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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 25 B 05.1339
Rechtsgebiete: VwGO, BayBO, BauGB, BauNVO, VwGO


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2
BayBO Art. 62
BayBO Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a
BayBO Art. 70 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 30 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 1
BauNVO § 14 Abs. 1
BauNVO § 14 Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 114
Die Zulassung einer Ausnahme zur Errichtung einer Mobilfunkanlage im allgemeinen Wohngebiet kann nicht allein wegen des am Standort bereits vorhandenen "Wildwuches" formell illegal errichteter Antennen abgelehnt werden. Eine ablehnende Betätigung des in § 31 Abs. 1 BauGB eröffneten Ausnahmeermessens setzt in solchen Fällen vielmehr ein schlüssiges Rückbaukonzept voraus.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

25 B 05.1339

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausnahme/Mobilfunk;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. April 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 25. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Krieger

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juli 2007

am 9. August 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. April 2005 wird abgeändert und erhält in seiner Nr. I folgende Fassung:

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2004 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 16. Februar 2004 auf Erteilung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans "K********** ***" der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Zulassung einer (isolierten) Ausnahme für die Erweiterung einer vorhandenen Mobilfunk-Sendeanlage auf dem Dach eines achtgeschossigen Altenheims im allgemeinen Wohngebiet um drei UMTS-Antennen.

Auf dem Flachdach des Altenheims Grundstück Fl.Nr. **** der Gemarkung K******** (** *********** **) der Beigeladenen, eines Wohlfahrtsverbandes, befinden sich nach den Eingabeplänen insgesamt elf Antennenträger verschiedener Mobilfunkanbieter, die das Dach allesamt um weniger als 10 m überragen, mit insgesamt 43 Antennen (15 GSM- und 3 UMTS-Sendeantennen sowie 25 Richtfunkantennen).

Das Altenheim liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "K********** - ***" der Beklagten (aktuell geltend in der Fassung vom 18.11.1971, als Satzung beschlossen am 23.11.1971, Genehmigung ortsüblich bekannt gemacht am 9.3.1972), der für das Baugrundstück und weitere Grundstücke zwischen der im Nordosten verlaufenden Bundesstraße B * und der im Süden gelegenen Straße "A* K**********" ein allgemeines Wohngebiet festsetzt; nordwestlich des Baugrundstücks schließen sich im weiteren Verlauf der B * eine Gemeinbedarfsfläche (Kindergarten/Kindertagesstätte) und eine kleinere Gewerbefläche an das Baugrundstück an. Ein jenseits der B * gelegenes größeres Gewerbegebiet ist vom Baugrundstück knapp 200 m entfernt. Die südlich und östlich der Straße "A* K**********" gelegenen Baugebiete sind als reines Wohngebiet ausgewiesen. Unter "B) Weitere Festsetzungen - Für die bauliche Nutzung, Buchst. c)" der aktuell geltenden Fassung des Bebauungsplans ist bestimmt, dass Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig sind.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zulassung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die Erweiterung des Mobilfunkstandortes um drei UMTS-Antennen. Die Antennen sollen mittels zusätzlich angeschweißter Ausleger an zwei vorhandene Antennenträger, die das Flachdach um weniger als 5 m überragen, montiert, der zusätzlich erforderliche Betriebsschrank soll im bereits vorhandenen Betriebsraum mit einem Volumen unter 10 m3 unterbracht werden. Somit seien optische Veränderungen am Standort objektiv nicht wahrnehmbar. Die geplante Erweiterung berge, so die Begründung des Antrags, immissionstechnisch keinerlei gesundheitliche Risiken für die Nachbarn, wie sich aus der Bescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post ergebe. Mit der vorgesehenen Erweiterung sei eine qualitativ hochwertige Versorgung des Baugebiets mit UMTS-Dienstleistungen an zentraler Stelle gesichert. Die optimale Höhe und Lage des Standortes für Mobilfunkzwecke stehe außer Frage.

Am 11. März 2004 fasste der Stadtrat der Beklagten eine Resolution, mit der er mit Rücksicht auf mögliche Gesundheitsgefahren und weil er der Auffassung war, dass im Stadtgebiet bereits eine flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk sichergestellt sei, ankündigte, künftig alle Anträge von Mobilfunkbetreibern auf Erweiterung des Mobilfunknetzes abzulehnen, und auch die Bürger aufforderte, Grundstücke und Gebäude für Mobilfunkanlagen nicht mehr zur Verfügung zu stellen.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zulassung einer Ausnahme ab. Dem Ausnahmeantrag könne aus Ermessenserwägungen nicht zugestimmt werden. Am Anwesen befinde sich bereits jetzt eine große Zahl von Antennenanlagen. Derartige "Antennenwälder" seien grundsätzlich rechtswidrig. Wollte man die beantragten Außenantennen zulassen, würde das bereits jetzt vorhandene negative Erscheinungsbild des Gebäudes verstärkt und damit auch das Straßen- und Ortsbild zusätzlich beeinträchtigt. Die Forderung der Klägerin nach einer flächendeckenden Versorgung mit UMTS müsse daher hinter dem städtebaulichen Aspekt des Verunstaltungsverbots zurückstehen.

Die Regierung von Unterfranken verzichtete ausdrücklich auf eine Entscheidung über den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin.

Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 5. April 2005 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 11. Mai 2004, der Klägerin die beantragte Ausnahme zu erteilen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme lägen vor. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1962 könnten im allgemeinen Wohngebiet sonstige nicht störende Gewerbebetriebe ausnahmsweise zugelassen werden. Die optischen und/oder ästhetischen Wirkungen baulicher Anlagen seien kein Element der Art der baulichen Nutzung und könnten deshalb nicht maßgeblich herangezogen werden, um die Eigenschaft eines Gewerbebetriebs als "störend" zu begründen. Die strittige Mobilfunkanlage könne auch nicht wegen der von ihr erzeugten elektromagnetischen Felder als störend eingestuft werden, weil die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten seien, wie sich aus der Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde ergebe. Somit stehe die Entscheidung über die Zulassung einer Ausnahme im Ermessen der Beklagten. Im vorliegenden Fall seien jedoch keine sachlichen Gründe ersichtlich, die eine Ablehnung der Ausnahme rechtfertigen könnten. Die flächendeckende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen liege im öffentlichen Interesse, wie auch durch die positive Wertentscheidung in Art. 87f Abs. 1 GG zum Ausdruck komme. Demgegenüber erachte das Gericht die von der Beklagten geltend gemachte Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die Erweiterung der Mobilfunkanlage um drei zusätzliche UMTS-Antennen an drei vorhandenen Antennenträgern auf dem Flachdach eines gestalterisch nicht besonders ansprechenden siebengeschossigen (richtig: achtgeschossigen) Altenheims nicht für so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen könnten. Die Erweiterung habe keinen spürbaren Einfluss auf die Umgebungsbebauung oder das Ortsbild. Außerdem sei mit der flächendeckenden Verbreitung der Mobilfunknetze eine Gewöhnung an solche Anlagen eingetreten. Vieles spreche im vorliegenden Fall dafür, dass die Beeinträchtigung des Ortsbildes nur vorgeschoben sei und es der Beklagten, wie sich aus der Resolution ihres Stadtrats vom 11. März 2004 ergebe, eigentlich um die Angst der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren gehe. Dies sei aber kein städtebaulicher Belang. Unter diesen Umständen verdichte sich das von der Beklagten auszuübende Ermessen zu einem Anspruch der Klägerin auf Zulassung der beantragten Ausnahme.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie beantragt,

die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Dass es sich bei den geplanten Mobilfunkantennen um einen nicht störenden Gewerbebetrieb handle, sei nicht unzweifelhaft. Auch optische Auswirkungen könnten den Gebietscharakter eines Wohngebiets, nämlich die dort zu gewährleistende Wohnruhe, stören, ein Vorhaben könne auch durch seine optische Erscheinung gebietswidrig "laut" sein. Da sich Mobilfunkanlagen optisch deutlich von den im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässigen und üblichen Empfangsantennen unterschieden, erscheine es durchaus möglich, dass sie zu einer gewerblichen Überformung des Gebiets führten. Dies gelte erst recht im vorliegenden Fall, in dem ein Altenheim zu einem Antennenturm umfunktioniert werde. Das Verwaltungsgericht lasse auch Ausführungen zur Ermessensreduzierung auf Null völlig vermissen, weshalb die für ein Vornahmeurteil erforderliche Spruchreife gerade nicht dargelegt worden sei und deshalb nur ein Bescheidungsurteil auszusprechen gewesen wäre. Ein öffentlicher Versorgungsauftrag für Mobilfunk bestehe nicht, zumal UMTS nicht zur Grundversorgung gehöre und es durchaus zweifelhaft erscheine, ob diese Technologie überhaupt zukunftsfähig sei. Zu Unrecht erachte das Erstgericht die weitere Beeinträchtigung des Ortsbildes auch nicht für so gewichtig, dass sie das Interesse an der Erweiterung des Mobilfunk-Standortes überwiegen könne. Die bereits jetzt überaus problematische Situation werde zusätzlich empfindlich verschärft, zumal sich der Antennenstandort an sehr exponierter Lage befinde und unmittelbar von der B * einsehbar sei, sich also gewissermaßen als "Eingangstor" zur Stadt präsentiere. Einen Antennenwald müsse die Beklagte nicht hinnehmen. Auch mögliche Gesundheitsgefahren seien als städtebauliche Belange beachtlich, wie sich aus der Planungsleitlinie gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB ("gesunde Wohnverhältnisse") ergebe.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Mobilfunkanlage der Klägerin sei Teil eines nicht störenden Gewerbebetriebs. Optische Auswirkungen seien bereits im Grundsatz ungeeignet, die gebietsbezogene Wohnruhe zu beeinträchtigen. Diese Grundsatzfrage könne aber dahingestellt bleiben, weil die Mobilfunkanlage der Klägerin keine "Unruhe" in das Gebiet hineintrage. Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ergebe sich die normative Wertung einer grundsätzlichen Gebietsverträglichkeit von Mobilfunkanlagen in Wohngebieten. Ob im Ausnahmefall etwas anderes gelten könne, etwa bei einem besonders schützenswerten Bereich oder wenn die fragliche Anlage in besonders auffälliger Weise in Erscheinung trete, könne dahingestellt bleiben, weil Entsprechendes hier nicht angenommen werden könne. Das Hinzutreten von drei Antennen stelle keine ins Gewicht fallende zusätzliche optische Beeinträchtigung des Gebäudes, geschweige denn des Ortsbildes oder der Umgebungsbebauung dar. Der Berufungsbegründung der Beklagten könne nicht einmal im Ansatz entnommen werden, worin die besondere Wertigkeit oder Schutzbedürftigkeit des Ortsbildes liegen solle. Das dahingehende Vorbringen der Beklagten sei auch angesichts der diffusen Bebauung der näheren Umgebung des Baugrundstücks widerlegt. Die gute Einsehbarkeit des Standorts reiche nicht aus, um ein schützenswertes Ortsbild zu konstruieren. Eine störende Wirkung ergebe sich auch nicht im Hinblick auf mögliche Einwirkungen elektromagnetischer Felder, weil die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten seien. Mit der Ermessensreduzierung auf Null habe sich das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt; es hebe hervor, dass keine sachlichen Gründe ersichtlich seien, die eine Ablehnung der Ausnahme rechtfertigen könnten. Das Verwaltungsgericht befinde sich mit dieser Auffassung im Einklang mit der praktisch einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung, wonach bei der Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen regelmäßig kein Spielraum bestehe, sofern für eine Ablehnung nicht im Hinblick auf die konkrete städtebauliche Situation Gründe von hinreichendem Gewicht sprächen. Es bestehe auch ein öffentlicher Versorgungsauftrag für Mobilfunk, auch für die UMTS-Technik.

