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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 10.01.2005
Aktenzeichen: 24 BV 04.456
Rechtsgebiete: LStVG


Vorschriften:

LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
LStVG Art. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

24 BV 04.456

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

sicherheitsrechtlicher Anordnung;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Dezember 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Januar 2005 am 10. Januar 2005 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte und Rechtsmittelführerin wendet sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg, mit welchem wesentliche Teile einer von ihr erlassenen sicherheitsrechtlichen Anordnung aufgehoben wurden.

Der Kläger ist Eigentümer des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks Fl.Nr. *** der Gemarkung G*** . Dieses weist zum Ortsrand der Gemeinde hin abfallend eine Neigung auf. Oberhalb des Grundstücks liegt ein im Eigentum der Beklagten stehender Feldweg (Fl.Nr. ***).

Nach starken Regenfällen am 25. September 2002 wurden am Grundstück des Klägers Geländeverschiebungen festgestellt. Ein vom Kläger beauftragtes Fachinstitut begutachtete diese und nahm am 26. September 2002 hierzu Stellung. Es schlug vor, als Sofortmaßnahme eine Stabilisierung im Straßenbereich durchzuführen. Dadurch könnten Gefahren für das südlich des Weges gelegene Anwesen behoben werden. Als weitere Maßnahme wurde vorgeschlagen, im Grundstück des Klägers (später) Sicker-Rigolen einzubauen. Am 27. September 2002 erließ die Beklagte daraufhin einen (ersten) Bescheid, mit welchem sie den Kläger zur Durchführung der Maßnahmen verpflichtete. Der Kläger legte noch am selben Tag hiergegen Widerspruch ein. Er trug dabei vor, er sei für den Weg nicht zuständig.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2002 erließ die Beklagte unter Aufhebung ihres (ersten) Bescheides vom 27. September 2002 einen (zweiten) Bescheid. Der Kläger wurde verpflichtet, unverzüglich Sicherungsmaßnahmen durchzuführen bzw. zu veranlassen, um ein weiteres Abrutschen seines Grundstücks zu verhindern (Ziff. 1). Als Grundlage der Sicherungsarbeiten wurde die Niederschrift des Fachinstituts vom 26. September 2002 mit sämtlichen unter Ziffer 2 (der Niederschrift) aufgeführten Maßnahmen angegeben (Ziff. 2). Weiter wurde der Kläger verpflichtet, unverzüglich als ersten Schritt eine Stabilisierung im Straßenbereich zu veranlassen (Ziff. 3). Es wurde festgelegt, dass diese Maßnahmen zur Stabilisierung im Straßenbereich bis spätestens 8. Oktober 2002 durchzuführen und fertig zu stellen seien (Ziff. 4). Für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung wurde die Ersatzvornahme angedroht (Ziff. 5). Schließlich wurde festgelegt, dass für die Dauer eines Monats das Grundstück des Klägers täglich zu beobachten ist (Ziff. 6). In den Gründen ist ausgeführt, dass der Kläger als Eigentümer des abgerutschten Grundstücks für dessen Zustand verantwortlich sei. Die Anordnung sei an den Eigentümer als Zustandsstörer zu richten. Auch hiergegen legte der Kläger noch am selben Tag Widerspruch ein, über den bis heute nicht entschieden wurde.

Am 17. Oktober 2002 wurde mit der Durchführung der Ersatzvornahme begonnen, diese ist mittlerweile durchgeführt. Es sind dabei (einschließlich der Gutachten) Kosten für die Begutachtung Gesamtkosten in Höhe von 15.300 € entstanden, welche die Beklagte vom Kläger einfordert.

