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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.08.2006
Aktenzeichen: 24 B 06.28
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 6 Satz 1
VwGO § 125 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 132 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

IM NAMEN DES VOLKES

24 B 06.28

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausweisung und Aufenthaltserlaubnis;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 7. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich

ohne mündliche Verhandlung am 21. August 2006 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Berufung wird verworfen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichts München vom 7. Dezember 2005 wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 8.000 Euro und für das Berufungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die 1953 geborene Klägerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie reiste im August 1990 zusammen mit ihrem Sohn und ihrer zwischenzeitlich verstorbenen Mutter in das Bundesgebiet ein und führte hier (erfolglos) ein Vertriebenenverfahren durch. Vom 28. Oktober 1997 bis zum 27. Oktober 1999 wurde ihr eine Aufenthaltsbefugnis nach der damals geltenden Härtefallregelung erteilt. Die Klägerin behauptet, im Oktober 1999 einen Verlängerungsantrag gestellt zu haben. Die Beklagte geht demgegenüber davon aus, dass die Klägerin erst am 14. April 2003 wieder bei ihr vorgesprochen und sich damit über drei Jahre illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe. Mit Bescheid vom 28. November 2003 wies sie die Klägerin aus dem Bundesgebiet aus und lehnte die Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ab. Hiergegen richtete sich die Klage der Klägerin, die vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Dezember 2005 abgewiesen wurde.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2006 beantragte die Klägerin unter dem Buchstaben A. die Zulassung der Berufung, begründete unter B. für den Fall, dass die Berufung zugelassen wird, ihre Berufung und stellte zugleich Anträge für das Berufungsverfahren. Außerdem beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Bevollmächtigten.

Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof ließ mit Beschluss vom 9. Februar 2006 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu und fügte diesem Beschluss eine Belehrung bei, wonach die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen sei.

Mit Beschluss vom 13. März 2006 wurde der Klägerin für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt, nachdem sie mit Schriftsatz vom 6. März 2006 die erforderlichen Formulare über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hatte. Sie bat in diesem Schriftsatz "nunmehr um Gewährung von Prozesskostenhilfe sowohl für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde" (gemeint ist das Zulassungsverfahren) "als auch für das Berufungsverfahren".

Innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ist außer dem Schreiben vom 6. März 2006 kein weiterer Schriftsatz der Klägerin eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2006 auf Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Berufung hingewiesen. Hierzu hat sich die Klägerin wie folgt geäußert: Sie halte es nicht für erforderlich, dass die Berufung nochmals nach ihrer Zulassung begründet werden muss. Im Schriftsatz vom 2. Januar 2006 sei ausdrücklich darum gebeten worden, für den Fall der Erforderlichkeit eines neuen Vortrages einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Im Übrigen sei mit Beschluss vom 13. März 2006 noch Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gewährt worden.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung unzulässig ist. Die nach § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO erforderliche Anhörung der Beteiligten hat stattgefunden.

1) Die Berufung ist zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO), weil sie unzulässig ist. Die Klägerin hat es nämlich versäumt, die mit Beschluss vom 9. Februar 2006 zugelassene Berufung innerhalb der am 13. März 2006 abgelaufenen einmonatigen Frist (§ 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO) zu begründen, wobei die Begründung einen bestimmten Antrag sowie die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten muss (§ 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V. mit Abs. 3 Satz 4 VwGO). Ein Schriftsatz, der den Anforderungen einer Berufungsbegründung genügt, ist aber in der genannten Frist beim Bayer. Verwaltungsgerichtshof nicht eingegangen, obwohl in der Belehrung des Zulassungsbeschlusses vom 9. Februar 2006 ordnungsgemäß darauf hingewiesen worden ist.

Die Tatsache, dass die Klägerin bereits im Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 2. Januar 2006 neben dem Zulassungsantrag (Buchstabe A.) unter dem Buchstaben B. Berufungsanträge gestellt und die Berufung für den Fall des Erfolges ihres Zulassungsantrages begründet hat, vermag nichts daran zu ändern, dass nach Zulassung der Berufung aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO eine Berufungsbegründung beim Berufungsgericht einzureichen ist. Zumindest muss ein Kläger mittels eines solchen fristgerechten Schriftsatzes zu erkennen geben, dass er nach der Zulassung der Berufung das Berufungsverfahren auch durchführen will. In der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur wird im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt eine Bezugnahme auf die im Antrag auf Zulassung der Berufung vorgebrachten Gründe für ausreichend erachtet (BVerwG vom 6.10.2005 Az. 5 B 26/05 in juris; BVerwG vom 27.1.2005 Az. 4 B 7/05 in juris; BVerwG vom 8.3.2004 NVwZ-RR 2004, 541 m.w.N.; BayVGH vom 18.1.2005 Az. 10 B 04.2217; Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 98 zu § 124 a; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, RdNr. 68 zu § 124 a; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, September 2004, RdNr. 148 zu § 124 a; Seibert in Sodau/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 351 f. zu § 124 a).

