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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 09.08.2007
Aktenzeichen: 25 B 05.3055
Rechtsgebiete: VwGO, BayBO, BauGB, BauNVO
Vorschriften:
VwGO § 60 | |
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 1 | |
VwGO § 113 Abs. 5 Satz 2 | |
VwGO § 114 | |
VwGO § 124a Abs. 6 | |
BayBO Art. 62 | |
BayBO Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a | |
BayBO Art. 70 Abs. 3 Satz 1 | |
BauGB § 30 Abs. 1 | |
BauGB § 31 Abs. 2 | |
BauNVO § 3 Abs. 2 | |
BauNVO § 14 Abs. 1 | |
BauNVO § 14 Abs. 2 |
2. Die Ablehnung einer Befreiung kann sich auch auf Ermessenserwägungen stützen, die öffentliche Belange oder private Interessen betreffen, die schon im Befreiungstatbestand zu prüfen sind.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Befreiung/Mobilfunk;
hier: Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Oktober 2005,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 25. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schechinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Petz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Krieger
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juli 2007
am 9. August 2007
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1 und 2 wird verworfen. Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Oktober 2005 abgewiesen.
II. Die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen die Kosten ihres Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner. Im Übrigen trägt die Klägerin die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beigeladenen zu 1 und 2 und die Klägerin können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweiligen Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Zulassung einer isolierten Befreiung für einen bestehenden Mobilfunk-Antennenträger auf dem Dach eines Mehrfamilien-Wohnhauses in einem reinen Wohngebiet.
Der Mobilfunk-Antennenträger der Klägerin auf dem Dach des Wohnhauses der Beigeladenen zu 3 auf dem Grundstück Fl.Nr. ****** der Gemarkung S********** (W**************************Str. **) überragt das Dach ca. 5,20 m und trägt drei Sektorantennen für den GSM-Dienst. Der abgeteilte Betriebsraum im Dachgeschoß des Wohnhauses hat einen Rauminhalt von ca. 17 m3; der Rauminhalt der Versorgungseinheiten im Betriebsraum beträgt 1,329 m3. Die Mobilfunkanlage wird seit 1999 betrieben. Eine bauaufsichtliche Genehmigung oder sonstige Zulassung wurde nicht erteilt. Seit 2001 befindet sich auf dem Dach des Wohnhauses eine (von der Beklagten bestandskräftig abgelehnte) weitere, ähnlich gestaltete Mobilfunkanlage eines anderen Mobilfunkanbieters.
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "E******* " N ** der Beklagten (aktuell geltend in der Fassung der 2. Änderung, als Satzung beschlossen am 2.12.1986, ortsüblich bekannt gemacht am 27.2.1987), der für das Baugrundstück ein "reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO" festsetzt. In der textlichen Festsetzung Nr. l.1 werden die Nutzungen nach § 3 Abs. 3 BauNVO ausgeschlossen; unzulässig sind nach der textlichen Festsetzung Nr. IV.8 ferner "alle Nebenanlagen einschließlich nicht genehmigungspflichtiger Bauvorhaben gemäß Art. 66 BayBO (i.d.F. von 1982), soweit es sich nicht um Geräteräume in Verbindung mit Garagen oder Müllcontainer handelt".
Mit Schreiben vom 16. April 2004 beantragte die Klägerin eine isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die "UMTS Erweiterung" des vorhandenen Antennenträgers. Beabsichtigt war ein Austausch der drei vorhandenen Sektorantennen gegen drei neue Dual-Band-Antennen, die eine simultane Übertragung der GSM- und UMTS-Dienste ermöglichen sollten; die zugehörige neue Betriebstechnik sollte im vorhandenen Betriebsraum (=10 m3) untergebracht werden. Da aber - einer Empfehlung der Beklagten entsprechend - zunächst die Zulässigkeit des Mobilfunkstandorts an sich geklärt werden sollte und ein baldiger UMTS-Ausbau überdies nicht beabsichtigt war, beschränkte die Klägerin ihren Befreiungsantrag mit Schreiben vom 19. Mai 2004 auf den vorhandenen Antennenträger einschließlich Technikraum.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 sind Miteigentümer des nahegelegenen Grundstücks Fl.Nr. *******, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Sie erhoben ebenso wie andere Anwohner des Wohngebiets Einwendungen gegen das Vorhaben.
Mit Bescheid vom 16. November 2004 lehnte die Beklagte die Zulassung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ab. Das Vorhaben sei städtebaulich nicht vertretbar, weil es das Ortsbild störe und in die Planungskonzeption des Bebauungsplans dergestalt eingreife, dass der festgesetzte Gebietstypus kippen würde. Das bislang nicht vorbelastete reine Wohngebiet habe einen Anspruch darauf, von allen Störungen, worunter auch Immissionen fielen, freigehalten zu werden. Auch sei im Falle einer positiven Entscheidung mit weiteren Antennen zu rechnen. Eine umfassende "Wohnruhe" sei zu gewährleisten. Zudem seien nachbarliche Interessen tangiert.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Regierung von Unterfranken mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2005 zurück. Die beantragte Befreiung könne nicht beansprucht werden. Die für die Ermessensausübung maßgeblichen Überlegungen der Beklagten wiesen den erforderlichen städtebaulichen Bezug auf. Die Beklagte habe seit Beginn der Planung für das Baugebiet auf das gut gestaltete Ortsbild großen Wert gelegt, wie sich aus dem differenziert ausgearbeiteten Bebauungsplan ablesen lasse. Der Bebauungsplan ordne die Planung nach den Vorstellungen der Beklagten und fixiere wirksam den entstandenen Zustand. Das Baugebiet zeichne sich durch eine homogene Dachlandschaft und ein ruhiges Gesamtbild aus. Die Mobilfunkantennen störten diese Einheitlichkeit. Außerdem seien sie weithin sichtbar, auch aus dem Außenbereich. Aufgrund dieser städtebaulichen Lage könne unabhängig von der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, nicht erkannt werden, dass das Ermessen auf Null reduziert wäre. Eine Korrektur der Ermessensentscheidung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte auch als Trägerin der Planungshoheit betroffen sei.
Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 6. Oktober 2005 unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids und des Widerspruchsbescheids, der Klägerin die beantragte Befreiung zu erteilen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Befreiung lägen vor. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten die Befreiung; sie sei auch städtebaulich vertretbar, weil die Mobilfunkanlage gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 möglicher Gegenstand einer rechtmäßigen Planung sei. Die Befreiung sei auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar. Zwar könne eine Beeinträchtigung des Ortsbildes einer Befreiung grundsätzlich als städtebaulicher Belang entgegenstehen. Anhand der vorgelegten Fotoaufnahmen ergebe sich jedoch, dass der hier in Rede stehende Ortsteil kein schützenswertes Ortsbild besitze. Abgesehen von der Tatsache, dass mit der weit fortgeschrittenen Verbreitung der Mobilfunknetze eine Gewöhnung an Mobilfunkanlagen in optischer Hinsicht einhergehe, zeichne sich das Wohngebiet durch keine von der Festsetzung als reines Wohngebiet in besonderer Hinsicht abweichende Vorgaben an die Bebauung aus. Die Mobilfunkantenne sei auf dem vorliegenden Bildmaterial teilweise in der Umgebungsbebauung kaum als solche zu erkennen. Für die Ausübung des Ermessens bestehe wenig Raum, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen. Die Beklagte trage keine sachlichen Gründe vor, die eine Versagung der Befreiung rechtfertigen könnten. Insbesondere habe nicht die Beeinträchtigung oder gar Verunstaltung eines schützenswerten Ortsbildes, das sich durch eine gewisse Wertigkeit auszeichne, festgestellt werden können.
Mit den vom Senat zugelassenen Berufungen wenden sich die Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie beantragen,
die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, der Antennenanlage komme unter Berücksichtigung der topografischen Gegebenheiten optisch eine besondere Dominanz zu. Das im betreffenden Bereich vorherrschende, von Wohngebäuden geprägte Ortsbild und städtebauliche Gefüge werde in einer störenden Weise tangiert. Außerdem schränke das erstinstanzliche Urteil die kommunale Planungshoheit der Beklagten ein. Die Beklagte habe das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen in rechtmäßiger Weise angewandt. Eine Ermessensreduzierung liege nicht vor.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen vor, die beantragte Abweichung sei bereits deshalb unzulässig, weil sie die Grundzüge der Planung berühre. Nach Festsetzung Nr. IV.8 seien nicht genehmigungspflichtige Vorhaben im Sinne des Art. 66 BayBO unzulässig. Dieser Ausschluss repräsentiere ein Planungskonzept, das durch die Mobilfunkanlage berührt werde. Der Befreiungsgrund nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB liege nicht vor, weil Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung nicht erforderten. Es fehle auch an der städtebaulichen Vertretbarkeit des Vorhabens nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB, weil insoweit nicht die Baunutzungsverordnung in der Fassung von 1990, sondern von 1977 zugrunde zu legen sei. Im Übrigen ergebe sich die Unzulässigkeit der Mobilfunkanlage auch aus der Festsetzung Nr. IV.8 des Bebauungsplans.
Für den Fall eines verspäteten Eingangs ihrer Berufungsbegründung beantragen die Beigeladenen zu 1 und 2 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Befreiung seien gegeben. Insbesondere berühre die Mobilfunkanlage nicht die Grundzüge der Planung. Die Festsetzung Nr. IV.8 des Bebauungsplans, wonach sämtliche nicht genehmigungspflichtige Vorhaben nach Art. 66 BayBO 1982 für unzulässig erklärt worden seien, sei unwirksam, weil sich eine städtebauliche Rechtfertigung für eine so heterogene Festsetzung nicht finden lasse. Auch im Falle ihrer Wirksamkeit stehe diese Festsetzung der beantragten Befreiung nicht entgegen, weil sie keinesfalls als Grundzug der Planung qualifiziert werden könne. Welches Grundkonzept eine Festsetzung sichern solle, die neben Antennen und Masten bis zu einer Höhe von 10 m ein höchst heterogenes "Sammelsurium" baulicher Anlagen ausschließe, sei nicht erkennbar. Einen Ausschluss fernmeldetechnischer Nebenanlagen habe die Beklagte mit der fraglichen Festsetzung ersichtlich nicht vorgenommen und auch nicht vornehmen können. Gründe des Gemeinwohls erforderten die Befreiung. Die Befreiung sei auch städtebaulich vertretbar. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Befreiung vorlägen, speziell - wie hier - im Fall des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, sei für eine negative Ermessensentscheidung nur wenig Raum. Gewichtige städtebauliche Gründe, die der Erteilung einer Befreiung entgegenstehen, lägen nicht vor. Insbesondere liege keine relevante Beeinträchtigung eines schützenswerten Ortsbildes vor. Damit das Ortsbild schützenswert sei, müsse dieses durch einen besonderen Charakter und eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit ausgezeichnet sein, die dem Ort eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleihe. Der Augenschein habe ergeben, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es handle sich um ein typisches reines Wohngebiet, vorhanden seien ausschließlich Wohngebäude. Demgegenüber sei der Umstand, dass in einem Baugebiet eine gewisse Einheitlichkeit und Gleichartigkeit der Wohnbebauung herrsche, eine schlichte Selbstverständlichkeit, die eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht begründen könne. Warum das Ortsbild "störend tangiert" werde, vermöge die Beklagte auch nicht darzulegen. Selbst wenn man die Mobilfunkanlagen als gestalterisch problematisch ansehen wollte, genügte dies nicht, weil eine Beeinträchtigung des Ortsbildes ausschließlich nach städtebaulichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Unter städtebaulichen Gesichtspunkten müsse auch die südlich der W***** ********************-Straße vorhandene Wohnbebauung (WA-Bereich) mit einer dichten, mehrgeschoßigen Bauweise, in der auch Satelliten-Empfangsantennen erkennbar seien, berücksichtigt werden. Im Übrigen besitze eine einzelne Mobilfunkanlage auch ein derart geringes städtebauliches Gewicht, dass eine Beeinträchtigung eines größeren Bereichs nicht bejaht werden könne.