Mit Klage vom 23. Mai 2003 begehrte der Kläger die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 4. Oktober 2002. Er trug vor, es habe bereits keine konkrete Gefahr vorgelegen. Selbst wenn man aber vom Vorliegen einer Gefahr ausgehen würde, so habe es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, eine Inanspruchnahme des Handlungsverantwortlichen zu überprüfen. Hier hätte sie insbesondere den Oberlieger ******* (Fl.Nr. ***) in die Erwägungen einbeziehen müssen. Der Kläger legte hierzu eine Stellungnahme eines geotechnischen Büros vor. Aus dieser ergebe sich - so der Kläger -, dass eine Alleinverursachung durch ihn ausgeschlossen werden könne. Diese Gesichtspunkte seien trotz der ausdrücklichen Kenntnis der Beklagten im Rahmen der anzustellenden Ermessenserwägungen nicht berücksichtigt worden. Der Kläger meint schließlich auch, die Maßnahmen seien unverhältnismäßig. Die Beklagte trat dem entgegen und beantragte, die Klage abzuweisen. Mit Schriftsatz vom 27. November 2003 beantragte der Kläger hilfsweise, festzustellen, dass der Bescheid vom 4. Oktober 2002 rechtswidrig ist. In der mündlichen Verhandlung am 22. Dezember 2003 stellte er den Antrag, den Bescheid der Gemeinde aufzuheben, soweit es die Ziffern 3 bis einschließlich 5 betrifft. Die Beklagte beantragte Klageabweisung.

Mit Urteil vom 22. Dezember 2003 hob das Verwaltungsgericht die Ziffern 3 bis 5 des angegriffenen Bescheides auf. In seiner Urteilsbegründung führt das Gericht aus, es könne nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Gefahrenlage bestanden habe. Die Situation sei damals so gewesen, dass die Beklagte als Sicherheitsbehörde habe handeln müssen. Das Gericht war aber weiter der Meinung, dass nicht nur das Grundstück des Klägers, sondern daneben drei weitere Grundstücke sicherheitsrechtlich relevant waren. Die Beklagte hätte auch diese in ihre Entscheidung einbeziehen müssen. Unter den gegebenen Umständen sei die dem Kläger abverlangte, hier strittige Maßnahme unzumutbar. Sie widerspreche dem Übermaßverbot und stehe auch nicht mit dem Zweck der sicherheitsrechtlichen Ermächtigung in Einklang. Es hätte zwingender Billigkeit entsprochen, dass die Beklagte selbst auf ihrem Grundstück tätig wird und so für die Gemeinschaft gewissermaßen einspringt. Das Verwaltungsgericht Augsburg ließ die Berufung gegen seine Entscheidung vom 22. Dezember 2003 zu.

Am 11. Februar 2004 legte die Beklagte Berufung ein. Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass sich die klagegegenständliche Anordnung erledigt habe und die Klage deshalb unzulässig sei. Weiter ist sie der Meinung, dass die unmittelbare Gefahr für die anderen Gebäude vom Grundstück des Klägers ausgegangen sei. Mit der Vorlage des Gutachtens der Firma *** sei bestätigt worden, dass dies der Fall ist. Die Anordnung sei auch nicht unverhältnismäßig.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Urteil des Verwaltungsgericht Augsburg vom 22. Dezember 2003 wird abgeändert.

II. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er meint, das Erstgericht habe zutreffend ausgeführt, dass die Klage zulässig sei. Auch führe die Bestandskraft von Ziffer 1 des Bescheides nicht dazu, dass er zu Recht für die weiteren Maßnahmen und dann eben für die Kosten im Rahmen der Ersatzvornahme herangezogen werden könne. Es sei zutreffend festgestellt worden, dass die angefochtenen Maßnahmen dem Kläger nicht zumutbar seien, da sich die Gefahrenlage auf sämtliche Grundstücke erstreckte. Allein die Argumentation der Beklagten, eine rasche und effektive Gefahrenabwehr zu bewirken, könne nicht geeignet sein, eine Verantwortlichkeit des Klägers zu begründen, welche es rechtfertige, diesen ausschließlich für die angeordneten Maßnahmen auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Weg heranzuziehen. Unter den gegebenen Umständen sei es unverhältnismäßig, die Maßnahme alleine dem Kläger abzuverlangen. Die Eigentümer hätten in einer Art Schicksalsgemeinschaft gestanden. Es hätte sich zudem angeboten, dass die Beklagte selbst auf ihrem Grundstück tätig wird und für die Gemeinschaft gewissermaßen einspringe.

Am 10. Januar 2005 fand mündliche Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof statt. Auf die Niederschrift hierüber wird Bezug genommen. Ebenso wird Bezug genommen auf den gesamten Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Augsburg sowie des Verwaltungsgerichtshofs.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht Augsburg zugelassene Berufung gegen das Urteil vom 22.12.2003 ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da auf die Klage vom 23. Mai 2003 hin der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2002 in Ziffern 3 bis 5 zu Recht aufgehoben wurde.

