Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: 26 ZB 99.1925
Rechtsgebiete: BayBO, BauVorlV


Vorschriften:

BayBO Art. 67
BauVorlV Art. 8 Abs. 2 Nr. 4
Wenn eine abschließende sachliche Verwaltungsentscheidung über einen Bauantrag im Baugenehmigungsverfahren infolge Unvollständigkeit bzw. Ungenauigkeit der eingereichten Bauvorlagen unmöglich war und das Verwaltungsgericht diese administrative Einschätzung bestätigt hat, kann die Zulassung der Berufung wegen des bauaufsichtlichen Verwaltungsverfahrensvorbehalts nicht durch Ergänzung der unzureichenden Pläne erreicht werden.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

26 ZB 99.1925

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Baugenehmigung;

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. April 1999,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 26. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Renk, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Roßkopf, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft,

ohne mündliche Verhandlung am 26. September 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.669,38 Euro (entspricht 15.000,00 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage.

Die beigeladene Gemeinde sprach sich mit Beschluss vom 16. Oktober 1995 gegen das Vorhaben aus, da der einschlägige Bebauungsplan nur zwei Vollgeschosse vorsehe und das Dachgeschoss durch die vorgesehene Kniestockhöhe zum dritten Vollgeschoss werde. Das Landratsamt Günzburg bemängelte mit Schreiben vom 16. November 1995 gegenüber den Klägern, dass der natürliche Geländeverlauf in den Bauvorlagen nicht dargestellt sei. Nach den vorgelegten Unterlagen könne nicht beurteilt werden, ob das Kellergeschoss ein Vollgeschoss sei.

Mit Bescheid vom 14. Februar 1996 lehnte das Landratsamt den Bauantrag ab. Auch die im Januar 1996 vorgelegten Bauvorlagen ließen mangels entsprechender Angaben eine Prüfung der Abstandsflächen sowie der Zahl der Vollgeschosse nicht zu. Trotz entsprechender Aufforderungen im Rahmen der Beratung durch die Bauaufsichtsbehörde hätten die Kläger keine beurteilungsfähigen Unterlagen vorgelegt. Das drei Vollgeschosse aufweisende Wohnhaus stehe im Widerspruch zu dem Bebauungsplan und eine Befreiung sei nicht möglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 1997 wies die Regierung von Schwaben den Widerspruch zurück.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht blieb erfolglos. Die Kammer stützt ihr klageabweisendes Urteil vom 21. April 1999 darauf, dass die Erteilung einer Genehmigung an der nicht ausreichenden Prüffähigkeit der eingereichten Pläne bezüglich der Nordseite des Gebäudes scheitere. Eine ordnungsgemäße Planung erfordere die Darstellung des tatsächlichen sowie des beabsichtigten Geländeverlaufs. Die Höhenlage des Gebäudes müsse - ggf. in Bezug auf das Straßenniveau - exakt festgelegt sein, damit hinreichend genau ermittelt werden könne, ob das Kellergeschoß in Verbindung mit einer beabsichtigten Änderung der Geländeoberfläche ein Vollgeschoß darstelle. Grundvoraussetzung für die Genehmigung des prinzipiell realisierungsfähigen Vorhabens seien entsprechend geänderte und vermaßte Pläne. Die Bauaufsichtsbehörde sei im Rahme der Beratung nicht zu Änderungen der Bauvorlagen von Amts wegen befugt, sondern es sei Sache des Bauherrn, hinreichend bestimmte Pläne vorzulegen.

Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Satz 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 23.6.2000, NVwZ 2000, 1163/1164). Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht.

a) Die Kläger rügen, sowohl Ausgangs- als auch Widerspruchsbehörde hätten die Versagung der Baugenehmigung nicht auf unzureichende Planunterlagen gestützt, sondern den Klägern lediglich vorgehalten, die Vollgeschoßberechnung der Bauaufsichtsbehörde nicht widerlegt zu haben. Daraus ergebe sich, dass dem Beklagten eine Berechnung sehr wohl möglich gewesen sei, so dass die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur mangelnden Prüfungsmöglichkeit zu kurz greife.