Die mit Beiladungsbeschluss vom 16. Februar 2007 zum Verfahren Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses stellt ebenfalls keinen Antrag, befürwortet aber den Antrag der Klägerin. Der Verordnungsgeber gehe, wie § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 zeige, von einer generellen Gebietsverträglichkeit von Mobilfunk-Sendeanlagen aus. Allerdings könne das Erscheinungsbild von Mobilfunkanlagen im allgemeinen Wohngebiet unter optischen Gesichtspunkten städtebaulich erheblich sein. Mit der Argumentation, die Vielzahl von Einzelantennen verunstalte sowohl das Gebäude als auch das Orts- und Straßenbild, greife die Beklagte aber lediglich bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte auf, die bei der Ermessensentscheidung nach § 31 Abs. 1 BauGB keine Berücksichtigung finden könnten. Vieles spreche dafür, dass es der Beklagten primär eigentlich um Gesundheitsgefahren gehe, die kein städtebaulicher Belang seien. Mit dem Verwaltungsgericht sei deshalb davon auszugehen, dass sich das Ermessen mangels entgegenstehender städtebaulicher Belange zu einem Anspruch auf Zulassung der Ausnahme verdichte.

Zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse hat der Senat am 17. April 2007 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Am 30. Juli 2007 hat der Senat mündlich verhandelt. Auf die jeweiligen Niederschriften wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Bauakte der Beklagten (ohne Aktenzeichen), die Widerspruchsakte der Regierung (Nr. 4160.14-5/04) sowie die verschiedenen Fassungen des Bebauungsplans "K********** - ***" der Beklagten (insgesamt drei Heftungen).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin die beantragte Ausnahme zu erteilen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans "K********** - ***" der Beklagten für die Erweiterung ihrer vorhandenen Mobilfunk-Sendeanlage um drei UMTS-Antennen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ausnahme (§ 31 Abs. 1 BauGB) liegen zwar vor. Die Zulassung einer Ausnahme steht aber grundsätzlich im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, das vorliegend auch nicht auf Null reduziert ist. Allerdings hat die Beklagte von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Sie war deshalb zu verpflichten, über den Ausnahmeantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass für die beabsichtigte Erweiterung der Mobilfunk-Sendeanlage der Klägerin die Zulassung einer - isolierten - Ausnahme gemäß Art. 70 Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB erforderlich ist.

a) Die beiden vorhandenen Antennenträger, an denen die drei zusätzlichen UMTS-Sendeantennen angebracht werden sollen, haben eine konstruktive Gesamthöhe von jeweils weniger als 10 m, der vorhandene Betriebsraum, in dem der zusätzlich erforderliche Betriebsschrank für die UMTS-Technik untergebracht werden soll, hat ein Volumen unter 10 m3; die Erweiterung der Sendeanlage ist deshalb gemäß Art. 62 Satz 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BayBO genehmigungsfrei.

b) Sie ist im Baugebiet nach der Art der baulichen Nutzung weder als Hauptanlage noch als Nebenanlage allgemein zulässig (§ 30 Abs. 1 BauGB).

Der Bebauungsplan setzt für das Baugrundstück ein allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO fest. Als Hauptnutzung sind damit gemäß § 4 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO nur Wohngebäude (Nr. 1), die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften und nicht störende Handwerksbetriebe (Nr. 2) sowie Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke (Nr. 3) allgemein zulässig. Mobilfunk-Sendeanlagen, die - ungeachtet ihrer möglichen Qualifizierung als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 - Betriebsteile einer gewerblichen Hauptanlage sind (BayVGH vom 1.7.2005 VGH n.F. 58, 174 = BayVBl 2006, 469/470), fallen nicht hierunter.