1. Gegenstand der Klage sind nach Klarstellung insoweit im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg die Ziffern 3 bis 5 des Bescheids der Beklagten vom 4. Oktober 2002, mit welchen der Kläger unter Androhung der Ersatzvornahme verpflichtet wurde, Sicherungsmaßnahmen an bzw. auf seinem Grundstück zu treffen (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

2. Die hiergegen gerichtete Klage ist zulässig.

a) Es bestehen keine Zweifel am Rechtsschutzinteresse des Klägers im Hinblick auf die Bestandskraft der Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheides.

Mit der Ziffer 1 des Bescheides wurde der Kläger verpflichtet, zur Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben sowie zur Verhinderung von drohenden Schäden an Wohngebäuden unverzüglich Sicherungsmaßnahmen durchzuführen bzw. zu veranlassen. Ihm wurde aufgegeben, ein weiteres Abrutschen seines Grundstücks FlNr. *** zu verhindern. Als "Grundlage" hierfür wurden in Ziffer 2 die in der Niederschrift des Instituts *** ************ aufgeführten Maßnahmen angegeben.

Damit wurde nach Auffassung des Senats in keiner Weise bereits konkret festgelegt, welche einzelnen Maßnahmen der Kläger nun zu treffen habe. Das "Gutachten" nennt vielmehr eine ganze Reihe von Vorschlägen, welche Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr in Betracht kommen bzw. ergriffen werden können (Stabilisierung im Straßenbereich, Einbringung von Sickerrigolen, Neufassung der Drainagen, Verfüllung der Abrisskanten mit Lehm, Beobachtung des Hangs etc.). Den Ziffern 1 und 2 des Bescheides ist in keiner Weise zu entnehmen, welche dieser vielen Maßnahmen konkret dem Kläger auferlegt werden sollen. Der Kläger wurde vielmehr nur verpflichtet, unverzüglich (irgendwelche) geeignete Maßnahmen zu treffen. Damit kann bei vernünftiger Auslegung die Anordnung in der Ziffer 1 auch in Zusammenschau mit Ziffer 2 nur dahingehend interpretiert werden, dass der Kläger verpflichtet werden sollte, sofort nach eigenem Ermessen Maßnahmen zu treffen, um ein weiteres Abrutschen seines Hanges zu verhindern. Eine Stabilisierung des gesamten Bereiches war damit zwingend nicht verbunden. Bei den Maßnahmen sollte sich der Kläger an dem bereits vorliegenden Gutachten orientieren. Nur so macht es auch Sinn, dies als "Grundlage" der Maßnahmen zu bezeichnen. Die Ziffer 1 ist also dahingehend aufzufassen, dass der Kläger verpflichtet wurde, Sofortmaßnahmen nach eigenem Gutdünken zu ergreifen, wobei die Ausführungen im Gutachten einen ersten Anhalt bieten sollten.

Jede andere Auslegung würde auch zu einem völlig unbestimmten und mithin rechtswidrigen Bescheidsinhalt führen. Dann wäre nämlich in keiner Weise klargestellt, welche Verpflichtung dem Kläger obliegt. Er würde letztlich, folgte man der Argumentation der Beklagten hierzu, verpflichtet, sämtliche Maßnahmen unter Ziffer 2 des Gutachtens auszuführen.

Auch dem Gesamtzusammenhang lässt sich letztlich nichts entnehmen, was diese von der Beklagtenseite vertretene Auffassung stützen könnte. Wären nämlich die in Ziffern 3 bzw. 4 enthaltenen Maßnahmen auch bereits in der Ziffer 1 und 2 enthalten, würde eine gesonderte, nochmalige Nennung dieser Verpflichtungen wenig Sinn machen. Es ist nicht davon auszugehen, dass es der Wille der Beklagten gewesen ist, hier zweimal exakt dieselbe Verpflichtung auszusprechen. Auch die Gründe des angegriffenen Bescheids sprechen gegen eine solche Auslegung. Dort wird nämlich ausdrücklich von den "in Nrn. 1 bis 6 angeordneten Maßnahmen" gesprochen. Auch hier ergibt die Wortlautauslegung, dass es sich um verschiedene Maßnahmen handelt.