Dieses Vorbringen weckt keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Zum einen trifft es tatsächlich nicht zu, wie ein Blick auf die Begründung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheids belegt. Der Beklagte hat dort ausführlich dargelegt, dass die vorgelegten Pläne weder die Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung (Zahl der Vollgeschosse) noch der Abstandflächen erlaubten. Die sachlichen Ausführungen sind so zu verstehen, dass es auf der Grundlage der eingereichten Bauvorlagen jedenfalls nicht auszuschließen sei, dass das Vorhaben drei Vollgeschosse aufweise. Zum anderen kommt es in diesem Zusammenhang auf die Einschätzung des Beklagten nicht an: Wenn sich das Verwaltungsgericht aufgrund der vorgelegten Planzeichnungen nachvollziehbar nicht die Überzeugungsgewissheit von der Einhaltung der genannten Genehmigungsvoraussetzungen zu verschaffen vermag, wäre selbst eine gegenläufige Einschätzung des Beklagten unbehelflich. Die übereinstimmende Würdigung des Verwaltungsgerichts und des Beklagten hinsichtlich der mangelnden Bestimmtheit der Bauvorlagen wird auch durch das der Antragsbegründung anliegende Parteigutachten des Architekten S. vom 21. Juni 1999 bestätigt. Der Gutachter führt dort (S. 4) explizit aus:

" ... Die vorliegenden Baupläne sind hinsichtlich der festgelegten Geländeoberfläche nicht eindeutig. Die festgelegte Geländeoberfläche habe ich daher auf der Grundlage der vorliegenden Pläne und nach Angaben von Herrn N. ermittelt und in die von mir erstellten Ansichtspläne eingetragen und der Berechnung zugrunde gelegt."

Die Feststellung, dass die Unvollständigkeit und Unbestimmtheit der eingereichten Bauvorlagen eine umfassende baurechtliche Prüfung nicht erlaube, entspricht der gerichtlichen Einschätzung, die keinen Zweifeln begegnet.

b) Der auf das genannte Parteigutachten gestützte Vortrag, das Vorhaben weise nur zwei Vollgeschosse auf, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Mit diesem Beweismittel sollen neue Umstände in den Verwaltungsprozess eingeführt werden, die bisher nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens waren und wegen des Erstbefassungsrechts der Gemeinde und der Prüfungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde nicht unmittelbar der gerichtlichen Überprüfung unterbreitet werden können.

Die Gestaltung der Geländeoberfläche ist Bestandteil der der Dispositionsfreiheit des Bauherrn unterliegenden Bestimmung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 4 BauVorlV). Derartige vorhabensbezogene Dispositionen sind in den Bauvorlagen (ggf. durch Tekturen) gegenüber der Gemeinde und nachfolgend der Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren zu treffen. Die Bayer. Bauordnung sieht vor, dass Bauvorlagen als Bestandteil des Bauantrags bei der Gemeinde einzureichen sind (Art. 74 Abs. 1 BayBO 1994 = Art. 67 Abs. 1 BayBO 1998); diese Regelung erfasst auch Ergänzungen und Modifikationen des Antrags (vgl. BayVGH vom 25.8.1989, BayVBl. 1990, 597 f.). Damit wird das prinzipielle Erstbefassungsrecht der Gemeinde und die Prüfungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde in der vorgesehenen Form des Baugenehmigungsverfahrens gesichert, denn mit Blick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung ist es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, behördliche Entscheidungen über Bauanträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber, solche Entscheidungen selbst zu treffen (BayVGH a.a.O.).

Wenn - wie vorliegend - eine abschließende sachliche Verwaltungsentscheidung über einen Bauantrag im Baugenehmigungsverfahren infolge Unvollständigkeit bzw. Ungenauigkeit der eingereichten Bauvorlagen unmöglich war und das Verwaltungsgericht diese administrative Einschätzung bestätigt hat, kann die Zulassung der Berufung wegen des bauaufsichtlichen Verwaltungsverfahrensvorbehalts nicht durch Ergänzung der unzureichenden Pläne erreicht werden. Dem steht die Rechtsprechung zur prozessrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit erstmals im Zulassungsverfahren vorgetragener Tatsachen (BVerwG vom 14.6.2002 - Az. 7 AV 1.02) nicht entgegen. Die dem im Zulassungsverfahren vorgelegten Gutachten zugrunde liegenden Dispositionsentscheidungen der Kläger als Bauherren sind nach bauaufsichtlichem Verfahrensrecht nicht berücksichtigungsfähig und erweisen sich demzufolge aus der Perspektive des Prozessrechts als nicht entscheidungserheblich.

2. Die Rechtssache weist weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch liegt ein Verfahrensfehler vor, so dass die Zulassung der Berufung auch nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 4 VwGO gerechtfertigt ist. Der mit der Behauptung besonderer Komplexität der Sache und der Aufklärungsrüge geltend gemachte Einwand, das Verwaltungsgericht hätte ein Sachverständigengutachten über die Zahl der Vollgeschosse einholen müssen, vermag aus den bereits dargelegten Überlegungen nicht zu greifen. Dieses Beweismittel im Verwaltungsprozess konnte die Mängel der Bauvorlagen nicht ausräumen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 GKG. Für eine Entscheidung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO besteht kein Anlass.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück