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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 24.10.2005
Aktenzeichen: 3 B 02.3061
Rechtsgebiete: GG, BayVwVfG, BRRG, BBVAnpG 99


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art 20 Abs. 3
GG Art. 33 Abs. 5
BayVwVfG Art. 32
BRRG § 126 Abs. 3
BBVAnpG 99 Art. 9 § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

3 B 02.3061

In der Verwaltungsstreitsache

wegen amtsangemessener Besoldung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Oktober 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Burger-Veigl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19.Oktober 2005

am 24.Oktober 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. Oktober 2002 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Februar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2002 verpflichtet, dem Kläger für sein drittes Kind die erhöhten amtsangemessenen familienbezogenen Gehaltsbestandteile entsprechend den Vorgaben in Art. 9 § 1 BBVAnpG für die Zeit vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 6.251,61 Euro (entspricht 12.226,41 DM) nebst Zinsen von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu gewähren.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger steht als Finanzbeamter im Dienst des Beklagten; er ist beim Finanzamt W. beschäftigt. In der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 30. Juni 1995 gehörte er der Besoldungsgruppe A 7, seit dem 1. Juli 1995 gehört er der Besoldungsgruppe A 8 an. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder, Andreas (geb. 30.8.1988), Matthias (geb. 23.1.1991) und Florian (geb. 25.4.1993).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidung vom 22.3.1990, BVerfGE 81, 363 ff.) zur Höhe der familienbezogenen Anteile der Alimentation der Beamten für den Zeitraum vom 1. Januar 1977 bis zum 31. Januar 1981 und ihrer möglichen Auswirkungen aus damaliger Sicht für die Zukunft erließ die Oberfinanzdirektion N. mit Datum vom 28. Januar 1991 eine Verfügung (künftig: Verfügung der OFD), die bestimmungsgemäß auch dem Kläger gegen Bestätigung zur Kenntnis gegeben wurde. Die Verfügung zitiert wörtlich ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (StMF) vom 21. Dezember 1990 (künftig: FMS). Der einleitende Absatz und der nachfolgende Abschnitt lauten wie folgt (wobei die zur Verbesserung der Zitierfähigkeit eingefügten Nummerierung der Absätze und Sätze im Original nicht enthalten ist):

"Zu den Bundesverfassungsgerichtsbeschlüssen vom 22.3.1990 - 2 BvL 1/86 - und vom 29.5.1990 - 1 BvL 20/84, 25/84, 4/86 - wird auf folgendes hingewiesen:

I. Verfassungswidrigkeit der kinderbezogenen Teile des Ortszuschlags

[1] Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Art. I § 1 Nr. 8 i.V.m. Anlage 2 sowie Art. VIII § 4 Abs. 1 des Siebenten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern vom 20. März 1979 mit Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, soweit der Gesetzgeber es unterlassen hat, die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile bei verheirateten Beamten der Besoldungsgruppe A 11 mit mehr als 2 Kindern zum 1. Januar 1977 in einer dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entsprechenden Höhe festzusetzen.

[2] 1 Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.3.1990 beschränkt sich auf einen konkreten Fall, d. h. auf einen konkreten Zeitraum vom 1.1.1977 bis 31.1.1981. 2 Zum damaligen Zeitpunkt gab es nur einen einheitlichen Familienlastenausgleich, d. h. es wurde ein vom Elterneinkommen unabhängig gestaffeltes Kindergeld gezahlt, aber kein Kinderfreibetrag gewährt. 3 Zudem wurde in der Zeit vom 1.3.1978 bis 31.12.1978 der kinderbezogene Teil nur in den Stufen 5 und höher des Ortszuschlags erhöht. 4 Für das dritte Kind (Stufe 5) wurde der Ortszuschlag im Vergleich zur vorangegangenen Regelung von DM 37,75 auf DM 90, für das vierte und fünfte Kind von je DM 71,55 auf DM 110 etc. erhöht. 5 Heute dagegen gilt wieder das duale System, d.h. es werden Kinderfreibeträge (zur Zeit in Höhe von DM 3.024) und Kindergeld nebeneinander gewährt. 6 Zusätzlich wurden 1985 einheitliche Kinderanteile im Ortszuschlag (zur Zeit in Höhe von DM 126,44 pro Kind) eingeführt.

[3] 1 Die Besoldungsrechtslage nach dem 31.1.1981 war nicht entscheidungserheblich. 2 Es wurde dem Gesetzgeber aber in dem Beschluss nahe gelegt, dass die Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung vorgelegten Vorschriften nicht ohne Folgen für spätere Regelungen bleiben kann. 3 Hierbei geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass eine allgemeine Korrektur der für verfassungswidrig erklärten Regelung nur für den Zeitraum in Betracht kommt, der mit dem Haushaltsjahr beginnt, in dem durch die verfassungsgerichtliche Entscheidung die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist, d. h. ab dem Jahr 1990 (vgl. S. 30).

[4] Insoweit müssen weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden.

[5] 1 In Besprechungen zwischen dem Bundesminister des Innern und den Ländern wird demnächst geklärt, ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch auf die heutige Rechtslage zutreffen. 2 Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere, dass bei der Bedarfsfeststellung bezüglich der entsprechenden familiengerechten Besoldung betragsmäßig auch die an alle gewährten staatlichen Sozialleistungen, wie Kindergeld und die im Steuerrecht gewährten Kinderfreibeträge mitberücksichtigt werden dürfen. 3 Demgemäß muss erst abgewartet werden, welche Regelung der Gesetzgeber hinsichtlich der Bundesverfassungsgerichtsbeschlüsse vom 29.5.1990 zum Kindergeld und Kindergeldfreibetrag trifft.

[6] 1 Für den Zeitraum 1.1.1982 bis 31.12.1989 muss ebenfalls erst geklärt werden, ob und vor allem welche Korrektur der kinderbezogenen Ortszuschlagsregelung sich als notwendig erweist. 2 Eine besoldungsrechtliche Komponente ist hierbei ab 1983 abhängig von den rückwirkenden Änderungen beim Kinderfreibetrag und Kindergeld. 3 Eine Korrektur kann sich hierbei laut Bundesverfassungsgericht (vgl. S. 30) auf "diejenigen Beamten beschränken, welche den ihnen von Verfassung wegen zustehenden Anspruch auf amtsangemessene Alimentation zeitnah, also während des jeweils laufenden Haushaltsjahres gerichtlich geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden worden ist. 4 Die gesetzliche Regelung des Bundesbesoldungsgesetzes gilt daher für alle Beamten, die ihre Ansprüche nicht gerichtlich geltend gemacht haben.

[7] Wegen der unklaren Rechtslage - es könnten weitere Entscheidungen des BVerfG für diesen Zeitraum ergehen bzw. es sind die politischen Erwägungen des Gesetzgebers nicht absehbar -, wird auf die Einrede des Eintritts der Verjährung gemäß § 197 BGB zum 31.12.1990 aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung verzichtet.

[8] Alle Entscheidungen über gestellte Anträge und eingelegte Widersprüche sind bis zur Entscheidung des Gesetzgebers zurückzustellen und die Beamten entsprechend zu unterrichten."

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 unter Berufung auf die Verfügung der OFD, ihm für den Zeitraum von April 1993 bis Ende des Jahres 1998 die erhöhten familienbezogenen Gehaltsbestandteile gemäß Art. 9 des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 1999 (vom 19.11.1999 [BGBl I S. 2198] - BBVAnpG 1999) für die Vergangenheit nachzuzahlen. Er habe es im Vertrauen auf den Inhalt dieser Verfügung auch nach der Geburt seines dritten Kindes unterlassen, gegen die zu niedrig bemessene Besoldung weiter vorzugehen. Schließlich habe der Dienstherr ausdrücklich bekannt gegeben, dass Anträge nicht gestellt und Widersprüche nicht eingelegt werden müssten. Die Erhöhungsbeträge für die Zeit von 1993 bis 1998 seien deshalb zumindest im Wege des Schadenersatzanspruches nachzuzahlen.

Die Bezirksfinanzdirektion R. (BFD) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. Februar 2002 ab. Zur Begründung führte sie aus, nach Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 erhielten u. a. Kläger und Widerspruchsführer für den Zeitraum vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1996 für das dritte und jedes weitere in ihrem Ortszuschlag bzw. Familienzuschlag zu berücksichtigende Kind monatliche Erhöhungsbeträge, wenn sie ihren Anspruch innerhalb des genannten Zeitraums geltend gemacht hätten, ohne dass hierüber schon abschließend entschieden worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 28. Juni 2001 (Az. 2 C 46.00 - BVerwGE 114, 350 ff.) die vorgenannte Vorschrift dahingehend konkretisiert, dass der Beamte eine Nachzahlung (auch) dann erhalte, wenn er in der Vergangenheit (lediglich) zum Ausdruck gebracht habe, dass er die ihm gewährte Besoldung im Hinblick auf ihren zu niedrig bemessenen kinderbezogenen Anteil für rechtswidrig halte. Der Kläger habe dies in der Vergangenheit nicht getan. Eine Nachzahlung aus Gründen des Vertrauensschutzes oder als Schadenersatz komme ebenfalls nicht in Betracht, da dies voraussetze, dass der Bezügeempfänger durch fehlerhafte Auskünfte oder Beratung in einer dem Dienstherrn zurechenbaren Weise von der von ihm beabsichtigten gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation abgehalten worden sei. Ein derartiger Fall liege nicht vor.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 18. März 2002 wies die BFD mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2002 als unbegründet zurück.

Der Kläger erhob rechtzeitig Klage zum Verwaltungsgericht. Zur Begründung trug er ergänzend vor, die Ablehnung durch die Behörde verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil er nicht darauf verwiesen werden dürfe, er habe keinen Antrag gestellt, wenn ihm zunächst mitgeteilt worden sei, er müsse weder einen Antrag stellen noch Widerspruch einlegen.

Der Kläger beantragte,

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides der BFD R. vom 20. Februar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2002 dem Kläger die erhöhten familienbezogenen Gehaltsbestandteile für sein drittes Kind für den Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 1998 gemäß den im Bundesbesoldungs- und -Versorgungsanpassungsgesetz vom 19. November 1999 festgesetzten monatlichen Erhöhungsbeträgen in Höhe von 6.251,61 Euro (das entspricht 12.226,41 DM) nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2002 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Der Kläger könne den geforderten Betrag nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 BBVAnpG 99 (eine Regelung, die mit den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22.3. 1990, Az. 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81,363 - und vom 24.11.1998, Az. 2 BvL 26/91 u. a. - BVerfGE 99,300 - in Übereinstimmung stehe) für den von ihm geltend gemachten Zeitraum von April 1993 bis Ende 1998 nicht beanspruchen, denn er gehöre nicht zu dem im Gesetz als anspruchsberechtigt genannten Personenkreis. Dieser umfasse nur Kläger und Widerspruchsführer, die ihren - in der Vergangenheit nicht erfüllten - Anspruch auf amtsangemessene Besoldung auch hinsichtlich des dritten Kindes (und weiterer Kinder) in dem jeweiligen Haushaltsjahr als Kläger und Widerspruchsführer geltend gemacht hätten, ohne dass darüber schon abschließend entschieden worden sei. Auf diese Weise werde dem Umstand Rechnung getragen, dass aus dem Beamtenverhältnis keine Klage ohne Vorverfahren erhoben werden dürfe und dass der Beamte den verfassungsrechtlichen Anspruch auf amtsangemessene Alimentation unmittelbar mit dem Widerspruch verfolgen könne. Eine schriftliche Erklärung, mit der der Beamte höhere als die ihm tatsächlich fortlaufend gezahlten Bezüge begehre, genüge den sich aus § 126 Abs. 3 BRRG ergebenden inhaltlichen Anforderungen an einen Widerspruch (BVerwG vom 28.6.2001 a.a.O.). Daran fehle es jedoch beim Kläger, der erstmals mit seinem Schreiben vom 20. Dezember 2001 seinen Anspruch geltend gemacht habe. Einem gegenüber Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 weitergehenden Zahlungsanspruch stehe der in § 2 BBesG festgeschriebene hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art.33 Abs.5 GG entgegen, wonach die Besoldung durch Gesetz geregelt werden muss (Gesetzesvorbehalt) und nur nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung gezahlt und gefordert werden kann (Gesetzesvorrang). Daher könne der Kläger seinen Zahlungsanspruch auch nicht auf die Verfügung der OFD stützen.