Mit der Bestandskraft der Ziffern 1 und 2 ist somit noch keine verbindliche Regelung hinsichtlich der streitgegenständlichen Verpflichtungen in Ziffer 3 und 4 sowie der damit verbundenen Ersatzvornahmeandrohung getroffen. Die Bestandskraft der erstgenannten Ziffern steht also einer Anfechtungsklage gegen die Ziffern 3 bis 5 nicht entgegen.

b) Das Klagebegehren hat sich noch nicht erledigt, so dass auch insoweit keine Bedenken an einem berechtigten Interesse des Klägers an der Rechtsverfolgung bestehen.

Die angefochtenen Maßnahmen wurden zwar unstreitig im Wege der Ersatzvornahme bereits im Oktober 2002 durchgeführt. Dadurch ist die Beschwer für den Kläger aber nicht entfallen, es ist mithin noch keine Erledigung eingetreten. Erledigung in diesem Sinne bedeutet Wegfall der mit der Anfechtungsklage bekämpften beschwerenden Regelung, wobei sich der Eintritt des Wegfalls objektiv nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und nicht etwa vom Klägerinteresse her beurteilt (Jörg Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, RdNr. 76 zu § 113 VwGO). Die Vollziehung eines Verwaltungsaktes alleine führt nicht zu dessen Erledigung. Die zugrunde liegende Regelung bildet nämlich den Rechtsgrund für das vom Adressaten geforderte Verhalten. Befolgt er die ihm auferlegte Verpflichtung, so entfällt dadurch nicht die damit verbundene Beschwer. Denn auch dann äußert der Verwaltungsakt noch belastende Wirkungen, die mit dessen Aufhebung zu bekämpfen sind (a.a.O., RdNr. 81 m.w.N.).

So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte fordert vom Kläger noch die für die Ersatzvornahme angefallenen Kosten. Insoweit liegt noch eine nicht unerhebliche Beschwer des Klägers vor, welche mit der vorliegenden Klage beseitigt werden soll. Zweifel an einem rechtlich schützenswerten Interesse hieran bestehen nicht.

3. Die Klage ist auch begründet, da der angegriffene Bescheid - soweit Gegenstand des Klagebegehrens - an einem materiellen Fehler leidet.

a) Rechtsgrundlage der getroffenen Anordnungen ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Danach kann die Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein solches Tätigwerden der Beklagten lagen vor. Das Verwaltungsgericht hat auf Seiten 14 und 15 seiner Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass eine Gefahrenlage bestand, so dass die Beklagte in Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Sicherheitsbehörde handeln musste.

Die Situation nach dem 25. September 2002 stellte sich so dar, dass ein unverzügliches und alsbaldiges sicherheitsrechtliches Einschreiten notwendig und geboten war. Das gesamte Hanggrundstück wies bereits erhebliche Abrisse und Verschiebungen auf, so dass sich bei objektiver Betrachtungsweise ein dringendes Bedürfnis ergab, Maßnahmen gegen ein weiteres Abrutschen und damit eine Gefährdung des Anwesens ******* bzw. der unterliegenden Häuser zu ergreifen. Auch die vorliegenden Gutachten lassen hier keine andere Beurteilung - zumal im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung - zu. Sowohl das Gutachten der Firma *** vom 26. September 2002 wie auch das des Büros *** ******* vom 2. Oktober 2002 belegen erhebliche Geländeveränderungen und damit einhergehende Gefahren für die angrenzenden Wohnhäuser.

Auch im gerichtlichen Verfahren wurde letztlich substantiiert von keiner Seite bestritten, dass hier eine konkrete Gefahr bestand, die ein sicherheitsrechtliches Einschreiten erforderte.

c) Der Bescheid ist jedoch hinsichtlich der Störerauswahl nicht rechtmäßig. Die Beklagte hat das ihr hier zustehende Ermessen nicht bzw. nicht rechtmäßig ausgeübt.

(1) Nach Art. 9 LStVG können sicherheitsrechtliche Maßnahmen sowohl gegen den Handlungsstörer (Art. 9 Abs. 1 LStVG) wie auch gegen den Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 LStVG) gerichtet werden.