Als Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO ist die Mobilfunkanlage schon deshalb nicht allgemein zulässig, weil Nebenanlagen nach der textlichen Festsetzung "Für die bauliche Nutzung", Buchst. c, des Bebauungsplans nur ausnahmsweise zulässig sind. Ohne Abweichung ist die Mobilfunkanlage im allgemeinen Wohngebiet somit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB unzulässig.

c) Die Erweiterung der Mobilfunkanlage der Klägerin kann aber gemäß Art. 70 Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB als Ausnahme zugelassen werden.

aa) Nicht ausnahmsweise zulässig ist die Anlage allerdings als Nebenanlage im Sinne des § 14 BauNVO, die nach der textlichen Festsetzung "Für die bauliche Nutzung", Buchst. c, im Baugebiet ausnahmsweise zulässig sind. Denn § 14 BauNVO ist auf die beantragte Erweiterung der Mobilfunkanlage der Klägerin nicht anwendbar.

§ 14 Abs. 1 BauNVO regelt die Zulässigkeit untergeordneter Nebenanlagen oder Einrichtungen, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung und im Einklang mit der wohl überwiegenden Meinung die Auffassung, dass Mobilfunk-Sendeanlagen eben nicht nur der Versorgung des Baugebiets, sondern als Teil eines flächendeckenden Funknetzes letztlich dem Betrieb des gesamten Mobilfunk-Unternehmens dienen, weshalb ein unmittelbarer Funktionszusammenhang mit der Zweckbestimmung des Baugebiets oder der im Baugebiet gelegenen Grundstücke gerade fehlt (BayVGH vom 1.7.2005 a.a.O.; ebenso HessVGH vom 29.7.1999 NVwZ 2000, 694; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, RdNr. 17 zu § 14 m.w.N.).

Demgegenüber ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Mobilfunkanlagen dem Begriff der fernmeldetechnischen Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 unterfallen. Für den Bebauungsplan "K********** - ***" der Beklagten ist die Vorschrift aber ebenfalls nicht anwendbar. Bestandteil eines Bebauungsplans werden gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO nämlich in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens (oder einer späteren Änderung) des Bebauungsplans geltenden Fassung der Baunutzungsverordnung. Bestandteil der mit der ortsüblichen Bekanntmachung der Genehmigung der Regierung von Unterfranken am 9. März 1972 in Kraft getretenen maßgeblichen Fassung des Bebauungsplans "K********** - ***" ist deshalb § 14 Abs. 2 BauNVO 1968 geworden, in der eine Regelung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit fernmeldetechnischer Nebenanlagen noch nicht enthalten war (vgl. BVerwG vom 1.11.1999 NVwZ 2000, 680; BayVGH vom 1.7.2005 a.a.O.; Roeser in König/Roeser/Stock, a.a.O., RdNr. 36 zu § 1 und Einleitung RdNr. 20 m.w.N.).

bb) Das Vorhaben der Klägerin kann aber gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als Hauptanlage ausnahmsweise zugelassen werden. Sie ist nicht störender Teil eines sonstigen Gewerbebetriebs.

Gemäß § 31 Abs. 1 BauGB können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Der Bebauungsplan "K********** ***" der Beklagten setzt für das Gebiet, in dem das streitbefangene Altenheim liegt, ein allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO fest. Hierdurch wird gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO auch die Vorschrift des § 4 Abs. 3 BauNVO über die im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässigen Hauptnutzungen Bestandteil des Bebauungsplans, soweit - wie hier - nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt worden ist. Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO können deshalb auch "sonstige nicht störende Gewerbebetriebe" ausnahmsweise zugelassen werden. Die beantragte Erweiterung der Mobilfunkanlage der Klägerin fällt hierunter.

Sie erfüllt den bauplanungsrechtlichen Begriff des "sonstigen Gewerbebetriebs". Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Mobilfunkanlagen Teile gewerblicher Hauptanlagen im Sinne der Baunutzungsverordnung, auch wenn sie gleichzeitig fernmeldetechnische Nebenanlagen nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO sein können (BayVGH vom 1.7.2005 a.a.O.). Dies gilt unabhängig vom Versorgungsradius der Anlage.

Von der geplanten Anlage gehen auch keine Störungen aus, die im allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO störend und gebietsunverträglich wären. Die Störeigenschaft eines Betriebes ist mit Blick auf das konkret festgesetzte Baugebiet anhand seiner allgemeinen Zweckbestimmung und seines speziellen Fächers der allgemein und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen zu beurteilen (vgl. BVerwG vom 4.7.1980 BauR 1980, 246). Zu berücksichtigen sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen (vgl. BVerwG vom 9.10.1990 NVwZ 1991, 267). Die ausnahmsweise Zulässigkeit hängt dabei zwar vorrangig, aber nicht ausschließlich von der Emissionsträchtigkeit der Anlage ab, sondern wird auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt (BVerwG vom 24.2.2000 NVwZ 2000, 1054 m.w.N.).

Von vornherein außer Betracht zu bleiben haben insoweit allerdings mögliche Gesundheitsgefahren, die vom Betrieb einer emittierenden Mobilfunk-Sendeanlage ausgehen können, sofern - wie hier (Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 3.12.2003) - die Sicherheitsabstände der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) eingehalten sind. Neue gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine von der 26. BImSchV abweichende Risikobewertung rechtfertigen könnten, liegen derzeit nicht vor (BVerfG vom 22.8.2002 DVBl 2002, 614/615; vom 8.12.2004 NVwZ-RR 2005, 227; zuletzt vom 24.1.2007 NVwZ 2007, 805).

