Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.06.2003
Aktenzeichen: 24 BV 03.122
Rechtsgebiete: AuslG, KostenG
Vorschriften:
AuslG § 82 Abs. 1 | |
AuslG § 82 Abs. 2 | |
AuslG § 83 | |
KostenG § 13 |
24 BV 03.122
Verkündet am 30. Juni 2003
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen
Abschiebungskosten;
hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. November 2002,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Hauser
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juni 2003
am 30. Juni 2003
folgendes
Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. November 2002 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid des Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz vom 27. Juli 2001 in Höhe von 2.304,85 Euro für die Abschiebung einer moldauischen Staatsangehörigen am 19. Juli 2001 von Regensburg über München nach Kishinew.
Der Kläger hatte am 23. Juni 2000 gegenüber dem Landrat des Kreises Groß-Gerau eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, wonach er für die Dauer des Aufenthalts der moldauischen Staatsangehörigen Nina B. nach den §§ 82 bis 84 AuslG die Kosten trage.
Frau B. erhielt am 14. Juli 2000 von der Deutschen Botschaft in Kishinew ein Schengen-Visum C für den Zeitraum vom 23. Juli bis zum 30. August 2000 mit der Berechtigung zur einmaligen Einreise und zum 30-tägigen Aufenthalt. Die Einreise in das Schengen-Gebiet erfolgte am 23. Juli 2000.
Am 27. Juni 2001, gegen 14.00 Uhr, wurde Frau B. bei der Ausreise am ehemaligen Grenzübergang Suben von den österreichischen Behörden kontrolliert und den deutschen Grenzbeamten zurücküberstellt.
Das Amtsgericht Passau ordnete mit Beschluss vom 28. Juni 2001 Sicherungshaft für die Dauer von vier Wochen an. Gegenüber der Haftrichterin erklärte die Ausländerin, sie sei vor ca. einem Monat aus Italien nach Deutschland zurückgekommen und habe sich seitdem illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Sie wolle jetzt zurück nach Hause. Sie habe ihr Kind seit einem Jahr nicht mehr gesehen.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid des Landratsamtes Passau vom 3. Juli 2001 wurde die Ausländerin aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Die Abschiebung auf dem Luftweg erfolgte am 19. Juli 2001.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2001 wurde der Kläger zur Tragung der Abschiebungskosten herangezogen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg gab der Klage des Klägers gegen die Aufhebung der Kostenrechnung des Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz vom 27. Juli 2001 mit Urteil vom 6. November 2002 statt. Die Klage sei begründet. Eine Haftung aus einer Verpflichtungserklärung gelte nur gegenüber deutschen Behörden und betreffe nur deren Aufwendungen. Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich des Ausländergesetzes nicht auf das Schengen-Gebiet erweitert, obwohl ein Schengen-Visum, welches als Folge einer Verpflichtungserklärung erteilt werde, grundsätzlich zur freien Bewegung im Schengen-Gebiet berechtige. Auch das Schengener Durchführungsabkommen erweitere den Anwendungsbereich der Verpflichtungserklärung nicht auf das gesamte Schengen-Gebiet. Allein durch die Einführung eines einheitlichen Vordruckes für das Schengen-Gebiet erfolge keine Ausdehnung des Anwendungs-, d.h. des Verpflichtungsbereichs auf das ganze Schengen-Gebiet. Reise ein Drittausländer mit einem Schengen-Visum nach Deutschland ein und noch während der Geltungsdauer dieses Visums in ein anderes Schengenland aus, dann sei ihm dies aufgrund des Schengener Durchführungsabkommens erlaubt. Er habe damit aber auch seiner Ausreiseverpflichtung aus Deutschland genügt. Werde er nach Ablauf der Geltungsdauer des Schengen-Visums in einem anderen Schengen-Staat angetroffen, dann habe dieser Schengen-Staat den Ausländer unter Umständen abzuschieben und zwar in den Herkunftsstaat des Ausländers oder in einen anderen Staat, in den er abgeschoben werden könne. Reise der Drittausländer erst nach Ablauf der Geltungsdauer des Schengen-Visums von Deutschland in einen anderen Schengen-Staat, dann dürfe er dies nicht. Er genüge damit seiner Ausreisepflicht nicht. Etwas anderes gelte nur dann, wenn er aufgrund eines nationalen ausländischen Aufenthaltstitels in den anderen Schengen-Staat einreisen dürfe. Habe ein Ausländer seine Ausreisepflicht aus Deutschland erfüllt, dann erlösche die Haftung aus der Verpflichtungserklärung. Diese Haftung lebe auch nicht wieder auf, wenn der betroffene Ausländer im Anschluss an eine Ausreise wieder nach Deutschland zurückkehre und seine Einreise bzw. sein Aufenthalt dann illegal sei. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Akten lägen ausländerrechtlich relevante Umstände vor, die den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Verpflichtungserklärung des Klägers und der Abschiebung der Ausländerin unterbrächen. Das Visum habe im Zeitraum vom 23. Juli bis 30. August 2000 für eine einmalige Einreise und für einen Aufenthalt von maximal 30 Tagen gegolten. Der Kläger habe angegeben, dass ihn die Ausländerin nach einem kurzen Aufenthalt von ca. 7 Tagen wieder verlassen habe. Die Ausländerin selbst habe angegeben, sie hätte sich in Italien aufgehalten. Diese Einlassungen habe der Beklagte nicht widerlegt. Außerdem sei die Einlassung der Ausländerin durch deren Ausweisung durch die österreichische Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 6. Oktober 2000 nach Italien sowie die Ausschreibung im INPOL/Schengen-Informationssystem durch Italien zur Zurückweisung, Aufenthaltsbeendigung bestätigt. Die österreichischen und italienischen Behörden hätten zu Deutschland keinen Bezug hergestellt, obwohl sich das Schengen-Visum von der Ausländerin in deren Pass befunden habe. Hieraus sei zu folgern, dass sie vor dem 6. Oktober 2000 aus Deutschland ausgereist sei. Es sei nicht erforderlich, weitere Versuche zur Sachverhaltsaufklärung zu unternehmen. Eine Beendigung der Haftung aus einer Verpflichtungserklärung sei nicht nur möglich, wenn der betroffene Ausländer seiner Ausreisepflicht aus Deutschland Genüge getan habe. Im vorliegenden Falle komme es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Ausländerin noch während der Geltungsdauer des Schengen-Visums nach Italien ausgereist sei oder erst danach. Sie müsse sich nachweislich in Italien aufgehalten haben, weil die österreichischen Behörden sie ansonsten nicht nach Italien abgeschoben und die italienischen Behörden sie nicht zurückgenommen hätten. Die spätere Einreise der Ausländerin nach Deutschland sei illegal erfolgt und habe auch nicht mehr auf der Verpflichtungserklärung des Klägers beruht. Das zweimalige Einschreiten ausländischer Behörden unterbreche den erforderlichen sachlichen Zusammenhang zwischen der Verpflichtungserklärung und der Abschiebung, für deren Kosten der Kläger herangezogen worden sei. Die Verpflichtungserklärung des Klägers habe sich nicht mehr auf die illegale Einreise der Ausländerin im Sommer 2001 bezogen. Die Frage, ob sich die Ausländerin zwischenzeitlich in der Republik Moldawien aufgehalten habe, sei nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich für die Unterbrechung des Zusammenhangs zwischen Verpflichtungserklärung und Abschiebung sei das mehrmalige Tätigwerden ausländischer Behörden.
Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte, das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. November 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung habe sich nicht nur auf die Geltungsdauer des Einreisevisums erstreckt, sondern auf die Gesamtdauer des Aufenthalts im Schengen-Gebiet. Im Wege der Auslegung der jeweiligen Verpflichtungserklärung sei konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche Gesamtaufenthaltsdauer sie gelten solle. Der Geltungsdauer der Aufenthaltsgenehmigungen käme dabei grundsätzlich keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Die Verpflichtungserklärung sei zur Erteilung eines Schengen-Visums abgegeben worden. Mit diesem Visum sei eine freie Bewegung im Hoheitsgebiet aller Schengen-Vertragsstaaten möglich. Die Verpflichtungserklärung könne daher nur so verstanden werden, dass sie die Gesamtdauer des Aufenthalts im Schengen-Gebiet umfasse. Damit habe der Kläger die Verpflichtung übernommen, im Falle der nicht freiwilligen Ausreise von der Ausländerin die Kosten für eine zwangsweise notwendig werdende Abschiebung zu tragen. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers habe bis zur Abschiebung der Ausländerin fortgedauert. Umstände, die den Zusammenhang zwischen der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung und der Abschiebung der Ausländerin unterbrochen hätten, lägen nicht vor. Eine solche Unterbrechung sei weder durch den Aufenthalt der Ausländerin in Österreich und Italien im Oktober 2000 eingetreten noch durch Maßnahmen der dortigen Ausländer- oder Grenzbehörden, die zu einem Verlassen des Schengen-Gebietes geführt hätten. Eine Unterbrechung wäre nur durch eine Ausreise eingetreten, die der Ausreisepflicht des § 42 AuslG genügt hätte. Zwar könnten sich Drittausländer gemäß Art. 19 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens während der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerks frei im Hoheitsgebiet aller Schengen-Vertragsstaaten bewegen. Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften genüge der Ausländer seiner Ausreisepflicht jedoch nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt seien. Seien Einreise und Aufenthalt in dem EG-Staat, in den der Ausländer zunächst ausgereist oder in den er später eingereist sei, nicht erlaubt, bleibe die Ausreisepflicht nach § 42 AuslG bestehen. Die Ausreisepflicht des Drittausländers, der die im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten des Schengener Durchführungsübereinkommens geltenden Voraussetzungen für einen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfülle, erstrecke sich grundsätzlich auf das Hoheitsgebiet aller Vertragsstaaten. Infolge dessen könne die Ausreisepflicht auch noch nach Wiedereinreise durch Abschiebung vollzogen werden. Es möge zwar sein, dass die Ausländerin während der Geltungsdauer ihres Visums erlaubt nach Österreich oder Italien eingereist sei. Ihr Aufenthalt sei im Oktober 2000 und danach aufgrund des Ablaufs ihres Visums nicht mehr erlaubt gewesen. Sie habe ihre Ausreisepflicht gemäß § 42 Abs. 4 AuslG nicht erfüllt. Der Zusammenhang zwischen der Verpflichtungserklärung des Klägers und der späteren Abschiebung der Ausländerin sei auch nicht durch Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung durch die Behörden eines anderen Schengen-Vertragsstaates oder durch sonstige Maßnahmen der österreichischen oder italienischen Ausländer- oder Grenzbehörden unterbrochen worden. Ein Verlassen des Hoheitsgebiets der Schengen-Vertragsstaaten zwischen dem 23. Juli 2000 und dem 19. Juli 2001 sei nicht nachgewiesen. Dies gelte für die vom Kläger behaupteten Aufenthalte der Ausländerin in Moldawien. Nachweise für eine Ausreise nach Moldawien habe der Kläger trotz schriftlicher Aufforderung durch das Verwaltungsgericht nicht erbracht. Gegen einen Aufenthalt der Ausländerin in Moldawien spreche das Fehlen entsprechender Ein- und Ausreisestempel in ihrem Pass. Auch habe sie gegenüber der Haftrichterin am 28. Juli 2001 angegeben, dass sie ihr Kind seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Es sei davon auszugehen, dass sich die Ausländerin am 23. Juli 2000 bis zum 19. Juli 2001 ununterbrochen im Schengen-Gebiet aufgehalten habe. Die Abschiebung nach Moldawien habe damit noch der Durchsetzung der Ausreisepflicht nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums gedient. Der notwendige Zusammenhang zwischen der Verpflichtungserklärung und der Abschiebung sei weiterhin gegeben.
Der Kläger äußerte sich im Berufungsverfahren nicht.
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. Juni 2003 Bezug genommen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Verwaltungsgerichtshof konnte trotz des Ausbleibens des Klägers mündlich verhandeln und entscheiden. Der rechtzeitig geladene Kläger wurde in der Ladung darauf hingewiesen, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. November 2002 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kostenbescheid des nach § 63 Abs. 6 AuslG zuständigen Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz vom 27. Juli 2001 in Höhe von 2.304,85 Euro für die Abschiebung der moldauischen Staatsangehörigen Frau B. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Grundsätzlich hat gemäß § 82 Abs. 1 AuslG der Ausländer selbst die Kosten zu tragen, die durch seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung entstehen. Neben dem Ausländer haftet für die in § 82 Abs. 1 AuslG bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen, § 82 Abs. 2 AuslG.
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungskostengesetz - VwKostG - wird ein Dritter, der gegenüber der zuständigen Behörde eine entsprechende Erklärung abgibt, zum Kostenschuldner für die Ausreisekosten. Der Dritte und der Ausländer haften als Gesamtschuldner, d.h. jeder kann für die angefallenen Gesamtkosten allein in Anspruch genommen werden, § 13 Abs. 2 VwKostG, § 421 BGB.
Der Kläger wurde gemäß § 82 Abs. 2 AuslG zu Recht zur Kostenerstattung herangezogen, weil er sich gegenüber der Auslandsvertretung - Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moldawien - verpflichtet hat, die Kosten für die Dauer des Aufenthalts nach § 84 AuslG und auch die Ausreisekosten nach §§ 82, 83 AuslG zu tragen. Diese Erklärung stellt keine vertragliche Vereinbarung dar, sondern ist rechtlich als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung einzustufen, um einen entsprechenden Anspruch zu begründen (BVerwG Urteil vom 24.11.1998, BVerwGE 108, 1 = NVwZ 1999, 779).
