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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 3 CE 07.2937
Rechtsgebiete: VwGO, GG, BayRiG, BayBG, LbV


Vorschriften:

VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
BayRiG Art. 2 Abs. 1
BayBG Art. 12 Abs. 2
LbV § 51
Das Verhalten eines Dienstvorgesetzten, der einerseits einem Richter in dessen dienstlicher Anlassbeurteilung die Eignung zum Vorsitzenden Richter zuerkennt, sich aber andererseits im Rahmen eines in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahrens im Vorlageschreiben an die für die Auswahlentscheidung zuständige Stelle massiv von dem Gedanken distanziert, dem Beurteilten könne es realistisch gesehen möglich sein, das Amt eines Vorsitzenden Richters tatsächlich auszuüben, führt aus der - insofern maßgeblichen - Sicht eines objektiven Dritten zur Feststellung der Befangenheit des Beurteilenden (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23.4.1998, Az. 2 C 16/97, BVerwGE 106, 318).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

3 CE 07.2937

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Stellenbesetzung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 15. Oktober 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Thomas, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weber den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 18. Februar 2008

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 15. Oktober 2007 wird in seinen Ziffern II. und III. aufgehoben.

Dem Antragsgegner wird untersagt, die im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen (FMBl.) Nr. 3 vom 30. April 2007 ausgeschriebene Stelle eines Vorsitzenden Richters, die zum 1. Juni 2007 beim Finanzgericht München neu zu besetzen ist, mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen - StMF - Nr. 3/2007 vom 30. April 2007 wurde die ab 1. Juni 2007 wieder besetzbare Stelle eines Vorsitzenden Richters am Finanzgericht M. ausgeschrieben. Es bewarben sich der Antragsteller und der Beigeladene.

Der 1947 geborene Antragsteller steht als Richter am Finanzgericht M. - FG - im Dienst des Antragsgegners und ist seit dem 1. Dezember 1985 im Richterverhältnis auf Lebenszeit. Unter dem 17. November 2006 wurde er anlässlich einer letztlich erfolglosen Bewerbung mit dem Gesamturteil 14 Punkte beurteilt; dabei wurde ihm die Verwendungseignung zum Vorsitzenden Richter zuerkannt.

Gegen diese Beurteilung hat der Antragsteller Widerspruch erhoben, der mit Widerspruchsbescheid des Präsidenten des FG vom 29. Mai 2007 zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, die dort unter dem Az. M 5 K 07.2504 geführt wird.

Der 1956 geborene Beigeladene ist seit 1. Juni 1992 Richter am Finanzgericht M. im Richterverhältnis auf Lebenszeit. In einer unter dem 31. Mai 2007 erstellten Anlassbeurteilung erzielte er Gesamturteil 15 Punkte. Zu dem Stichwort "Verwendungseignung" wurde er als für die Stelle als Vorsitzender Richter geeignet beurteilt.

Das StMF teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. August 2007 mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne. Mit Zustimmung des Präsidialrats der Finanzgerichtsbarkeit sei beabsichtigt, die Stelle dem Beigeladenen zu übertragen, da dieser dem Antragsteller gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 94 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 2 Abs. 1 BayRiG i.V.m. Art. 12 Abs. 2 BayBG vorzuziehen sei. Der Beigeladene habe in der Anlassbeurteilung ein Gesamturteil von 15 Punkten erhalten.

Mit Schreiben vom 27. August 2007 erhob der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung Widerspruch und beantragte unter demselben Datum beim Verwaltungsgericht München,

im Wege einer einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner zu untersagen, die im Amtsblatt des StMF Nr. 3 vom 30. April 2007 ausgeschriebene Stelle eines Vorsitzenden Richters (Besoldungsgruppe R 3), die zum 1. Juni 2007 beim FG zu besetzen ist, mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.

Zur Begründung eines Anordnungsanspruchs trug er namentlich vor, ein spezifisches Anforderungsprofil für die Stelle eines Vorsitzenden Richters beim FG gebe es nicht. Deshalb könnten die Fähigkeiten der Bewerber nicht objektiv verglichen werden.