Die als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag, hält aber die Klageabweisung für rechtens. Die Zulassung der Mobilfunkanlage berühre die Grundzüge der Planung. Zwar seien gewerbliche Nutzungen mit der Festsetzung eines reinen Wohngebiets nicht schlechthin unvereinbar. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, dass das von der Beklagten in eigener Verantwortung durch den Bebauungsplan ausgeprägte Konzept städtebaulicher Entwicklung gestört würde, sofern nunmehr auch (gewerbliche) Nebenanlagen zugelassen werden müssten. Nach der Festsetzung Nr. IV.8 des Bebauungsplans seien nicht genehmigungspflichtige Vorhaben nach Art. 66 BayBO 1982 für unzulässig erklärt worden, worunter gemäß Art. 66 Nr. 18 BayBO 1982 auch die Errichtung oder Änderung von Antennen einschließlich Masten bis zu einer Höhe von 10 m fielen. Daraus sei ein entsprechender Planungswille der Gemeinde zu folgern, der einen Grundzug der Planung darstelle. Hiervon zu unterscheiden sei die Frage, ob diese Festsetzung rechtens sei. Im Falle ihrer Unwirksamkeit seien die Grundzüge der Planung wohl nur betroffen, wenn die Befreiung mehr als eine bloße "Randkorrektur" bewirke, weil sich die für die Befreiung sprechenden Gründe für alle betroffenen Grundstücke anführen ließen.
Mit Beschluss vom 16. Februar 2007 hat der Senat die Wohnungseigentümergemeinschaft, der das Baugrundstück gehört, zum Verfahren beigeladen (Beigeladene zu 3). Sie hat sich nicht geäußert.
Am 17. April 2007 hat der Senat zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins. Am 30. Juli 2007 hat der Senat mündlich verhandelt. Auf die jeweiligen Niederschriften wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Bauakten der Beklagten (Nr. 2004/94 und 2004/104, insgesamt 4 Heftungen), der Bebauungsplan "E******* " N **, 2. Änderung (vorgelegt wurden zwei Exemplare der Planurkunde, die beide als "4. Fertigung" gekennzeichnet waren), sowie die Widerspruchsakte der Regierung (Nr. 4160.11-3/05).
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung der Beigeladenen zu 1 und 2 ist unzulässig. Sie wurde nicht gemäß § 124a Abs. 6 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung begründet.
Der Zulassungsbeschluss des Senats vom 30. August 2006 war dem Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 und 2 am 5. September 2006 zugegangen. Die Berufungsbegründungsfrist endete damit mit Ablauf des 5. Oktober 2006 (§ 124a Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 57 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 und 2 zur Begründung der zugelassenen Berufung ist beim Verwaltungsgerichtshof (§ 124a Abs. 6 Satz 2 VwGO) aber erst am 8. November 2006 (Bl. 55 der VGH-Akte) und damit verspätet eingegangen.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 haben auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO). Eine unverschuldete Fristversäumung wurde weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1 und 2 hatte zwar mit Schreiben vom 2. Mai 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hierzu vorgetragen, der Berufungsbegründungsschriftsatz sei, wie sich aus seinen Unterlagen ergebe, am 4. Oktober 2006 angefertigt und am gleichen Tage mit der Nachmittagspost aufgegeben worden, so dass davon auszugehen gewesen sei, dass er den Verwaltungsgerichtshof am 5. Oktober 2006 erreiche. Auf den telefonischen Hinweis des Berichterstatters, dass der erste vom Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 und 2 stammende, nach Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Schriftsatz nicht - wie dort angenommen - vom 4. Oktober 2006, sondern vom 7. November 2006 datiere und erst am 8. November 2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen sei, ferner, dass dieser Schriftsatz auch inhaltliche Ungereimtheiten aufweise, weil er sowohl Elemente einer Berufungsbegründung ("begründe ich die ... zugelassene Berufung wie folgt:") als auch einer Stellungnahme zum Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 13. Oktober 2006 ("Einverständnis hierseits besteht mit den in der oben genannten Stellungnahme vom 13.10.06") enthalte, reagierte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1 und 2 aber nicht mehr. Es fehlt damit bereits an der schlüssigen Darlegung eines möglichen Geschehensablaufs, der die Fristversäumung einschließlich der inhaltlichen Ungereimtheiten des Schriftsatzes vom 7. November 2006 erklären könnte. Erst recht fehlen Darlegungen dazu, warum die Fristversäumung unverschuldet gewesen sein könnte.
Der Vortrag der Beigeladenen zu 1 und 2 bleibt aber - wie zur Klarstellung anzumerken ist - im Berufungsverfahren der Beklagten beachtlich, an dem sie gemäß § 65 Abs. 1, § 63 Nr. 3 VwGO weiter beteiligt sind.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin die beantragte Befreiung zu erteilen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans "E******* " N ** - 2. Änderung - zur nachträglichen Legalisierung ihres Mobilfunk-Antennenträgers auf dem Dach des Mehrfamilien-Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. ****** der Gemarkung S********* . Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) liegen nicht vor, weil die Grundzüge der Planung berührt werden. Die Befreiung war deshalb bereits aus Rechtsgründen zu versagen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im Übrigen wäre die Versagung auch im Falle einer Erfüllung der Voraussetzungen rechtlich nicht zu beanstanden. Für eine Befreiung eröffnet das Gesetz nämlich zusätzlich auch einen Ermessensspielraum. Die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens hat die Beklagte bei ihrer Ablehnung nicht überschritten; sie hat von dem ihr zugewiesenen Ermessen auch in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO). Von daher käme auch eine Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Bescheidung der Klägerin (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht in Betracht.
1. Es kann offen bleiben, ob es - wie die Beteiligten meinen - wegen Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a BayBO für die nachträgliche Legalisierung der Mobilfunk-Sendeanlage einer Baugenehmigung nicht bedurfte. Zweifel bestehen insoweit zwar nicht wegen der konstruktiven Höhe der Anlage (nach den vorgelegten Plänen insgesamt 8,55 m), aber wegen des Rauminhalts des Betriebsraums (17 m3). Nach dem Sinn der Ausnahmevorschrift dürfte es auf diesen Brutto-Rauminhalt des abgetrennten, gewerblich genutzten Teils des Wohngebäudes ankommen und nicht auf den Rauminhalt der elektrischen Anlagen (vgl. auch BayVGH vom 1.7.2005 VGH n.F. 58, 174 = BayVBl 2006, 469). Selbst wenn das Vorhaben aber baugenehmigungsfrei wäre, wäre jedenfalls die Zulassung einer isolierten Abweichung gemäß Art. 70 Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB erforderlich. Die Mobilfunkanlage weicht nämlich von den Festsetzungen des Bebauungsplans "E******* " N ** - 2. Änderung - ab. Sie ist im Baugebiet nach der Art der baulichen Nutzung als Hauptanlage oder als Nebenanlage weder allgemein (§ 30 Abs. 1 BauGB) noch ausnahmsweise (§ 31 Abs. 1 BauGB) zulässig und kann deshalb nur im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB legalisiert werden.
a) Der Bebauungsplan setzt für den betreffenden Bereich ein reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO fest. Als Hauptnutzung sind deshalb gemäß § 3 Abs. 1, 2 BauNVO nur Wohngebäude allgemein zulässig. Mobilfunk-Sendeanlagen, die - ungeachtet ihrer möglichen Qualifizierung als fernmeldetechnische Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 - Betriebsteile einer gewerblichen Hauptanlage sind (BayVGH vom 1.7.2005 a.a.O.), fallen nicht hierunter.