Der Kläger könne die beantragten Erhöhungsbeträge auch nicht im Wege des Schadenersatzes begehren. Er verkenne, dass in der Verfügung der OFD nicht generell auf die Stellung eines Antrags oder die Einlegung eines Widerspruchs verzichtet werde. Hierin heiße es nämlich, die Besoldungsrechtslage nach dem 31. Januar 1981 sei für den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 (BVerfGE 81, 363 ff.) nicht entscheidungserheblich gewesen. Es sei aber dem Gesetzgeber nahe gelegt worden, dass die Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung vorgelegten Vorschriften nicht ohne Folgen für spätere Regelungen bleiben könne. Hierbei gehe das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass eine allgemeine Korrektur der für verfassungswidrig erklärten Regelung nur ab dem Jahr 1990 in Betracht komme. Insoweit müssten weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden. Der Begriff "insoweit" beziehe sich also nach dem systematischen Zusammenhang eindeutig auf die zuvor in Aussicht gestellte "allgemeine Korrektur" ab dem Jahr 1990. Eine solche sei - entgegen den weitergehenden Erwartungen - letztendlich jedoch nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 erfolgt; die vorausgehende Regelung in Art. 14 § 3 ReföDG in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung vom 24. Februar 1997 (BGBI I 1997 S. 322 ff.) habe einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht Stand gehalten (BVerfG vom 24.11.1998, BVerfGE 99, 300 ff.). Der Besoldungsgesetzgeber sei zwar berechtigt, nicht aber von Verfassungs wegen verpflichtet, den Mangel der Unteralimentation kinderreicher Beamter durch eine zeitlich weiter ausgreifende Rückwirkungsregelung als die des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 zu beheben. Ein Verfassungsgebot, den Alimentationsmangel zugunsten aller betroffenen Beamten oder auch nur zugunsten derjenigen, die diesen Verstoß gegenüber dem Dienstherrn geltend gemacht haben, rückwirkend ab diesem Zeitpunkt zu bereinigen, gebe es jedoch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 (BVerfGE 81, 363/385) nicht. Die Regelungen des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 seien an dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 99, 300 ff.)vorgegebenen Mindeststandard ausgerichtet. Eine verfassungsrechtlich an sich zulässige, im Gesetzgebungsverfahren erörterte großzügigere Rückwirkungsregelung sei ausweislich der Gesetzesmaterialien offenkundig wegen der damit verbundenen Haushaltsmehrbelastungen verworfen worden.

Das Verwaltungsgericht könne daher schon eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Beklagten nicht erkennen. Im Übrigen müsse sich der Kläger unter den Gesichtspunkten der Schadensminderungspflicht bzw. Verwirkung fragen lassen, aus welchem Grund er nicht schon nach dem Inkrafttreten des Dienstrechtsreformgesetzes (ReföDG) am 1. Juli 1997 zeitnah einen Antrag gestellt oder sich auf die Verfügung der OFD berufen habe . Mit diesem Gesetz sei bereits deutlich geworden, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtige, eine allgemein wirkende Anpassung für die Jahre 1990 bis 1997 vorzunehmen. Hätte damals - unterstellt - ein Vertrauensschutz für den Kläger bestanden, wäre er damit entfallen. Gleiches gelte für das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 1999 vom 19. November 1999. Auch hier habe der Kläger die Zeit bis zum 20. Dezember 2001 verstreichen lassen, ehe er sich darauf berufen habe, keinen speziellen Antrag stellen zu müssen. Unter diesen Umständen habe sich der Kläger nicht in einem für den Beklagten ersichtlichen Irrtum über ein Antragserfordernis befunden, so dass es die Fürsorgepflicht auch nicht geboten hätte, ihn darüber zu belehren.

Der Kläger legte gegen dieses Urteil die vom Senat zugelassene Berufung ein und begründete sie im Wesentlichen wie folgt:

Im Vertrauen auf die Verfügung der OFD habe er in der Vergangenheit die zu niedrige Alimentation nicht geltend gemacht, was er sonst, also ohne Kenntnis dieser Verfügung, anlässlich der Geburt seines dritten Kindes am 25. April 1993 getan hätte. Die Einschränkung, die das danach erlassene Gesetz in Art. 9 § 1 Satz 2 BBVAnpG hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten mache, müsse sich der Kläger nicht entgegenhalten lassen. Dort sei die Antragsberechtigung auf diejenigen Beamten beschränkt, die innerhalb des bezeichneten Zeitraums als Kläger oder Widerspruchsführer ihren Anspruch auf erhöhte Alimentation geltend gemacht hätten. Erst im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2001 (Az. 2 C 46.00 u. a.) sei klar geworden, dass auch - lediglich - eine Antragstellung zur Wahrung des Anspruchs ausreichend sei. Aus dieser Entscheidung, die freilich ein völliges Nichtreagieren nicht ausreichen lasse, leite der Kläger seinen Anspruch her. Er sei nach deren Bekanntwerden umgehend tätig geworden und habe den hier im Raum stehenden Antrag gestellt. Die - rechtlich schwierige - Frage, ob der verfolgte Anspruch sich letztlich aus der Verfügung der OFD, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs oder unmittelbar aus dem BBVAnpG 99 bzw. gegebenenfalls in dessen analoger Anwendung ergebe, sei von der Gerichtsbarkeit zu klären.

Das Verwaltungsgericht habe die Verfügung der OFD zu Lasten des Klägers nicht nach dem - maßgeblichen - Empfängerhorizont ausgelegt. Danach seien, um eine Flut von Anträgen zu verhindern, die Beamten aufgefordert worden, keine weiteren Anträge/Widersprüche an den Dienstherrn zu richten, die das Ziel gehabt hätten, eine höhere Alimentationsleistung bei mehr als zwei Kindern unter Berufung auf die damals aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 (a.a.O.) zu erlangen. Den Beamten sei damit suggeriert worden, dass eine allgemeine Korrektur ab dem Jahr 1990 vorgenommen werde und zwar ohne den Vorbehalt, dass der Gesetzgeber entsprechend reagieren werde. Zahlreiche Beamte hätten sich deshalb durch die Verfügung der OFD davon abhalten lassen, gegen die zu niedrige Besoldung vorzugehen. Ihnen nunmehr die Nachzahlung zu verweigern, stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Auf das darin liegende widersprüchliche Verhalten des Dienstherrn gehe das Verwaltungsgericht nicht ein.

Ein vom Kläger vorgelegtes Schreiben des StMF an den - seinerzeitigen - Vorsitzenden des Bayerischen Beamtenbundes vom 21. Januar 2000 spreche für die Auffassung des Klägers. Daraus wird zitiert: "Eine Einbeziehung dieses Personenkreises ist damit aufgrund des für Besoldung und Versorgung geltenden strengen Gesetzesvorbehalts, von Ausnahmefällen aus Gründen des Vertrauensschutzes abgesehen, in welchen der Bezügeempfänger durch fehlerhafte Auskünfte oder Beratung in einer dem Dienstherrn zurechenbaren Weise von der von ihm beabsichtigten entsprechenden Geltendmachung seines Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation abgehalten wurde, grundsätzlich ausgeschlossen."

Unter diesen Umständen könne dem Kläger auch nicht ein Anspruch im Wege des Schadensersatzes wegen Falschauskunft bzw. irreführender Auskunft des Dienstherrn versagt werden, wie dies das Verwaltungsgericht getan habe.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gesichtspunkte der Schadensminderungspflicht bzw. einer Verwirkung - etwa im Hinblick auf das am 1. Juli 1997 in Kraft getretene Dienstrechtsreformgesetz (ReföDG) - ließen sich dem Kläger nicht entgegenhalten.

Demgegenüber sei auf einen ungeschriebenen, gleichwohl aber verfassungsrechtlich gebotenen Anspruch auf Nachsicht zu verweisen, wonach eine unverschuldet verspätete Handlung gleichwohl noch als rechtzeitig zu behandeln sei, insbesondere dann, wenn die Ursache der Fristversäumung im Bereich der Behörde liege.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils wie folgt zu entscheiden:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der BFD R. vom 20. Februar 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2002 verpflichtet, dem Kläger die erhöhten familienbezogenen Gehaltsbestandteile für sein drittes Kind für den Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 1998 gemäß den im Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz vom 19. November 1999 festgesetzten monatlichen Erhöhungsbeträgen in Höhe von 6.251,61 Euro (entspricht 12.226,41 DM) nebst Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Die betroffenen Beamten hätten weder aufgrund des FMS vom 21. Dezember 1990 noch aufgrund der Verfügung der OFD vom 28. Januar 1991 davon ausgehen können, dass eine Antragstellung betreffend ihre amtsangemessene Alimentation entbehrlich sei. Der entscheidungserhebliche Satz "Insoweit müssen weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden" beziehe sich eindeutig auf den vorhergehenden Satz, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgehe, dass eine "allgemeine Korrektur ab dem Jahr der Feststellung der Verfassungswidrigkeit erfolgt:" Wegen der nach allgemeinem Sprachgebrauch eindeutigen Einschränkung "insoweit" werde der Aussage die Allgemeingültigkeit für alle denkbaren Fallkonstellationen genommen.

Eine gesetzliche - rückwirkende - Regelung für alle Beamten, unabhängig von einer konkreten Antragstellung, sei nicht erfolgt und vom Bundesverfassungsgericht auch nicht für geboten erachtet worden. Da die Beamtenbesoldung nach den Besoldungsgesetzen geregelt werde, sei eine Antragstellung grundsätzlich entbehrlich. Sei ein Beamter jedoch damit nicht einverstanden, müsse er zumindest zu erkennen geben, dass er höhere Leistungen begehre. Ein völliges Nichtreagieren lasse auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2001 (a.a.O.) nicht ausreichen.

Ein Fall des Art. 32 BayVwVfG liege mangels einer betroffenen gesetzlichen Frist nicht vor. Eine Antragstellung sei nur für die Frage von Bedeutung gewesen, ob - wenngleich das Bundesverfassungsgericht eine rückwirkende Regelung nicht verlangt habe - einem Betroffenen eine höhere Alimentation zuteil werden könne. Die BFD habe in ihrem Bescheid vom 20. Februar 2002 auch nicht auf einen versäumten Antrag abgestellt, sondern darauf, dass der Kläger zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht habe, dass seine Besoldung zu niedrig bemessen sei. Auch nach der Ablehnung habe der Kläger einen entsprechenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gestellt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2001 (a.a.O.) könne auch nicht dahingehend interpretiert werden, dass ein Beamter zur Rechtswahrung seinen Dienstherrn nicht einmal über seine Auffassung, dass ihm höhere Ansprüche zustünden, informieren müsse. Dies wäre aber die Konsequenz, wenn man ohne entsprechenden Antrag und Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG einen Antrag aus dem Jahr 2001 um mehr als acht Jahre zurück datieren wollte.

Da sich die Besoldung der Beamten nach dem Gesetz richte, lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG nicht vor. Die Besoldung werde gerade nicht konstitutiv durch Verwaltungsakt geregelt.

Aus denselben Gründen komme eine Entscheidung weder nach Art. 48 noch nach Art. 49 BayVwVfG in Betracht.

Nach einem gerichtlichen Aufklärungsschreiben an die Beteiligten, wonach der Senat die Auffassung vertrat, dass dem Kläger - wohl - hinsichtlich der in Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 mit 3 BBVAnpG 99 enthaltenen (Ergänzungs- /Nachzahlungs-) Ansprüche die dort genannten, mittlerweile abgelaufenen Fristen nach den Grundsätzen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wieder eröffnet werden könnten, beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juni 2005 vorsorglich, dem Kläger eine Nachzahlung der erhöhten familienbezogenen Bezügebestandteile für den Zeitraum vom 1. April 1993 bis 31. Dezember 1998 für sein drittes Kind auf der Grundlage von Art. 9 § 1 Abs. 1 BBVAnpG 99 in Höhe von 6.251,61 Euro zu gewähren und dem Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Begründung stützt sich auf wesentliche Bestandteile der bereits vorgetragenen Argumente zur Berufungsbegründung und des gerichtlichen Aufklärungsschreibens. Der Kläger habe es im Vertrauen auf die Verfügung der OFD unterlassen, nach der Geburt seines dritten Kindes gegen seine zu niedrige Besoldung weiter vorzugehen. Mit seinen Ausführungen dazu habe er bereits die Umstände dargelegt und auch glaubhaft gemacht, aus denen er ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten.

Der Beklagte nahm zu dem gerichtlichen Aufklärungsschreiben mit Datum vom 19. Juli 2005 dahingehend Stellung, dass an der bisher vertretenen Rechtsansicht festgehalten werde und sowohl dem Kläger als auch anderen betroffenen Beamten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne . Das rechtliche Hindernis, also das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung des Art. 9 § 1 BBVAnpG lasse sich auch nicht durch dieses Rechtsinstitut nach Art. 32 BayVwVfG ausräumen.

Bei dem in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 genannten Zeitraum handele es sich nämlich nicht um eine gesetzliche Frist im Sinn des Art. 32 BayVwVfG. Die Fristen seien festgelegte Zeiträume, die der Behörde, den Beteiligten oder Dritten für bestimmte Verfahrenshandlungen zur Verfügung stehen. Der in Art. 9 § 1 Abs. 1 BBVAnpG 99 festgelegte Zeitraum sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BBVAnpG 99 bereits abgelaufen gewesen und habe deshalb nicht mehr genutzt werden können. Art. 9 § 1 Abs. 1 BBVAnpG 99 regele keine verfahrensrechtliche oder materiellrechtliche Frist für die Geltendmachung von bestehenden Ansprüchen, sondern materielle anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzungen (OVG NRW vom 28.1. 2004, Az. 1 A 458/01). Sie seien in der - im Hinblick auf den im Besoldungsrecht sehr streng anzuwendenden Gesetzesvorbehalt als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Frage kommenden - Norm des Art. 9 § 1 BBVAnpG enthalten; diese Norm könne aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 74 a Abs. 1 GG) nicht durch Landesrecht ausgeweitet werden, auch nicht durch die verfahrensrechtliche landesrechtliche Regelung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Art. 32 BayVwVfG.

Abgesehen davon wäre die Wiedereinsetzung nach Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG ausgeschlossen, weil sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergebe. Aus dem Wortlaut des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 und der dieser Regelung zu Grunde liegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich nämlich, dass - wie bei einer materiellen Ausschluss- bzw. Präklusionsfrist - die Wiedereinsetzung selbst bei unverschuldeter Versäumung der Frist nicht möglich sei. Aus dem Beamtenverhältnis als wechselseitig bindendem Treueverhältnis folge nämlich auch die Pflicht des Beamten, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung Rücksicht zu nehmen. Die Alimentation des Beamten erfolge aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln und diene der Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs. Die rückwirkende Korrektur einer für verfassungswidrig erklärten Regelung könne sich deshalb auf diejenigen Beamten beschränken, welche etwaige Ansprüche zeitnah, also während des laufenden Haushaltsjahres geltend gemacht hätten; eine Differenzierung anhand des Kriteriums einer Verhinderung ohne Verschulden könne demnach außer Betracht bleiben. Vor diesem Hintergrund ergebe sich aus der Regelung des Art. 9 § 1 BBVAnpG eindeutig, dass nur Beamte, die in dem genannten Zeitraum einen Antrag gestellt hätten, Anspruch auf Nachzahlungen haben könnten. Beamte, die keine Anträge gestellt hätten, seien aus dem persönlichen Anwendungsbereich der Regelung ausgeschlossen, ohne dass es auf den Grund für das Unterlassen der Antragstellung ankomme. Die Regelung enthalte daher keine wiedereinsetzungsfähige Frist.

Abgesehen davon sei der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, eine gesetzliche Frist einzuhalten.

Die Verfügung der OFD habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass es der Kläger habe unterlassen dürfen, gegen seine zu niedrige Besoldung vorzugehen. Die vom Kläger zur Begründung seines Irrtums angeführte Formulierung der Verfügung der OFD laute wie folgt:

"... Hierbei geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass eine allgemeine Korrektur der für verfassungswidrig erklärten Regelung nur für den Zeitraum in Betracht kommt, der mit dem Haushaltsjahr beginnt, in dem durch die verfassungsgerichtliche Entscheidung die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist, d.h. ab dem Jahr 1990.

Insoweit müssen weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden."

Für den Zeitraum ab 1990 werde in dieser Passage nur insoweit eine Aussage getroffen, als der Gesetzgeber die ihm im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nahe gelegten Folgerungen auch tatsächlich ziehen würde. Ein die Verfügung der OFD sorgfältig lesender Beamter habe sich nicht darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber die für verfassungswidrig erklärte Regelung für die Zukunft korrigieren werde. Er sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Bund und Länder erst noch klären müssten, ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch auf die (damals) aktuelle Rechtslage zugetroffen hätten, und dass abgewartet werden müsse, welche Regelung der Gesetzgeber zu Kindergeld und Kinderfreibetrag treffen werde. Hinzu komme, dass sich die verfassungsrechtliche Einschätzung von Bund und Ländern einerseits und Bundesverfassungsgericht andererseits nicht decken müsse. Es sei weder konkret in Aussicht gestellt worden, dass der Bundesgesetzgeber aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 Konsequenzen für den Zeitraum ab 1990 ziehe, noch sei zugesagt worden, dass die amtsangemessene Alimentation der kinderreichen Beamten unabhängig vom Tätigwerden des Bundesgesetzgebers für die Zukunft sichergestellt werde.

Der äußere Geschehensablauf spreche dagegen, dass der Kläger sich aufgrund der Verfügung der OFD tatsächlich in einem Irrtum befunden und darauf vertraut habe, keinen Antrag stellen zu müssen. 1997 und 1999 seien gesetzliche Regelungen in Kraft getreten, aus denen sich eindeutig ergeben habe, dass es Nachzahlungen von kinderbezogenen Anteilen im Familienzuschlag für den Zeitraum ab 1990 nicht bzw. nur für solche Beamte gebe, die rechtzeitig Anträge gestellt hätten. Der Kläger habe auf beide gesetzliche Regelungen, aufgrund derer die Verfügung der OFD offensichtlich überholt gewesen sei, nicht zeitnah reagiert.

Mit der ersten der beiden genannten Normen, nämlich der am 1. Juli 1997 in Kraft getretenen Regelung des Art. 14 § 3 ReföDG, habe der Bundesgesetzgeber die Konsequenzen aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 gezogen. Die Regelung beschränke sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 1977 bis zum 31. Dezember 1989 und erfasse nur Kläger und Widerspruchsführer, die ihren Anspruch innerhalb des genannten Zeitraums geltend gemacht hätten (Art. 14 § 3 Abs. 1 Satz 2 ReföDG). Damit sei nicht nur klar gewesen, dass der Bundesgesetzgeber aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 für den Zeitraum ab 1990 keine Korrektur für erforderlich gehalten habe, sondern auch, dass der Bundesgesetzgeber rückwirkende Korrekturen aufgrund verfassungsgerichtlicher Entscheidungen auf solche Beamte beschränke, die ihre Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätten. Hätte bei dem Kläger tatsächlich ein Irrtum bestanden, wäre dieser also spätestens im Jahr 1997 ausgeräumt gewesen. Das Entsprechende gelte hinsichtlich des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99; der Kläger habe seinen Antrag erst mehr als zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten gestellt.

Darüber hinaus sei bereits fraglich, ob der geltend gemachte Irrtum bzw. das Vertrauen auf die Entbehrlichkeit eines Antrages oder eines Widerspruches überhaupt ein Hindernis im Sinn des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sein könne. Solche Hindernisgründe seien in der Regel absoluter Natur wie z.B. das Fehlen eines Nachtbriefkastens oder das Nichtbeherrschen der deutschen Sprache. Die betroffenen Bediensteten seien aber trotz der Hinweise bzw. der streitgegenständlichen Verfügung der OFD weiterhin in ihrer Entscheidung objektiv frei gewesen, die entsprechenden Handlungen vorzunehmen, so dass durch die Verfügung kein Hindernis (absoluter Natur) für die Antragstellung geschaffen worden sei. Zwar kämen im Einzelfall auch Unkenntnis oder Irrtum als Hinderungsgründe in Betracht, doch sei die in diesem Fällen besonders streng zu prüfende Verschuldensfrage vorliegend zu bejahen. Etwaige Unklarheiten hätten durch Rückfragen beseitigt werden können.