Der Antragsgegner begründete seinen Antrag auf Ablehnung des Antrags insbesondere damit, das Bewerberauswahlverfahren sei sachgerecht und unter Beachtung des Leistungsprinzips, nämlich auf der Grundlage der aktuellen dienstlichen Beurteilungen, erfolgt. Für die Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 17. November 2006 ergäben sich keine Anhaltspunkte, so dass die Tatsache der Anfechtung dieser Beurteilung einen Anordnungsanspruch nicht begründen könne. Der Präsident des FG habe versichert, dass er den Sachverhalt, der in einem vom Antragsteller angesprochenen Disziplinarverfahren bekannt geworden sei, in der Beurteilung nicht verwertet habe.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 15. Oktober 2007 ab. Es fehle an einem Anordnungsanspruch des Antragstellers. Formell sei die Auswahlentscheidung gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayRiG und Art. 2 AGFGO nach ordnungsgemäßer Ausschreibung vom dafür zuständigen Staatsminister der Finanzen getroffen worden; der Präsidialrat der Finanzgerichtsbarkeit sei gemäß Art. 35 Abs. 1, Art. 43 BayRiG beteiligt gewesen. Eine unzulässige Verlagerung der Auswahlentscheidung dergestalt, dass bereits vor der Stellenausschreibung eigenmächtig vom Präsidenten des FG durch gezielte Aufforderung zur Bewerbung und uneingeschränkt positive Beurteilung des zur Bewerbung aufgeforderten Richters eine Auswahl getroffen und diese anschließend vom zuständigen Ressortminister gleichsam rein formal abgezeichnet werde, sei nicht anzunehmen.

In materiell-rechtlicher Hinsicht begegne die angefochtene Auswahlentscheidung bei summarischer Prüfung ebenso keinen durchgreifenden Bedenken. Der Antragsgegner habe bei seiner Auswahlentscheidung, der er auch die für den Antragsteller erstellte Anlassbeurteilung habe zugrunde legen dürfen, das Prinzip der Bestenauslese gewahrt.

Wenn der Präsident des FG im Besetzungsvorschlag an das StMF im Schreiben vom 6. Juni 2007 ausführe, eine Ernennung des Antragstellers scheide nach seiner Meinung bereits aus persönlichen Gründen aus, und er dabei Bezug auf ein Schreiben vom 21. November 2006 nehme, lege das zwar der Schluss nahe, dass der Präsident des FG bei seinem Besetzungsvorschlag die Vorgänge, die dem Disziplinarverfahren zu Grunde gelegen hätten und im Besetzungsbericht des StMF als "Fax-Affäre" bezeichnet worden seien, einbezogen habe. Ob dem Antragsteller diese persönlichen Gründe nach Einstellung des Disziplinarverfahrens mit Einstellungsverfügung vom 27. Oktober 2006 entgegengehalten werden könnten, könne jedoch dahingestellt bleiben, denn im Besetzungsbericht des StMF werde zwar die "Fax-Affäre" angesprochen, sie sei jedoch kein Gesichtspunkt für die Besetzung. Maßgeblich sei der Beurteilungsvorsprung des Beigeladenen, der dem Leistungsgrundsatz entspreche.