Die Mobilfunkanlage ist auch nicht als Nebenanlage allgemein zulässig. Nach § 14 Abs. 1 BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen oder Einrichtungen allgemein zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen. Diese Voraussetzungen erfüllt die Mobilfunk-Sendeanlage bereits deshalb nicht, weil der Funktionszusammenhang mit der Zweckbestimmung des Baugebiets fehlt (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, RdNr. 17 zu § 14 m.w.N.). Ohne Abweichung ist die Mobilfunkanlage im reinen Wohngebiet somit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB unzulässig.
Die Mobilfunkanlage kann auch nicht gemäß Art. 70 Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise zugelassen werden. Als Teil einer gewerblichen Hauptanlage ist sie im reinen Wohngebiet nicht ausnahmsweise zulässig. Das gilt bereits deshalb, weil sie unter keine der in § 3 Abs. 3 BauNVO genannten, ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten fällt. Im Übrigen schließt der Bebauungsplan die Nutzungen nach § 3 Abs. 3 BauNVO explizit aus (textliche Festsetzung Nr. I.1).
Die Mobilfunkanlage der Klägerin ist auch nicht als Nebenanlage ausnahmsweise zulässig. In der Rechtsprechung ist zwar geklärt, dass Mobilfunkanlagen dem Begriff der fernmeldetechnischen Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO 1990 unterfallen. Für die 2. Änderung des Bebauungsplans "E******* " N ** ist die Vorschrift aber nicht anwendbar. Bestandteil eines Bebauungsplans werden gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO nämlich in der im Zeitpunkt des Inkrafttretens (oder einer späteren Änderung) des Bebauungsplans geltenden Fassung der Baunutzungsverordnung. Bestandteil der am 27. Februar 1987 in Kraft getretenen 2. Änderung des Bebauungsplans "E******* " N ** ist deshalb § 14 Abs. 2 BauNVO 1977 geworden, in dem eine Regelung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit fernmeldetechnischer Nebenanlagen noch nicht enthalten war (BVerwG vom 1.11.1999 NVwZ 2000, 680; BayVGH vom 1.7.2005 a.a.O.; Roeser in König/Roeser/Stock, a.a.O., RdNr. 36 zu § 1 und Einleitung RdNr. 20 m.w.N.).
b) Eine Zulassung der Mobilfunkanlage gemäß Art. 70 Abs. 3 Satz 1 BayBO kommt deshalb nur in Betracht, wenn von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB befreit wird. Eine Befreiung hat die Beklagte nicht erteilt. Die Klägerin hat auch keinen Rechtsanspruch hierauf. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war eine Befreiung bereits aus Rechtsgründen zu versagen, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, wenigstens einer der in § 31 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BauGB alternativ genannten Befreiungsgründe vorliegt und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil im Falle einer Abweichung jedenfalls die Grundzüge der Planung berührt würden. Auf die im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten kontrovers erörterten übrigen Befreiungsvoraussetzungen kommt es deshalb nicht mehr an.
aa) Zu den Grundzügen der mit Inkrafttreten der 2. Änderung des Bebauungsplans "E******* " N ** bodenrechtlich verbindlich gewordenen Planung gehört die planerische Entscheidung, das reine Wohngebiet von allen nicht dem Wohnen dienenden Hauptnutzungen (textliche Festsetzung Nr. I.1.) sowie - mit Einschränkungen - auch von Nebengebäuden, die die Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes des Baugebiets und damit auch die "optische Wohnruhe" beeinträchtigen können, soweit wie irgend möglich frei zu halten (textliche Festsetzung Nr. IV.8).
Mit dem Begriff der "Grundzüge der Planung" umschreibt das Gesetz in § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Festsetzungen eines Bebauungsplans zugrunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Hierzu gehört alles, was das Ergebnis der Abwägung über die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange und den mit den getroffenen Festsetzungen verfolgten Interessenausgleich trägt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB und BauNVO, RdNr. 36 f. zu § 31 BauGB m.w.N.; Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, RdNr. 12 zu § 31).
Eine derartige Grundkonzeption kommt insbesondere in der textlichen Festsetzung Nr. I.1. zur Art der baulichen Nutzung zum Ausdruck. Mit dieser Festsetzung hat die Beklagte als Satzungsgeberin Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) ausgeschlossen, ferner Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO), mithin sämtliche gewerbliche und sonstige Nutzungen, die nach der Gebietstypenbeschreibung der Baunutzungsverordnung im reinen Wohngebiet ausnahmsweise zugelassen werden können. Sie hat damit von der nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO bestehenden Möglichkeit, die in § 3 Abs. 3 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen auszuschließen, in maximal zulässigem Umfang Gebrauch gemacht und die Hauptnutzung im Baugebiet exklusiv auf Wohnnutzung beschränkt. Dass diese Art der Interessenabwägung unwirksam sein könnte, etwa weil sie nicht von städtebaulichen Erwägungen getragen und damit nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich sein könnte, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. In dieser Festsetzung kommt auch das planerische Grundanliegen der Beklagten zum Ausdruck, das reine Wohngebiet kompromisslos von allen gewerblichen und sonstigen Nutzungen freizuhalten, die die Wohnruhe beeinträchtigen könnten (ähnlich VGH BW vom 26.10.1998 DÖV 2000, 82/83; bestätigt durch BVerwG vom 1.11.1999 NVwZ 2000, 680/681).