Abgesehen davon wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung zum jetzigen Zeitpunkt verspätet, da nicht bei der zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das - einmal unterstellte - Hindernis wäre spätestens mit der Verkündung des BBVAnpG 99 am 24. November 1999 weggefallen. Selbst ein rechtlich nicht vorgebildeter Bediensteter habe durch die Verkündung der Regelung in Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BBVAnpG 99 bemerken müssen, dass auf dem Gebiet der Alimentation kinderreicher Beamter nunmehr eine klare Aussage des Gesetzgebers vorliege. Er hätte dies zumindest zum Anlass nehmen müssen, umgehend bei seinem Dienstherrn nachzufragen, wie denn die Rechtslage nunmehr zu verstehen sei. Daneben sei das Erfordernis der rechtzeitigen Antragstellung auch noch durch die Bescheide der BFD vom 20. Februar 2002 und vom 20. Juni 2002 sowie durch das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2002 bestätigt worden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei aus diesen Gründen lediglich bis längstens zwei Wochen nach der Verkündung des BBVAnpG 99 möglich gewesen, also bis zum 8. Dezember 1999. Der in dem gerichtlichen Aufklärungsschreiben dargestellten vorläufigen Auffassung des Senats, dass die Zweiwochenfrist nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG für die Stellung eines entsprechenden Wiedereinsetzungsantrages erst mit Zustellung des Anhörungsschreibens beginne, könne nicht gefolgt werden.

Auch die für den Wiedereinsetzungsantrag zusätzlich bestehende Jahresfrist nach Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 sei nicht eingehalten worden. Der Antrag sei nicht infolge höherer Gewalt unmöglich. Diese liege nur bei außergewöhnlichen Ereignissen vor, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder hätten abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen hätten verhindert werden können. Zwar könne die höhere Gewalt in besonders gelagerten Fällen auch in einer irreführenden Anregung oder Auskunft einer Behörde zu sehen sein. Die Verfügung der OFD sei aber nicht irreführend in diesem Sinn gewesen. Selbst wenn man aber von höherer Gewalt ausgehe, sei diese spätestens mit der Verkündung des BBVAnpG 99 behoben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei für jedermann klar und offensichtlich gewesen, dass zur Wahrung aller Rechte Anträge zu stellen gewesen seien.

Für den Fall, dass der Senat dem Begehren des Klägers entsprechen sollte, werde folgender weiterer Antrag gestellt:

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wird zugelassen (§ 132 Abs. 1 und 2 Ziff. 1 VwGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm die erhöhten familienbezogenen Gehaltsbestandteile für sein drittes Kind für den Zeitraum vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 1998 - gemäß den im Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 1999 festgesetzten monatlichen Erhöhungsbeträgen - in Höhe von 6.251,61 Euro (entspricht 12.226,41 DM) nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit gewährt.

Nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 erhalten die Kläger und Widerspruchsführer, die ihren Anspruch innerhalb des Zeitraums vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1998 geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden worden ist, für das dritte und jedes weitere in ihrem Ortszuschlag bzw. Familienzuschlag zu berücksichtigende Kind monatliche Erhöhungsbeträge, die sich auf der Grundlage von 115 vom 100 des jeweiligen durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (Az. BvL 26/91 u.a., BVerfGE 99, 300) bestimmten Maßgaben errechnen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Der Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 in der Besoldungsgruppe A 7, danach (mindestens) einschließlich des Jahres 1998 in Besoldungsgruppe A 8. Seine drei Kinder wurden in den Jahren 1988, 1991 und am 25. April 1993 geboren .Damit waren die familienbezogenen Voraussetzungen für die Erhöhung des verfahrensgegenständlichen Gehaltsbestandteils ab dem 1. April 1993 und bis zum Ablauf des Jahres 1998 gegeben.

Erfüllt ist auch die weitere Voraussetzung der genannten Vorschrift, wonach über den Anspruch des Klägers nicht schon abschließend entschieden worden sein darf. Dienstbezüge von Beamten müssen in der Regel nicht in Form von Verwaltungsakten festgesetzt werden (vgl. die Senatsentscheidung vom 19.10.2005 Az. 3 B 03.2888). Ihre Höhe ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. So haben die "Gehaltsmitteilungen", die der Dienstherr seinen Bediensteten (insbesondere bei Änderungen) zukommen lässt, nur nachrichtlichen Charakter. Die Qualität eines Verwaltungsakts hat in der Regel erst ein auf Einwendungen des Beamten gegen die Höhe der ihm mitgeteilten Bezüge ergehender Widerspruchsbescheid, wie ihn die Behörde auf Grund eines Widerspruchs gemäß § 126 Abs. 3 BRRG in einem ggf. in eine Leistungsklage mündenden Verfahren erlässt. Vorliegend ergriff allerdings der Kläger (nach einer langen Wartezeit) die Initiative, fragte mit Schreiben vom 20. Dezember 2001 beim Dienstherrn nach, weshalb er bislang - entgegen seinen Erwartungen - noch keine Nachzahlungen erhalten habe, und bat um Überprüfung. Ergänzt wurde diese Bitte durch den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 28. Dezember 2001. Daraufhin erließ die BFD am 20. Februar 2002 einen entsprechenden, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Ablehnungsbescheid, gegen den fristgerecht Widerspruch eingelegt wurde. Der nachfolgend ergangene Widerspruchsbescheid wurde wiederum fristgerecht mit Klage zum Verwaltungsgericht angefochten. Diese ist Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Zu Unrecht sieht der Beklagte die außerdem bestehende tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Leistung nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 als nicht gegeben an, wonach der Kläger seinen Anspruch innerhalb des maßgeblichen Zeitraums - vorliegend also innerhalb der Haushaltsjahre 1993 bis 1998 - geltend gemacht haben muss.

Allerdings hat der Kläger während dieser Zeit davon abgesehen, sich mit einem entsprechenden Begehren bzw. einem förmlichen Antrag und gegebenenfalls bei deren Ablehnung mit entsprechenden Rechtsbehelfen an seinen Dienstherrn zu wenden. Doch wird dieser Umstand dadurch geheilt, dass dem Kläger hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher der Anspruch geltend zu machen war, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist und zwar gemäß Art. 32 BayVwVfG (sofern man darauf abstellen will, dass der "Widerspruch" als Klagevoraussetzung nicht in § 68 VwGO, sondern in § 126 Abs. 3 BRRG statuiert wird; im Folgenden wird die Problematik an Hand des Art. 32 BayVwVfG abgehandelt) bzw. gemäß der dieser Norm - soweit entscheidungserheblich - inhaltsgleichen Vorschrift des § 60 VwGO (sofern man die Verweisung in § 70 Abs. 3 VwGO betonen möchte). Der Kläger war nämlich ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 einzuhalten, wobei ihm auch infolge höherer Gewalt die Einhaltung der Jahresfrist des Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG nicht möglich war. Er hat auch mit seinem Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachgeholt, indem er die ihm seiner Meinung nach zustehenden, aber wider Erwarten ausgebliebenen Nachzahlungen anmahnte und um Überprüfung des Sachverhalts bat. Somit ist ihm hinsichtlich des genannten Zeitraums, innerhalb dessen er seinen Anspruch geltend machen musste, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 4 VwGO von Amts wegen zu gewähren, da alle dafür tatbestandsmäßigen Voraussetzungen gegeben und auch vom Kläger glaubhaft gemacht worden sind. Darüber hinaus lässt sich dessen Schriftsatz vom 20. Dezember 2001 auch als - zulässiger und begründeter - Wiedereinsetzungsantrag i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auslegen.

Damit verlieren die vom Verwaltungsgericht angeführten Erwägungen zu dem Gesichtspunkt, dass der Kläger bei Ausfall des Rechtsgrunds des Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 3 BBVAnpG 99 einen Nachzahlungsanspruch weder auf die Verfügung der OFD unmittelbar (Grundsätze des Gesetzesvorbehalts und des Gesetzesvorrangs) noch auf den Gesichtspunkt der Leistung von Schadensersatz unter dem Aspekt einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn stützen kann, für den Ausgang des Verwaltungsstreitverfahrens ihre Relevanz.

Im Einzelnen gilt folgendes:

Der Kläger machte mit dem von ihm selbst bei der BFD eingereichten Antragsschreiben vom 20. Dezember 2001 geltend, ihm sei durch die OFD mit Verfügung vom 28. Januar 1991 "gegen Kenntnisnahme" mitgeteilt worden, dass für die Zeiträume ab 1990 weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden müssten. Deshalb sei er verwundert, dass er - obwohl nach seiner Kenntnis bereits Nachzahlungen für den Zeitraum ab 1990 abgewickelt worden seien - noch keine Nachzahlungen erhalten habe. Er bitte um Überprüfung. Im ergänzenden Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. Dezember 2001 ließ er weiter ausführen, er habe es im Vertrauen auf diese Verfügung unterlassen, nach der Geburt seines dritten Kindes am 25. April 1993 gegen seine zu niedrige Besoldung weiter vorzugehen, letztlich in gutem Glauben darauf, dass ihm Nachteile nicht entstehen könnten. Schließlich habe ihm sein Dienstherr ausdrücklich bekannt gegeben, dass Anträge nicht gestellt und Widersprüche nicht eingelegt werden müssten.

Die vom Kläger geschilderte Situation und seine darauf gegründete Erwartungshaltung als Ursache für die lange Untätigkeit sind glaubhaft, denn er hat seinem Schriftsatz vom 21. August 2002 an das Verwaltungsgericht, in dem er seine Klage begründet hat, als Anlage K 7 die Ablichtung eines Schreibens der OFD mit dem Datum vom 28. Januar 1991 beigefügt. Darin werden (im materiellen Teil inhaltsgleich mit einem dem Senat vorliegenden Schreiben des bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 21. Dezember 1990 - FMS -) Hinweise zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - und vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 u. a. - gegeben. Im letzten Absatz des FMS werden die Empfänger (nach der Adressatenliste die übrigen bayerischen obersten Landesbehörden und eine Reihe anderer Behörden) gebeten, die Hinweise auch den nachgeordneten Dienststellen und von ihnen beaufsichtigten Anstalten, Stiftungen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften bekannt zu geben. In die gleiche Richtung, aber noch weiter geht der letzte Absatz der Verfügung der OFD, wonach die Adressaten - unter anderem die Vorsteher der Finanzämter - gebeten werden, die vorstehenden Ausführungen sämtlichen Beamten der jeweiligen Dienststelle in geeigneter Weise gegen Nachweis zur Kenntnis zu geben. Damit im Einklang steht der (nunmehr auch nicht mehr bestrittene) Vortrag des Klägers, er sei seinerzeit von dem Inhalt der Verfügung gegen Unterschrift in Kenntnis gesetzt worden, was mit der Ablichtung einer Umlaufliste des Finanzamts W. vom 30. Januar 1991 (Behördenakt II der BFD Blatt 30) und der dort vom Kläger unter dem Datum vom 12. Februar 1991 geleisteten Unterschrift bestätigt wird.