Auch im Übrigen sind Mobilfunk-Sendeanlagen im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich gebietsverträglich und deshalb als nicht störender Teil eines sonstigen Gewerbebetriebs zu qualifizieren. Einen normativen Anhaltspunkt liefert insoweit Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990, weil der Verordnungsgeber mit der darin geregelten Privilegierung fernmeldetechnischer Nebenanlagen entschieden hat, dass diese in allen Wohngebieten, also auch im allgemeinen Wohngebiet zumindest ausnahmsweise zulässig sein können (vgl. OVG NRW vom 6.5.2005 NVwZ-RR 2005, 608).

Offen bleiben kann, ob sich eine Störung des Gebietscharakters eines allgemeinen Wohngebiets, nämlich der dort zu gewährleistenden Wohnruhe, im Einzelfall ausnahmsweise auch aufgrund der optischen Wirkung einer gewerblichen Mobilfunkanlage ergeben kann, ob eine Anlage also - wie die Beklagte meint - aufgrund ihrer optischen Erscheinung gebietswidrig "laut" sein und das allgemeine Wohngebiet gewerblich überformen kann (so OVG NRW - 10. Senat - vom 25.2.2003 NVwZ-RR 2003, 639/640 m.w.N.; von der Möglichkeit einer optischen Störwirkung geht wohl auch BVerwG vom 23.8.1991 NVwZ 1992, 475 aus; vgl. auch BayVGH vom 9.8.2007 Az. 25 B 05.3055 zu optischen Beeinträchtigungen im reinen Wohngebiet; ablehnend OVG NRW - 7. Senat - vom 9.1.2004 NVwZ-RR 2004, 481). Eine derartige Wirkung geht von der beantragten Erweiterung der bestehenden Mobilfunkanlage der Klägerin um drei UMTS-Sendeantennen nämlich nicht aus. Die Frage, ob ein Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO stört, ist - wie ausgeführt - allein anhand der Auswirkungen des Betriebs zu beurteilen. Das gilt auch, wenn optische Störwirkungen in Frage stehen. In Betracht zu ziehen ist deshalb nur die optische Wirkung der drei beantragten gewerblichen UMTS-Sendeantennen einschließlich der beiden Antennenträger, auf denen die Antennen montiert werden sollen, deren Fortexistenz also die konstruktive Voraussetzung für das Vorhaben ist. Alle übrigen - vorhandenen - Antennen und Antennenträger der Klägerin und erst recht der übrigen Mobilfunkanbieter haben bei der Beurteilung der Störeigenschaft der streitgegenständlichen UMTS-Sendeanlage außer Betracht zu bleiben. Die streitgegenständlichen Antennenträger, die das Flachdach des achtstöckigen Altenheims um weniger als 5 m überragen, treten auf dem massiv dimensionierten Baukörper weder zahlenmäßig noch aufgrund ihrer Höhe optisch störend in Erscheinung (vgl. auch BayVGH vom 22.2.2007 ZfBR 2007, 484; HessVGH vom 29.7.1999 NVwZ 2000, 694/695). Erst recht ist das optische Störpotential der UMTS-Antennen zu vernachlässigen.

cc) Die somit gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als nicht störender Teil eines sonstigen Gewerbebetriebs im allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise gestattungsfähige UMTS-Anlage ist auch nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig. Sie widerspricht der Eigenart des Baugebiets auch nicht im Einzelfall.

Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten, nach der Art der baulichen Nutzung generell zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Hiernach kann eine von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erfasste Anlage im Einzelfall auch unzulässig sein, wenn es zu einer der Eigenart des Baugebiets widersprechenden Häufung derartiger Anlagen kommen würde, etwa weil dort bereits solche Anlagen vorhanden sind, die zusammen mit der neu hinzutretenden Anlage den Gebietscharakter des Baugebiets in Frage stellen. In diesem Fall bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlagen nach der zeitlichen Abfolge, in der sie in dem Baugebiet auftreten (vgl. Roeser in König/Roeser/Stock, a.a.O., RdNr. 18 zu § 15, m.w.N.).

