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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 3 CE 04.2899
Rechtsgebiete: VwGO, BayBG, GG


Vorschriften:

VwGO § 114 Satz 2
VwGO § 123
BayBG Art. 12 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
Zur Frage des Anordnungsgrundes mit Blick auf einen faktischen Bewährungsvorsprung des ausgewählten Bewerbers

Das Gebot, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, begrenzt die Möglichkeit zur Ergänzung der Auswahlerwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO)


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

3 CE 04.2899

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Dienstpostenbesetzung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. September 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Burger-Veigl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber

ohne mündliche Verhandlung am 21. Januar 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Um den im Mitteilungsblatt Nr. * der Bayerischen Polizei vom 14. Mai 2004 ausgeschriebenen Dienstposten des "Sachbearbeiters gehobener Dienst - Verbrechensbekämpfung - bei der Polizeidirektion B****** (A 12/A 13)" bewarben sich u.a. der Antragsteller und der Beigeladene. Besondere Qualifikationen wurden in der Stellenausschreibung nicht benannt. Nach der Ausschreibung ist der Dienstposten noch bis zum 30. Juni 2006 mit einem Beamten besetzt, der die Regelung der Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch nimmt. Die Dienstpostenbesetzung sollte daher zunächst nur im Wege der Aufgabenwahrnehmung, eine Beförderung des künftigen Stelleninhabers frühestens mit dem Ruhestandseintritt des derzeitigen Stelleninhabers zum 1. Juli 2006 erfolgen.

Der 1955 geborene Antragsteller wurde am 1. November 1992 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) ernannt; am 1. Februar 2000 wurde ihm das Amt eines Kriminalhauptkommissars der Besoldungsgruppe A 12 übertragen. In der vorletzten dienstlichen Beurteilung vom 2. Juni 2000 (Beurteilungsraum 1.6.1997 bis 31.5.2000), also in einem Amt der Besoldungsgruppe A 12, erhielt er das Gesamturteil 11 Punkte, in der letzten dienstlichen Beurteilung vom 10. Juni 2003 das Gesamturteil 14 Punkte.

Der 1959 geborene Beigeladene wurde am 1. März 1998 zum Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) ernannt; am 1. September 2001 wurde ihm das Amt eines Polizeihauptkommissars der Besoldungsgruppe A 12 übertragen. In der vorletzten dienstlichen Beurteilung - also in einem Amt der Besoldungsgruppe A 11 - erhielt er das Gesamturteil 12 Punkte, in der letzten dienstlichen Beurteilung erhielt er - wie der Antragsteller - das Gesamturteil 14 Punkte.

Ausweislich der Behördenheftung (Bl. 6/7) ist der Beigeladene mit Rangzahl 1.07 an erster Stelle, der Antragsteller mit Rangzahl 1.23 an zweiter Stelle der (neun Bewerber umfassenden) Bewerberliste gereiht.

Das Polizeipräsidium O********** bat das Bayer. Staatsministerium des Innern (StMI), im Rahmen der Dreierauswahl den Antragsteller auf dem Dienstposten zu bestellen. Dabei wurde insbesondere auf die kriminalpolizeiliche Verwendung des Antragstellers, die der Beigeladene nicht aufweisen könne, abgestellt.

Das StMI entschied sich für den Beigeladenen. Der Hauptpersonalrat stimmte der Beauftragung des Beigeladenen mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des ausgeschriebenen Dienstpostens zu. Aus dem Schreiben des StMI an den Hauptpersonalrat vom 21. Juli 2004 ergibt sich lediglich - neben den Rangzahlen der Bewerber eins bis drei -, dass die vorletzte Beurteilung des Beigeladenen das niedrigere Amt betrifft.

Mit Schreiben des PP O********** vom 17. August 2004, ausgehändigt am 18. August 2004, wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er bei der Besetzung der Stelle nicht habe berücksichtigt werden können und der Beigeladene mit Wirkung vom 1. September 2004 mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte beauftragt und ab 1. Juli 2006 auf dem Dienstposten bestellt werde.

Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. August 2004 Widerspruch.

Ferner beantragte er mit Schriftsatz vom 26. August 2004 beim Verwaltungsgericht Bayreuth, dem Antragsgegner zu untersagen, die im MBl Nr. * vom 14. Mai 2004 unter der Nr. 4.4 ausgeschriebene Stelle eines Sachbearbeiters/in gehobener Dienst - Verbrechensbekämpfung - bei der Polizeidirektion B****** (A 12/13) bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers bzw. bis zum Abschluss eines erneuten Auswahlverfahrens mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Ein Anordnungsgrund liege vor, weil bereits die Übertragung der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte einer effektiven gerichtlichen Kontrolle bedürfe. Würde der Mitbewerber tatsächlich die Dienstgeschäfte antreten, hätte er bei längerem Zuwarten einen erheblichen "Bewerbervorsprung". Ein Anordnungsanspruch sei gegeben, weil gegen das Prinzip der Bestenauslese verstoßen werde. Dem Antragsteller sei nicht bekannt, aus welchen Gründen sein Mitbewerber den Vorzug erhalten habe. Der Antragsteller erfülle das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle vortrefflich. Sein beruflicher Werdegang zeige neben seinen schutzpolizeilichen Tätigkeiten auch umfangreiche kriminalpolizeiliche Verwendungen. Soweit dem Antragsteller bekannt, könne der Beigeladene dagegen keine kriminalpolizeiliche Verwendung nachweisen. Außerdem schließe die letzte Beurteilung des Antragstellers mit der gleichen Punktzahl ab wie die des Beigeladenen. Bei der vorletzten Beurteilung sei der Beigeladene noch im statusrechtichen Amt der Besoldungsgruppe A 11, der Antragsteller dagegen in einem statusrechtlichen Amt der Besoldungsgruppe A 12 beurteilt worden; dieses Amt habe er damals erst seit vier Monaten innegehabt. Der Anspruch des Antragstellers könne auch nicht daran scheitern, dass die Stelle nicht unmittelbar zu einer Beförderung führe. Die neue Stelle sei als eine Stelle nach A 12/13 haushaltsrechtlich mit einem höheren statusrechtlichen Amt versehen. Es bestünden auf dieser Stelle bessere Möglichkeiten, eine weitere Beförderung zu erreichen.

Der Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 4. September 2004,

die schnellstmögliche Ablehnung des Bewerbers und die unverzügliche Einweisung in das Amt.

