friedensnobelpreisträger in Verbindung zu bringen, ist ein Schlag in das Gesicht der Opfer, zumal es außer jeder Relation steht, wegen Haftdauer und -bedingungen bei Heß von einer beispiellosen Menschenrechtsverletzung zu sprechen. Sämtliche Verfolgten des NS-Systems, die von Gewalt- oder Willkürmaßnahmen betroffen waren, müssen sich durch diese Äußerungen in ihrer Würde erheblich verletzt fühlen. Der Kläger übersieht geflissentlich, dass Rudolf Heß nicht nachweislich uneigennützig für den Frieden gehandelt hat, sondern ganz offensichtlich allein für die von ihm unterstützte Gewaltherrschaft Hitlers. Den ausschließlich regimekonform handelnden Rudolf Heß als Helden darzustellen und die zahlreichen Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft darüber völlig zu vergessen, verletzt die Würde der Opfer.

cc) Als Grundlage eines Versammlungsverbots nach § 15 Abs. 1 VersG kommt eine durch die bevorstehende Verwirklichung des § 130 Abs. 4 StGB ausgelöste Gefahr für die öffentliche Sicherheit nur in Betracht, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass der öffentliche Frieden tatsächlich gestört werden wird (BVerfG vom 16.4.2005 BayVBl. 2005, 594).

Der öffentliche Friede ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zu ähnlichen Formulierungen in anderen Strafvorschriften) gestört, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potenzielle Täter durch Schaffung eines "psychischen Klimas" aufgehetzt werden (BGH vom 2.4.1987 BGHSt 34, 329 zu § 126 Abs. 1 StGB). In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 1999 (NJW 1999, 1561) ist die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens für die Darbietung des Liedes "Hängt Adolf Hitler den Nobelpreis um" festgestellt. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 22. Dezember 2004 (NJW 2005, 689/691 zu § 130 StGB a.F.), die sich mit einer Äußerung im Zusammenhang mit Auschwitz befasste, dargelegt:

"Gestört ist der öffentliche Frieden unter anderem dann, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird, die Äußerung 'auf die Betroffenen als Ausdruck unerträglicher Missachtung wirkt'. Geeignetheit zur Friedensstörung liegt nach dem Sinn des Gesetzes aber nur dann vor, wenn die Äußerung vernünftigerweise eine der angeführten Reaktionen erwarten lassen muss."

Dies wurde in der Entscheidung unter Hinweis auf scharfe Angriffe von Journalisten in der Presse und die Reaktion einiger Versammlungsteilnehmer bejaht.

Nach Auffassung des Senats war im vorliegenden Fall mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der öffentliche Frieden tatsächlich gestört worden wäre.

Zwar belegen die angekündigten Gegendemonstrationen (hierzu allgemein: Hoffmann-Riem, NJW 2004, 2777/2780) für sich genommen noch nicht, dass es zu einer Störung des öffentlichen Friedens im Sinne des Gesetzes durch die Versammlung des Klägers gekommen wäre, da sie zum Teil eine organisierte Reaktion der Öffentlichkeit auf die Veranstaltung waren. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, dass aus der großen Zahl von 118 Gegendemonstrationen abgeleitet werden kann, dass wegen der in den Jahren 2001 bis 2004 genehmigt durchgeführten Heß-Gedenkdemonstrationen kein Vertrauen der Bürger in die öffentliche Rechtssicherheit mehr bestand. Auch die Belastung der einheimischen Bevölkerung durch den stundenlangen Aufmarsch zahlreicher Rechtsextremisten in der Stadt muss - wie in der Rechtsprechung immer wieder betont wurde (vgl. z.B. BayVGH vom 10.8.2005 BayVBl. 2005, 755/757) - wegen der überragenden Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit grundsätzlich hingenommen werden.