Die angefochtene Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen erweise sich bei summarischer Prüfung auch nicht wegen einer (offensichtlichen) Fehlerhaftigkeit der für den Antragsteller erstellten dienstlichen Beurteilung als rechtswidrig. Beurteilungen seien für Auswahlentscheidungen grundsätzlich so maßgeblich, wie sie erstellt seien, und falls sie selbstständig angegriffen würden, müsse nicht etwa der Ausgang des gerichtlichen Klageverfahrens abgewartet werden. Etwas anderes gelte nur, wenn die Beurteilung offensichtlich fehlerhaft sei, sich im Leistungswettbewerb zu Lasten des Antragstellers auswirke und deshalb keine ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellen könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beurteilung sei formal rechtmäßig zu Stande gekommen und von dem dafür zuständigen und auch kompetenten Präsidenten des FG erstellt worden. Zumindest im summarischen Verfahren seien keine Umstände erkennbar, die dafür sprächen, dass der Beurteiler sich nicht ausreichende Kenntnisse über den Antragsteller verschafft habe. Es könne im Rahmen der summarischen Überprüfung auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beurteiler den Sachverhalt, der dem mit Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 27. Oktober 2006 gemäß Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayDG eingestellten Disziplinarverfahren zu Grunde gelegen habe, in der dienstlichen Beurteilung verwertet habe. Dies habe der Präsident des FG gegenüber dem StMF dargelegt. Soweit der Antragsteller vortrage, eine Verwertung ergebe sich aus den Ausführungen in der Beurteilung unter Textziffer 2.3, erster Halbsatz, könne dem nicht gefolgt werden. Hierbei handele es sich um eine allgemeine Äußerung, die nicht auf einem bestimmten Sachverhalt Bezug nehme. Darüber hinaus spreche gegen eine Verwertung der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Vorgänge das Gesamturteil mit 14 Punkten, das möglicherweise anders ausgefallen wäre, wenn man die Vorgänge des Disziplinarverfahrens berücksichtigt hätte.

Auch ansonsten bestünden keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung vom 17. November 2006. Anhaltspunkte dafür, dass sie die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers beeinträchtige, lägen nicht vor. Insbesondere würden bei der dienstlichen Beurteilung von Richtern auch die allgemeine Charakterisierung der Persönlichkeit, die Erörterung von Erledigungszahlen, Bemerkungen zur Verfahrensdauer und Anmerkungen zur Zusammenarbeit im Senat für zulässig gehalten.

Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss, der ihm am 19. Oktober 2007 zugestellt wurde, mit bei dem Verwaltungsgericht am 29. Oktober 2007 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er begehrt - sinngemäß - die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und verfolgt sein Antragsziel weiter.

Zur Begründung erneuert, vertieft und ergänzt er seinen erstinstanzlichen Vortrag. Namentlich rügt er Formfehler bei der Beteiligung des Präsidialrats am Auswahlverfahren, das regelmäßige Unterlassen von "Dreiervorschlägen" durch den Gerichtspräsidenten, Fehler bei Anwendung der formellen Auswahlkriterien im Auswahlverfahren (etwa bei der Umschreibung des Tätigkeitsgebiets, Lücken bei den Beschreibungen zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen, Anwendung uneinheitlicher Beurteilungsmaßstäbe) und sieht zahlreiche, in Einzelnen näher dargestellte Anhaltspunkte für die Voreingenommenheit des Beurteilers gegenüber den Antragsteller.

Der Antragsgegner verteidigt in seinen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und wendet sich gegen die vom Antragsteller im Rahmen der Beschwerdebegründung vorgebrachten Rügen. Insbesondere seien die Vorschriften des Bayerischen Richtergesetzes eingehalten worden, ebenso die Vorgaben des § 51 LbV und der einschlägigen Beurteilungsrichtlinien. Hinsichtlich einzelner, als unzutreffend gerügter Feststellungen (insbesondere Auftreten gegenüber Verfahrensbeteiligten, erschwerte Zusammenarbeit im Senat durch Anwesenheit lediglich an einem Tag pro Woche, "Sendungsbewusstsein") wird auf dem Beurteilungsbeitrag des (ehemals) zuständigen Vorsitzenden Richters Bezug genommen.

Sachfremde Erwägungen seien nicht in die Auswahlentscheidung bzw. in die Beurteilung miteinbezogen worden und es sei auch aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht eine mangelnde Objektivität und Voreingenommenheit des Beurteilers bei der Erstellung der Beurteilung festzustellen. Die Annahme des Antragstellers, bei der Auswahlentscheidung des Staatsministers der Finanzen hätte die so genannte "Fax-Affäre" eine Rolle gespielt, treffe objektiv betrachtet schon deshalb nicht zu, weil sich die Auswahlentscheidung allein an dem Beurteilungsvorsprung des Beigeladenen orientiert habe und damit nach dem Prinzip der Bestenauslese eine weitere Begründung nicht mehr erforderlich gewesen sei. Dass bei der Erstellung der Beurteilung die "Fax-Affäre" eine Rolle gespielt habe, erscheine völlig ausgeschlossen, da dennoch ein herausragendes Gesamtprädikat von 14 Punkten vergeben worden sei. Bestätigt werde dies durch die Notiz des Antragstellers über ein Gespräch mit dem Präsidenten des FG am 6. Juni 2007; der Präsident habe auf eine entsprechende Frage hin geäußert, dass er dem Antragsteller eine gute Beurteilung gegeben und den Vorgang hierbei nicht berücksichtigt habe. etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom Antragsteller vorgetragenen Hinweis des Präsidenten des FG vom 21. November 2006 an das StMF. Ein Anhaltspunkt für die mangelnde Objektivität des Beurteilers ergebe sich auch nicht aus der Ziffer 2.3 der Beurteilung.

Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2008 hat der Antragsteller erwidert; der Antragsgegner hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere auch der vom Antragsteller gestellten Beweisanträge, wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.

Das von dem Antragsgegner durchgeführte Stellenbesetzungsverfahren lässt - gemessen an den von dem Antragsteller dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - nicht in genügendem Maß erkennen, dass die Grundsätze der Bestenauslese in einer die Prognose rechtfertigenden Weise eingehalten wären, der Antragsteller werde mit seinem Begehren in dem Hauptsacheverfahren voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Deshalb ist ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.

Die im Rahmen der Stellenbesetzung vorzunehmende Auswahlentscheidung ist gemäß dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 94 Abs. 2 BV (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 BayRiG, Art. 12 Abs. 2 BayBG, §§ 2, 10 LbV) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen. Kommen mehrere Bewerber für einen höherwertigen Dienstposten in Betracht, muss der am besten Geeignete ausfindig gemacht werden. Bei einer im Wesentlichen gleichen Beurteilungslage kann der Dienstherr die Auswahl nach weiteren sachgerechten Merkmalen treffen. Diese Regeln dienen vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamten- und Richterstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten bzw. Richters an einem angemessenen beruflichen Fortkommen; ein Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (vgl. BVerwGE 80, 123 ff.; BayVGH vom 19. 1. 2000 Az. 3 CE 99.3309, BayVBl 2001 S. 215).

Ist unter mehreren Bewerbern eine Auswahl für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens zu treffen, so sind Feststellungen über Eignung, Befähigung und Leistung in erster Linie auf dienstliche Beurteilungen zu stützen (vgl. z.B. BVerwG Urteil vom 19.12.2002, Az. 2 C 31/01, BayVBl 2003, 533; Urteil vom 27.2.2003, Az. 2 C 16.02, BayVBl 2003, 693). Der Stellenbesetzungsvermerk des StMF (Besetzungsakt Blatt 19 und 20) hält formal diese Anforderung ein. Der Vorschlag zugunsten des beigeladenen Konkurrenten S. wird gleich zu Beginn der Auswahlerwägungen mit dessen "Beurteilungsvorsprung" (seine Anlassbeurteilung vom 31.5.2007: 15 Punkte; Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 17.11 2006: 14 Punkte) begründet. Dies würde ohne das Hinzutreten besonderer Umstände für eine Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen grundsätzlich ausreichen.

Der Antragsteller hatte jedoch seine Beurteilung mit einer Klage zum Verwaltungsgericht angefochten. Nach der Darstellung im Besetzungsvermerk hindere dies die Fortführung des Auswahlverfahrens aber nicht. Als unzutreffende, da eine überholte Rechtsprechung (Senatsbeschluss vom 27.9.1999, Az. 3 ZE 99.2338) zitierende Begründung wird referiert, eine dienstliche Beurteilung könne trotz Anfechtung und selbst bei einzelnen Anhaltspunkten für ihre Rechtswidrigkeit nur bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit, die sich im Leistungswettbewerb zulasten des Antragstellers auswirke, dazu führen, dass ein entsprechender Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz Aussicht auf Erfolg habe.