In seiner letzten periodischen Beurteilung sei festgestellt worden, dass er "für Führungsaufgaben und als Sachbearbeiter geeignet sei, z.B. als Sachbearbeiter g. D. E einer PD". Er sei in allen Sparten einer Polizeiinspektion in verantwortlicher Position tätig gewesen. Die Dienstgeschäfte des streitbefangenen Dienstpostens übe er seit Mitte August 2004 kommissarisch aus.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Die Auswahlentscheidung entspreche dem Prinzip der Bestenauslese. Die Bewerber seien bei der letzten Beurteilung beide in der Besoldungsgruppe A 12 mit 14 Punkten beurteilt worden. Jedoch habe der Beigeladene gegenüber dem Antragsteller die bessere Rangzahl, nämlich 1,07 gegenüber 1,23 erreicht. Bei der Heranziehung der Rangzahl sei im vorliegenden Fall beachtet worden, dass die vorletzte Beurteilung des Beigeladenen mit dem Gesamturteil von zwölf Punkten erstellt worden sei, als der Beigeladene noch der Besoldungsgruppe A 11 angehört habe. Bei dem Antragsteller sei dagegen auch die vorletzte Beurteilung bereits im Vergleich mit den Beamten der Besoldungsgruppe A 12 erstellt worden. Dass die vorletzte Beurteilung bei den Beamten für unterschiedliche Ämter erstellt worden sei, sei im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens gesehen worden. Die Besetzungsentscheidung sei daher nicht allein von der Rangzahl abhängig gemacht worden, vielmehr sei ein weiterer Leistungsvergleich angestellt worden. Der Beigeladene habe eine konstante Verbesserung seiner Leistungen gezeigt. Seit 1992 habe er seine Ergebnisse bei den periodischen Beurteilungen immer und zwar nach einer Beförderung verbessern können. Dies zeige auch die Steigerung der Beurteilung im Jahr 2000 mit 12 Punkten auf 14 Punkte im Jahr 2003, obwohl der Beigeladene am 1. September 2001 erst nach A 12 befördert worden sei, also 2003 erstmals im Vergleich mit den Beamten der Besoldungsgruppe A 12 beurteilt worden sei. Bei dem Antragsteller dagegen sei der Beurteilungsverlauf nach der Beförderung nach A 12 nicht so konstant gewesen. Seine letzte Beurteilung als Beamter der Besoldungsgruppe A 11 habe mit dem Gesamturteil "Sehr tüchtig" geendet. Bei der ersten Beurteilung in der Besoldungsgruppe A 12 habe er nur 11 Punkte erreichen können. Dies sei etwas schlechter als die vorhergehende Beurteilung, die nach dem neuen Beurteilungssystem etwa der Punktzahl 12 entsprochen hätte. Der Beigeladene sei zudem einige Jahre nach dem Antragsteller bei der Polizei eingestellt worden und in den gehobenen Dienst aufgestiegen. Trotz dieser etwas geringeren Erfahrung sei er ausweislich der letzten Beurteilung in der Lage, die gleichen Leistungen zu erbringen, wie sein erfahrenerer Kollege. Der Beigeladene habe bei der Anstellung - wie auch bei der Aufstiegsprüfung - deutlich besser als der Antragsteller abgeschnitten. Dies lasse auf ein höheres Leistungspotential des Beigeladenen schließen. Die Tatsache, dass der Antragsteller bisher immer im Kriminaldienst, der Beigeladene aber im uniformierten Dienst eingesetzt gewesen sei, sei berücksichtigt worden. Jedoch sei dazu anzumerken, dass die Verbrechensbekämpfung nicht nur bei der Kriminalpolizei, sondern auch bei der Schutzpolizei betrieben werde. Der Beigeladene sei jahrelang als Dienstgruppenleiter tätig gewesen und kenne somit die Möglichkeiten des uniformierten Dienstes auf diesem Gebiet gut. Insgesamt gesehen seien die beiden Bewerber als nahezu gleich gut geeignet anzusehen. Da der Beigeladene insgesamt eine bessere Leistungsentwicklung aufweise, sei er letztlich dem Antragsteller vorzuziehen gewesen.

Auf Anforderung des Erstgerichts legte das StMI eine Vergleichsberechnung vor, aus der sich ergibt, dass der Beigeladene bei einer rechnerischen Herabsetzung seiner vorletzten Beurteilung von 12 Punkten um einen Punkt auf 11 Punkte eine Rangzahl von 1,56, bei einer Herabsetzung um zwei Punkte eine Rangzahl von 2,07 erreichen würde.

Mit Beschluss vom 24. September 2004 entsprach das Verwaltungsgericht dem auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Begehren. Ein Anordnungsgrund bestehe, weil ein höherwertiger Dienstposten übertragen bzw. vorläufig verliehen werden solle, es sich also um eine statusberührende, ernennungs- und beförderungsähnliche Maßnahme handle, die nur schwer oder gar nicht wieder rückgängig gemacht werden könne. Wegen der Möglichkeit einer Bewährung auf dem Dienstposten komme schon der Beauftragung mit der Wahrnehmung der Dienstaufgaben des Postens eine vorentscheidende Bedeutung zu. Außerdem ergebe sich aus dem Bestellungsschreiben des StMI vom 6. August 2004 (Bl. 13 d. Behördenheftung) auch die Bestellung zum 1. Juni 2006.