Der Senat knüpft insoweit jedoch an das aggressive und provokative, die Bürger einschüchternde Verhalten der Versammlungsteilnehmer im Jahr 2004 an, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt worden ist und dessen Wiederholung für 2005 anstand. In der vom Kläger verfassten "Dokumentation Wunsiedel 2004" (vgl. http://www.widerstandnord.com/wunsiedel 2004.htm) zeigt sich, dass es dem Kläger nicht primär um eine kollektive Meinungskundgabe im Meinungskampf geht, sondern um Einschüchterung ("Wunsiedel fest in nationaler Hand" S. 3). Insoweit ergibt sich eine Parallele zu den sog. national befreiten Zonen, vor deren Betreten erkennbar ausländischen Besuchern der Fußballweltmeisterschaft 2006 vom ehemaligen Regierungssprecher Heye abgeraten wurde und die in Verbindung mit dem damaligen Presseecho sehr wohl eine Verunsicherung über die öffentliche Rechtssicherheit erkennen lässt. Der Kläger ruft mit "Vielleicht ergebe sich auch noch der Besuch der 'Gegenveranstaltungen'" unterschwellig zur Einschüchterung von Gegendemonstrationen auf und berühmte eine Störung eines Open-Air-Gottesdiensts, wo "rund 40 Kameraden" ..."lautstark ihren Unmut über die bürgerlich-reaktionäre Hetze kundtaten +++ die Bullen drehten durch und nahmen eine größere Zahl der absolut friedlichen Aktivisten willkürlich fest". Das Verwaltungsgericht hat des weiteren festgestellt, dass die beängstigende und einschüchternde Stimmung durch das Auftreten der Veranstaltungsteilnehmer stets in Gruppen und auch ihre Kleidung etc. befördert worden sei. Insoweit sei auch gegen Auflagen verstoßen worden. Gegen letztere Feststellung hat sich der Kläger im Berufungsverfahren nicht gewandt. Wiederum zeigt sich, dass die Veranstaltung auf Einschüchterung angelegt ist, wenn am angegebenen Ort für 17:30 Uhr vermerkt ist: "Der große Trauerzug hat den Ring um Wunsiedel fast geschlossen!" Damit wird in der Bevölkerung der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes wachgerufen.

Nach den Erklärungen des Veranstalters und den vom Landratsamt im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar dargestellten näheren Umständen der Veranstaltung (Teilnehmerzahl, Teilnehmerkreis, konkret zu erwartende Form der Kundgebung etc.) war davon auszugehen, dass die für den 20. August 2005 geplante Versammlung in Größenordnung und Gesamtgepräge der Veranstaltung des Vorjahres vergleichbar gewesen wäre. Diese hatte der Gesetzgeber bei seiner Änderung des § 130 StGB vor Augen. Bezüglich der Einschätzung der Störung des öffentlichen Friedens ergibt sich somit keine Differenz zwischen der Einschätzung des Senats und derjenigen des Gesetzgebers, der mit dem Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches die Möglichkeiten konkretisieren wollte, gegen neonazistisch ausgerichtete Versammlungen unter freiem Himmel, insbesondere gegen solche wie die Aufmärsche in Wunsiedel, vorzugehen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drucks 15/5051, Plenarprotokoll 15/164 der 164. Sitzung des Deutschen Bundestags). Die Debatte im Deutschen Bundestag zeigt, dass der demokratische Gesetzgeber die Aufmärsche der Rechtsextremen in Wunsiedel als Störung des öffentlichen Friedens ansah und deshalb sein Eingreifen für erforderlich und geboten hielt.

c) Die vorgenommene Auslegung des § 130 Abs. 4 StGB verstößt nicht gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), weil die Rechtfertigung einer pro-nationalsozialistischen Politik nicht den Schutz des Art. 10 EMRK genießt, ebenso wenig wie jede andere Äußerung gegen die Grundwerte der Konvention, Art. 17 EMRK (EGMR vom 24.6.2003 NJW 2004, 3691).

d) Das Verbot der Versammlung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Weniger einschneidende Maßnahmen können die Gefahr der Verwirklichung einer Straftat nach § 130 Abs. 4 StGB hier nicht verhindern.

3. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglos eingelegten Berufung zu tragen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG; siehe hierzu auch den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nr. 1.3 und Nr. 45.4).

Ende der Entscheidung

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