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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.09.2006
Aktenzeichen: 24 ZB 06.1326
Rechtsgebiete: AufenthG, VwZVG


Vorschriften:

AufenthG § 67 Abs. 3
AufenthG § 71 Abs. 1
VwZVG Art. 30 Abs. 1 Satz 2
In Bayern können sowohl die Polizei als auch die Ausländerbehörde die Abschiebung von Ausländern in eigener Zuständigkeit durchführen (Parallelzuständigkeit). Welche Behörde im konkreten Einzelfall die Abschiebung - in eigener Zuständigkeit - durchgeführt hat, ist eine Tatfrage. Nur die Behörde, die die Abschiebung nach § 71 Abs. 1 bzw. § 71 Abs. 5 AufenthG, Art. 30 Abs. 1 Satz 2 VwZVG in eigener Zuständigkeit durchgeführt hat, kann die (Gesamt-) Kosten geltend machen (Anschluss an BVerwGE 123, 382).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

24 ZB 06.1326

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Abschiebekosten;

hier: Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. März 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon als Vorsitzender, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Müller

ohne mündliche Verhandlung am 8. September 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 2.164,24 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Kostenbescheid der Polizeiinspektion Zentrale Dienste in Rosenheim rechtswidrig ist, weil diese Behörde zum Erlass des Bescheides nicht zuständig war. Es hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2005 (BVerwGE 123, 382) zutreffend dargelegt, dass die Kostenentscheidung hinsichtlich der Abschiebekosten auch dann nur einheitlich ergehen kann, wenn die Ausländerbehörde und die Polizei bei der Durchführung der Abschiebung zusammengewirkt haben, und dass diejenige Behörde die (Gesamt-) Kosten der Abschiebung erhebt, die die Abschiebung verantwortlich durchgeführt hat.

Der Senat schließt sich der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die noch zum früheren Ausländergesetz erging, deren Grundsätze aber auf die inhaltsgleichen Nachfolgevorschriften des Aufenthaltsgesetzes übertragen werden können, ebenfalls an. Diejenige Behörde ist danach als die für die Abschiebung zuständige Behörde anzusehen, welche die Sachherrschaft hinsichtlich der Abschiebung hatte. Wann das der Fall ist, ist eine im Einzelfall vom Gericht jeweils zu prüfende Tatfrage. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat die Behörde als die - allein - zuständige Behörde für die Abschiebung gekennzeichnet, die bis zum Abschluss des Abschiebungsvorgangs die rechtliche Sachherrschaft darüber behält, ob die Abschiebung durch- und weitergeführt wird.

Dabei ist festzuhalten, dass eine Ausländerbehörde die Abschiebung als allein zuständige Behörde auch dann betreibt, wenn sie zur Durchführung der Abschiebung die Polizei heranzieht. Das Institut der Amtshilfe bei der Durchführung von Abschiebungen wird in Bayern nicht durch Art. 30 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ausgeschlossen. Auch in Bayern kann für eine Abschiebungsmaßnahme der Ausländerbehörde (die über das "Ob" entscheidet) im Wege der Amtshilfe die Polizei "herangezogen" werden (die über das "Wie" der Abschiebung entscheidet). Die Ausländerbehörde bleibt auch in diesen Fällen die allein zuständige Behörde im Sinne des 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, und sie allein ist damit zur Erhebung der Gesamtkosten einschließlich der Kosten der hinzugezogenen Behörden befugt (s. dazu BVerwG a.a.O. RdNr. 8). Die Polizei kann sich also, wenn sie von der Ausländerbehörde um Amtshilfe gebeten wird, nicht selbst - allein oder neben der Ausländerbehörde - für originär zuständig für die Abschiebung erklären. Dem steht vor allem entgegen, dass es in diesem Fall zwei nach § 67 Abs. 3 AufenthG für die Kostenerhebung zuständige Behörden gäbe, was durch Bundesrecht ausgeschlossen ist (s. BVerwG a.a.O.). Deshalb ist es auch nicht vertretbar, aus Art. 30 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zu folgern, dass in Bayern Ausländerbehörde und Polizei bei derselben Abschiebungsmaßnahme gleichzeitig originär zuständig sein können. Die durch Bundesrecht zugelassene parallele Zuständigkeit (§ 71 Abs. 5 AufenthG) bedeutet vielmehr, dass die Polizei auch - und zwar anstelle - der Ausländerbehörde originär zuständig für die Abschiebung sein kann. Der Senat kann daher der Meinung des Beklagten (S. 6 des Schriftsatzes vom 12. Juni 2006) nicht folgen, dass bei Abschiebungsmaßnahmen der Ausländerbehörden die Polizei in Bayern nicht "herangezogen" wird, sondern auch in diesem Fall die Abschiebung als eigene Aufgabe in originärer Zuständigkeit ausführt.

Die Abschiebungskosten werden nach § 67 Abs. 3 AufenthG nur von der Behörde erhoben, die für die Durchführung der Abschiebung zuständig ist (vgl. dazu auch Nr. 67.0.3 Satz 1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004). In Bayern kann dies nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Ausländerbehörde (vgl. dazu BayVGH vom 23.4.2002 Az. 10 B 00.3228) oder nach § 71 Abs. 5 AufenthG ("... auch die Polizeien der Länder ..."), Art. 30 Abs. 1 Satz 2 VwZVG die Polizei sein, je nachdem wer im oben dargelegten Sinne zuständig für die Abschiebung war (vgl. dazu auch Nr. 71.1.2 Satz 1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern).

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Landeshauptstadt München die Abschiebungsmaßnahme veranlasst und durchgeführt hat. Sie war somit die allein für die Abschiebung zuständige Behörde. Das ergibt sich auch aus der vorgelegten Behördenakte der Ausländerbehörde, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass sie die Verantwortung für die Abschiebung und bis zum Abschluss des Abschiebungsvorgangs die vollständige rechtliche Sachherrschaft über die Abschiebung hatte. Für eine eigenständige von der Ausländerbehörde unabhängige Abschiebungsmaßnahme der Polizei fehlt in den vorgelegten Unterlagen jeder Hinweis. Dem Gericht wurde auch keine Akte der Polizei vorgelegt, aus der sich etwas anderes ergeben würde.

Aus der Zuständigkeit für die Abschiebung folgt die ausschließliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde für die Erhebung der Kosten der durchgeführten Abschiebung nach § 67 Abs. 3 Satz 1, § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann sich der Beklagte für seine Meinung nicht berufen. In keiner der zitierten Entscheidungen vom 17. Dezember 1985 (10 B 84 A.2446), 23. April 2002 (10 B 00.3228) und 30. Juni 2003 (24 BV 03.122) wird die Frage erörtert, ob die Polizei die Abschiebungskosten geltend machen kann, wenn die Ausländerbehörde die Abschiebung im oben dargelegten Sinn durchgeführt hat.

Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die aufgeworfene Frage, ob für die Geltendmachung von Abschiebungskosten auch dann von einer ausschließlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde auszugehen ist, wenn die Zuständigkeit der Polizei für die Abschiebung von Ausländern landesrechtlich - wie in Bayern (Art. 30 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) - über die ausländerrechtlichen Regelungen hinaus ausdrücklich festgelegt ist, würde sich so in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

Zur Klärung der Zuständigkeit für die Kostenerhebung bei Abschiebungsmaßnahmen bedarf es - nach der oben dargelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Eine ausschließliche Zuständigkeit für die Erhebung der Abschiebungskosten besteht unter den genannten Voraussetzungen jeweils für die Ausländerbehörde oder die Polizei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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