Auf diesen Aspekt hebt möglicherweise die Begründung des Ablehnungsbescheids ab, dass sich auf dem Altenheim bereits jetzt eine große Anzahl von Antennenanlagen befinde, die als sog. Antennenwald sowohl das Gebäude selbst als auch das Orts- und Landschaftsbild verunstalte und deshalb unzulässig sei. Einen im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO relevanten Gesichtspunkt, der im konkreten Einzelfall bereits aus Rechtsgründen zur Ablehnung der beantragten UMTS-Erweiterung führen müsste, benennt die Beklagte hiermit indes nicht. Eine mit der Vorschrift bewirkte Privilegierung vorhandener gleichartiger Anlagen im Baugebiet kann nämlich aus Gründen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nur dann greifen, wenn die vorhandenen Anlagen auch tatsächlich vergleichbar sind. An dieser Vergleichbarkeit fehlt es, wenn die vorhandenen Anlagen ohne eine erforderliche behördliche Genehmigung oder Zulassung, also formal illegal errichtet worden sind und von der Bauaufsichtsbehörde lediglich geduldet werden, bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen also gegebenenfalls auch wieder bauaufsichtlich beseitigt werden könnten, während für die neu hinzutretende Anlage ordnungsgemäß eine Genehmigung oder Zulassung beantragt wurde. So verhält es sich hier. Nach übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Beklagten ist die streitgegenständliche UMTS-Sendeanlage der Klägerin die erste auf dem Dach des Anwesens befindliche Mobilfunkanlage, für die die Zulassung einer Ausnahme beantragt wurde. Die vorhandenen Anlagen können in diesem Fall der neu hinzutretenden UMTS-Sendeanlage der Klägerin im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO grundsätzlich nicht entgegengehalten werden. Als ein unter Gleichheitsgesichtspunkten angängiges Kriterium für die Beurteilung der Zulässigkeit der Anlagen im Einzelfall nach der zeitlichen Abfolge bietet sich in diesem Fall grundsätzlich der Eingang des Genehmigungs- oder Zulassungsantrags bei der Genehmigungsbehörde an, sofern sich nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausnahmsweise andere, etwa materiell-rechtliche Kriterien aufdrängen, beispielsweise weil die materielle Legalität der formell illegal errichteten Anlagen offensichtlich ist und deshalb bereits ohne nähere behördliche Prüfung abschließend beurteilt werden kann. Ein derartiger Sonderfall liegt hier bereits wegen der nur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Mobilfunkanlagen im allgemeinen Wohngebiet ersichtlich nicht vor. Folglich ist es auch nicht angängig, die beantragte UMTS-Sendeanlage der Klägerin unter Hinweis auf den vorhandenen, formell illegalen "Wildwuchs" von Antennenanlagen auf dem Dach des streitgegenständlichen Anwesens nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO abzulehnen.

2. Gleichwohl hat die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Zulassung der begehrten Ausnahme. § 31 Abs. 1 BauGB erfordert nämlich zusätzlich eine Ermessensbetätigung. Dieses Ermessen ist hier auch nicht auf Null reduziert. Es wurde von der Beklagten aber fehlerhaft ausgeübt.

a) Der Gesetzgeber legt die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB in das pflichtgemäße Ermessen der Baugenehmigungsbehörde ("kann"). Die Grenzen dieses Ermessens ergeben sich in erster Linie aus dem Wesen der Ausnahme, die zwar im Bebauungsplan ausdrücklich vorgesehen ist, die planerische Letztentscheidung aber noch offen hält.

Im Gegensatz zur Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB als "planexternem" Instrument (Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Auflage 2007, RdNrn. 24 zu § 31), das die Festsetzungen des Bebauungsplans in vom Satzungsgeber nicht vorgesehenen Sonderfällen überwindet und Vorhaben trotz entgegenstehender Festsetzungen ermöglicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Festhalten am Plan ungerecht, insbesondere unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig wäre (ausführlich BayVGH vom 9.8.2007 Az. 25 B 05.1337 und Az. 25 B 05.3055), ist die Ausnahme in den planungsrechtlichen Vorschriften selbst angelegt. Indem Ausnahmen gemäß § 31 Abs. 1 BauGB im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorzusehen sind, ist bereits auf der Satzungsebene die grundsätzliche Entscheidung getroffen, inwieweit Vorhaben, die grundsätzlich eine gebietsfremde Charakteristik aufweisen, ausnahmsweise zugelassen werden können, solange sie nach den Umständen des Einzelfalls der Eigenart des Baugebiets - ausnahmsweise - nicht widersprechen (BayVGH vom 22.2.2007 a.a.O.); eine darüber hinausgehende besondere Rechtfertigung ist nicht erforderlich. Die planerische Letztentscheidung ist auf der Satzungsebene aber noch nicht getroffen; sie ist von der Bauaufsichtsbehörde - gegebenenfalls im Einvernehmen mit der Gemeinde (§ 36 Abs. 1 BauGB) - zu treffen. Als "planimmanentes" Instrument konkretisiert und individualisiert die Ausnahme also die planerische Grundentscheidung im Einzelfall und hat deshalb Planungscharakter (vgl. Löhr, a.a.O., RdNrn. 16, 24 zu § 31).

Hieraus ergeben sich auch Rechtsgrenzen für die Betätigung des Ausnahmeermessens. Ausnahmen können einerseits nicht beliebig zugelassen werden, sie müssen, wie der Name sagt, die Ausnahme bleiben und dürfen nicht zur Regel werden, auch um den Gebietscharakter des Baugebiets zu wahren (Löhr, a.a.O., RdNr. 14 zu § 31); es spricht viel dafür, dass diese rechtliche "Obergrenze" des Ausnahmeermessens tatbestandlich mit der "im Einzelfall" zu beachtenden Zulässigkeitsgrenze des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zusammenfällt (so BayVGH vom 22.2.2007 a.a.O., im Gegensatz zu Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, RdNr. 7 zu § 31, der insoweit von einer Ermessensfrage ausgeht). Andererseits ist bei der Ermessensbetätigung die planerische Grundentscheidung zu respektieren; ausnahmsweise zulässige Nutzungen können deshalb nicht ausnahmslos ausgeschlossen werden, die mit dem Ausnahmeermessen eingeräumte planerische Gestaltungsfreiheit kann nicht dazu genutzt werden, die Zulässigkeit eines Vorhabens, das nach den Festsetzungen des Bebauungsplans ausdrücklich für ausnahmsweise zulässig erklärt worden ist, im Baugebiet aus generellen Erwägungen abzulehnen (BayVGH vom 22.2.2007 a.a.O.).