Die Auswahlentscheidung habe wohl gegen das Verbot der Bestenauslese verstoßen. Aus den Behördenakten ergebe sich, dass lediglich auf die Rangzahl abgestellt worden sei. Nach den Beförderungsrichtlinien (Stand: 1.5.2003) gehe in die Rangzahlberechnung - neben Prüfungsnote und Dienstalter - die letzte dienstliche Beurteilung mit dem Faktor 3, die vorletzte Beurteilung mit dem Faktor 1,5 ein. In diesem standardisierten Verfahren werde grundsätzlich kein Verstoß gegen das Prinzip der Bestenauslese gesehen. Eine Auswahlentscheidung könne jedoch dann nicht auf die bessere Rangzahl gestützt werden, wenn in die Rangzahlen dienstliche Beurteilungen einflössen, die unterschiedliche Ämter beträfen und deshalb nicht vergleichbar seien. Die vorletzte Beurteilung des Antragstellers - mit elf Punkten - betreffe ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 12, die des Beigeladenen - mit zwölf Punkten - ein Statusamt der Besoldungsgruppe A 11. Eine irgendwie geartete Korrektur oder Berücksichtigung der fehlenden Vergleichbarkeit sei nicht erfolgt. Zwar könnten während eines anhängigen Rechtsschutzverfahrens Auswahlerwägungen "nachgeschoben" werden. Es erscheine trotzdem nicht unbedenklich, dass der Antragsteller schlechter als der Beigeladene einzuschätzen sei und zwar im Hinblick auf die richtige Gewichtung der vorletzten Beurteilung und die umfangreichere kriminalpolizeiliche Erfahrung des Antragstellers. Dieser erreiche schon bei einer rechnerischen Korrektur der vorletzten Beurteilung des Beigeladenen um lediglich einen Punkt eine niedrigere [und damit die bessere] Rangzahl.

Der Beigeladene hat Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. September 2004 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat ausdrücklich von einer Antragstellung abgesehen. Die vom StMI beim Verwaltungsgericht vorgetragenen Auswahlgesichtspunkte rechtfertigten die getroffene Entscheidung. Soweit der Beigeladene geltend mache, das VG hätte die ab 1. September 2004 geltende Rangzahlberechnungsformel berücksichtigen müssen, sei anzumerken, dass auch danach der Beigeladene die niedrigere Rangzahl mit 0,83 (gegenüber dem Antragsteller mit 1,20) hätte.

Der Antragsteller hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die vorgelegten Behörden- sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge, hinsichtlich des Vorbringens im Beschwerdeverfahren wird insbesondere auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Beigeladenen bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden.

Auch der Senat bejaht vorliegend einen Anordnungsgrund, obwohl der Beigeladene derzeit lediglich mit der kommissarischen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte betraut ist und erst zum 1. Juli 2006 auf dem streitbefangenen Dienstposten bestellt wird. Der Senat hält an seiner der früheren Auffassung (vgl. z.B. Beschluss vom 24.9.1996, Az. 3 CE 96.2023), dass bei einer neuen Auswahlentscheidung der während eines schwebenden Verfahrens erlangte Bewährungsvorsprung eines Bewerbers, der zwischenzeitlich kommissarisch mit einem Dienstposten betraut wurde, nicht zu berücksichtigen ist, sondern auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Auswahlentscheidung abzustellen ist, nicht mehr uneingeschränkt fest. Durch den Zeitablauf während eines gerichtlichen Verfahrens können sich - und zwar bei allen in die engere Auswahl einbezogenen Bewerbern - Veränderungen ergeben (sei es durch Entfallen der gesundheitlichen Eignung, sei es durch einen extremen Leistungsabfall oder disziplinarrechtlich relevante Vorkommnisse o.ä.), deren - quasi künstliche - Ausblendung bei einer späteren neuen Auswahlentscheidung zu Ergebnissen führen könnte, die zu dem Zeitpunkt, in dem der streitbefangene Dienstposten endgültig besetzt werden kann, mit dem Grundsatz der Bestenauslese nicht mehr vereinbar wären. Was das Vorliegen eines Anordnungsgrundes angeht, nimmt der Senat nunmehr - im Hinblick auf generell denkbare Verschiebungen der Ausgangssituation - die grundsätzliche Eilbedürftigkeit derartiger Fallkonstellationen jedenfalls dann an, wenn - wie hier - die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung bereits bei summarischer Prüfung offen zutage tritt (s. hierzu: VGH Baden-Württemberg vom 7.2.1997 IÖD 1997, 258; OVG NRW vom 15.11.2002, DÖD 2003, 167 und Zimmerling in RiA 2002, 169 m.w. Rspr.nachw.).