(2) Die Inanspruchnahme eines Handlungsstörers nach Art. 9 Abs. 1 LStVG schied vorliegend aus. Es bestanden, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, keine Anhaltspunkte dafür, dass die Störung vom Verhalten einer Person ausgeht. Greifbare oder gar gesicherte Anhaltspunkte hierfür gab es nicht. Dabei ist wiederum auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen. Zum damaligen Zeitpunkt war letztlich nichts erkennbar, was für einen Handlungsverantwortlichen sprechen könnte. Auch die Andeutungen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren hierzu vermögen zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Schadensauslösendes Ereignis waren letztlich die starken Regenfälle im September 2002.

(3) Als Zustandsstörer nach Art. 9 Abs. 2 LStVG kamen hier drei Beteiligte in Betracht, nämlich der Kläger, die Beklagte sowie der Nachbar *******.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil auf den Seiten 15 bis 17 zutreffend ausgeführt, dass damals sicherheitsrelevant nicht nur das Grundstück des Klägers war, sondern drei weitere Grundstücke. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die Zustandsverantwortlichkeit von drei Grundstückseigentümern ausging. Hierfür sprechen, worauf auch der Senat nochmals hinweist, nachfolgende Gesichtspunkte:

- Sowohl der Kläger, wie auch die Beklagte und der Nachbar ******* sind Eigentümer von Grundstücken unterschiedlicher Größe im betroffenen Hang. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ***, der Nachbar ******* ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. *** sowie seiner Hofstelle, die Gemeinde ist Eigentümerin des Weges. Vom Ausgangspunkt her war damit zunächst auf drei Eigentümer abzustellen.

- Hauptproblem für das Schadensereignis war das Eindringen von Wasser im gesamten Hang. Dies ergibt sich aus dem Vermerk vom 25. September 2002 sowie aus den Angaben des Sachverständigen im Rahmen des Erörterungstermins. Damit stand fest, dass der gesamte Hang durchnässt war und es deshalb zu Bewegungen kam. Auch dies ist letztlich nur der Gesamtheit der Eigentümer "zuzurechnen".

- Die Hauptgefahr bestand ausweislich des Vermerks vom 25. September 2002 für das Anwesen *******. Dessen Schutz war nach Angaben des Gutachters dringlich. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird diese Auffassung nochmals wiederholt. Hauptnutznießer und damit potentieller Adressat war damit der Miteigentümer *******. Sein Haus sollte geschützt werden. Nach Auffassung der Gemeinde, die der erste Bürgermeister am 25. September 2002 äußerte, bestand nämlich für die Unterlieger keine erhebliche Gefahr.

- Die festgestellten Geländeverschiebungen waren nicht nur auf dem klägerischen Grundstück festzustellen, sondern auch auf dem Wegegrundstück und auf dem Grundstück *******. Auch dies ergibt sich eindeutig aus den Behördenakten und wird letztlich im gerichtlichen Verfahren von niemand bestritten.

- Auch der Gutachter führt eindeutig aus, dass Abrisskanten auf sämtlichen Grundstücken festgestellt wurden. Unter anderem war auch der Weg erheblich beschädigt.

- Die Inanspruchnahme des Wegegrundstücks wurde vom Gutachter als geeignete Maßnahme empfohlen. Eine Sicherungsmaßnahme sollte mithin also nicht auf dem Grundstück des Klägers erfolgen, sondern auf den Flächen, die im Eigentum der Gemeinde standen.

Aus diesen Erwägungen heraus wird deutlich, dass hier offensichtlich drei mögliche Störer in Betracht kamen. Die dem zugrunde liegenden Erkenntnisse lagen für die Gemeinde eindeutig vor und sind letztlich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat auch unstreitig. Ergänzend kann hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen auf die ausführlichen Darstellungen im verwaltungsgerichtlichen Urteil sowie auf die Niederschrift über den Erörterungstermin und die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Bezug genommen werden.