Zweck der Verpflichtungserklärung ist, ein tatbestandliches Hindernis für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung auszuräumen, weil ansonsten der Ausländer keinen Aufenthaltstitel erhält, wenn er seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln oder Leistungen der Familie oder Leistungen Dritter bestreiten kann (vgl. § 7 Abs. 2, § 46 Nr. 6 AuslG). Eine förmliche Annahme der Erklärung durch den Beklagten war nicht erforderlich, weil damit keine vertraglichen Beziehungen begründet werden sollten.
Inhalt und Reichweite der vom Kläger eingegangenen Verpflichtungserklärung lassen sich durch Auslegung an Hand objektiver Umstände ermitteln (§§ 133, 177 BGB). Der Kläger hat sich verpflichtet, während der Dauer des Aufenthalts von Frau B. u.a. auch die Kosten für die Ausreise nach §§ 82, 83 AuslG zu tragen. Die Dauer des Aufenthalts war in der Verpflichtungserklärung nicht zeitlich begrenzt auf den tatsächlich erteilten Aufenthaltstitel mit Gültigkeit vom 22. Juli bis 30. August 2000, sondern bezog sich generell auf die tatsächliche Dauer des Aufenthalts, sei er erlaubt oder unerlaubt. Dies folgt schon daraus, dass Abschiebekosten erst dann entstehen, wenn der Ausländer nicht freiwillig ausreist und er seiner gesetzlich bestehenden Ausreisepflicht nicht nachkommt, obwohl sein Aufenthalt nicht oder nicht mehr rechtmäßig ist. Die Verpflichtungserklärung endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall (BVerwG a.a.O.). Sie erstreckt sich grundsätzlich auch auf Zeiträume illegalen Aufenthalts einschließlich der Dauer einer etwaigen Abschiebung. Eine zeitliche Beschränkung der Verpflichtungserklärung auf die Dauer des erteilten Visums ist mit dem beabsichtigten Zweck der Verpflichtungserklärung - die Kosten der Abschiebung nicht der Allgemeinheit aufzubürden - nicht vereinbar. Die Kosten einer Abschiebung bzw. Vorbereitung derselben sollen von demjenigen getragen werden, der für die Einreise und für den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet letztendlich verantwortlich ist.
Die vom Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Inhalt und der Tragweite der Verpflichtungserklärung angestellten Überlegungen teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Der Gesichtspunkt, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 82 Abs. 2 AuslG nicht auf das Schengen-Gebiet erweitert hat und das Schengener Durchführungsübereinkommen auch nicht den Anwendungsbereich der Verpflichtungserklärung auf das gesamte Schengen-Gebiet übernommen hat, spielt für die Kostentragungspflicht des Klägers keine Rolle. Ebenso verhält es sich mit dem Argument, dass das erteilte Visum die Ausländerin für die Dauer der Gültigkeit berechtigte, im gesamten Schengen-Gebiet erlaubt unterwegs zu sein. Abzustellen ist vielmehr auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Frau B. hatte ein Visum für den Zeitraum 23. Juli bis 30. August 2000, ausgestellt von der Deutschen Botschaft in Moldawien. Mit diesem Visum wollte sie zu Besuchszwecken nach Deutschland. Daneben war sie berechtigt, mit dem ihr erteilten Visum innerhalb der zeitlichen Gültigkeit in Schengen-Gebiet sich aufzuhalten. Mit ihrer Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland sieben Tage nach ihrer Einreise hat sie ihrer Ausreisepflicht nicht genügen können, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ausreisepflichtig war. Die Ausreisepflicht besteht erst mit Ablauf der Gültigkeit des erteilten Visums. Damit ist auch die Haftung aus der Verpflichtungserklärung nicht automatisch mit Ablauf des erteilten Visums erloschen. Es steht aufgrund der eigenen Einlassung von Frau B. fest, dass sie nach Ablauf des Visums nicht nach Moldawien zurückgekehrt ist, vielmehr hielt sie sich in Italien bzw. Österreich auf. Der Niederschrift des Amtsgerichts Passau vom 28. Juni 2001 ist zu entnehmen, dass Frau B. schon seit langer Zeit nach Hause gewollt habe. Sie habe jetzt jemanden gefunden, der ihr Geld leihe und sie sei jetzt auf dem Weg nach Hause. Dort lebe ihr Kind, das sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen habe. Sie sei von Deutschland nach Österreich und dann nach Italien gefahren. Vor ca. einem Monat sei sie von Italien nach Deutschland gekommen. Sie habe sich hier einen Monat illegal aufgehalten. Spätestens mit Ablauf des 30. August 2000 war der Aufenthalt von Frau B. im Schengen-Gebiet illegal, weil sie keinen Aufenthaltstitel für einen anderen Schengen-Staat hatte. Deshalb wurde sie auch von Österreich aus am 6. Oktober 2000 nach Italien abgeschoben.