Das Schreiben der Klägerin vom 6. März 2006 genügt diesen Anforderungen nicht, denn mit diesem wird lediglich an die Entscheidung über ihren Prozesskostenhilfeantrag erinnert. Ob das Berufungsverfahren auch durchgeführt werden soll, lässt sich ihm nicht entnehmen.

Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28. Juni 2006 führt zu keinem anderen Ergebnis. Sofern sie rügt, sie sei nicht auf die Erforderlichkeit eines neuen Vortrages hingewiesen worden, so ist sie darauf zu verweisen, dass der Zulassungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 2006 eine eindeutige Belehrung enthielt, nach der die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen gewesen wäre. Die Klägerin konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie mit ihrem Zulassungsantrag bereits eine Berufungsbegründung und Berufungsanträge vorgelegt hatte, denn die Belehrung besagt eindeutig, dass dies binnen einer bestimmten Frist nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses zu erfolgen hat, und nicht vorher.

Eine Zulässigkeit der Berufung kann auch nicht aus der Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 13. März 2006 hergeleitet werden. Diese ist insbesondere deshalb zugesprochen worden, weil der Senat schon im Zulassungsverfahren auf den weiteren Ermittlungsbedarf im Berufungsverfahren hingewiesen hatte und Prozesskostenhilfe bei offenen Erfolgsaussichten zu gewähren war. Zudem war im Zeitpunkt der Gewährung von Prozesskostenhilfe die Frist für die Berufungsbegründung noch nicht abgelaufen, so dass zum damaligen Zeitpunkt (noch) von einer zulässigen Berufung ausgegangen werden konnte.

2) Aus diesen Gründen war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zu verwerfen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

3) Die Revision ist gemäß § 125 Abs. 2 Satz 4, § 132 Abs. 1 VwGO zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn, soweit ersichtlich, hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der hier maßgeblichen Streitfrage, ob in demselben Schriftsatz, der den Antrag auf Zulassung der Berufung und eine diesbezügliche Begründung enthält, auch bereits die Berufung begründet und ein Berufungsantrag gestellt werden kann, wenn eine exakte Trennung zwischen dem Vorbringen zum Zulassungsverfahren und dem Vorbringen zum Berufungsverfahren erfolgt, noch nicht auseinandergesetzt. In seinem Beschluss vom 6. Oktober 2005 (a.a.O.) hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen, wie ein solcher Fall zu beurteilen wäre, da in dem zu entscheidenden Fall der Sachverhalt anders lag. Das Bundesverwaltungsgericht brauchte sich deshalb auch nicht mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juli 2004 (FamRZ 2004, 1567 = NJW 2004, 2981) auseinander zu setzen, in dem es um einen Fall ging, der dem hier vorliegenden gleicht. Auch dort hatte die Klägerin in einem Schriftsatz mit der Überschrift "Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision" unter A. die Nichtzulassungsbeschwerde begründet und zugleich unter B eine Revisionsbegründung abgefasst. Der Bundesgerichtshof hat diese Revisionsbegründung, obwohl sie vor seiner Entscheidung über die Zulassung der Revision eingegangen war und nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nochmals in Bezug genommen wurde, für als fristgerecht eingereicht angesehen. Das Gesetz schließe eine Begründung der Revision schon vor Beginn der Revisionsbegründungsfrist nicht aus. Der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegende § 544 Abs. 6 ZPO entspricht der Regelung des § 124 a Abs. 5 Satz 5 und Abs. 6 Satz 1 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Zwar hatte der Bundesgerichtshof nicht über Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung zu entscheiden, jedoch hat er in einem gleich gelagerten Fall die sich fast wörtlich entsprechenden zivilrechtlichen Vorschriften anders ausgelegt. Im Interesse der Einheit und auch der Fortbildung des Rechts bedarf deshalb die oben angesprochene Frage einer revisionsrechtlichen Klärung (vgl. zur Abweichung eines Urteils von einer Entscheidung eines anderen obersten Bundesgerichts BVerwG vom 18.1.2006 Az. 6 B 71/05 in juris; auch BVerwG vom 22.6.1984 Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 225).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) schriftlich eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule in Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.



Ende der Entscheidung

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