Eine solche Betrachtungsweise (der auch das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren gefolgt sind) ist mit dem Grundrecht des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht zu vereinbaren. Deshalb geht der Senat unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 24.9.2002, Az. 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.4.2002, Az. 2 C 19/01, BayVBl 2002, 675) davon aus, dass die Fehlerhaftigkeit einer dienstlichen Beurteilung bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, in dem ein Beförderungsamt angestrebt wird, zu beachten ist (vgl. zuletzt Beschluss vom 3.12.2007, Az. 3 CE 07.2748).

Nimmt der Senat demnach die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 17. November 2006 näher in den Blick, so fällt neben einem Gesamturteil mit dem Punktewert 14 die Zuerkennung der Verwendungseignung "Zum Vorsitzenden Richter geeignet" auf. Diese Beurteilung hat der dafür zuständige Präsident des FG verantwortlich erstellt.

Er macht jedoch - außerhalb der dienstlichen Anlassbeurteilung - gegen den Antragsteller gleichzeitig wegen dessen Verhaltens in der "Fax-Affäre" grundlegende Vorbehalte geltend. Darauf weist der Besetzungsvermerk ausdrücklich hin (in einer Fußnote wird der betreffende Vorfall kurz und mit dem - zutreffenden - Hinweis geschildert, die angefallenen Disziplinarvorgänge unterlägen inzwischen dem Verwertungsverbot). Eine diesbezügliche Einstellungsverfügung, wonach sich der gegen den Antragsteller gerichtete Verdacht nicht bestätigt habe - auf die im Besetzungsvermerk nicht hingewiesen wird - datiert vom 27. Oktober 2006. Das diese Vorbehalte enthaltende Vorlageschreiben des Präsidenten des FG an das StMF vom 6. Juni 2007 (Besetzungsakt Blatt 8), das von den beiden Bewerbern den Beigeladenen als eindeutig geeigneter bezeichnet, stellt ausdrücklich fest: "Unverändert gelten zur Bewertung von Herrn D. die Ausführungen in meinem Schreiben vom 21.11.2006 (Az. ...) fort. Eine Ernennung zum Vorsitzenden Richter scheidet m. E. bereits aus persönlichen Gründen aus."

In diesem in Bezug genommenen Schreiben vom 21. November 2006 hat der Präsident des FG dem StMF im Rahmen eines vorangegangenen Stellenbesetzungsverfahrens, anlässlich dessen die Anlassbeurteilung für den sich auch hier bewerbenden Antragsteller vom 17. November 2006 erstellt worden war, im Zusammenhang mit der Thematik "soziale Kompetenz" mitgeteilt, bei dem Antragsteller könnten die Eindrücke, die er in der Kollegenschaft aufgrund seiner Einlassungen zu dem erst kürzlich abgeschlossenen Disziplinarverfahren hinterlassen habe, nicht unberücksichtigt bleiben. Nachdem der Antragsteller im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren seine Beteiligung an dem gefälschten Fax an das StMF (also an dem den Gegenstand des seinerzeitigen Disziplinarverfahrens bildenden Vorgang) rundweg abgestritten habe, habe er später im Disziplinarverfahren eingeräumt, dass das fragliche Fax zwar aus seinem Hause stammte, aber nicht von ihm, sondern von seiner Tochter gefertigt worden sei. Immerhin seien aus der dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Gerichtsakte die Adresse und Unterschrift eines völlig unbeteiligten Steuerberaters und ehemaligen Kollegen für Fälschungszwecke entnommen worden. So weit für den Präsidenten des FG ersichtlich, hielten alle Kolleginnen und Kollegen des Finanzgerichts M. (dort ist der Antragsteller tätig) seine Einlassung für völlig unglaubwürdig. Als Kollege werde er kaum noch akzeptiert. Eine Ernennung zum Vorsitzenden Richter sei deshalb völlig undenkbar und würde auf einhellige Empörung stoßen.

Der Senat sieht hier eine nicht auflösbare Diskrepanz zwischen der Zuerkennung der Vorsitzendeneignung (ohne jede Einschränkung) in der Anlassbeurteilung einerseits und der massiven, schriftlich fixierten Distanzierung des Erstellers dieser Anlassbeurteilung von dem Gedanken, dem Antragsteller könne es, realistisch gesehen, möglich sein, das Amt eines Vorsitzenden Richters am Finanzgericht tatsächlich auszuüben. Der geringe zeitliche Abstand zwischen der Anlassbeurteilung und dem Schreiben vom 21. November 2006 von nur vier Tagen zwingt zu einer einheitlichen Betrachtung der Vorgänge. Die dabei zu Tage tretende Widersprüchlichkeit im Verhalten des Präsidenten des FG, von welchem dem Antragsteller im Regelfall nur die eine Seite, nämlich die in der Beurteilung enthaltene, positiv gefasste Verwendungseignung, bekannt zu geben war, führt aus der - insofern maßgeblichen - Sicht eines objektiven Dritten zur Feststellung der mangelnde Objektivität und Unvoreingenommenheit des Beurteilers gegenüber dem zu beurteilenden Richter. Das Vorgehen des Präsidenten des FG legt nämlich den Schluss nahe, dass dieser sich entweder nicht willens oder nicht in der Lage gezeigt hat, den Antragsteller sachlich und gerecht zu beurteilen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23.4.1998, Az. 2 C 16/97, BVerwGE 106, 318). Damit ist die gesamte Anlassbeurteilung und insbesondere das darin vergebene Gesamtprädikat von14 Punkten entscheidungserheblich in Frage gestellt und als Grundlage für eine Stellenvergabe nicht geeignet.

Dieser Eindruck kann nicht dadurch relativiert werden, dass der Beurteiler seine massiven Vorbehalte gegen den Antragsteller im Rahmen eines Vorlageschreibens an das StMF anlässlich eines konkreten Stellenbesetzungsverfahrens, das den Dienstposten eines Vorsitzenden Richters am FG M. betraf, zum Ausdruck gebracht hat. Der Gesamtvorgang lässt sich nämlich nicht in der Weise einschränkend interpretieren, der Beurteiler habe den Antragsteller bei grundsätzlicher Eignung zum Vorsitzenden Richter lediglich für eine derartige Stelle speziell beim FG M. für untragbar gehalten.

Zwar werden - im Übrigen völlig unsubstantiiert und auch im vorliegend rechtlich zu würdigenden Besetzungsverfahren, in das die Stellungnahme vom 21. November 2006 in vollem Umfang eingeführt wird, nicht näher plausibel gemacht - (nur) die Eindrücke, die der Antragsteller bei seinen Kollegen aufgrund seiner Einlassungen zu dem abgeschlossenen Disziplinarverfahren hinterlassen habe, angeführt. Doch geschieht das - wie die ausdrückliche Gegenüberstellung zu der Situation beim Mitbewerber L. zeigt - unter dem Gesichtspunkt der sozialen Kompetenz, also eines Beurteilungsmerkmals von erheblichem Gewicht, das sich nicht gewissermaßen milieubezogen auf die Verhältnisse an einem bestimmten Gericht reduzieren lässt. Diese vielmehr durchaus abstrahierende Betrachtungsweise des Beurteilers lässt sich auch anhand weiterer Ausführungen der Stellungnahme nachweisen. So sprächen für das übersteigerte Selbstbewusstsein und die mangelnde Kollegialität des Antragstellers nicht nur einige Vorfälle in der Vergangenheit und ein Schreiben, in dem er sein Amt als EDV-Beauftragter niedergelegt habe. Der Inhalt des gefälschten Faxes beruhe ebenfalls auf dem Gedankengut des Antragstellers; dies ergebe sich aus vorausgehenden Gesprächen im Kollegenkreis.