Die Reisen von Frau B. von Deutschland nach Italien und Österreich und ihre Abschiebung von Österreich nach Italien hatten nicht zur Folge, dass die Verpflichtungserklärung des Klägers erloschen ist. Diese Reisetätigkeit hat den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Verpflichtungserklärung mit dem erteilten Visum, unerlaubtem Aufenthalt und Abschiebung mit den entstandenen Kosten nicht unterbrochen, weil nach der festgestellten Sachlage Frau B. nicht nach Moldawien zurück wollte, sondern untertauchte und illegal im April/Mai 2001 wieder in die Bundesrepublik einreiste. Erst durch die Verpflichtungserklärung des Klägers war es für Frau B. möglich, ein Visum für das Schengen-Gebiet zu erhalten. Die Erklärung des Klägers war damit ursächlich für die Einreise, den Aufenthalt und das illegale Untertauchen. Wenn die Ausländerin dann im Bundesgebiet ohne gültigen Aufenthaltstitel angetroffen wird, ist sie ausreisepflichtig im Sinne des Ausländergesetzes und die Verpflichtungserklärung kommt zum Tragen. Die Tatsache, dass Frau B. offensichtlich zehn Monate ohne gültigen Aufenthaltstitel im Schengen-Gebiet umherreiste, führt nicht zwangsläufig zu einem Erlöschen der Verpflichtungserklärung. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn die Ausländerin entweder von Österreich oder Italien nach Moldawien abgeschoben worden wäre oder sie zwischenzeitlich freiwillig nach Moldawien zurückgekehrt wäre. Dies ist nachweislich nicht der Fall gewesen.
Die Frage, ob die anspruchsberechtigte öffentliche Stelle den Verpflichteten heranzuziehen hat oder unter welchen Voraussetzungen sie davon absehen kann, ist nicht in § 82 AuslG geregelt. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass die zuständige Stelle ausnahmslos verpflichtet wäre, einen danach gegebenen Erstattungsanspruch geltend zu machen. Da die strikte Anwendung der Gesetze Folgen haben kann, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sind und mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar sind, ist die individuelle Leistungsfähigkeit des einzelnen im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Besonderheiten des Einzelfalles sind bereits bei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung und kommen nicht erst im vollstreckungsrechtlichen Verfahren, sei es durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung (vgl. BVerwG a.a.O.) zum Tragen. Der Verpflichtende ist im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es entsprechender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall ist gegeben, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte. Der Kläger hat bei Abgabe der Verpflichtungserklärung angegeben, dass er über ein regelmäßiges monatliches Renteneinkommen verfüge und für keine Personen unterhaltsverpflichtet sei. Einem Aktenvermerk vom 3. August 2001 ist zu entnehmen, dass seitens des Beklagten eine Rücknahme des Kostenbescheids in Betracht gezogen wurde, falls der Kläger bis zum 24. August 2001 Nachweise vorlege, wonach Frau B. zu Weihnachten in Moldawien gewesen sei. Der Einwand der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers wurde weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren durch dessen Bevollmächtigten zur Sprache gebracht. Die Behörde hatte somit keinerlei Anhaltspunkte an der individuellen Leistungsfähigkeit des Klägers zu zweifeln bzw. im Wege des Ermessens zu entscheiden. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat sich der Kläger weder schriftlich geäußert, noch kam er zur mündlichen Verhandlung. Etwaige, ihn entlastende Umstände sind daher nicht bekannt.
Der streitgegenständliche Leistungsbescheid ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Umfang der Kostenhaftung ergibt sich aus § 83 Abs. 1 AuslG. Danach umfassen die Kosten der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung die Beförderungs- und sonstigen Reisekosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungskosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten. Diese Kosten werden von der nach § 63 AuslG zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben, § 83 Abs. 4 AuslG.
Der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zu entsprechen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.304,85 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 GKG).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.