Die Verfügung der OFD war inhaltlich geeignet, beim Kläger zu der Zeit, als sein drittes Kind geboren wurde, den Eindruck zu erwecken, er könne vorerst untätig bleiben, ohne sich der Gefahr eines Rechtsverlustes auszusetzen. Maßgeblich für den Inhalt einer behördlichen Erklärung ist nämlich nicht das von der Behörde Gewollte, sondern der Erklärungsinhalt, wie ihn der Adressat bei objektiver Würdigung verstehen durfte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. zutreffend etwa OVG Münster vom 30.6. 2004, NVwZ-RR 2005, 451). Unzweifelhaft war der Kläger Adressat der ihm gegen Unterschrift zur Kenntnis gegebenen Verfügung der OFD. Deren Inhalt, Intention und Wirkung stellen sich in den verfahrensrelevanten Passagen bei unbefangener Betrachtungsweise aus dem insofern maßgeblichen Empfängerhorizont des Beamten wie folgt dar: Das Schreiben ist zweigeteilt. Unter GldNr. II. ist der vorliegend nicht verfahrensrelevante Gegenstand "Familienlastenausgleich hinsichtlich Kindergeld" abgehandelt, der Gegenstand des in der Verfügung eingangs genannten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84 u.a. - ist. Unter GldNr. I werden Folgerungen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 1990, Az. 2 BvL 1/86 (BVerfGE 81, 363 ff.) zum Thema "Verfassungswidrigkeit der kinderbezogenen Teile des Ortszuschlags" dargestellt. Davon betreffen die Absätze [1] und [2] den (im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.März 1990 ausschließlich behandelten) Zeitraum vom 1. Januar 1977 bis zum 31. Januar 1981.

Die Absätze [3] mit [8] betreffen die "Besoldungsrechtslage nach dem 31.1.1981". Dieser Zeitraum wird in der "Verfügung" nach zwei Abschnitten unterteilt abgehandelt:

Der Zeitraum vom 1. Februar 1981 bis 31. Dezember 1989 ist in den Absätzen [3], [6] und wohl auch [7] und [8] behandelt. Das ergibt sich einmal ausdrücklich aus Abs. [6] Satz 1, wobei es ersichtlich statt des Datums "1.1.1982" im Anschluss an Abs. [2] Satz 1 und Abs. [3] Satz 1 richtig heißen muss: "1.2.1981". Zum anderen sind hier angesprochenen die "späteren Regelungen", für die nach Abs. [3] Satz 2 die Verfassungswidrigkeit der dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegten Vorschriften "nicht ohne Folgen bleiben kann". Eine "allgemeine" Korrektur kommt dabei nach Abs. [3] Satz 3 für den betreffenden Zeitraum nicht in Betracht. Daran schließt Abs. [6], insbesondere Satz 3, an. Thema ist dort eine auf den Einzelfall beschränkte, individuelle Korrektur.

Der (im vorliegenden Verfahren allein verfahrensgegenständliche) Zeitraum ab dem 1. Januar 1990 (bis auf weiteres) ist Gegenstand der Abs. [3] bis [5] (das erschließt sich aus einer Zusammenschau von Abs. [3] Satz 3 hinsichtlich des Beginns und von Abs. [6] Satz 1 hinsichtlich des Endes und namentlich aus dem Wort "ebenfalls"). Die Intention des Bundesverfassungsgerichts für "spätere Regelungen" (im Sinn des Abs. [3] Satz 2) wird "hierbei" (im Sinn des Abs. [3] Satz 3) dahingehend verstanden, dass eine allgemeine Korrektur der für verfassungswidrig erklärten Regelung nur für den Zeitraum in Betracht kommt, der mit dem Haushaltsjahr 1990 beginnt. In diesem Jahr ist nämlich die verfassungsgerichtliche Entscheidung ergangen, durch welche die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist. Der verwendete Begriff "allgemeine Korrektur" kann in diesem Zusammenhang nur so verstanden werden, dass er den Gegensatz zu einer "individuellen Korrektur" bilden soll, wie sie (nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des dort zu betrachtenden Zeitraums) für diejenigen Beamten vorzunehmen ist, die ihren von Verfassung wegen zustehenden Anspruch auf amtsangemessene Alimentation zeitnah, also während des jeweils laufenden Haushaltsjahres gerichtlich geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden worden ist (für den Zeitraum vom 1.2.1981 bis 31.12.1989 trifft Abs. [6] entsprechende Aussagen). Für die so zu verstehende "allgemeine Korrektur" stellt Abs. [4] (in unmittelbarem Anschluss an die Zeitvorgabe "ab dem Jahr 1990" und einleitend mit dem bezugnehmenden Wort "insoweit") klar, dass hierfür weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden müssen. Der folgende Absatz [5] gibt nähere Hinweise auf die mögliche technische Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch auf die (aus der Sicht des Jahres 1990) "heutige" Rechtslage. "Demgemäß" (so ausdrücklich Abs. [5] Satz 3) müsse erst abgewartet werden, welche Regelungen der Gesetzgeber hinsichtlich der Bundesverfassungsgerichtsbeschlüsse vom 29. Mai 1990 zum Kindergeld und Kindergeldfreibetrag treffe.

Der Beklagte vertritt im gerichtlichen Verfahren die Auffassung, dass in den Absätzen [3] mit [5] für den Zeitraum ab dem Jahr 1990 nur insoweit eine Aussage getroffen sei, als der Gesetzgeber die ihm im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nahe gelegten Folgerungen (Abs. [3] Satz 2) auch tatsächlich ziehen würde. Da dies - wie die dann erfolgte Regelung des Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 gezeigt habe - nicht der Fall gewesen und in der "Verfügung" eine für diese Situation ausdrücklich differenzierende Regelung nicht formuliert worden sei, sei die gesamte "Verfügung" für den betreffenden Personenkreis einschließlich des Klägers nicht einschlägig und schon deshalb könne sich dieser auf sie nicht berufen.

Der Senat ist - über seine in dem an die Beteiligten gerichteten Aufklärungsschreiben vom 8. Juni 2005 geäußerte Meinung hinaus - mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Beklagten nunmehr vertretene Auffassung zumindest für den betroffenen Personenkreis und auch für das Gericht nicht nachvollziehbar ist. Ein den Text sorgfältig zur Kenntnis nehmender, unbefangener Beamter - und zwar unabhängig von seiner Laufbahngruppe bzw. Vorbildung - konnte daraus, ohne dass ihm Zweifel oder Bedenken kommen mussten, lesen bzw. sich in seiner dahin gehenden, ohnehin nahe liegenden Auffassung bestärkt fühlen, dass sich sein Dienstherr (bzw. der auch für diesen verbindliche Regelungen treffende Bundesgesetzgeber) der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mitschwingenden Erwartung, die bei der gegebenen Konstellation als Aufforderung zu entsprechendem Handeln verstanden werden durfte, nicht verschließen werde. Vielmehr konnte dieser Beamte nach der ihm mit der "Verfügung" gegebenen Information die Erwartung hegen, dass der Gesetzgeber die für verfassungswidrig erklärte Regelung (und damit war nach der eindeutigen Diktion in Abs. [3] Satz 3 auch der seinerzeitige Ist-Zustand, der nicht unmittelbar Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Entscheidung war, gemeint) für die Zukunft - also ab dem Jahr 1990 - korrigieren werde. Deshalb durfte der Beamte die entsprechenden Passagen in Abs. [3] Satz 3 - und im Anschluss daran in Abs. [4] - in diesem Sinn verstehen. Das lag auch grammatikalisch und sinngemäß nahe, denn der Text "nur für den Zeitraum in Betracht kommt" lässt sich nicht nur konditional (in dem Sinn: "falls überhaupt"), sondern auch als temporal beschränkend (in dem Sinn: "nur für diesen Zeitraum angezeigt") verstehen. Nach dem soeben erörterten Textzusammenhang durfte der Beamte die letztere dieser Alternativen seinem Verständnis zugrunde legen, zumal im folgenden Absatz [5] nähere Ausführungen über die als Nächstes (auf dem Weg zum Gesetz) erfolgenden Verfahrensschritte und hinsichtlich eventuell zu berücksichtigender Parameter für eine Neuregelung enthalten sind - wohlgemerkt im Indikativ und auch sonst ohne jede den vorgestellten, beginnenden Verfahrensablauf als lediglich möglich indizierende Einschränkung.

Die Alternative einer völligen Untätigkeit des Gesetzgebers in Richtung einer allgemeinen Regelung wird hingegen auch nicht andeutungsweise erwähnt. Nimmt man sie aber dennoch - der heutigen Sichtweise des Beklagten folgend - in den Blick, so irritiert das Gesamtbild. Nur für die - in den verfahrensgegenständlich relevanten Absätzen der "Verfügung" dann als einzige angesprochene Fallgestaltung anzusehende - Situation, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Korrektur vornehmen werde, trifft dann die Feststellung zu, dass "insoweit" weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden müssen. Eine solche Aussage ist aber angesichts des Gesamttextes, der eine Auslegung des Begriffs "allgemein" nur im Sinn einer rückwirkenden Korrektur zugunsten aller Betroffenen, unabhängig von ihrem individuellen Verhalten zulässt, vom Adressaten als eine schiere Selbstverständlichkeit zu verstehen. Für die bei einer solchen Betrachtung dann als ausgeklammerte Fallgestaltung anzusehende Situation, dass der Gesetzgeber (wie dann wirklich geschehen) keine allgemeine Korrektur vornehmen werde, gälte die Feststellung, die nur hier einen über eine reine Banalität hinausreichenden Sinn ergäbe, hingegen nicht. Der Senat ist unter den gegebenen Umständen nicht der Auffassung, dass der betroffene Beamte einen derartigen Gedankengang nachzuvollziehen hatte. Mit Blick auf diese Alternativentwicklung hätte der Dienstherr mit seiner Aussage zu der allein problematischen Fallgestaltung geschwiegen und damit die Notwendigkeit einer - vorsorglichen - Antragstellung verschleiert.

Aus dem Gesamttext der "Verfügung" erschließt sich aus heutiger Sicht nicht einmal eindeutig, ob sich der Verfasser (der Dienstherr) seinerzeit bei der Formulierung von Abs. [3] Satz 3 der beiden dargestellten Auslegungsmöglichkeiten, und weiter noch, ob er sich der dahinter stehenden Frage, ob der Gesetzgeber im Sinn der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts tätig werden oder untätig bleiben würde, überhaupt bewusst war. War dies nicht der Fall, so kann er nicht im Nachhinein den betroffenen Beamten ansinnen, sie hätten seinerzeit klarer sehen müssen als er selbst und ihm stehe es nunmehr in Kenntnis der tatsächlich eingetretenen Entwicklung zu, die für die Beamten ungünstigere und für ihn selber günstigere Variante zum Maßstab seines Handelns zu machen. Vielmehr gilt dann der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der eine Erklärung formuliert, im Zweifel das Risiko ihrer Zweideutigkeit zu tragen hat. Erst recht muss der Dienstherr die Folgen einer ihm nachteiligen Auslegungsmöglichkeit der Erklärung hinnehmen, wenn ihm bewusst gewesen sein sollte, dass die entsprechende Passage zumindest missverständlich gewesen ist. Es hat nämlich in seiner Hand gelegen, durch eine ergänzende Klarstellung der Gefahr eines Missverständnisses entgegenzuwirken, und diese Verhinderung eines "Fallstricks" war auch eine ihn auf Grund seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten treffende Obliegenheit. Ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer zur Rechtswahrung gebotenen vorsorglichen Antragstellung wäre in dieser Situation veranlasst gewesen.