Die zuletzt zitierten Passagen führen auf dem Umweg des Hinweises auf das "Gedankengut" des Antragstellers auch dazu, dass - im Ergebnis - der Vorgang, der Gegenstand des gegen den Antragsteller eingeleiteten, sodann aber, da ein Dienstvergehen nicht erwiesen war, gemäß Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayDG eingestellten Disziplinarverfahrens auf indirekte Weise zulasten des Antragstellers verwendet wurde. Durch den Vollverweis im Rahmen des vorliegenden Stellenbesetzungsverfahrens (Schreiben des Präsidenten des FG vom 6.6.2007) wird das dort nicht näher spezifizierte "Gedankengut" über den Gegenstand des mit Verfügung vom 27. Oktober 2006 eingestellten Disziplinarverfahrens definiert. Mit Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 9. November 2006 (als Disziplinarbehörde) war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 2 BayDG die Frist für das Verwertungsverbot drei Monate beträgt und dass die betreffenden Disziplinarvorgänge nach Ablauf dieser Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 4 Satz 1 BayDG bei weiteren Disziplinarmaßnahmen und sonstigem Personalmaßnahmen nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Zwar mag das Verhalten des Präsidenten des FG - isoliert betrachtet - nicht im Gegensatz zu dem Wortlaut dieser Normen stehen, denn er bezieht sich nicht unmittelbar auf den Gegenstand des Disziplinarverfahrens als solchen. Dennoch ist die Vorgehensweise insgesamt geeignet, bei einer - insofern hier zulässigen (vgl. BVerwG a.a.O.) - retrospektiven Betrachtung den Rückschluss auf die Befangenheit des Beurteilers bei Erstellung der Beurteilung zu untermauern.

Die Folge ist, dass der Antragsteller realistische Aussichten hat, mit seiner gegen die Anlassbeurteilung gerichteten Klage (VG München, Az. M 5 K 07.2504) zu obsiegen. Dies würde den Rechtsstreit über die verfahrensgegenständliche Stellenbesetzung in der Hauptsache insofern präjudizieren, als dann feststünde, dass der Antragsteller als abgelehnter Bewerber in seinem subjektiven Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG, nämlich in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch, durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn, die sich maßgeblich auf eine rechtswidrig zu Stande gekommene Anlassbeurteilung stützt hat, verletzt worden ist.

In dieser Situation kann ein Bewerber eine neue Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint. Dieser Prüfungsmaßstab ist wie im Hauptsacheverfahren auch bei dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzulegen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen ebenfalls nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren genügt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.2004, Az. 2 VR 3/03, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 23).

So liegen die Dinge zu Gunsten des Antragstellers hier. Dem Senat erschließt sich aus dem vorliegenden Aktenmaterial nicht, weshalb nicht zu Gunsten des Antragstellers eine reelle Chance bestehen sollte, dass eine neue Anlassbeurteilung, nunmehr nachvollziehbar aufgrund eines rein sachbezogenen Werturteils erstellt und sich im Rahmen des dem Beurteiler offen stehenden Spielraums haltend, nicht zu anderen - besseren - Aussagen bei den Beurteilungsmerkmalen und namentlich bei dem Punktewert des Gesamturteils sollte kommen können. Damit ist offen, ob sich der Antragsteller bei einer erneuten Beurteilung nicht in der Weise verbessern könnte, dass (bei einem Gesamturteil mit einem Punktewert von 15) zumindest eine "Pattsituation" gegenüber dem Beigeladenen entstehen könnte. Eine auf einer solchen Grundlage, im Rahmen des nach wie vor laufenden Stellenausschreibungsverfahrens zu treffende, Auswahlentscheidung zu Gunsten des Antragstellers erscheint im Sinn der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung als "möglich". Dabei wäre ggf. auch Gelegenheit für eine - eindeutige - Positionierung des Beurteilers wie auch der bei der Auswahlentscheidung Beteiligten hinsichtlich der "Fax-Affäre" und zwar sowohl bezüglich des eigentlichen, den Gegenstand des Disziplinarverfahrens betreffenden Vorgangs als auch der "Eindrücke in der Kollegenschaft" im Hinblick auf etwaige "Einlassungen" des Antragstellers in diesem Kreis.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und dem Begehren des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz stattzugeben. Die Beschwerde muss demnach Erfolg haben.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die vorliegende Entscheidung eine - auf der Grundlage der vorhandenen Ausschreibung ergebnisoffen durchführbare - erneute Auswahlentscheidung nicht präjudiziert.

Kosten: § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO.

Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da er ebenso wie der Antragsgegner unterlegen ist.

Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG; dem vorläufigen Charakter des Antragsverfahrens ist Rechnung zu tragen.

Ende der Entscheidung

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