Innerhalb dieses Rahmens ist der Baugenehmigungsbehörde ein Ermessensspielraum eröffnet, der - gegebenenfalls im Einvernehmen mit der planenden Gemeinde (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB) - nach Zweckmäßigkeitserwägungen auszufüllen ist (Löhr, a.a.O., RdNr. 18 zu § 31). Das Ausnahmeermessen dient dabei auch einer standortbezogenen "Feinjustierung" der generellen, grundsätzlich auf das gesamte Baugebiet oder einen gegliederten Teilbereich (§ 1 Abs. 4 BauNVO) bezogenen planerischen Grundentscheidung. Aus dem Planungscharakter der Ausnahme ergibt sich ferner, dass diese Ermessensentscheidung den für die Bauleitplanung geltenden Prinzipien unterworfen ist und insbesondere den an die Planung allgemein zu stellenden Anforderungen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB genügen muss, woraus sich auch ableiten lässt, dass nur städtebauliche Gründe zu berücksichtigen sind (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, RdNr. 26 zu § 31).

Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt nur in Betracht, wenn allgemein oder im konkreten Einzelfall keine Zweckmäßigkeitserwägungen denkbar sind, die eine Versagung der Ausnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen könnten.

b) Gemessen hieran ist der Feststellung des Verwaltungsgerichts, das von der Beklagten auszuübende Ermessen verdichte sich zu einem Rechtsanspruch auf Zulassung einer Ausnahme, weil keine sachlichen Gründe ersichtlich seien, die eine Versagung der Ausnahme rechtfertigen könnten, im Ergebnis nicht zu folgen.

aa) Das Interesse der Klägerin am streitgegenständlichen Mobilfunkstandort ist den von der Beklagten verfolgten städtebaulichen Belangen nicht in einer Weise kategorisch übergeordnet, dass das Ermessen von vornherein auf Null reduziert wäre. Das gilt auch mit Blick auf Art. 87f Abs. 1 GG, auf den das Verwaltungsgericht abhebt. Die Bestimmung normiert für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation eine Verpflichtung des Bundes, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Auch wenn dieser Gewährleistungsauftrag, der sich in erster Linie an den Bundesgesetzgeber wendet und diesem einen erheblichen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung lässt (vgl. Lerche in Maunz/Dürig, GG, RdNr. 80 zu Art. 87f; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, RdNr. 4 zu Art. 87f), zugleich als das Ermessen bindende Wertentscheidung der Verfassung zu qualifizieren wäre, die auch im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen ist, lässt sich eine generelle Vorrangstellung von Mobilfunkanlangen hieraus schon deshalb nicht herleiten, weil ein strikter Standortbezug bei Mobilfunk-Sendeanlagen in der Regel fehlt. Einen Anspruch, gleichsam für jeden beliebigen Mobilfunkstandort eine Ausnahme zu erhalten, vermittelt die Verfassungsbestimmung nicht. Dass für den streitgegenständlichen Standort ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, etwa weil die Netzversorgung im Falle einer Ablehnung der Abweichung in Frage gestellt wäre, ist weder behauptet worden noch ersichtlich.

bb) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangelt es auch nicht an städtebaulichen Belangen von entsprechendem Gewicht.

Ein entsprechender städtebaulicher Belang, der nach den Maßstäben des Abwägungsgebots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Interesse an einer flächendeckenden Versorgung mit Mobilfunkdienstleistungen konkurrieren kann, ist grundsätzlich das Ziel, der Entstehung oder Verfestigung eines städtebaulich unerwünschten Mobilfunk-"Antennenwalds" entgegenzuwirken. Die bauplanungsrechtliche Relevanz einer gebietsunverträglichen Häufung von Anlagen im Einzelfall ergibt sich sowohl aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO als auch aus dem Wesen der Ausnahme, wonach die ausnahmsweise zulässige Nutzung im Baugebiet die Ausnahme bleiben muss und nicht zur Regel werden darf. Eine Häufung von Mobilfunkanlagen ist deshalb als ein das Ausnahmeermessen leitender städtebaulicher Gesichtspunkt grundsätzlich beachtlich, und zwar unabhängig von dem vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen, auch bauordnungsrechtlich relevanten Gesichtspunkt, ob das Ortsbild durch die Häufung beeinträchtigt oder gar verunstaltet wird. Das gilt umso mehr, als das planimmanente Instrument der Ausnahme auch der standortbezogenen "Feinjustierung" einer generellen, grundsätzlich auf das gesamte Baugebiet bezogenen planerischen Grundentscheidung dienen kann.