Angesichts dieser Wirkung, die die Verfügung der OFD entfaltete, hat der Kläger durch sein Schreiben vom 20. Dezember 2001 (ergänzt durch den Schriftsatz vom 28. Dezember 2001) zunächst plausibel dargelegt, dass der Inhalt der "Verfügung" kausal dafür war, dass er nicht innerhalb der durch Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 vorgegebenen Fristen und demnach "zeitnah" im Sinn der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinen Anspruch in der erforderlichen Weise geltend gemacht hat. Aus seiner - wie oben ausgeführt: zulässigen und maßgeblichen - Sicht konsequent zeigte er sich verwundert darüber, dass er noch keine Nachzahlungen erhalten hatte, und bat um Überprüfung. Damit machte er deutlich, dass die Kenntnis von der "Verfügung" und sein in diese gesetztes Vertrauen und nicht etwa andere Gründe ihn davon abgehalten hatten, innerhalb des von der gesetzlichen Übergangsvorschrift eröffneten Zeitraums seinen Nachzahlungsanspruch in der vom Gesetz geforderten Weise geltend zu machen. Dem steht auch nicht der vom Beklagten erwähnte Umstand entgegen, dass die den erhöhten Besoldungsanspruch begründende Geburt des dritten Kindes am 25. April 1993 erfolgte, die ihm gegen Unterschrift bekannt gegebene Verfügung der OFD aber (schon) vom 28. Januar 1991 datierte.

Der Kläger hat durch sein Schreiben vom 20. Dezember 2001 (ergänzt durch den Schriftsatz vom 28.12.2001) des Weiteren die versäumten Handlungen, nämlich des Inhalts, innerhalb der in Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 gesetzten Fristen jeweils seine Ansprüche geltend zu machen, nachgeholt. Er hat nämlich seinem Dienstherrn in eindeutiger Weise erkennbar gemacht, was er von ihm begehrte und inwiefern er sich durch dessen (aus seiner - des Beamten - Sicht bisheriges, angesichts der gegenüber anderen Beamten in vergleichbarer Situation erbrachten Leistungen unverständliches) Untätigbleiben in seinen Rechten verletzt fühlte. Damit hat er - abgesehen von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Frist - alles getan, was Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 voraussetzen. Mithin ist er dem dort genannten Kreis der anspruchsberechtigten (Kläger bzw. hier zutreffend:) Widerspruchsführer zuzurechnen . Dies folgt aus der (im Schriftsatz vom 28.12.2001 zitierten, wenn auch unzutreffend mit der Jahreszahl 2000 versehenen) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2001 (BVerwGE 114, 350). Diese geht nämlich (anhand einer von einem Beamten gegen den Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis erhobenen Schadensersatzklage, aber in einer auf alle Fälle, in denen das Erfordernis eines Vorverfahrens konstitutiv auf § 126 Abs. 3 BRRG gegründet ist, verallgemeinerungsfähigen Weise) von der Überlegung aus, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift die Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage aus dem Beamtenverhältnis lediglich die Durchführung eines Vorverfahrens, nicht aber einen vorangegangenen "Antrag" voraussetzt. Dieses Vorverfahren dient der Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch den Dienstherrn auch im Interesse des Beamten. Anhand der dafür erforderlichen Konkretisierung des Begehrens lassen sich die Darlegungsanforderungen ermitteln, die ein Widerspruch, um seinem Zweck gerecht werden zu können, erfüllen muss. Demnach muss der Rechtsbehelf für den Dienstherrn (lediglich) erkennbar machen, wogegen er eingelegt und was mit ihm begehrt wird. Hinter diesen Voraussetzungen bleiben die Anmahnungen der Klägerseite vom 20. und 28. Dezember 2001 nicht zurück.

Die Anmahnungen vom 20. und 28. Dezember 2001 enthalten neben der Nachholung der versäumten Handlungen konkludent auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Fristen, innerhalb derer die versäumten Handlungen nach dem Gesetz ursprünglich hätten vorgenommen werden müssen. Die für die Annahme eines konkludenten Wiedereinsetzungsbegehrens nach der Rechtsprechung (vgl. hinsichtlich des § 60 VwGO die Entscheidung BVerwG vom 15.7.2002, Az: 7 B 37/02 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 63, 389; vgl. hinsichtlich Art. 32 BayVwVfG zu der insofern gleichen Rechtslage nach § 32 Abs. 1 BremVwVfG OVG Bremen, Entscheidung vom 10. November 2000, Az: 1 A 308/00; jeweils zitiert nach Juris) erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Danach müssen sämtliche die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen aktenkundig sein und aus den Angaben in der Rechtsmittelschrift muss sich eindeutig die Verspätung des Rechtsmittels ergeben, weil nur dann der Wille des Rechtsmittelführers, die Wiedereinsetzung zu beantragen, unterstellt werden könne. Dies trifft vorliegend zu.

Zudem ist die - keinem Ermessen unterliegende - Wiedereinsetzung nach Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG auch ohne Antrag zu gewähren, da, wie noch näher auszuführen sein wird, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Ohne Erfolg macht der Beklagte im Berufungsverfahren - ohne auf die konkrete Situation bezogene nähere Begründung - geltend, bei dem in Art 9 § 1 BBVAnpG 99 genannten Zeitraum handele es sich nicht um eine gesetzliche Frist im Sinn des Art. 32 BayVwVfG. Der Begriff der Frist in Art. 31 Abs. 1 wie in Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG erfasst festgelegte Zeiträume, die u. a. den Beteiligten für bestimmte Verfahrenshandlungen zur Verfügung stehen. Gesetzliche Fristen sind solche, die durch Rechtsnormen festgelegt sind (so zutreffend Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 31 RdNrn. 4 und 6 zu dem in den vorliegend maßgeblichen Teilen mit Art. 31 BayVwVfG übereinstimmenden § 31 VwVfG). Art. 32 BayVwVfG gilt für alle gesetzlichen Fristen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes einschließlich der materiellrechtlichen Fristen außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens, insbesondere für Fristen zur Antragstellung gemäß Art. 22 BayVwVfG, durch die ein Verfahren eingeleitet werden soll.

Durch einen nach § 126 Abs. 3 BRRG eingelegten Widerspruch soll ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und nicht etwa fortgesetzt werden. In dieser rechtlichen Situation braucht nämlich gerade kein an die Behörde gerichteter Antrag mit dem Ziel eines positiven Ausgangsbescheids voranzugehen (vgl. BVerwG vom 28.6.2001 a.a.O.). Der Widerspruch, der in Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 (alternativ zur Klage) als Voraussetzung für die Leistung der erhöhten Bezüge genannt wird, ist in diesem Sinn zu qualifizieren. Deshalb erschöpft sich die Bedeutung der für seine Einlegung vorgesehenen verfahrensrechtlichen Frist im (formalen) Ablauf eines konkreten Verwaltungsverfahrens; sie berührt hingegen nicht die materiellrechtliche Position der Beteiligten (vgl. dazu. Kopp/Ramsauer a.a.O., Art. 32 RdNr. 5 und Art. 31 RdNrn 7 und 8).

Durchgreifende Gegenargumente bestehen nicht, aus denen plausibel herzuleiten wäre, weshalb es sich bei den Fristen für derartige Anträge um sog. uneigentliche Fristen, insbesondere Ausschlussfristen, handeln sollte, auf die in der Tat Art. 32 BayVwVfG nicht anwendbar ist. Wegen ihrer einschneidenden Folgen bedürfen solche Fristen stets einer - hinreichend eindeutigen - gesetzlichen Grundlage und einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Vorausgesetzt wird demnach ein öffentliches Interesse daran, dass selbst bei unverschuldeter Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgen soll, dass gewissermaßen der Sinn der gesetzlichen Regelung "mit der Fristbeachtung steht und fällt". Dies ist etwa der Fall bei Zulassungsfristen für Bewerbungsverfahren bei begrenzter Kapazität (namentlich wegen der einschneidenden Folgen zulasten bereits zugelassene Dritter bzw. zulasten der Gesamtheit der Zugelassenen bei erfolgreichen Nachmeldungen, die die Kapazitätsgrenzen sprengen) oder auch bei der materiellen Verwirkungspräklusion im planungsrechtlichen Verfahren (BVerwG vom 17.10.2005, Az. BN 1.05, NVwZ 2006, 85). Dies ist aber z. B. nicht der Fall, wenn der Sinn der gesetzlichen Regelung nur darin liegt, dass die Behörde zu einem möglichst frühen Zeitpunkt eine Übersicht über die voraussichtlichen Forderungen erhalten soll (vgl. dazu Kopp/Ramsauer a.a.O. § 31 RdNrn. 8 ff.). Dieser letztgenannten Situation liegt die vorliegend zu beurteilende Fallvariante weit näher als jener, bei der es absolute Kapazitätsgrenzen zu schützen gilt, zumal die Einführung der verfahrensgegenständlichen Fristen ausschließlich darin begründet ist, die haushaltsmäßige Belastung des Dienstherrn gering zu halten. Dies fordert keine unüberwindbare zeitliche Grenze.

Etwas Gegenteiliges kann der Senat auch der vom Beklagten benannten Entscheidung des OVG Münster vom 28. Januar 2004 (Az.1 A 458/01) nicht entnehmen. Dort ist lediglich ausgeführt, dass Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BBVAnpG 99 der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspreche, wonach die dort festgestellte langwierige verfassungswidrige Unteralimentierung der Beamten mit drei oder mehr Kindern rückwirkend zu Gunsten derjenigen Beamten zu beheben sei, die ihren verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch für amtsangemessene Alimentation zeitnah durch Klage oder Widerspruch geltend gemacht hätten. Zu dem danach privilegierten Personenkreis gehöre der dortige Kläger nicht. Im Hinblick darauf, dass die vom dortigen Kläger aufgestellte Behauptung, er habe den erforderlichen Antrag rechtzeitig gestellt, unbeweisbar geblieben war, unterließ das Gericht die Prüfung der Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dem ohne weitere Begründung gebliebenen Argument des OVG Münster, bei dem Beginn des Vorverfahrens in dem jeweiligen Haushaltsjahr gemäß Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BBVAnpG handele es sich um eine materielle Anspruchsvoraussetzung und nicht um eine Frist, deren Versäumung im Weg der Wiedereinsetzung geheilt werden könnte, folgt der erkennende Senat aus den dargestellten Erwägungen nicht.

Den weiteren vom Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkt, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand müsse auch deshalb ausscheiden, weil die anspruchsbegründende Norm des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht durch Landesrecht ausgeweitet werden könne, hält der Senat ebenfalls nicht für zutreffend. Mit dem Beklagten geht er freilich davon aus, dass der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht (Art. 74 a Abs. 1 GG) und davon im Hinblick auf die Nachzahlungen von kinderbezogenen Anteilen im Familienzuschlag für die Jahre 1988 bis 1998 mit Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 abschließend Gebrauch gemacht hat. Eine Ausweitung dieser Anspruchsnorm durch eine landesrechtliche Regelung wäre freilich nicht zulässig. Sie kann aber nicht in der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gesehen werden, auch wenn sie durch eine landesrechtliche verfahrensrechtliche Regelung wie Art. 32 BayVwVfG erfolgt. Sollte der Beklagte seine Überlegungen vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Auffassung angestellt haben, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Fristen um materiell-rechtlich wirkende Ausschlussfristen handle, so sind dem die vorstehenden Erwägungen des Senats zu dieser Frage entgegenzuhalten. Zudem verlöre das auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen abstellende Argument auch dann seine Wirkung, wenn man bundesrechtliche Verfahrensregelungen heranzöge wie die oben erwähnte Vorschrift des § 60 VwGO oder § 32 VwVfG, der bei sonst gleicher Fallkonstellation bei der Zuständigkeit einer Bundesbehörde anzuwenden wäre und mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, eine solche Wiedereinsetzung gleichermaßen vorsieht.