Diese planerische Grundentscheidung wird durch die textliche Festsetzung Nr. IV.8 zur baulichen und städtebaulichen Gestaltung zusätzlich untermauert und um weitere Aspekte ergänzt. Unzulässig sind hiernach "alle Nebengebäude einschließlich nicht genehmigungspflichtiger Bauvorhaben gemäß Art. 66 BayBO (1982), soweit es sich nicht um Geräteräume in Verbindung mit Garagen oder Müllcontainerräume handelt." Mit dieser Festsetzung bringt der Bebauungsplan deutlich zum Ausdruck, dass die bauliche Nutzung - mit wenigen Ausnahmen - auch optisch auf Wohngebäude beschränkt sein soll, um damit ein Maximum an Einheitlichkeit und "Wohnruhe" zu gewährleisten. Der Einwand der Klägerin, diese Festsetzung sei unwirksam, weil sich eine städtebauliche Rechtfertigung für eine so heterogene Festsetzung nicht finden lasse, stellt dieses Ergebnis nicht in Frage. Unzutreffend ist bereits die Auslegung der Klägerin, dass die Festsetzung sämtliche nicht genehmigungspflichtige Vorhaben nach Art. 66 BayBO 1982 für unzulässig erklärt. Der Bebauungsplan trifft nämlich keine generelle Regelung für "nicht genehmigungspflichtige Vorhaben", sondern erläutert den Begriff der Nebengebäude klarstellend dahingehend, dass Nebengebäude auch dann von der Regelung umfasst sein sollen, wenn sie nicht genehmigungspflichtig sind. Hierfür spricht bereits die Formulierung "Nebengebäude einschließlich nicht genehmigungspflichtiger Bauvorhaben", die die nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in den Begriff der Nebengebäude einbezieht ("einschließlich"). Diese Auslegung stützt auch die Regelung in Halbsatz 2 der Festsetzung, die sich ebenfalls nur auf Nebengebäude (Geräte- oder Müllcontainer-"Räume") bezieht und diese von der in Halbsatz 1 bestimmten Unzulässigkeit ausnimmt.
Die genannte Grundentscheidung trägt das Ergebnis der Abwägung und den mit dem Bebauungsplan verfolgten Interessenausgleich. Das "kompromisslos rein" geplante Wohngebiet, in dem nicht nur jede Beeinträchtigung der Wohnnutzung durch andere, insbesondere gewerbliche Nutzung konsequent ferngehalten wird, sondern auch eine im Wesentlichen durch Wohngebäude geprägte, nicht durch Nebenanlagen gestörte ruhige und einheitliche Wohnlandschaft festgeschrieben worden ist, ist gewissermaßen der "rote Faden" der Ausweisung. Ein Abweichen von diesem Planungskonzept kann nicht durch Einzelfallregelung im Wege einer Befreiung bewerkstelligt werden, weil es den allgemeinen Geltungsanspruch des Bebauungsplans in Frage stellen würde und deshalb nur vom Plangeber selbst im Wege einer Änderung des Bebauungsplans legitimiert werden kann (vgl. BVerwG vom 20.11.1989, BayVBl 1990, 313; vom 19.5.2004 Az. 4 B 35/04 m.w.N; Roeser in Berliner Kommentar, a.a.O., RdNr. 10 zu § 31).
bb) Die Mobilfunk-Sendeanlage der Klägerin berührt diese planerische Grundentscheidung des Bebauungsplans. Mit der Zulassung des Mobilfunk-Antennenträgers als Teil einer gewerblichen Hauptnutzung im Wege einer Befreiung würde nicht nur von der textlichen Festsetzung Nr. I.1 abgewichen. Eine nachträgliche Legalisierung würde auch das im Bebauungsplan manifest gewordene planerische Grundkonzept aufweichen, weil die mit dem Bebauungsplan verfolgte spezifische Art des Interessenausgleichs, der die Wohnnutzung "kompromisslos" vor jeglicher Beeinträchtigung durch konkurrierende, insbesondere gewerbliche Nutzungen schützt und auch in optischer Hinsicht eine möglichst ungestörte, ruhige und einheitliche Wohnlandschaft konzipiert, in Frage gestellt würde.
Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Mobilfunk-Sendeanlage für das Interessengeflecht des Bebauungsplans von vornherein ohne Bedeutung wäre. Zu berücksichtigen sind insoweit alle mit der Zulassung der gewerblich genutzten Mobilfunk-Sendeanlage nach Gegenstand, Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung (so BVerwG vom 9.10.1990 NVwZ 1991, 267 zum Begriff des "sonstigen nicht störenden Gewerbebetriebs" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauVNO). Außer Betracht zu bleiben haben allerdings mögliche Gesundheitsgefahren, die vom Betrieb einer Mobilfunkanlage ausgehen können, solange - wie hier (siehe Standortbescheidung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 6.2.2003, Bl. 20 f. der Bauakte) - die Mindestabstände der 26. Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) eingehalten sind; neue gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine von der 26. BImSchV abweichende Risikobewertung rechtfertigen könnten, liegen derzeit nicht vor (BVerfG vom 22.8.2002 DVBl 2002, 614/615; vom 8.12.2004 NVwZ-RR 2005, 227; zuletzt vom 24.1.2007 NVwZ 2007, 805; vgl. auch BayVGH vom 7.2.2007 Az. 25 ZB 05.1105 und vom 16.1.2007 Az. 25 B 05.1133). Demgegenüber liegt auf der Hand, dass die gewerbliche Mobilfunk-Sendeanlage sowohl die planerisch konzipierte Exklusivität der Wohnnutzung als auch die optisch ungestörte, ruhige und einheitliche Wohnlandschaft tangieren würde. Die Anlage der Klägerin und die auf dem Dach desselben Anwesens angebrachte, ähnlich gestaltete weitere Mobilfunkanlage eines anderen Anbieters treten, wie der Senat beim Augenschein feststellen konnte, deutlich aus einer ruhigen, einheitlichen Dachlandschaft hervor. Jedenfalls im umgebenden reinen Wohngebiet sind keinerlei weitere Antennen erkennbar. Erst in den angrenzenden WA-Gebieten sind einige Fernseh-Empfangsantennen ("Satellitenschüsseln") vorhanden. Nicht weiter ins Gewicht fallen insoweit die Hinweise von Klägerseite auf vorhandene Dachgauben und die Garagenanlage des reinen Wohngebiets, die von einem bestimmten Standort aus sehr dominant wirke. Beides entspricht dem Bebauungsplan und entfaltet - anders als die Mobilfunk-Antennenanlagen - keine Fremdkörperwirkung. Letztere sind nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins von verschiedenen Standorten aus als "sehr auffällig" und "deutlich erkennbar" zu qualifizieren, treten also auch "optisch laut" in Erscheinung (ähnlich OVG NRW vom 25.2.2003 NVwZ-RR 2003, 639/640 zum Begriff des nicht störenden Gewerbebetriebs: "gebietswidrig laut"). Eindeutig wahrnehmbar ist auch die gewerbliche Zweckbestimmung der Mobilfunk-Sendeanlagen. Gerade weil Mobilfunk - wie das Verwaltungsgericht in anderem Zusammenhang bemerkt - nach den heutigen Lebensverhältnissen zum üblichen Standard gehört, ist für jeden aufgeschlossenen Betrachter der Unterschied zwischen gewerblichen Mobilfunk-Sendeanlagen und privat genutzten Fernseh-Empfangsantennen deutlich erkennbar. Die Mobilfunkanlagen treten damit als "gewerbliche Fremdkörper" in einem kompromisslos auf Wohnnutzung beschränkten, auch in optischer Hinsicht weitestgehend ungestörten, ruhigen und einheitlichen Wohnumfeld negativ in Erscheinung.
Diese Auswirkungen sind auch nicht von so untergeordneter Bedeutung, dass sie für die Frage, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, nicht ins Gewicht fielen (zur Unerheblichkeitsgrenze BVerwG vom 19.5.2004 a.a.O.; Söfker, a.a.O., RdNr. 36 f. zu § 31 BauGB). Die Erheblichkeit dieser Auswirkungen ist mit Rücksicht auf die Vorbildwirkung einer Befreiung und den allgemeinen Gleichheitssatz überdies nicht nur nach den Auswirkungen des konkret zur Prüfung stehenden Vorhabens, sondern auch danach zu beurteilen, welche Folgewirkungen eine Befreiung in gleich gelagerten Fällen haben kann (Söfker, a.a.O. RdNr. 37 zu § 31 BauGB). Das wird im vorliegenden Fall besonders deutlich, weil die Klägerin ihren Antrag lediglich im Sinne einer Problemabschichtung auf eine Legalisierung des Bestands beschränkte. Bei einer Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Befreiung wäre deshalb zu erwarten, dass die Klägerin ihr ursprüngliches Vorhaben, den vorhandenen Antennenstandort um UMTS-fähige Dual-Band-Antennen zu erweitern, wieder aufnehmen würde. Im Übrigen hätte eine nachträgliche Legalisierung des Mobilfunkstandorts auch zwangsläufig Auswirkungen auf den - bestandskräftig abgelehnten - weiteren Mobilfunk-Antennenträger eines anderen Anbieters auf dem Dach desselben Anwesens. Die Vertreter der Beklagten gaben im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins zu Protokoll, dass das weitere Vorgehen der Beklagten in diesem Fall noch nicht festgelegt worden sei und man den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abwarten wolle. Auch Befreiungswünsche für vergleichbare Vorhaben an anderer Stelle im Baugebiet könnten kaum abgelehnt werden. Eine zunehmende Aufweichung des stringent geplanten und auch im Baurechtsvollzug bisher vollständig intakt gebliebenen exklusiven Wohngebiets durch gewerbliche Anlagen wäre damit nicht mehr aufzuhalten.
Demgegenüber greift der vom Verwaltungsgericht hier angelegte Maßstab, ob das betreffende Gebiet als Wohngebiet erhalten werden und weiterhin Wohnbedürfnissen dienen könnte, ersichtlich zu hoch. Dies liefe letztlich darauf hinaus festzustellen, ob der Gebietscharakter eines reinen Wohngebiets im Sinne des § 3 BauNVO durch die Befreiung kippen würde, und lässt unberücksichtigt, dass der Plangeber innerhalb der Variationsbreite der in der Baunutzungsverordnung ausgestalteten Baugebietstypen im Rahmen der Festsetzungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO auch besondere städtebauliche Lösungen verwirklichen und zur Grundkonzeption der Planung erheben kann. Das ist hier geschehen. Aus Gründen der gemeindlichen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG), aber auch mit Rücksicht auf die durch die Planung geschützten nachbarlichen Wohninteressen, kann der Mobilfunk-Standort deshalb nicht mehr durch administrative Einzelfallregelung im Wege der Befreiung zugelassen werden, sondern nur vom Plangeber selbst im Wege einer Umplanung verantwortet und legitimiert werden, in der die Interessen der Mobilfunkbetreiber mit den städtebaulichen Zielsetzungen der Beklagten und Nachbarinteressen untereinander und gegeneinander gerecht abzuwägen wären.
2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass - unterstellt man zugunsten der Klägerin, dass Grundzüge der Planung nicht betroffen und auch die weiteren Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB erfüllt sind - die Ablehnung der Befreiung allein aus Ermessensgründen erfolgen konnte. Die Ermessensbetätigung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
a) Die Erteilung einer Befreiung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. Dies bringt der Gesetzgeber in § 31 Abs. 2 BauGB mit der Formulierung zum Ausdruck, dass von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden "kann". Den Ermessenscharakter der Befreiungsentscheidung betont auch die höchstrichterliche Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Lehre (BVerwG vom 19.9.2002 BVerwGE 117, 50/55 ff. m.w.N.).
Allerdings wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Formulierung geprägt, dass "für die Ausübung dieses Ermessens nur wenig Raum besteht, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung gegeben sind" (so BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O. unter Bezugnahme auf Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl. 2002 <jetzt 10. Aufl. 2007>, RdNr. 43 zu § 31 und Jäde in Jäde/Dirnberger/ Weiss, BauGB und BauNVO, 3. Aufl. 2002 <jetzt 5. Aufl. 2007>, RdNr. 29 zu § 31). Wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich feststellt, folgt daraus jedoch nicht, dass der zuständigen Behörde entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kein Ermessensspielraum zusteht oder das Ermessen stets auf Null reduziert ist, wenn die Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen (ebenso Roeser in Berliner Kommentar, a.a.O., RdNr. 22 zu § 31). Erforderlich für eine negative Ermessensentscheidung ist nur, dass der Befreiung gewichtige Interessen entgegenstehen (BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O. S. 56; vom 4.7.1986 BVerwGE 74, 315/319).