Von diesem Belang nicht mehr getragen ist allerdings das von der Beklagten verfolgte Ziel, einen Antennenwald auf dem Altenheim der Beigeladenen durch Ablehnung der von der Klägerin geplanten zusätzlichen drei UMTS-Sendeantennen zu verhindern. Ein Antennenwald kann dort nämlich nicht (mehr) verhindert werden, weil er bereits existiert. In den Eingabeplänen sind auf dem Flachdach des Altenheims insgesamt elf Antennenträger mit 43 Antennen verschiedener Mobilfunkanbieter verzeichnet, die den Standort - offensichtlich wegen seiner günstigen Lage und der für Mobilfunk vorteilhaften Gebäudehöhe - sowohl für Sendeanlagen als auch für Richtfunkanlagen intensiv nutzen. Diese Angaben decken sich im Wesentlichen mit den Feststellungen beim gerichtlichen Augenschein, bei dem mehr als zehn Antennenmasten gezählt wurden, die mit einer Vielzahl von Mobilfunk-Sendeantennen und Richtfunkantennen insgesamt sehr massiv in Erscheinung treten. Angesichts eines zahlenmäßig begrenzten Kreises möglicher Mobilfunkanbieter und eines technisch definierten Antennenbedarfs je Anbieter ist eine intensivere Anhäufung gewerblicher Mobilfunkanlagen auf einem Gebäude kaum vorstellbar. Die Metapher vom "Antennenwald" erscheint deshalb hier in der Tat angebracht. Diese Agglomeration gewerblicher Antennenanlagen überschreitet nach der Überzeugung des Senats auch auf einem Altenheim eindeutig das Maß dessen, was im allgemeinen Wohngebiet üblich und an optischer Unruhe noch verträglich ist. Sie tritt, wie der Augenschein ergeben hat, auch optisch deutlich in Erscheinung. In dem hangaufwärts verlaufenden Teil der Straße "A* K**********" ist der Antennenwald bereits wenige Meter nach der Einmündung des Parkplatzes des Altenheims vollständig sichtbar und wird erst im oberen Bereich der Straße durch die Wohnbebauung verdeckt. Ein zentraler Blickfang ist das Gebäude auch, wenn man auf der B * in Richtung K******** einfährt; auch hier ist die Vielzahl der auf dem Dach befindlichen gewerblichen Antennen deutlich zu erkennen und wird bei der Vorbeifahrt nur teilweise durch eine Pappelreihe verdeckt. Der Befund eines erkennbar gewerblich überformten allgemeinen Wohngebiets mag - worauf die Klägerin hinweisen lässt - durch die diffuse Mischbebauung entlang der B * etwas abgeschwächt sein. Maßstab für die Gebietsunverträglichkeit sind aber die Festsetzungen des Bebauungsplans, der für das Altenheim eben ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Dass diese Festsetzung durch die tatsächlichen Entwicklungen funktionslos und unwirksam geworden wäre, ist weder behauptet noch ersichtlich.

Eine auf den bloßen Erhalt dieses - wie die Beklagte in der Begründung ihres Ablehnungsbescheides selbst einräumt - "bereits jetzt vorhandenen negativen Erscheinungsbildes des Gebäudes" zielende Ermessensbetätigung ist ebenfalls kein hinreichend gewichtiger städtebaulicher Belang, der mit dem Interesse der Klägerin an der Erteilung einer Ausnahme konkurrieren könnte. Zu Recht weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass die beantragte Erweiterung des Mobilfunk-Standorts angesichts der bereits eingetretenen Fehlentwicklungen keine ins Gewicht fallende Verschlechterung der Situation mehr bewirken würde. Eine wahrnehmbare zusätzliche gewerbliche Überformung des allgemeinen Wohngebiets geht von der beantragten UMTS-Sendeanlage der Klägerin nicht aus. Gegen einen bloßen Erhalt des vorbelasteten Status quo sprechen übrigens auch Gleichheitsgesichtspunkte. Wie ausgeführt, wäre es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren, die Mobilfunk-Sendeanlage der Klägerin, für die eine isolierte Abweichung beantragt wurde, abzulehnen, um einen städtebaulich unerwünschten "Antennenwald" zu verhindern, andererseits aber die Vielzahl von Antennen, die in der Vergangenheit ohne behördliche Genehmigung oder Zulassung illegal errichtet und bisher lediglich geduldet wurden, als - zeitlich wie sachlich - primäre Verursacher der Fehlentwicklung unbehelligt zu lassen.

cc) Gerade in der Weise hat die Beklagte aber ihr Ermessen betätigt. Sie hat außer Acht gelassen, dass sie die beantragte Ausnahme für die Erweiterung des Antennenstandorts um drei UMTS-Antennen aus Zweckmäßigkeitsgründen nur im Rahmen eines schlüssigen Rückbaukonzepts ablehnen könnte, das konkrete bauaufsichtliche Maßnahmen gegen den vorhandenen Antennen-Wildwuchs voraussetzt. Entsprechendes wurde von der Beklagten bisher nicht erwogen, wäre aber grundsätzlich möglich. Grundlage hierfür ist der Bebauungsplan, der gewerbliche Mobilfunkanlagen ausnahmsweise zulässt, und das nach § 31 Abs. 1 BauGB eröffnete Ausnahmeermessen, innerhalb dessen die Beklagte - wie dargestellt - einer städtebaulich unerwünschten Häufung dieser Anlagen entgegenwirken kann, gegebenenfalls auch durch eine Bündelung von Anlagen auf wenigen Antennenträgern. Der ablehnende Bescheid war deshalb aufzuheben und die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 47 GKG).

Ende der Entscheidung

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