Der Senat sieht ferner das vom Beklagten ins Feld geführte Argument als unzutreffend an, wonach für den Fall, dass der in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 genannte Zeitraum als gesetzliche Frist (im Sinn des Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG) angesehen werde, eine Wiedereinsetzung nach Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG deshalb ausgeschlossen wäre, weil sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergebe. Aus dem Wortlaut des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 und der dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lasse sich nämlich entnehmen, dass - wie bei einer materiellen Ausschluss- bzw. Präklusionsfrist - die Wiedereinsetzung selbst bei unverschuldeter Versäumung der Frist nicht möglich sei.

Dem Beklagten ist insoweit zuzustimmen, als der in dem Beamtenverhältnis als in einem wechselseitig bindenden Treueverhältnis stehende Beamte zwar die Pflicht hat, auf die Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Verantwortung für das Gemeinwohl Rücksicht zu nehmen. Doch ist dieser - von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung durchaus betonten - Pflicht hinreichend damit Genüge getan, dass Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 überhaupt Fristen für das Geltendmachen der Ansprüche setzt und zwar solche, die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon abgelaufen waren. Das schließt aber nicht aus, dass hinsichtlich dieser Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, denn damit wird der berechtigte Personenkreis nicht willkürlich und ohne triftigen Grund erweitert, sondern lediglich bei einer wohlbegründeten Indikationslage - unter Beachtung rechtsstaatlicher Erfordernisse - vervollständigt. Macht ein Beamter geltend, er habe die ihm zur Verfolgung seiner Ansprüche eröffnete gesetzliche Frist nur deshalb versäumt, weil er in seinem Vertrauen auf eine Äußerung seines Dienstherrn irregeleitet worden sei, so kann ihm dieser Dienstherr (und ebenso wenig der Gesetzgeber, der die im Bereich des Dienstherrn anzuwendenden Gesetze erlässt) die von einem Verfahrensgesetz für derartige Fälle vorgesehene Möglichkeit, die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft zu machen und auf diese Weise sein Recht zu suchen, nicht von vornherein mit der Berufung auf die Besonderheiten des verfassungsrechtlich verankerten beamtenrechtlichen Treueverhältnisses verbauen. Der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung entspricht es nämlich auch, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ein allgemeines Grundrecht auf ein faires Verfahren ergibt. Daraus folgt z. B., dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten darf. Dies gilt insbesondere für den Fall des eigenen widersprüchlichen Verhaltens (BVerfGE 78, 123/126). Dieses Fairnessgebot ist auch auf das behördliche Verfahren zu übertragen und bei behördlichen Fehlern im Zusammenhang mit Fristen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG NVwZ 1994, 575), wobei Unklarheiten im Verhalten der Behörde (unbeschadet der Frage, ob solche vorliegend nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont überhaupt bestanden haben), zu Lasten der Verwaltung gehen (vgl. zutreffend OVG Münster vom 30.6.2004, NVwZ-RR 2005, 451). Gerade in Fristfragen muss dem Rechtssuchenden klar erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. Die Grenze des - unter dem Gesichtspunkt einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung und dem sich daraus auch ergebenden Grundsatz von Treu und Glauben - dem Bürger Zumutbaren ist jedenfalls dann überschritten, wenn auf ihn die Verantwortung für Risiken und Unsicherheiten abgewälzt wird und die Ursache hierfür allein in der Sphäre der öffentlichen Gewalt zu finden ist (BVerfGE 69, 381/386 f.). Bei der Gesamtschau des verfahrensgegenständlichen Geschehensablaufs werden wesentliche Züge einer solchen Situation erkennbar. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand insbesondere mit der Begründung zu gewähren sein kann, dass auch die Behörde für die Versäumung einer Antragsfrist ein Verschulden trifft. Unverschuldete Fristversäumung im Sinn des § 32 VwVfG erfordert nämlich, dass dem Betroffenen nach den gesamten Umständen kein Vorwurf daraus zu machen ist, dass er die Frist versäumt hat, und dass ihm die Einhaltung der Frist zumutbar gewesen ist. Dieses Kriterium der Zumutbarkeit räumt die Möglichkeit ein, den vom Gesetz nicht geregelten Fall eines Verschuldens auch der Behörde zu berücksichtigen (so zutreffend OVG Münster vom 29.9.2004, NVwZ-RR 2005,449, dessen Entscheidung sich der Senat anschließt). Dabei kommt dem angesprochenen Gebot der Fairness im beamtenrechtlichen, wechselseitig bindenden Treueverhältnis noch ein besonderer Stellenwert zu.

Sprechen somit keine Umstände gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 32 BayVwVfG, hat sich weiter ergeben, dass der Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Handlung des Widerspruchs nachgeholt worden ist, so hängt die Frage der Wiedereinsetzung des Klägers in den vorigen Stand noch davon ab, ob er glaubhaft gemacht hat, ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, die gesetzlichen Fristen für die Verfolgung seines Anspruchs einzuhalten, und ob er die verfahrensrechtlichen Fristen nach Art. 32 Abs. 2 Sätze 1 und 3 sowie Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG eingehalten hat bzw. nach den konkreten Umständen des Falles einhalten musste.

Dass sich der Kläger zur Zeit der Geburt seines dritten Kindes im Jahr 1993 und auch in den Jahren danach wegen seines Vertrauens auf die Verfügung der OFD vom 28. Januar 1991 aus rückblickender Sicht in einem Irrtum über seine Obliegenheit zur zeitnahen Antragstellung befand, ergibt sich ohne Weiteres aus den bisherigen Erörterungen. Dieser Irrtum bewirkte, dass die Antragstellung unzumutbar war, denn die Verfügung intendiert einmal, dass die Verwaltung vor der ineffektiven Arbeitsbelastung bewahrt bleiben sollte, wie sie eine Antragsflut mit sich gebracht hätte, und zum anderen, dass auch dem einzelnen Beamten die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens erspart werden sollte. Wie bereits ausgeführt, sieht der Senat die entsprechenden Passagen der Verfügung der OFD, wonach zur Erlangung einer Bezügeerhöhung unter dem Gesichtspunkt einer familiengerechten Besoldung für die Zeit ab 1990 weder Anträge gestellt werden noch Widersprüche eingelegt werden müssten, als eindeutig an. Aber selbst für den Fall der Mehrdeutigkeit müsste sich der Beklagte diese zurechnen lassen (vgl. OVG Münster vom 30.6.2004 a.a.O.; BSG vom 25.3.2003, Az. B 1 KR 36/01 R, BSGE 91, 39 ff. - hier zitiert nach Juris. Die letztgenannte Entscheidung hatte die rechtlichen Auswirkungen einer gemeinsamen Erklärung der Sozialpartner und Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zum Gegenstand, in der - vergleichbar mit der vorliegend zu beurteilenden Situation - dem betroffenen Personenkreis unter Hinweis auf mehrere beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Musterverfahren in Aussicht gestellt wurde, dass die zu erwartende Entscheidung auf gleich gelagerte Sachverhalte übertragen würde und dass insoweit weder Anträge noch Widersprüche erforderlich seien. Die entsprechende Textpassage hatte sich nachträglich als mehrdeutig zu Lasten der Versicherten herausgestellt. Das BSG gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand). Eine Veranlassung, den bei ihm entstandenen Irrtum durch Nachfrage beim Dienstherrn aufzuklären, hatte der Kläger schon deshalb nicht, weil Zweifel infolge des Verhaltens des Dienstherrn für ihn überhaupt nicht veranlasst waren. In dieser Situation war der Kläger im Sinn des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten.

Der Kläger hat nach Vorbringen und Aktenlage diesen Irrtum erstmals erkannt, als ihn auf seinen Antrag vom 20. Dezember 2001 hin die BFD im Ablehnungsbescheid vom 20. Februar 2002 darauf hinwies, dass er nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre, weil er seinen Anspruch nicht innerhalb des in Art. 9 § 1 BBVAnpG genannten Zeitraums geltend gemacht habe, wobei es auch genügt hätte, wenn er in einer Weise, wie sie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 28. Juni 2001 (a.a.O.) konkretisiert habe, zum Ausdruck gebracht hätte, dass er die ihm gewährte Besoldung im Hinblick auf ihren zu niedrig bemessenen kinderbezogenen Anteil für rechtswidrig halte. Weder hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er diese Rechtsprechung und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit seinem Anspruch schon vor dem Zeitpunkt seines Antrags gekannt hätte, noch ergibt sich ein entsprechender Anhaltspunkt aus den Akten. Auch kann dem Kläger nach der Lebenserfahrung nicht unterstellt werden, es sei unglaubhaft, dass er von dieser Rechtsprechung früher keine Kenntnis gehabt hätte.

Er muss sich auch nicht seine Unkenntnis als Verschulden zurechnen zu lassen. Vielmehr kann er sich - wie er dies auch im Antragsschreiben vom 20. Dezember 2001 zum Ausdruck gebracht hat - auf den Standpunkt zurückziehen, er habe noch auf die Verfügung der OFD vertraut und erwartet, der Dienstherr werde von sich aus tätig werden.

Selbst wenn man dieser vom Senat vertretenen und seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Sichtweise nicht folgen wollte, so würde dies an dem Ergebnis nichts ändern. Gravierend steht nämlich im Raum, dass die Verfügung der OFD einen Irrtum erregt hat und dass der Dienstherr dies - namentlich im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Entwicklung - auch erkennen musste; er konnte diesbezüglich an sich selbst keine geringeren Anforderungen stellen als an die Adressaten, denen die Verfügung zur Kenntnisnahme gegeben worden war. Unter diesen Umständen durfte es der Dienstherr nicht darauf ankommen lassen, ob die betroffenen Beamten von sich aus dieser Entwicklung folgen und die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen würden. Vielmehr war der Dienstherr gehalten, in der gleichen Weise, in der er den Irrtum erregt hatte, oder auf eine andere geeignete Art die betroffenen Beamten über ihre rechtliche Situation aufzuklären und ihnen entsprechende Verhaltenshinweise an die Hand zu geben. Hat der Dienstherr dies unterlassen, so liegt darin ein Mitverschulden, das - auch im Licht der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht - ein (etwaiges) eigenes Verschulden des Betroffenen in der Weise relativiert, dass sich der Dienstherr auf das Verschulden des Betroffenen wegen des eigenen - die Situation prägenden - ursächlichen Verschuldens nicht berufen darf. Ein Verschulden des Klägers wäre jedenfalls durch Umstände aus der Sphäre der beklagten Behörde in einem solchen Maß beeinflusst, dass hier die gebotene Fairness schon zu einer Wiedereinsetzung durch den Beklagten selbst hätte führen müssen (vgl. zu einer insofern vergleichbaren Situation zutreffend OVG Münster vom 29.9. 2004, a.a.O., unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts NVwZ 1994, 575).