Mit der Befreiungsvorschrift verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Einzelfallgerechtigkeit und städtebaulichen Flexibilität (vgl. BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O.). Die Befreiung als "planexternes Instrument" (Löhr, a.a.O., RdNr. 24 zu § 31) überwindet die Festsetzungen des Bebauungsplans in vom Satzungsgeber nicht vorgesehenen Sonderfällen und ermöglicht Vorhaben trotz entgegenstehender Festsetzungen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein Festhalten am Plan ungerecht, insbesondere unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig wäre. Mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der Befreiung markiert der Gesetzgeber also zugleich die Schwelle, ab der er eine Einschränkung der - auch von der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) getragenen - Rechtsgeltung eines Bebauungsplans im Interesse der Rechtsposition des Bauherrn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für zulässig hält. Der Gesetzgeber genügt damit den rechtsstaatlichen Anforderungen der Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit (BVerwG vom 20.11.1989 BayVBl 1990, 313). Scheitert ein Vorhaben bereits am Befreiungstatbestand, weil die darin zugunsten des Bauherrn vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, gebietet bereits das Gesetz ein Festhalten an den Festsetzungen des Bebauungsplans. Demgegenüber wird das gesetzgeberische Ziel der Einzelfallgerechtigkeit auf den Plan gerufen, wenn die rechtliche Hürde des Befreiungstatbestandes genommen ist. In diesem Fall steht bereits auf der generell-abstrakten Ebene des Gesetzes fest, dass auf Seiten des Bauherrn Gründe vorliegen, die immerhin so gewichtig sind, dass sie mit dem grundsätzlichen Geltungsanspruch der gemeindlichen Bauleitplanung sowie mit entgegenstehenden öffentlichen Belangen oder nachbarlichen Interessen konkurrieren und eine Befreiung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit rechtfertigen können.
Auf normativer Ebene nicht entschieden ist demgegenüber die Frage, ob die für das Vorhaben des Bauherrn sprechenden Gründe gegenüber den beeinträchtigten öffentlichen Belangen und privaten Interessen aus Verhältnismäßigkeitsgründen vorrangig sind. Hierüber ist im Rahmen des behördlichen Vollzugs der Befreiungsvorschrift zu entscheiden. Wenn nämlich die für die Nutzungsinteressen des Bauherrn streitenden Gründe nach den Umständen des Einzelfalls so gewichtig sind, dass ein Festhalten am Plan ungerecht, insbesondere unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig wäre, ist die Befreiung von Verfassungs wegen geboten; in diesen Fällen hat bereits die Erfüllung des Befreiungstatbestandes einen Rechtsanspruch auf Befreiung zur Folge, ohne dass noch ein behördlicher Ermessensspielraum eröffnet wäre. Demgegenüber zwingen weder das Verfassungsrecht noch das grundsätzlich auf behördliche Ermessensbetätigung angelegte einfache Gesetzesrecht zur Bevorzugung der Interessen des Bauherrn, wenn die sich gegenüber stehenden Interessen und Belange in etwa gleich gewichtig sind, also nicht außer Verhältnis stehen (vgl. auch BVerwG vom 4.7.1986 BVerwGE 74, 315/319: "zumindest ebenso gewichtig"). In dieser Konstellation sieht der Senat den Hauptanwendungsfall des in § 31 Abs. 2 BauGB gesetzlich eingeräumten Ermessens, in der die Bauaufsichtsbehörde, ohne aus Rechtsgründen zu einer Entscheidung in der einen oder in der anderen Richtung festgelegt zu sein, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten - ggf. im Einvernehmen mit der Gemeinde - über die Erteilung der beantragten Befreiung befinden kann. Der Senat folgt damit nicht der im Schrifttum (Söfker, a.a.O., RdNr. 61 zu § 31) vertretenen Auffassung, wonach im Rahmen der Ermessensentscheidung nur solche Erwägungen möglich sein sollen, die über die in der jeweiligen Standortsituation für den Befreiungstatbestand relevanten städtebaulichen Gesichtspunkte hinausgehen, wie etwa fiskalische Erwägungen der Gemeinde im Hinblick auf Folgekosten im Erschließungs- und Infrastrukturbereich oder neue Planungsabsichten der Gemeinde. Im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB zulässige Ermessenserwägungen können vielmehr auch öffentliche Belange und private Interessen betreffen, die im Befreiungstatbestand zu prüfen sind, etwa im Rahmen der Befreiungsgründe oder bei der Frage, ob die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Voraussetzung für eine negative Ermessensentscheidung in beiden Fällen ist allerdings, dass diese Belange und Interessen hinreichend gewichtig (vgl. BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O. und vom 4.7.1986 a.a.O.), dem Interesse des Bauherrn im Gewicht also nicht kategorisch untergeordnet sind.
Gesetzgeber und Baugenehmigungsbehörde wirken nach der Systematik des § 31 Abs. 2 BauGB also zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit arbeitsteilig zusammen, indem nicht hinreichend gewichtige Gründe auf Seiten des Bauherrn bereits auf der generell-abstrakten Ebene des Gesetzes ausgeschieden werden, während die Feststellung hinreichend gewichtiger öffentlicher Belange und privater Interessen, die dem Befreiungsinteresse entgegengehalten werden können, einer Rechtsprüfung auf ihre Verhältnismäßigkeit im Baurechtsvollzug überantwortet ist, die der von Zweckmäßigkeitserwägungen geleiteten Ermessensausübung vorgeht. Tatbestandlich geprüfte Befreiungslagen haben so immerhin noch die Chance, dass ihnen im Rahmen einer behördlichen (oder gerichtlichen) Rechtsprüfung aufgrund überwiegender Befreiungsinteressen von Verfassungs wegen der Vorzug einzuräumen ist, ohne dass es noch auf Ermessenserwägungen ankäme. Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, warum das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Einzelfallgerechtigkeit und städtebaulichen Flexibilität sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer "leichtfertigen Ermessensausübung" entgegenstehen (BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O.). Diese Ziele entheben aber, wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich hervorhebt, gerade nicht der Prüfung, ob die Interessen des Bauherrn die entgegenstehenden öffentlichen Belange und privaten Interessen tatsächlich überwiegen, sondern setzen diese Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade voraus.
b) Gemessen hieran ist der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte trage keine sachlichen Gründe vor, die eine Versagung der Befreiung rechtfertigen könnten, im Ergebnis nicht zu folgen.