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch. Ob die getroffene Auswahlentscheidung, die der ablehnenden Entscheidung im Schreiben vom 17. August 2004 an den Antragsteller zugrunde liegt, dem Bewerberverfahrensanspruch des Antragstellers, (nämlich einer Auswahlentscheidung nach dem Prinzip der Bestenauslese, also nach Eignung, Genehmigung und fachlicher Leistung), genügt, lässt sich aus den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen. Die im Schreiben des StMI vom 14. September 2004 im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Auswahlerwägungen finden sich nicht - auch nicht ansatzweise - in den Behördenakten. Ein "Nachschieben von Gründen" etwa dergestalt, dass nach § 114 Satz 2 VwGO - dessen entsprechende Anwendbarkeit auch auf Verwaltungsakte, denen ein Beurteilungsspielraum zugrunde liegt, bejaht wird (vgl. Kopp, VwGO, 12. Aufl., RdNr. 49 zu § 114) - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Ermessens- (bzw. Beurteilungs-)erwägungen "ergänzt" werden, liegt hier nicht vor. Dem Behördenakt lässt sich nicht entnehmen, dass die im Schriftsatz vom 14. September 2004 vorgetragenen Erwägungen tatsächlich auch im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung angestellt wurden. Der gesamte Akteninhalt deutet darauf hin, dass allein die Rangzahl als entscheidend angesehen wurde. Von einer bloßen " E r g ä n z u n g " bereits außerhalb der Rangzahl angestellter Auswahlerwägungen kann daher hier nicht die Rede sein. Auch aus dem Sternchen im Schreiben des StMI vom 21. Juli 2004 an den Hauptpersonalrat mit dem Hinweis, dass die vorletzte Beurteilung des Beigeladenen das niedrigere Amt betraf, lässt sich nur entnehmen, dass diese Tatsache als solche gesehen wurde. Das Schreiben enthält jedoch keinerlei Anhaltspunkte, ob - und in welcher Art und Weise - dieser Aspekt in die Entscheidung einbezogen wurde. (Vgl. auch Kopp, VwGO, RdNr. 72 zu § 113, wonach die Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO ausgeschlossen ist, wenn die Verwaltung vorher keine Ermessenserwägungen angestellt hat.) Die im Schriftsatz vom 14. September 2004 geltend gemachten Erwägungen legen vielmehr die Annahme nahe, dass die ursprüngliche Auswahlentscheidung hierdurch nachträglich in ihrem Wesen verändert wurde, in dem sie einen neuen argumentativen "Unterbau" erhielt. Der Antragsteller wird dadurch in seiner Rechtsverteidigung im Eilverfahren beeinträchtigt (vgl. auch Eyermann/Rennert, VwGO, 11. Aufl. RdNr. 87 zu § 114), weil er nicht die Möglichkeit hatte, in Kenntnis dieser - jedenfalls nicht in den Akten dokumentierten - allein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Erwägungen zu entscheiden, ob er die Gründe der Auswahlentscheidung akzeptieren - und von der Geltendmachung vorläufigen Rechtsschutzes absehen will - oder ob er diese Auswahlgründe für unzutreffend hält und deshalb Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang auf die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21.1.2003 - 9 AZR 72/02, RiA 2004, 32) hin, wonach sich aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V. mit Art. 19 Abs. 4 GG die Pflicht des Dienstherrn ergibt, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen und so die Auswahlentscheidung transparent zu machen. Nur in Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen kann der unterlegene Bewerber entscheiden, ob er eine Auswahlentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Vor diesem Hintergrund muss nach Auffassung des Senats der Begriff "ergänzen" in § 114 Satz 2 VwGO abgegrenzt werden von neuen Erwägungen, die einer neuerlichen Auswahlentscheidung vorbehalten sind. Darüber hinaus ist auch deshalb von der Fehlerhaftigkeit der streitbefangenen Auswahlentscheidung auszugehen, weil ihr die frühere, vor dem 1. September 2004 maßgebliche Rangzahl zugrunde gelegt wurde, die nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht mehr standhalten kann. In diese Rangzahlberechnung wurde stets die vorletzte Beurteilung - und zwar mit dem Faktor 1,5 - einbezogen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 27.2.2003, Az. 2 C 16.02, DÖD 2003, 202) ist die Berücksichtigung älterer dienstlicher Beurteilungen bei einer Auswahlentscheidung dann (aber eben nur dann) geboten, wenn eine Stichentscheidung unter aktuell im wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist. Allerdings haben ältere dienstliche Beurteilungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht den Charakter bloßer Hilfskriterien. Das heißt, sie sind dann - aber nur dann - in eine Auswahlentscheidung miteinzubeziehen, wenn die Konkurrenten aktuell gleich beurteilt sind. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet das, dass die vorletzte Beurteilung nicht schon generell in die Rangzahl einbezogen werden, sondern nur bei einem Gleichstand bei der aktuellen Beurteilung mitberücksichtigt werden durfte (s. hierzu auch BayVGH vom 24.1.2000, Az.: 3 CE 99.2738).

Schließlich ist unter den gegebenen Umständen ungeklärt, wie es zu würdigen ist, wenn sich die vorletzte dienstliche Beurteilung der Bewerber auf unterschiedliche Ämter bezieht. Auch zu diesem Punkt ergibt sich aus den Behördenakten nichts. Jedenfalls verbietet sich ein schematischer Vergleich der Gesamturteile der Bewerber unter Außerachtlassung des damals jeweils innegehabten Amts. Hier sind in aller Regel vom Dienstherrn andere Kriterien heranzuziehen, die jedoch - wie dargelegt - schon deshalb vorprozessual aktenkundig gemacht werden müssen, damit der jeweilige Konkurrent, hier der Antragsteller, in seiner Rechtsverteidigung im Eilverfahren nicht beeinträchtigt wird und rechtzeitig prüfen kann, ob die Auswahlerwägungen des Dienstherrn sachlich zutreffen oder ob die Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtschutzes erfolgversprechend erscheint. Mit Blick darauf teilt der Senat nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Gericht seinerseits eine - mehr oder weniger willkürliche - Neuberechnung dergestalt heranziehen kann, dass für die vorletzten Beurteilungen eine Vergleichsbasis dadurch geschaffen wird, dass diejenige Beurteilung, die sich auf ein niedrigeres Amt bezieht (hier: die des Beigeladenen) mit einem um einen oder zwei Punkte niedrigeren Gesamtwert in die Rangzahlberechnung einbezogen wird.

Nicht zu folgen ist der Auffassung des Beigeladenen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung am 24. September 2004 die neue Formel zur Rangzahlberechnung, die ab 1. September 2004 gilt, hätte zugrunde legen müssen. Diese Formel gilt erst für Beförderungsentscheidungen des Dienstherrn, die nach dem 1. September 2004 getroffen werden. Das Gericht selbst kann eine solche Entscheidung nur kontrollieren, nicht aber im Weg einer vergleichenden Betrachtung selbst treffen.

Ob die Noten länger zurückliegender Anstellungs- und Aufstiegsprüfungen in die Auswahlerwägungen - bei gleichen aktuellen Beurteilungen - bereits generell als weitere Kriterien oder allenfalls als Hilfskriterien, wenn alle übrigen sachgerechten Kriterien einen Gleichstand der Konkurrenten ergeben, in die Auswahlentscheidung einbezogen werden können, erscheint - jedenfalls außerhalb einer sog. "Bewährungsbeförderung" (sh. hierzu BayVGH vom 5.4.2001, Az.: 3 B 99.1669) - nicht ganz unproblematisch. Das kann vorliegend jedoch offen bleiben, da der Antragsteller bereits aus den dargelegten Gründen mit seinem Begehren erfolgreich ist.

Als alleiniger Beschwerdeführer hat der Beigeladene gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG n.F.. Dabei war der Auffangstreitwert im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung zu halbieren.

Ende der Entscheidung

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