(4) Kommen wie hier mehrere Störer in Betracht, hat die Sicherheitsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Auswahl unter den Störern zu entscheiden. Die Entscheidung für die Inanspruchnahme einer oder mehrerer bestimmter Personen aus dem Kreis der Verantwortlichen steht vor dem Hintergrund des Prinzips der Effektivität der Gefahrenabwehr im Ermessen der Sicherheitsbehörde. Dieses Ermessen muss pflichtgemäß ausgeübt werden. Es kann sich an verschiedenen Gesichtspunkten wie der Wirksamkeit und Schnelligkeit des Eingreifens, der Leistungsfähigkeit, der Sach- und Ortsnähe oder anderen Kriterien orientieren. Denkbar ist es auch, mehrere Störer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen.

Diesen Anforderungen wurde hier nicht in ausreichendem Umfang entsprochen. Die Beklagte hat vielmehr das ihr zustehende Ermessen in gar keiner Weise ausgeübt (Ermessensausfall). Sie hat sich zu keinem Zeitpunkt mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welchem Umfang gegebenenfalls auch andere Störer als der Kläger in Betracht kommen.

Im angefochtenen Bescheid auf Seite 3 ist hierzu lediglich ausgeführt, der Kläger sei als Eigentümer des abgerutschten Grundstücks für dessen Zustand verantwortlich. Er habe dafür zu sorgen, dass von seinem Grundstück keine objektive Gefahr für Dritte ausgehe. Die Anordnung sei an ihn als Zustandsstörer zu richten. Eine mögliche Verantwortlichkeit anderer Personen wird mit keinem Wort erwähnt. Auch den gesamten dem Gericht vorliegenden Akten ist nichts zu entnehmen, was dafür sprechen könnte, dass sich die Beklagte im übrigen auch nur Gedanken hierüber gemacht hätte.

Dies wiegt umso schwerer, als es für die Beklagte offensichtlich sein musste, dass hier, wie ausgeführt, mehrere Personen in Anspruch genommen werden können. Die hierfür maßgeblichen Umstände waren zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bekannt. Auch der Kläger hatte mit seinem Schreiben an die Beklagte vom 27. September 2002 ausdrücklich darauf hingewiesen. Im (ersten) Widerspruchsschreiben vom 2. Oktober 2002 wird wiederum ausdrücklich von der Klägerseite geltend gemacht, dass hier eine sachgerechte Ermessensbetätigung stattzufinden habe.

Auch der Hinweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf eine mögliche Gesamtschuldnerschaft vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Unstreitig ist sicherlich, dass es möglich ist, mehrere Störer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Hierfür findet sich im Bescheid der Beklagten jedoch auch nichts. Auch insoweit hätte sie entsprechende Erwägungen anstellen und zumindest ansatzweise niederlegen müssen.

In gleicher Weise kann der Kläger nicht auf (vollkommen offene) zivilrechtliche Ausgleichsmöglichkeiten verwiesen werden. Es ist Aufgabe der Sicherheitsbehörde, eine sachgerechte Ermessensbetätigung hinsichtlich der Störerauswahl zu treffen. Sie kann und darf nicht eine Person willkürlich herausziehen und die Frage der Störerauswahl dann diesem im Rahmen möglicher zivilrechtlicher Rechtsbehelfe auferlegen.

Zusammenfassend hat die Beklagte von dem ihr zustehenden Ermessen in keiner Weise Gebrauch gemacht. Dieser Fehler ist im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO auch beachtlich und führt zur Aufhebung der Nrn. 3 und 4 des Bescheids vom 4. Oktober 2002.

d) Nachdem die Primäranordnung in den Ziffern 3 und 4 keinen Bestand haben kann, ist auch die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 5 des Bescheides aufzuheben.

Eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG setzt voraus, dass die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann, nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird. Fehlt es an einer solchen Primärverpflichtung, kann auch die Durchführung der Ersatzvornahme keinen Bestand haben. Auch aus Art. 29 Abs. 1 VwZVG folgt, dass Verwaltungszwang dann nicht mehr möglich ist, wenn ein durchzusetzender Verwaltungsakt nicht mehr vorliegt.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beklagte hat die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Berufung zu tragen.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da nach Auffassung des Senats Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 72 Satz 1 Nr. 1 GKG (neu) i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (alt). Das Gericht hat sich hier an den für die Ersatzvornahme anfallenden Kosten orientiert. Die Gutachterkosten bleiben außer Betracht.



Ende der Entscheidung

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