Das Interesse der Klägerin am streitgegenständlichen Mobilfunkstandort ist den entgegenstehenden öffentlichen Belangen und privaten Nachbarinteressen nicht bereits in einer Weise kategorisch übergeordnet, dass das Ermessen von vornherein auf Null reduziert wäre. Eine Reduzierung des Befreiungsermessens ist in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der sog. Rohstoffsicherungsklausel gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG angenommen worden, die dem Interesse am Aufsuchen und Gewinnen von Bodenschätzen wegen der strikten Standortgebundenheit normativ einen Vorrang einräumt (BVerwG vom 4.7.1986 a.a.O. S. 318 f.). Eine vergleichbare Vorrangstellung kommt dem Interesse der Klägerin an der nachträglichen Legalisierung des streitgegenständlichen Mobilfunkstandorts nicht zu. Das gilt auch mit Blick auf Art. 87f Abs. 1 GG, auf den das Verwaltungsgericht abhebt. Die Bestimmung normiert für den Bereich des Postwesens und der Telekommunikation eine Verpflichtung des Bundes, flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Auch wenn dieser Gewährleistungsauftrag, der sich in erster Linie an den Bundesgesetzgeber wendet und diesem einen erheblichen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung lässt (vgl. Lerche in Maunz/Dürig, GG, RdNr. 80 zu Art. 87f; Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, RdNr. 4 zu Art. 87f), zugleich als ermessensbindende Wertentscheidung der Verfassung zu qualifizieren wäre, die auch im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB zu berücksichtigen ist, lässt sich eine der Rohstoffsicherungsklausel vergleichbare generelle Vorrangstellung von Mobilfunkanlangen hieraus schon deshalb nicht herleiten, weil ein ähnlich strikter Standortbezug bei Mobilfunk-Sendeanlagen in der Regel fehlt. Einen Anspruch, gleichsam für jeden beliebigen Mobilfunkstandort eine Befreiung zu erhalten, vermittelt die Verfassungsbestimmung - wie auch die Klägerin einräumen lässt - nicht. Dass für den vorliegenden Standort ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, etwa weil die Netzversorgung im Falle einer Ablehnung der Abweichung generell in Frage gestellt wäre, ist weder substantiiert behauptet worden noch ersichtlich.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mangelt es auch nicht an entgegenstehenden öffentlichen Belangen und privaten Interessen von entsprechendem Gewicht. Wie ausgeführt, sind bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sämtliche sachgerechten Belange und Interessen zu berücksichtigen, auch soweit sie als städtebauliche Gesichtspunkte bereits bei der Prüfung des Befreiungstatbestand eine Rolle gespielt haben. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass selbst bloße Planungsabsichten der Gemeinde die Ablehnung einer Befreiung rechtfertigen können (BVerwG vom 19.9.2002 a.a.O.; Söfker, a.a.O., RdNr. 61 zu § 31 BauGB). Erst recht sind deshalb planerische Zielsetzungen von Bedeutung, die in einem rechtsverbindlichen Bebauungsplan ihren Niederschlag gefunden haben. Das mit Inkrafttreten der 2. Änderung des Bebauungsplans "E******* " N ** bodenrechtlich verbindlich gewordene städtebauliche Ziel, das reine Wohngebiet exklusiv auf Wohnnutzung zu beschränken und von allen sonstigen, insbesondere gewerblichen Nutzungen freizuhalten und im Interesse der Wohnnachbarschaft ein auch optisch ruhiges und einheitliches Wohnumfeld zu erhalten, ist ein entsprechender Belang. Dieser öffentliche Belang korrespondiert mit den durch den Bebauungsplan geschützten Interessen der Wohnnachbarschaft, wie sie von den Beigeladenen verfolgt werden.
Die Aufrechterhaltung dieses vom Bebauungsplan verfolgten spezifischen Interessenausgleichs ist auch ein Belang von entsprechendem Gewicht. Das stringent geplante, exklusiv auf Wohnnutzung beschränkte und im maßgeblichen Umgriff auch optisch vollständig ruhige und einheitliche reine Wohngebiet ist weder normativ - durch spätere Änderungen des Bebauungsplans - noch faktisch - durch eine spätere Genehmigungspraxis - aufgeweicht worden. Das hat auch der gerichtliche Augenschein bestätigt. Es ist der Beklagten offensichtlich gelungen, das Baugebiet in einem konsequenten Baurechtsvollzug über Jahrzehnte hinweg vollständig intakt zu halten. Im engeren Umgriff des streitgegenständlichen Anwesens fallen lediglich die beiden illegal errichteten Mobilfunk-Antennenanlagen in einer ansonsten sehr ruhigen und einheitlichen Dachlandschaft ohne jegliche Antennen oder störende Dachaufbauten ins Auge. Neben dem privaten Interesse der Wohnnachbarschaft an der Beibehaltung der exklusiven Wohnnutzung ohne gewerbliche Anlagen in einer auch optisch ruhigen Wohnumgebung ist deshalb auch das planerische Ziel der Gemeinde, diesen spezifischen Charakter des reinen Wohngebiets nicht durch Abweichungen "verwässern" zu lassen, ein gewichtiger öffentlicher Belang. Gerade mit Blick auf den vollständig intakten Zustand dieses Baugebiets mit seinem besonderen Charakter besitzt das Interesse der Beklagten an der Durchsetzung dieser planerischen Zielsetzung eine besondere Wertigkeit, die mit dem privaten Interesse der Klägerin und dem Interesse der Allgemeinheit an einer Mobilfunk-Sendeanlage an diesem Standort konkurrieren kann. Auch in diesem Sinne kann ein Ortsbild einen gestalterischen Eigenwert besitzen und "besonders schützenswert" sein, ohne dass es stets auf architektonische Besonderheiten, etwa im Sinne einer Denkmaleigenschaft oder eines ausgeprägten eigenen Baustils, ankäme, auf den das Verwaltungsgericht und die Klägerin abheben. Das gilt umso mehr im Lichte des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG), das der Gemeinde die Autonomie verleiht, im Wege der Bauleitplanung unter Ausschöpfung der gesetzlich zur Verfügung gestellten Möglichkeiten auch besondere, vom Standardzuschnitt der Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung abweichende Baugebiete mit spezifischen Formen des Interessenausgleichs zu planen und aufrecht zu erhalten.
c) Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen auch in rechtlich unbedenklicher Weise ausgeübt. Ihre Erwägung, dass die Mobilfunkanlage das Ortsbild störe und in die Planungskonzeption eingreife, weil die Gefahr bestehe, dass die Anlage den bisher nicht vorbelasteten Gebietstypus, verstanden als Grundentscheidung für ein exklusives und auch optisch möglichst ruhiges Wohnen, kippen würde, ist sachgerecht und ermessensfehlerfrei. Wie ausgeführt, droht im Falle einer nachträglichen Legalisierung des Mobilfunkstandorts der Klägerin gerade auch mit Blick auf handgreifliche Folgewirkungen eine Verwässerung des stringenten planerischen Konzepts und des bisher ebenso konsequenten Baurechtsvollzugs, der die Beklagte - auch wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt wären - mit den von ihr angestellten Zweckmäßigkeitserwägungen entgegensteuern kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 47 GKG).
Ende der Entscheidung
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