Auch sonstige Umstände, die sich zwischen der Geburt des dritten Kindes des Klägers und seiner Antragstellung ereignet haben, können nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass der Kläger wegen einer - mangels Beweisen ohnehin lediglich unterstellbaren - zwischenzeitlichen Kenntnis entweder bei offener Frist (Art. 9 § 1 BBVAnpG 99) nicht mehr ohne Verschulden gehindert gewesen wäre, diese einzuhalten (Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG), oder aber dass er nach Fristende zumindest wegen des Wegfalls des Hindernisses in der Lage gewesen wäre, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, aber die Zweiwochenfrist nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG versäumt hätte.

Dies gilt zunächst für den vom Beklagten dargelegten Gesichtspunkt, dass der Kläger nicht das Inkrafttreten des Dienstrechtsreformgesetzes (ReföDG) am 1. Juli 1997 zum Anlass genommen habe, zeitnah einen Antrag zu stellen oder sich auf die Verfügung der OFD zu berufen. Mit diesem Gesetz sei bereits deutlich geworden, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, eine allgemein wirkende Anpassung für die Jahre 1990 bis 1997 vorzunehmen. Eine solche Argumentation kann nicht zu Lasten des Klägers durchgreifen. Zunächst ist nämlich nicht erkennbar, inwiefern der Kläger dieses Gesetz in dem für die Wiedereinsetzungsfristen maßgeblichen Zeitraum zur Kenntnis genommen hätte. Sodann erfasst dieses Gesetz nicht den vorliegend verfahrensgegenständlichen Zeitraum (sondern die Zeit vom 1.1.1977 bis 31.12.1989). Darüber hinaus - und das ist vor allem entscheidend - lässt sich daraus nichts hinsichtlich der Wirkung der Kernaussage der "Verfügung" in deren Absätzen [3] bis [5] in der Interpretation herleiten, auf die sich der Kläger zutreffend berufen kann. Wie schon ausgeführt lautet sie, dass der Dienstherr die Entscheidung, ob beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eine Nachzahlung erfolgen werde, nicht von der Stellung eines Antrags bzw. der Einlegung eines Widerspruchs durch die Beamten abhängig machen wollte, weil in Fortschreibung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine finanzielle Besserstellung der betroffenen Beamtengruppe erwartet wurde und nur die Modalitäten der Umsetzung (Kindergeld, Steuerfreibetrag, Familienzuschlag) als offen angesehen wurden.

Die gleichen Gründe gelten auch hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 (BVerfGE 99, 300) und des im Sinn dieser Rechtsprechung ergangenen Art. 9 § 1 BBVAnpG 99, abgesehen von dem Umstand, dass davon auch der Zeitraum umfasst wird, für den der Kläger Ansprüche geltend macht. Der Beklagte wendet hier ein, für den Kläger hätten verschiedene Möglichkeiten dafür bestanden, von der nunmehr auch mit Wirkung für die Vergangenheit festgeschriebenen Rechtslage Kenntnis zu nehmen. Spätestens von da an habe die Zweiwochenfrist für die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu laufen begonnen und sie sei längst abgelaufen. Doch hat der Beklagte dies (und erst recht eine tatsächliche Kenntnisnahme) - auch in der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2005 - nicht näher verifzieren können, so etwa weder hinsichtlich einer Veröffentlichung in einer Mitgliederzeitschrift der Finanzgewerkschaft noch in Bezug auf ein Anschreiben der BFD im Jahr 2000. Auf der anderen Seite wirkt die Verfügung der OFD auch noch in dieser Zeit insofern nach, als sie den Kläger davon abhalten konnte, sich beim Dienstherrn nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass diese Nachwirkung nur zeitlich begrenzt angenommen werden kann, doch ist hier dem Kläger eine unvertretbar lange Dauer der Untätigkeit noch nicht entgegenzuhalten. Sein Vorbringen ist auch in dieser Richtung insofern stimmig, als er den Zeitpunkt seiner Mahnung an den Dienstherrn vom 20. Dezember 2001 damit begründet hat, er habe von Leistungen an Kollegen gehört und sei überrascht, dass er bisher unberücksichtigt geblieben sei.

Unabhängig hiervon gilt aber noch Folgendes: Selbst wenn der Kläger vom dem Inkrafttreten des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 erfahren hätte und selbst wenn er ferner in der Lage gewesen wäre, nunmehr zu erkennen, dass die Verfügung der OFD bei ihm einen Irrtum erregt hatte und dass mindestens eine Nachfrage beim Dienstherrn veranlasst war, so hätte dies alles nicht die unverschuldete Verhinderung des Klägers i.S.d. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aufgehoben. Der Kläger hätte nämlich dann zwar gewusst (bzw. sich vielleicht die Möglichkeit, das entsprechende Wissen zu erlangen, zurechnen lassen müssen), dass er die in Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 gesetzten Fristen nicht eingehalten hatte. Doch wäre daraus nicht ohne weiteres zu seinem Nachteil der Schluss zu ziehen gewesen, dass damit die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu laufen begonnen hätte. Der Dienstherr hat - wie schon erwähnt - trotz Erörterung in der mündlichen Verhandlung nicht nachweisen können, dass er den Kläger auf die für ihn neue und nachteilige Rechtssituation hingewiesen hätte. Auf der anderen Seite hatte aber gerade die dem Dienstherrn zuzurechnende Verfügung der OFD zur Folge, dass der Kläger seine Ansprüche auf erhöhte Besoldung nicht zeitnah geltend gemacht hat und somit überhaupt erst in diese nachteilige Rechtssituation geraten ist. Will sich der Beklagte nunmehr (wenngleich, aus seiner Sichtweise konsequent, nur hilfsweise) zudem noch darauf berufen, dass der Kläger die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt hat, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass der an der Fristwahrung hindernde Grund, der eine Wiedereinsetzung rechtfertigt, auf seinem eigenen - also des Beklagten - Verschulden, nicht aber auf dem des Klägers, beruht. In dieser Situation fordert aber der Grundsatz fairer Verfahrensführung eine ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. für die Situation, dass Verfahrenshandlungen auf Fehler von Justizbediensteten beruhen, die Entscheidung des BVerfG vom 27.9.2005, Az. 2 BvR 172/04, m.w.N. [JuS aktuell 2005 Heft 12 S. XIV], zitiert nach Juris; diese Grundsätze muss sich auch eine Verwaltungsbehörde, die ebenfalls zu einer fairen Verfahrensführung verpflichtet ist, entgegenhalten lassen). Sollte also der Kläger von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 bzw. vom Inkrafttreten der Vorschrift des Art. 9 § 1 BBVAnpG 99 erfahren haben, so müsste dies dennoch nicht hinsichtlich der Möglichkeit, erhöhte Alimentierung zu beantragen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindern. Im Hinblick darauf, dass der Kläger mit seinem Antrag vom 20. Dezember 2001 - bei einer Auslegung seines Begehrens, das seinen erkennbaren Interessen bestmöglich Rechnung trägt (s. BVerfG vom 5.7.2005, NVwZ 2005,1304) - konkludent sowohl Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt als auch die versäumte Rechtshandlung nachgeholt hat, kann es dahinstehen, ob wegen der unterbliebenen Belehrung bereits die Frist zur Wiedereinsetzung in diese versäumte Frist nicht zu laufen begonnen hat oder ob davon auszugehen ist, dass diese Wiedereinsetzungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen begann, in dem der Kläger Kenntnis von der Notwendigkeit einer zeitnahen Antragstellung auf Besoldungserhöhung erhielt. Zwar wäre im letzteren Fall auch die Wiedereinsetzungsfrist inzwischen abgelaufen, doch müsste hierfür der Antrag vom 20. Dezember 2001 auch als - erfolgreicher - Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist gewertet werden. Unter diesen Umständen wäre zudem auf jeden Fall auch die Wiedereinsetzung ohne Antrag gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG möglich und geboten gewesen .

Der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht ferner nicht entgegen, dass die Jahresfristen nach Art. 32 Abs. 3 BayVwVfG i.V.m. Art 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 nicht eingehalten sind. Sie haben jeweils mit dem Ende des Haushaltsjahres, für das die erhöhte Besoldung zustand und "zeitnah" hätte geltend gemacht werden müssen, begonnen und sind jeweils ein Jahr danach abgelaufen. Daran scheitert die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber nicht, weil ein Wiedereinsetzungsantrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

Dieser Begriff hat in den Wiedereinsetzungsvorschriften nämlich eine subjektive Komponente, da es darum geht, dem jeweiligen konkreten Kläger einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu ermöglichen. Unter höherer Gewalt wird deshalb nicht nur wie im Haftungsrecht ein von außen kommendes, nicht beeinflussbares Ereignis (Krieg, Naturkatastrophe etc.), sondern jedes Geschehen verstanden, das auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Unabwendbar in diesem Sinn ist - unter dem Blickwinkel der dann fehlenden Zumutbarkeit - eine Fristversäumnis, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Belehrung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird. Das bringt bereits das Gesetz selbst zum Ausdruck, wenn es in § 58 Abs. 2 VwGO der höheren Gewalt den Fall gleichstellt, dass fälschlich eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Der darin zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke ist auf vergleichbare Konstellationen zu übertragen (zur entsprechenden Situation des § 66 Abs. 2 und des § 67 Abs. 3 SGG vgl. BSG vom 25.3.2003, Az. B 1 KR 36/01 R, BSGE 91, 39; hier zitiert nach Juris).

Hinzu kommt, dass die Verfügung der OFD in Abs. [4] im Sachzusammenhang mit Abs. [3], wonach "insoweit", also im Hinblick auf eine "allgemeine Korrektur" weder Anträge gestellt noch Widersprüche eingelegt werden müssen, den Gedanken intendiert, dass die darin liegende Erleichterung nicht nur zugunsten der betroffenen Beamten gewährt werde, sondern auch im Sinn einer Verwaltungsvereinfachung die Betroffenen daran hindert sollte, unnötige und unerwünschte Rechtsbehelfe zu ergreifen. In der sich daraus ergebenden Unzumutbarkeit der rechtzeitigen Vornahme einer fristgebundenen Handlung ist aber aus verfassungsrechtlichen Gründen immer ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt zu erblicken, nach dessen Wegfall die unverzügliche Nachholung der unterbliebenen Handlung durch Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ermöglichen ist (BVerfGE 71, 805/347 = NJW 1986, 1483; ferner BSG a.a.O.).

Dem Kläger ist somit nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BBVAnpG 99 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der dort gesetzten Fristen antragsgemäß unter entsprechender Verpflichtung des Beklagten der Betrag von 6.251,61 Euro zuzusprechen. Das entgegenstehende Urteil des Verwaltungsgerichts ist aufzuheben; der Berufung des Klägers ist stattzugeben.

Zinsen: §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Kosten: § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Zulassung der Revision: § 132 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1 VwGO, § 127 BRRG.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 6.251,61 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 3 GKG a.F., § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG i.d.F. des Gesetzes vom 2. Mai 2004 [BGBl I S. 718]).

Ende der Entscheidung

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